In der bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts zum Ritterkanton Kraichgau gehörenden
Stadt Neckarbischofsheim bestand eine jüdische Gemeinde bis 1940. Ihre
Entstehung geht in die Zeit des 16./17. Jahrhundert zurück. 1652
sind bereits acht Familien am Ort. Wie groß die Gemeinde bereits um 1700
war, wird daran deutlich, dass zwischen 1686 und 1730 der Beschneider R.
Seligmann aus Hüffenhardt
in Neckarbischofsheim 68 Beschneidungen vorzunehmen hatte. 1694 gab es sechs jüdische
Haushaltungen in der Stadt.
Von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis 1824 war Neckarbischofsheim Sitz eines
Bezirksrabbiners. Danach gehörte Neckarbischofsheim zum Rabbinatsbezirk Sinsheim.
Die letzten Rabbiner in Neckarbischofsheim waren Moses Bamberger (bis 1820) und
nach dessen Tod sein Sohn Jakob Koppel Bamberger; letzterer folgte 1824 einem
ehrenvollen Ruf nach Worms (siehe Bericht unten).
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie folgt: 1807 123 jüdische Einwohner (9,9 % von insgesamt 1.241 Einwohnern),
1813 140, 1825 187 (10,4 % von 1.798), 1859 189, 1865 160, 1875 117 (6,9 % von
1.684), 1884 122, 1900 109, 1925 40 (2,9 % von 1.395). Im Revolutionsjahr 1848
war es in Neckarbischofsheim zu einem "Judenkrawall" gekommen. Nach
der Emanzipation der Juden im Jahr 1862 gestaltete sich das Zusammenleben von
Juden und Christen in zunehmendem Maße tolerant und freundlich.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine
jüdische Schule (bis zur Auflösung 1876 eine Konfessionsschule im 1848
erbauten jüdischen Schulhaus auf dem Platz der alten Synagoge in der
Rathausgasse; nach 1876 im Gebäude jüdische Religionsschule; die
"Schulgasse" hat ihren Namen von der jüdischen Schule)) und ein
rituelles Bad (1746 im Gebäude der Synagoge in der Rathausgasse, seit 1848 möglicherweise
in der neuen Synagoge). Die Toten der Gemeinde wurden im jüdischen Friedhof
in Waibstadt beigesetzt. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde
(nach dem Wegzug des letzten Rabbiners) ein Lehrer angestellt, der
zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war (siehe Berichte unten).
An jüdischen Vereinen bestanden ein Israelitischer Wohltätigkeitsverein
(Chewra Kadischah: Ziele waren die Unterstützung Hilfsbedürftiger und
das Bestattungswesen) und eine Israelitischer Frauenverein.
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Adolf Sinn (geb.
25.10.1882 in Neckarbischofsheim, vor 1914 in Rexingen wohnhaft, gef.
30.10.1917).
Um 1925 waren die Vorsteher der jüdischen Gemeinde Samuel Jeselsohn,
David Jakobsohn und Joseph Faller. Als Religionslehrer und Kantor war (seit
1910) Heinrich Bloch angestellt. Die Religionsschule besuchten damals noch drei
Kinder; zwei Kinder erhielten den Religionsunterricht an höheren Schulen. 1932
waren die Gemeindevorsteher Samuel Jeselsohn, David Jakobsohn und Ernst Wolff.
Inzwischen war Jakob Bloch Lehrer, Kantor und Schochet.
1933 gehörten jüdischen Familien noch einige Handels- und Gewerbebetriebe,
darunter: Buchbinderei Faller (Hauptstraße 16), Textilgeschäft Samuel
Jeselsohn (Hauptstraße 20), Reisehandlung Max Katz (Hauptstraße 47),
Reisehandlung Markus Reiss (Hauptstraße 30), Landesproduktenhandlung Max
Berthold Wolf und Ernst Wolf (M.B. Wolf & Sohn, Hauptstraße 36). Der jüdische
Arzt Dr. Georg Homburger leitete das Krankenhaus und besaß daneben eine
Privatpraxis.
1933 lebten noch 37 jüdische Personen am Ort (2,7 % von insgesamt 1.391
Einwohnern). Ein Teil von ihnen ist in den folgenden Jahren auf Grund der Folgen
des wirtschaftlichen Boykotts, der zunehmenden Repressalien und der Entrechtung
vom Ort verzogen oder ausgewandert (USA, Palästina, Holland, England). 1938
wurden noch 19 jüdische Einwohner gezählt. Beim Novemberpogrom 1938 wurde die
Synagoge zerstört; die jüdischen Männer wurden in das KZ Dachau verschleppt.
Die letzten 12 jüdischen Einwohner wurden am 22. Oktober 1940 von
Neckarbischofsheim in das Konzentrationslager Gurs/Südfrankreich deportiert.
Von den in Neckarbischofsheim geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften
jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den
Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den
Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"):
Jülchen
Andriesse geb. Jakobsohn (1899), Beni (Benny) Bär (1857), Bonna Bloch geb.
Rothschild (1874), Jakob Julius Bloch (1906), Rike Bodenheimer geb. Sinsheimer
(1857), Elsa (Esther) Cohn geb. Jeselsohn (1910), Laura Eschelbacher (1888),
Friederike Frank geb. Ottenheimer (1889), Julchen (Julia) Frank (1884), Moses
Frank (1885), Helene Gavsuk (1883), Lina Goldberger geb. Grünhut (1895), Helmut
Herz (1922), Adolf Hirsch (1879), Friederike Hirsch geb. Wolff (1863), Mathilde
Hirsch (1872), Moritz Hirsch (1884), Otto Hirsch (1902), Betty Iffland geb.
Jakobsohn (1893), Abraham Jakobsohn (1861), Augusta Jakobsohn (1893), Bertha
Jakobsohn geb. Würzburger (1863), David Jakobsohn (1862), Josef Jakobsohn
(1876), Karl Kaufmann Jacobsohn (1870), Else Kahn geb. Jeselsohn (1910), Max
Katz (1870), August Kaufmann geb. Jakobsohn (1864), Leontine Kaufmann geb. Sinn
(1875), Recha Kaufmann geb. Frank (1881), Sophie Kay geb. Jakobsohn (1895),
Berta Levi geb. Frank (1889), Bertha Levi geb. Hirsch (1882), Karoline Mahler
geb. Jeselsohn (1867), Sophie Marx geb. Sinn (1879), Klara May geb. Jakobsohn
(1871), Sigmund Oppenheim (1872), Hermann Oppenheimer (1874), Bertha Ottenheimer
geb. Kahn (1864), Markus Reiss (1866), Helene Salamon geb. Oppenheimer (1897),
Karoline Selz geb. Jakobsohn (1874), Ida Sinn (1876), Jacob Sinn (1886), Selma
Sinn (1889), Erna Frida Erika Stein geb. Wolff (1905, "Stolperstein" in
Seligenstadt), Irma Wolff geb. Stein
(1882), Moses Wolff (1873).
Im November 2017 wurden für 15 der ermordeten jüdischen Personen "Stolpersteine"
verlegt: für die Familie Dr. Hamburger (Waibstadterstraße 15), für die
Familie Wolff (Hauptstraße 36/38), für die Familie Abraham Jakobsohn
(Hauptstraße 47/49), für die Familie David Jakobsohn (Alexandergasse 4) und
für die Familie Katzengold (Alte Rathausgasse 12).
Spuren der Verfolgungszeit 1933 bis 1945. In Neckarbischofsheim bestand
von Sept. 1944 bis März 1945 als Unterkommando des Lagers Neckarelz ein Außenkommando
des Konzentrationslagers Natzweiler/Elsaß. Das Lager befand sich beim Bahnhof
Neckarbischofsheim Nord im Bereich der Neckarbischofsheimer Schwarzbachsiedlung
bzw. des Waibstadter Ortsteiles Bernau. Es bestand aus zwei mit einem Zaun
umgebenen Baracken. Die Häftlinge arbeiteten in Gipsstollen in Obrigheim, in
denen Rüstungsbetriebe eingerichtet waren. Die im Lager umgekommenen Häftlinge
wurden auf einer Freifläche des jüdischen
Friedhofes Binau beigesetzt.
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" von 1836 S. 689 (Quelle: Stadtarchiv
Donaueschingen): "Erledigte Stelle. Bei der
israelitischen Gemeinde Neckarbischofsheim ist die Lehrstelle für den Religionsunterricht
der Jugend, mit welcher ein Gehalt von 60 Gulden nebst freier Wohnung
sowie der Vorsängerdienst samt den davon abhängigen Gefällen
verbunden ist, erledigt, und durch Übereinkunft mit der Gemeinde unter
höherer Genehmigung zu besetzen.
Die rezipierten israelitischen Schulkandidaten werden daher aufgefordert,
unter Vorlage ihrer Rezeptionsurkunden und der Zeugnisse über ihren
sittlichen und religiösen Lebenswandel binnen 6 Wochen sich bei dasiger Bezirks-Synagoge zu melden.
Auch wird bemerkt, dass im Falle weder Schulkandidaten noch
Rabbinatskandidaten sich melden, andere inländische Subjekte nach erstandener
Prüfung bei dem Bezirks-Rabbiner zur Bewerbung zugelassen werden.
Sinsheim, den 3. August 1836.
Großherzogliche Bezirks-Synagoge."
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" vom 4. März 1854 (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen): "Vakante
Schulstellen. Die mit einem festen Gehalte von 150 fl. und einem
jährlichen Schulgelde von 48 kr. für jedes die Religionsschule
besuchende Kind und dem Vorsängerdienste samt den davon abhängigen
Gefällen verbundene Religionsschulstelle bei der israelitischen Gemeinde Neckarbischofsheim
ist zu besetzen.
Die berechtigten Bewerber um dieselbe werden daher aufgefordert, mit ihren
Gesuchen unter Vorlage ihrer Aufnahmeurkunden und der Zeugnisse über
ihren sittlichen und religiösen Lebenswandel binnen 6 Wochen mittelst des
betreffenden Bezirksrabbinats sich dahier zu melden.
Bei dem Abgange von Meldungen von Schul- und Rabbinatskandidaten können
auch andere inländische befähigte Subjekte, nach erstandener Prüfung
bei dem Bezirksrabbiner zur Bewerbung zugelassen werden."
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
11. Mai 1891: "Mainz, 7. Mai.
Unsere Religionsgesellschaft hat durch den Tod ein ehrwürdiges, durch seine
Bescheidenheit und wahrhaft innige Frömmigkeit in allen Kreisen der hiesigen
jüdischen Bevölkerung allgemein beliebtes Mitglied verloren. Herr Emanuel
Gutmann ist Dienstagnacht plötzlich im Alter von 76 Jahren in ein besseres
Jenseits abberufen worden. Der Verstorbene, in Jochsberg(im Text falsch:
Joxberg) in Bayern geboren und zu den Segnungen der Tora hin
erzogen, hatte das Studium der Tora während seines langen Lebens zu
seiner Lieblingsbeschäftigung gemacht. Nachdem er in Neckarbischofsheim
und in Trebur bei Groß-Gerau 24 Jahre zur
vollsten Zufriedenheit seiner Gemeinden, in denen er Tora und
G'ttesfurcht verbreitete, als Lehrer und Vorbeter segensreich gewirkt,
versah er vom Jahre 1859 an bei der hiesigen Religionsgesellschaft eine
Reihe von Jahren in gewissenhafter und pflichtgetreuer Weise das Amt eines
Schochet. 26 Jahre lang fungierte er als Rabbi und Vorbeter bei dem 3.
israelitischen Krankenverein dahier, in welchem seine von Herzen kommende
und zu Herzen dringende Vortragsweise der Gebete die Anwesenden zu Andacht
stimmte.
Auch wir beklagen in dem Dahingeschiedenen einen fleißigen, treuen und
gewissenhaften Mitarbeiter. Seit der Gründung des 'Israelit' war Herr
Gutmann an den vielverzweigten Arbeiten unserer Expedition beschäftigt.
Wir und mit ihm seine zahlreichen Freunde werden dem Verstorbenen stets ein
ehrendes Andenken bewahren. Möge seine Seele eingebunden sein in den Bund
des Lebens." Anmerkungen: - Schochet: Schächter
- 'Israelit':
https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Israelit
Zum Tod von Nathan Niedermann (von 1885 bis 1910 Lehrer in
Neckarbischofsheim)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 20. Mai 1910:
"Neckarbischofsheim. Unser langjähriger Lehrer und Kantor
Nathan Niedermann wurde zum großen Leide der ganzen Gemeinde aus dieser
Welt abberufen. Ein schweres Leiden hatte ihn vor einem halben Jahre
mitten aus seiner Tätigkeit heraus aufs Krankenlager geworfen, und wenn
es manchmal ihm auch wieder zu gelingen schien, seine Tätigkeit wieder
aufzunehmen, so war die Besserung nur eine scheinbare.
Mit ihm ist ein bescheidener, friedliebender Mann, der über 24 Jahre treu
und gewissenhaft seines Amtes in unserer Gemeinde gewaltet hat, ins Grab
gesunken. Erst 48 Jahre alt, ist es heimgegangen, fast seine ganze
Lebensarbeit gehörte der hiesigen Gemeinde, er war nur kurze Zeit vor
seinem Hierherkommen Lehrer in Oberseemen.
Ein Schüler des Würzburger Seminars, hatte er dessen Traditionen nicht
vergessen, in Lehre und Leben war er, das muss heutzutage besonders betont
werden, ein Bekenner des traditionellen Judentums. Nie wird sein
Gedächtnis erlöschen bei allen denen, die ihn gekannt haben."
Die Lehrerstelle wird mit Religionslehrer Heinrich Bloch besetzt
(1910)
Mitteilung
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 26. August
1910: "Aus Baden. Die mit dem Vorsänger- und Schächterdienst
verbundene Religionsschulstelle in Neckarbischofsheim (mit Filiale Waibstadt)
wurde dem Religionslehrer Bloch in Grünsfeld (Baden) übertragen, jene in
Wollenberg (Baden) dem Lehrer Tuch
in Speyer am Rhein."
Lehrer Jakob Bloch hält
Lehrvorträge (1934)
Mitteilung in "Jüdische Rundschau" vom 16. Februar 1934: "Neidenstein.
Lehrer Bloch aus Neckarbischofsheim hält auf Veranlassung des
Synagogenrates alle 14 Tage Lehrvorträge ab. Ebenso hielt Oberkantor Krainer
(Heidelberg) einen Vortrag über Vergangenheit und Gegenwart. "
Anzeige in
der "Karlsruher Zeitung" vom 16. März 1848: "Sinsheim.
Erklärung.
Nach Nr. 85 des Landtagsboten wird von dem Herrn Abgeordneten Bassermann
unter den Ortschaften, wo Gewalttätigkeiten gegen Juden vorgekommen sein
sollen, auch Sinsheim genannt. Ob nun Dieses einem Versehen irgend
zuzuschreiben ist, oder ein falsches Gerücht zum Grunde hat, erachten sich
die Unterzeichneten zur Ehre der hiesigen Einwohnerschaft, sowie zur
Beruhigung ihres sehr verehrten Herrn Abgeordneten Bassermann zu folgender
Kundgebung verpflichtet:
Hier in Sinsheim ist nicht das mindeste
Beklagenswerte vorgefallen, und auf keine Weise das gute Einvernehmen der
hiesigen Bürgerschaft unter Christen und Juden einen Augenblick gestört
worden. Im Gegenteil ist der gute Sinn der hiesigen Einwohnerschaft nicht
genug anzuerkennen. Vom ersten Augenblicke an wurden die möglichsten
Einleitungen getroffen und zwar unter gemeinschaftlicher Mitwirkung von
allen Konfessionsangehörigen, jedem Versuche von Ruhestörung jeder Art aufs
kräftigste zu begegnen. Überhaupt hat man in hiesiger Nähe,
Neckarbischofsheim und
Richen ausgenommen nicht die geringste
unangenehme Vorfallenheit zu beklagen.
Sinsheim, den 13. März 1848. Der Synagogenrat: H. Freidenberger. S.
Reinach. A. Zimmern." .
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde
Zum Tod von Rabbiner Jacob Koppel Bamberger
(1864)
Anmerkung: Rabbiner Jacob (Koppel) Bamberger ist 1785 in Neckarbischofsheim
geboren. Er erhielt seine Ausbildung im Elternhaus seines Vaters Rabbiner Juda Moses Levi
Bamberger und wurde 1820 nach dem Tod des Vater Rabbiner in Neckarbischofsheim.
Er war
auch an den rabbinischen Gerichtshöfen in Mannheim und Karlsruhe tätig, 1824
bis 1864 war er Rabbiner in Worms.
Artikel
aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. April 1864: "Worms,
Ende März. Wie sich aus der eben noch heitern Luft der vernichtende Blitz
auf die hoffnungsvolle Saat plötzlich herabschwingt, so traf vor wenigen
Tagen, am Schuschan Purim
(= 23. März 1864), viele
Herzen schwer verwundend die Trauerkunde von dem unerwarteten Tod des würdigen,
für die höchste Aufgabe der Menschheit unermüdet tätigen Rabbinen
Jacob Koppel Bamberger. Wenn auch die Silberlocke seinen Scheitel deckt,
wenn er auch das hohe Alter von 79 Jahren erreichte, so sind der Schmerz
und die Wehmut über das Hinscheiden dieses Edlen dennoch gerecht, weil
trotz seines Alters sein heiteres Naturell, sein klarer Verstand, sein
geordnetes Denken noch segensreiche Früchte verhießen. Er glich der
alten Eiche, deren starke Wurzeln fest in der Erde fußen, und die noch
immer dem Wanderer erquickenden Schatten bietet. Gerecht ist der Schmerz,
aber er gehe aus seinem Ungestüm in die stillere Wegmut über und wandle
sich in den einen großen Vorsatz um, den Betrauerten durch ein seiner
Lehre und seinem Willen genehmes Leben fort und fort zu ehren. Ist es auch seinen Hinterbliebenen ein schöner und sicherer Trost,
sich dereinst mit ihm in dem Himmel wieder vereint zu wissen, so stärkt
sie doch gewiss auch die bleibende Erinnerung an sein segens- und
tatenreiches Leben.
Und so will denn ein treuer Schüler dem Verewigten auch für weitere
Kreise durch einen kurzen Rückblick auf sein Leben ein
Erinnerungs-Denkmal aufrichten.
Rabbi Jacob Koppel Bamberger ward zu Neckarbischofsheim geboren. Sein
Vater war der im hohen Greisenalter verstorbene vielgelehrte Rabbiner
Moses Bamberger, und seine Mutter war eine Tochter des talmudisch berühmten
Rabbiners Simon Flehinger, Rabbiner in Mühringen.
Der väterliche Ernst im schönen Bund mit der mütterlichen Milde hatte
sich die Erziehung des einzigen Sohnes zur besonderen Aufgabe gemacht, und
bestimmte denselben der Tora. Der Vater ließ ihn in allen Wissenschaften
privatim unterrichten, und zum Studium des Talmuds nahm er für ihn die
anerkanntesten jüdischen Lehrer auf, um damit dem Sohne die Jeschiwa
zu ersetzen, da der Vater und die Mutter den einzigen Sohn nicht gerne außer
ihrer Obhut ließen. Es wurde kein Opfer gescheut, um ihn tüchtig den
rabbinischen Disziplinen heranbilden zu lassen. Der strebsame Jüngling krönte
alsbald die Hoffnung seiner teueren Eltern; bald erreichte er das Ziel;
denn noch hatte er das 18. Lebensjahr kaum überschritten, so wurde ihm
von den bedeutendsten Rabbinen der damaligen Zeit, namentlich von Rabbiner
Ascher – das Andenken an den
Gerechten ist zum Segen -, dem Sohne des Schaagath Arjeh, aus Karlsruhe, die rabbinische Autorisation – morenu – erteilt.
Mit dem ausdauerndsten Fleiß betrieb er nun die Studien der beiden
Talmude. Mit wahrhafter Begeisterung durchforschte er die Werke der Poskim (rabbinische Entscheidungsträger) und Meforsim. Er hatte stets große Neigung für das historische Wissen,
und was sein ganzes Leben beseelte, waren die Werke des großen Maimonides.
Dieser große
Lehrer
Israels war sein Ideal, dem er stets nachstrebte; es verging kaum ein Tag,
ohne dass er sich begeistert über dessen Werke ausgesprochen hätte. In seinem 19. Jahre ward er mit der höchst achtbaren Familie des
Mannheimer Rabbiners, Rabbi Getschlik Alsens, bekannt. Die Tochter dieses
Hauses, namens Jitle, gewann und erwiderte seine Zuneigung, und verband
sich ihm auch zur treuen Lebensgefährtin. Ein Mädchen entsprang dieser
Ehe, namens Regine, die der Verewigte besonders liebte; sie verehelichte
sich mit einem Verwandten, Dr. Fraensdorf aus Bamberg. Kurze Zeit nach seiner Verehelichung wurde er mit dem Rabbineramt
der Stadt Heidelberg und Umgegend betraut, und es wurde da sein geistiges
Talent sogleicht in die Arena gerufen. Der hochgelehrte Rabbiner Ascher
entbot ihn nach Karlsruhe, um mit ihm gemeinschaftlich den neu erstandenen
Tempel zu bekämpfen, dessen Tendenz die Entfernung jüdischer und Einführung
deutscher Gebete mit Orgelbegleitung war. Ihre Bemühung krönte den Erfolg, und sie hatten um dessentwillen
in einer deutschen theologischen Zeitschrift bittere Angriffe abzuwehren. Nach dem Tode seines weit berühmten Vaters wurde er zu dessen
Nachfolger (sc. in Neckarbischofsheim) erwählt, als welcher er segensreich wirkte; er wird noch heute
sein Name dort mit Ehrfurcht genannt. Im Jahre 1824 wurde ihm von der hiesigen Gemeinde (sc. Worms)
das Rabbineramt
übertragen. Gerne folgte er diesem ehrenhaften Rufe. Da Worms von jeher Stadt
und Mutter in Israel war, und das Rabbinat stets nur mit Autoritäten
besetzt wurde. Er folgte gerne diesem Ruf, um hier seine geistige Tätigkeit
zu entwickeln, aber er ahnte nicht die vielen Kämpfe, die er da zu
bestehen hatte. Nicht allein pekuniäre und Familienverhältnisse haben
manche bittere Stunde ihm bereitet, auch der Sturm der unjüdischen
Bestrebungen der neuen Zeit brauste wider ihn heran und hat die ganze
Kraft seines Lebens in Anspruch genommen.
Gleich nach seinem Hierherkommen hat sich eine große Anzahl Jünger aus
allen Gegenden um ihn geschart, um von ihm Worte der Tora zu hören, und
viele Rabbinen sind aus seiner Jeschiwa hervorgegangen (Anmerkung der
Redaktion: Auch der Herausgeber dieser Blätter hat von ihm Hattarat
Horaah erhalten). Mitten
im Kampfe für Lehre und Leben wurde er durch die Trauerbotschaft von dem
Hinscheiden seiner treuen Gattin, welche in Bamberg zum besuche ihres
Kindes war, tief getroffen. Nun stand er allein als Greis, und keine
teilnehmende Hand hat ihn gepflegt. – Ich, als treue Schüler, hab Alles
aufgeboten, seine traurige Lage einigermaßen zu erleichtern – war so
oft wie möglich um ihn, und habe seine herbe Last ihm tragen helfen. -Der ehrwürdige Rabbiner Dr. Auerbach, sein Schüler und
Vertrauter, veranlasste ihn zu einer zweiten Ehe, und er verheiratete sich
auch mit Johanna Lehmann aus Darmstadt. Ich bot Alles auf, seinen pekuniären
Verhältnissen eine andere Gestaltung zu geben, was mir unter Gottes
Beistand auch gelang. Sein häusliches Leben wurde nun ein freundliches;
von seiner Frau geliebt, geachtet und treu und sorgsam gepflegt, lebte er
glücklich in dem Kreise der Seinigen, (Anmerkung der Redaktion: Der
Herausgeber dieser Blätter reiste fast alljährlich nach Worms, nur zu
dem Zecke, den ehrwürdigen Greis zu besuchen; die Liebe und sorgsame
Pflege der Angehörigen desselben verfehlte niemals, den erfreulichsten
Eindruck zu machen) und zog, außer seinen amtlichen Verpflichtungen, sich
von der Außenwelt zurück. Dieser Zurückgezogenheit verdankte die
Wissenschaft eine ausgedehnte Bereicherung auf ihrem Gebiete, das der
Selige mit genialer Kraft zu erforschen verstand. Es befindet sich
Folgendes im Manuskript vor: Hebräischer Titel der4
Bände. Ein Mann, wie er, der nur mit Gott und sich selbst verkehrt, konnte
nicht viel mit der Gesellschaft verkehren; er lebte in einer selbst
geschaffenen Welt. Seine Liebe zur Einsamkeit stand mit seinem tiefen, großen
und edlen Charakter in Verbindung.
Der
Besuch des Gotteshauses, morgens und abends, war ihm eine himmlische Beschäftigung
und nichts vermochte ihn davon abzuhalten; selbst dann, wenn die Kanzel
dazu benutzt wurde, um kränkende Äußerungen hören zu lassen, verfehlte
er nicht, dahin zu gehen. Noch am Taanit-Ester-Abend
(= 21. März 1864, sc. zwei Tage vor seinem Tod) ging er in die Synagoge, wohnte dem Gottesdienst bis zuletzt bei – und
eine Stunde später wurde ich zu ihm ans Krankenlager gerufen (Anmerkung:
er ward ohnmächtig, während er damit beschäftigt war, seinem einziger Töchterchen
aus zweiter Ehe das Buch Esther zu erklären. – Redaktion). Er konnte
sich der Ohnmachten nicht erwehren, und die Schwäche nahm, trotz allen ärztlichen
Beistandes zu, und so entschließ er. Purim nachts 11 Uhr ist dieser
herrliche Geist in seine ewige Heimat entschwebt. Freitag, den 25. März, morgens 11 Uhr, war das Leichenbegängnis
dieses großen Meisters in Israel. Es war eine ernste erhebende Feierlichkeit, zu der nicht allein die
ganz hiesige Gemeinde, sowie alle Gemeinden des Kreises – nicht allein
die Staats-, Zivil- und Militärbehörden, die Geistlichen aller
Konfessionen, sondern auch viele Rabbinen sich vereinigt hatten, im Gefühl
der Trauer und des tiefsten Schmerzes. Überall begegnete man Männern in
tiefer Trauerkleidung; überall sah man Tränen fließen, sah, dass jeder
sich der traurigen Bedeutung dieses Tages in tiefstem Ernste bewusst
geworden. Ein unübersehbarer Leichenzug begleitete die Bahre. Kein Laut
wurde vom Todeshause bis zum Beit HaChajim (Friedhof) gehört; ein stiller, tiefer Schmerz erfüllte
die ganze Stadt. Im
Todeshause, bevor der Leichenzug sich in Bewegung setzte, sprach ich Worte
der Trauer und der Klage (Anmerkung der Redaktion. Herr Mannheimer sprach
in ebenso beredter wie ergreifender Weise; es waren Worte, die vom Herzen
kamen und zu Herzen gingen).-Am Grabe sprachen außer dem hiesigen Prediger noch vier Rabbinen
benachbarter Gemeinden.Moses Mannheimer."
Zum Tod von Aaron Kaufmann Bär (1875) - 40 Jahre
Beschneider in Neckarbischofsheim und Umgebung, Bezirksältester
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. Dezember 1875:
"Frankfurt
am Main, 30. November (1875). Als sich die Kunde verbreitete, dass Aaron
Kaufmann Bär am Heiligen Schabbat
Paraschat Wajare (Schabbat mit der Toralesung Wajare = 1. Mose 18,1 - 22,24; das
war am 13. November 1875) das Zeitliche gesegnet, waren es nicht bloß
einzelne, welche den Dahingeschiedenen betrauerten und beweinten, sondern
der ganze Kreis derer, die den Verblichenen gekannt hatten, beklagten tief
den Verlust dieses edlen Mannes, der eine Zierde gewesen war aller
Genossenschaften, denen er im leben angehört und teilweise vorgestanden
und vorangeleuchtet hatte. Der
Verblichene lebte bis vor ca. 5 Jahren, von welcher Zeit an er hier
wohnte, in seinem Geburtsort Neckarbischofsheim im Großherzogtum Baden,
hatte sich durch Umsicht und Fleiß ein ansehnliches Vermögen, durch
seine Rechtlichkeit, sein kluges benehmen und seine liebreiche Art und
Weise im Umgange, das Zutrauen, die Liebe und Achtung seiner Mitbürger,
sowohl bei Glaubensgenossen aller Schattierungen, als auch bei Nichtjuden
erworben.
Sein Ruf war, zumal er auch als Mohel
(Beschneider) in der ganzen dortigen Gegend eine sehr ausgedehnte Praxis
hatte, weit über die Grenzen seiner Vaterstadt und deren Bezirk hinaus
verbreitet. Dem hohen Berufe, den männlichen
Nachwuchs in den Bund unseres Vaters Abraham einzuführen, hat er sich
seit 40 Jahren mit der größten Hingebung gewidmet, und war es ihm stets
eine außerordentliche Freude, diese heilige religiöse
Weisung (Mizwe) zu erfüllen, die er am verflossenen Tag vor Neujahr
zum letzten Male ausführte und dabei die Zahlgerade die Perat Katan des beginnenden Jahres erreicht. Mit gleicher Vorliebe hat er sich als ehrenamtlicher Vorbeter
ausgezeichnet, besaß aber auch all die erforderlichen Eigenschaften eines
Kantors. Er hatte sowohl das Verständnis dessen, was er vortrug, als
auch gründliche Kenntnis aller Nigunim
(Melodien) und was er bezüglich letzterer ein- oder zweimal gehört
hatte, war ihm Eigentum geworden.
Ebenso war er aber auch in seiner Stellung als Bezirksältester in seinem
heimatlichen Sprengel, wozu er im Jahre 1847 von Großherzoglichen
Badischen Oberrat der Israeliten ernannt worden war, pflichttreu und pünktlich,
worüber ihm bei seiner Übersiedlung hierher die höchste Zufriedenheit
seitens Großherzoglicher Behörde vermittelst Anerkennungsschreiben
ausgedrückt wurde. Gleiche Sorgfalt wandte er als Vorstand des
Friedhofverbands seines heimatlichen Bezirkes, zu welchen 28 Gemeinden zählen,
seinen dahingehörigen Obliegenheiten zu. Er war immer ein regelmäßiger Besucher des Gottesdienstes ... sowohl in seiner
Heimatgemeinde, wie auch hier in Frankfurt am Main, wo er sich gleich bei
seiner Hierherkunft der israelitischen Religionsgesellschaft Adass
Jeschurun anschloss, an deren Bestrebungen, Zielen und Einrichtungen
er großes Vergnügen fand und mit regem Interesse sich beteiligt. Es war
für ihn ein wahres Privileg, seinen Lebensabend an einem Platze zu verbringen, wo es
ihm ermöglicht war, sich als Jehudi
(gemeint: frommer Jude) immer mehr zu vervollkommnen. So hat er sein Leben nach vollendetem 63. Lebensjahre beschlossen;
er hinterlässt aber ein bleibendes Andenken in den herzen aller, die
seinen tugendhaften Lebenswandel gekannt, und mit denen er in liebreicher
Weise verkehrt hatte. Möge der Allmächtige die würdige Gattin, sowie
den einzigen Sohn, der in die Fußstapfen seines Vater tritt, Trost und
Erhebung finden lassen in dem Bewusstsein, dass wer sein Leben so
beschlossen, wie der Verewigte, nicht umsonst, sondern zum Segen der
Nachwelt gelebt und gewirkt hat. Zum ewigen Gedenken sei der Gerechte."
Weiteres
Dokument zu Aron Kaufmann Bär (1866)
Mohel
Aron Kaufmann Bär aus Neckarbischofsheim hat u.a. bei den von ihm
durchgeführten Beschneidungen 1866 "zur Linderung der Hungersnot
in Palästina" Spenden gesammelt. Aus einem Spendenverzeichnis in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. August 1866 erfährt man
von solchen Spenden bei Besuchen und bei durchgeführten Beschneidungen:
"Durch Aron Kaufmann Baer in Neckarbischofsheim: von Majer Hahn in
Frankfurt am Main 1 fl., von H. Flesch 30 kr., Challegeld von Frau
Daniel Baer von Neckarbischofsheim fl. 1 12 kr. - Zusammen fl. 3.27 kr.
Durch Aron Kaufmann Bär in Neckarbischofsheim: Bei der Brit Mila
(Beschneidung) des Herrn Samuel Wollenberger in Untergimpern
fl. 2, bei der Brit Mila des Herrn Jonathan Majer in Neidenstein
fl. 2 18 kr., bei der Brit Mila Seiner Hochwürden des Herrn
Rabbiner Weil in Mosbach a. N. 3 fl. 44 kr., bei der Brit Mila des
Herrn Isaak Jeselsohn in Neckarbischofsheim 5 fl. 37 kr., bei der Brit
Mila des Herrn Feist Horkheimer in Untergimpern
1 fl. 30 kr., bei der Brit Mila des Herrn Lehmann Wollenberger in Untergimpern
1 fl. 28 kr. Zusammen 16 fl. 37 kr."
Handelsmann A. Adler erhält das Ehrenzeichen für 25-jährige Dienste in der freiwilligen Feuerwehr (1891)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. November 1891: ""Aus
Baden. Seine Königliche Hoheit der Großherzig von Baden hat im Jahr
1879 Ehrenzeichen für 25-jährige treue Dienste als Mitglieder der
freiwilligen Feuerwehren gestiftet. Wie in früheren Jahren, so können
wir auch diesmal wieder mit freudiger Genugtuung berichten, dass auch
Israeliten ausgezeichnet wurden, ein Beweis, dass dieselben nie zurückstehen,
wenn es gilt für das öffentliche Interesse, wohltuend mitzuwirken. In
dem Verzeichnisse bemerkten wir, als uns bekannt, die Herren: Kaufmann
Josef Oppenheimer und Handelsmann Jakob Wolf in Buchen, Kaufmann August
Bloch, Kaufmann Adolf Darnbacher und Metzger Max Maier in Bühl und
Handelsmann Max Tiefenbronner in Königsbach, Handelsmann A. Adler in
Neckarbischofsheim und Handelsmann Moses Guggenheim in Tiengen".
Zum Tod von Aron Daniel Bär (1899)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. Juni 1899:
"Neckarbischofsheim, 18. Juni (1899). Am letzten Dienstag, 5. Tammuz
(= 13. Juni 1899), verschied nach kurzem Kranksein das älteste Mitglied
unserer Gemeinde, Herr Aron Daniel Bär im 92. Jahre seines Lebens. Mit
ihm hat seine Familie ihr teures, treu besorgtes Haupt, seine Gemeinde ihr
treues Mitglied, das Judentum einen überzeugten, von der Wahrheit seiner
Lehren im Sinne der altüberlieferten Tradition tief durchdrungenen Sohn
verloren. Zum Teil aus weiter Ferne waren Verwandte und Freunde des
Entschlafenen herbeigeeilt, um ihm die letzte Ehre zu erweisen. Die
hiesigen Einwohner, ohne Unterschied des Glaubens, folgten in sehr großer
Zahl seinem Sarge, u.a. die beiden evangelischen Ortsgeistlichen, die
Lehrer, der Bürgermeister. Alls schätzten sie an dem Verblichenen, der,
wie selten einer, hervorragende Güter des Geistes und des Gemütes in
sich vereinigte, die Geradheit und Aufrichtigkeit seines Wesens, seinen
Edelsinn und seine Charakterfestigkeit. Bis zum letzten Tage seines
gottbegnadeten Lebens beschäftigte er sich in völliger Frische des
Geistes mit allen Vorgängen im Leben seiner Familie und des Gesamtheit.
Alles, was das Judentum anging, hatte in ihm einen aufmerksamen
Beobachter, dessen klare, verstandscharfe Meinungsäußerungen den Hörer
ungemein fesseln mussten, Als guter Sohn seines Volkes erfüllten ihn alle
Bestrebungen mit tiefem Schmerze, die darauf hinzielten, mit dem echten, unverfälschten
Judentume zu brechen. Unvergesslich werden jedem seiner Bekannten, der das
Glück hatte, ihn erzählen zu hören, die dabei erlebten Stunden bleiben;
leuchtenden Auges berichtete der teuere Greis - er ruhe in Frieden - noch
häufig in den jüngsten Tagen seines Lebens von dem Judentum früherer
Tage, von seinen ihm so teueren Lehrern, unter denen er die hiesigen
Rabbiner, Rabbi Moscheh Bamberger - das Andenken an den Gerechten ist
zum Segen - und Rabbi Koppel Bamberger - das Andenken an den
Gerechten ist zum Segen - den nachmaligen Wormser Raw, nannte. Ein
halbes Jahrhundert hatte er das Glück in seiner Gemeinde als Bal Tokeah
(Schofarbläser) zu fungieren, und viele Jahre war er ehrenamtlicher
Vorbeter an Neujahr und Jom Kippur. Jeder, der ihn
hierbei beobachten konnte, war tief ergriffen von der Ehrfurcht und dem
heiligen Eifer, der ihn erfüllte. Verstummt ist für immer der
liederreiche Mund, dem die uralten, anheimelnden Melodien seines Volkes so
geläufig waren. Bei der Beerdigung gab der stellvertretende Rabbiner des
Bezirks, Herr Dr. Eschelbacher, Bruchsal, in schönen Worten dem Verluste
beredten Ausdruck, den alle erlitten, die ihn gekannt haben. Was sterblich
war an ihm, ist nicht mehr, seine Seele aber wird im Garten Eden
des Lohnes teilhaftig werden, die nach der Lehre unseres Volkes allen
Gerechten dort zu Teil wird. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des
Lebens. S.F."
Zum Tod von Baruch Oppenheimer (1901)
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. Juli 1901: "Neckarbischofsheim, 15. Juli (1901). Am Eref Schabbos Paraschat Matos
u. Massoh (Freitag vor dem Schabbat mit der Toralesung Matos und Massoh,
das war Freitag, 12. Juli 1901)
starb hier plötzlich ein religiöses und geachtetes Mitglied unserer
Gemeinde, Herr Baruch Oppenheimer, im 68. Lebensjahre. Vor der überaus
zahlreichen Trauerversammlung, bei welcher alle Konfessionen von hier und
Umgegend vertreten waren, hielt unser verehrter Bezirksrabbiner Dr. Pinkuß,
Heidelberg, eine schöne, eindrucksvolle Trauerrede, in welcher er u.a. in
sinniger Weise ausführte, dass der Verstorbene nicht nur ein Boruch, als
Glücksgütern Gesegneter, sondern auch in vorbildlicher Weise ein Segen für
seine Familie, für Arme und Dürftige war. Galt es, Wohltätigkeit zu üben,
so war er stets zur Stelle, wie er auch bis zu seinem Tode Verwalter des
Wohltätigkeitsvereines (Gemilus chesed schel Emes) unserer Gemeinde war.
Möge der Allgütige der trauernden Familie Trost spenden ob des
schmerzlichen Verlustes.N."
Gottlieb Oppenheimer - fast 30 Jahre Gemeindevorsteher
(1904)
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. August 1904: "Neckarbischofsheim, 17. August (1904). Herr Gottlieb Oppenheimer, der
seit nahezu 30 Jahren an der Spitze unserer Gemeinde steht, während
dieses Zeitraumes die Angelegenheiten der Gemeinde in musterhafte Weise
verwaltet und sich um die Hebung der Gemeindeinstitutionen sehr verdient
gemacht hat, ist wegen hohen Alters von seinem Amte zurückgetreten.
Unsere oberste Behörde, Großherzoglicher Oberrat in Karlsruhe hat in
Anerkennung der verdienstlichen Wirksamkeit des Herrn Oppenheimer
demselben eine künstlerisch ausgestattete Mappe mit 10 schönen Bildern,
‚Bilder aus der Synagoge’, überreichen lassen. Das in anerkennendsten
Ausdrücken abgefasste Begleitschreiben spricht den Wunsch aus, dass sich
Herr Oppenheimer noch lange der Frucht seiner Arbeit in dem Gedeihen der
israelitischen Gemeinde erfreuen möge. Auch wir schließen uns diesem
Wunsche mit ganzem Herzen an."
Zum Tod von Lenchen Jeselsohn (1934)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. März 1934:
"Neckarbischofsheim, 12. März (1934). Am letzten Freitag
wurde Frau Lenchen Jeselsohn geb. Baer in die Ewigkeit
abberufen. Ihr ganzes Leben war ein Gottesdienst im wahrsten Sinne des
Wortes. Was sie im elterlichen Hause vor sich gesehen hatte, nahm sie mit
in die Ehe und gestaltete diese zu einem echten kleinen Heiligtum
an der Seite ihres Mannes, den sie schon vor 20 Jahren verlor. Ihre Kinder
erzog sie in jüdischem Sinne. Ein seltenes Gottvertrauen beseelte die
Verblichene und auch in schweren Tagen verlor sie nie das Vertrauen zu
unserem Schöpfer. Tiefe Frömmigkeit und Bescheidenheit waren ihre
Lebensideale. Noch bis kurz vor ihrem Tode las sie täglich in der 'Zeenoh
Ureenoh', die ihr ans Herz gewachsen war und aus der sie immer viel zu
erzählen wusste. Ihre Kinder und Enkel, in deren Mitte zu wohnen sie das
Glück hatte, ließen es nie daran fehlen, der 'Großmutter' - wie sie
kurzweg von der ganzen Bevölkerung genannt wurde - Ehre zu erweisen und
ihr das Alter so angenehm wie nur möglich zu gestaltet. Als besonderes Verdienst
betrachtete sie es, als sie im vorigen Jahre 'Urgroßmutter'
wurde.
Welcher Beliebtheit sich die fast 87-jährige weit und breit erfreute,
zeigte ihre Bestattung, zu der nicht nur die Verwandten aus der Ferne und
die Juden der Umgebung, sondern auch der größte Teil der nichtjüdischen
Bevölkerung Bischofsheims herbeigeeilt sind. Ihre Seele sei
eingebunden in den Bund des Lebens."
50-jähriges Dienstjubiläum von David Jakobsohn als
Feuerwehrmann (1934)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Mai 1934:
"Neckarbischofsheim (Baden), 2. Mai (1934). Am 1. Mai trat die
hiesige Freiwillige Feuerwehr aus einem Anlass zusammen, der der ganzen
Gemeinde Freude bereitete. Das Mitglied unseres Synagogenrats, Herr
David Jakobsohn, erhielt mit ehrenden Worten die Auszeichnung für 50
Jahre langen aktiven Dienst als Feuerwehrmann überreicht! Ein
seltenes und ein nennenswertes Ereignis, zu dem man - heute gewiss! - den
'Dekorierten' herzlich beglückwünschen kann."
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. April 1901: "Wir
suchen für unsere
Mehl- & Getreidehandlung einen tüchtigen jungen Mann für Comptoir und Reise. Eintritt
per sofort oder 1. Juli. Anerbietungen mit Gehaltsansprüche
erbeten. Gebr. Oppenheimer, Neckarbischofsheim."
Verlobungsanzeige von Hilde Jakobsohn und Karl
Darmstädter (1922) Anmerkung: Es handelt sich um Prof. Karl Darmstädter,
vgl.
Geburtsanzeige des zweiten Sohnes des Ehepaares in einer Seite zu Mannheim.
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. Oktober 1922: "Statt
Karten - Gott sei gepriesen -
Hilde Jakobsohn und Karl Darmstädter grüßen als Verlobte.
Neckarbischofsheim / Frankfurt am Main - Ladenburg
am Neckar. 2. Halbfeiertag von Sukkot 5683 (= 10. Oktober 1922)
Anzeigen des Manufaktur- und
Kolonialwaren-Detail-Geschäftes von Max Jeselsohn (1925)
Anzeige in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Mai 1925: "In meinem
Manufaktur- und Kolonialwaren-Detail-Geschäft ist für sofort eine Lehrstelle
für einen gut erzogenen, aufgeweckten Jungen offen. Kost und Logis im
Hause. Samstags geschlossen.
Max Jeselsohn, Neckarbischofsheim (Baden)."
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. März 1929:
"Zwetschen-Wasser (Slivovitz)
- Koscher zu Pessach -
unter Aufsicht des orthodoxen Rabbinats Mosbach.
50 %ig Mark 4.59 - 70 %ig Mark 5.50 - die 1/1 Flasche.
Bei 3 Flaschen franko Nachnahme. Max Jeselsohn.
Dampfbrennerei.
Neckarbischofsheim / Baden."
Verlobungsanzeige von Else Jeselsohn und Erich Kahn
(1930)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. März 1930: "Else
Jeselsohn - Erich Kahn. Mit Gottes Hilfe. Verlobte. Neckarbischofsheim - Neckarbischofsheim /
Bad Mergentheim. Purim 5690."
Hochzeitsanzeige von Siegfried Jeselsohn und Lore Silberstein (1933)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Februar 1933: "Mit
Gottes Hilfe.
Siegfried Jeselsohn - Lore Silberstein. Neckarbischofsheim (Baden)
- Frankfurt am Main, Zeppelinallee 7 III
zeigen ihre - so Gott will - am Sonntag 11. Adar / 26.
Februar 1933 in Heidelberg, Hotel Blum, Gaisbergstraße, stattfindende
Hochzeit an."
Anzeige der Familien Samuel und Theodor Jeselsohn zu
den Hohen Feiertagen (1934)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. September 1934:
"Familien Samuel und Theodor Jeselsohn - Neckarbischofsheim -
wünschen herzlichst 'ein gutes Jahr - gute Einschreibung und Besiegelung."
Anzeige der Familien Samuel und Theodor Jeselsohn
zu den hohen Feiertagen im September 1938 (!)
Familien
Samuel und Theodor Jeselsohn Neckarbischofsheim
wünschen herzliche gute Einschreibung und Besiegelung..."
Sonstiges
Erzählung "Heimatlos" von Samuel Jeselsohn in
Neckarbischofsheim (aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Oktober 1891)
Beitrag wird nicht
ausgeschrieben - bei Interesse bitte anklicken
Wahrscheinlich war bereits im 17.
Jahrhundert ein Betsaal in einem Privathaus vorhanden (Standort
unbekannt, vielleicht identisch mit dem 1746 genannten Gebäude). 1746 wird eine
Synagoge ("Judenschule") mit rituellem Bad in der Alten Rathausgasse
genannt, die 1769 neu erbaut und bis 1848 genutzt wurde. Ende der 1830er-Jahre
war diese Synagoge nach einem damaligen Bericht des Synagogenrates "in ihrem
inneren Raume für die immer mehr anwachsende Seelenzahl so beschränkt, dass
sie nicht alle Glaubensgenossen aufnimmt, und seit längerer Zeit in
verschiedenen Privathäusern der Gottesdienst gehalten wird". Damals gehörten
zur jüdischen Gemeinde schon fast 200 Personen.
1839/40 beschloss die Gemeinde den Bau einer neuen
Synagoge. Zunächst wollte man hierfür ein Grundstück der Grafen von
Helmstatt erwerben, für das allerdings 1840 noch kein Geld vorhanden war. Im
Januar 1844 hatte man drei mögliche Bauplätze ins Auge gefasst und bat über
das Bezirksamt Bauinspektor Greiff aus Heidelberg um eine Begutachtung. Bei
dessen Besuch wurde ein erster Platz in der damaligen "Oberen Straße" gleich
verworfen, zu den beiden anderen Grundstücken – eines in der Rathausstraße
(heute Alte Rathausgasse), eines in der Wertwiese – meinte Greiff, dass er den
Platz in der Wertwiese vorziehen würde. Er sei ansehnlicher und gesünder als
der Platz in der Mitte der Stadt. Der Synagogenrat war über die Empfehlung
nicht sehr glücklich, da man den Platz in der Rathausstraße lieber gesehen hätte.
Einige Monate lang wurde in der Gemeinde heftig darüber diskutiert, welches
Grundstück am geeignetsten wäre, wobei noch ein weiterer Platz am Seegarten
erwogen wurde. Im August 1844 einigte man sich endlich auf das zum Verkauf
anstehende Anwesen des Johann Junker in der Schulgasse mit Haus und Scheune, das
für 2.850 Gulden gekauft werden konnte (Anm.: der Begriff "Schul"gasse ist
nicht von der späteren Synagoge = "Judenschule", da schon in den damaligen
Kaufakten diese Straßenbezeichnung verwendet wird). Das Grundstück lag im
Bereich der ehemaligen Stadtmühle (Bannmühle), der sogenannten alten Mühlhofstatt,
damals noch außerhalb der Stadt. Baumeister Fritschi aus Rappenau hielt dieses
Grundstück zum Synagogenbau für "tauglich" und erarbeitete in den folgenden
Monaten einen Plan für die Synagoge, der von der Bezirksbauinspektion in
Heidelberg genehmigt wurde. Zum Bau der Synagoge in Neckarbischofsheim wurden im
Januar 1845 vom Oberrat als Richtlinie vorgegeben, dass es in der Synagoge keine
beweglichen Pulte mehr geben dürfe, sondern nur noch Reihen von festen Plätzen
hintereinander. Diese müssten alle von Süden nach Norden verlaufen, sodass "die
darauf Sitzenden das Augenlicht immer nach der Heiligen Lade gerichtet haben".
Auch solle "die Tribüne mit dem Betpult" (Almemor) nicht mehr in der Mitte des
Betsaales stehen, sondern "mehr nach Osten zu, in geringer Entfernung von der
heiligen Lage..., sodass sich die Bänke für die Betenden nur zur Seiten und
hinter derselben befinden". Im März 1845 wurde der Bau versteigert.
Anzeige zur Versteigerung der Gewerke für den
Synagogenbau (1845)
Anzeige in der
"Karlsruher Zeitung" vom 22. Februar 1845:
"Neckarbischofsheim (Arbeitsversteigerung). Zufolge höchst
verehrlichen Erlasses, großherzoglich badischen Bezirksamtes und Oberrats
der Israeliten, d.d. 14. Februar dieses Jahres, wird der unterzeichnete
Synagogerat Dienstag, den 18. März dieses Jahres, morgens 10 Uhr, auf
hiesigem Rathause nachstehende Arbeiten zum Neubau einer Synagoge dahier
versteigern, welche im Kostenüberschlage betragen:
1) Grabenarbeit 37 fl. 50 kr. 2) Rostlegung 326 fl. 43 kr.,
3) Maurer- mit Dach- und Schieferdeckungsarbeit 2433 fl. 6 kr.
4) Steinhauerarbeit 293 fl. 9 kr., 5) Zimmerarbeit 1255
fl. 2 kr. 6) Schreinerarbeit 949 fl. 22 kr. 7)
Glaserarbeit 161 fl. 34 kr. 8) Schlosserarbeit 32 fl.
9) Schmiedarbeit 35 fl. 10) Tüncherarbeit 219 fl. 55 kr.
Zusammen 5745 fl. 41 kr.
Plan und Kostenüberschlag können in der Zwischenzeit sowohl als am Tage der
Versteigerung bei dem unterzeichneten Synagogenrat eingesehen werden.
Indem man die Steigerungsliebhaber einladet, dass sie sich am 18. März
dieses Jahres, morgens 10 Uhr, dahier einfinden mögen, bemerkt man noch,
dass Auswärtige sich durch gerichtlich beglaubigte Zeugnisse über ihre
Gewerbskenntnisse und Vermögensverhältnisse auszuweisen haben.
Auch werden an demselben Tage zwei alte Gebäude zum Abbruch versteigert.
Neckarbischofsheim, den 19. Februar 1845. Der Synagogenrath Bähm.*" Der Name des Synagogenrates ist ungewöhnlich, wurde eventuell
verschrieben.
Zimmermeister Grassinger von Bargen legte das günstigste Angebot in Höhe von
5593 Gulden vor. Im Mai 1845 wurde zur Finanzierung der Synagoge eine erste
Umlage unter den Gemeindegliedern beschlossen. Da kein Fond oder sonstiges Vermögen
in der Gemeinde vorhanden war, mussten die Kosten über Umlagen zusammenkommen.
Ein Grundbetrag war von allen Gemeindegliedern zu bezahlen, der weitere Betrag
richtete sich nach dem jeweiligen Vermögen. Die erste Umlage erbrachte von den
39 Familien zusammen 1204 Gulden. Da man im Januar 1847 mit den gesammelten Beträgen
jedoch noch nicht einmal den Bauplatz bezahlt hatte, wurde der Bau auf 1848
verschoben und in diesem Jahr auch ausgeführt. Die Synagoge wurde im Blick auf
eine weitere Zunahme der Gemeindegliederzahl großzügig gebaut. Sie hatte 150
bis 200 Sitzplätze für Männer und etwa 100 Plätze für Frauen auf der
Empore. Mit einer Länge von 17,90 m und einer Breite von 11,90 m war es ein
stattliches Gebäude, das auch städtebaulich einen Akzent setzte (die Größe
entsprach fast dem Schiff der Neckarbischofsheimer Stadtkirche). Da das Gebiet
sumpfig war, musste das Gebäude auf einem Pfahlrost errichtet werden. Durch
weitere Umlagen, Versteigern der Sitzplätze unter den Gemeindegliedern und die
Einführung einer Erbschaftssteuer konnte der Bau im Laufe der folgenden Jahre
finanziert werden. 1855 war noch eine Passivschuld von 4000 Gulden vorhanden, zu
deren weiterer Abzahlung auch damals eine Umlage nötig war. Noch 1867 kam es
wegen der Umlage für die Synagogen-Baukasse zu einer gerichtlichen
Auseinandersetzung (siehe Bericht unten).
Die
neue Synagoge dürfte im Frühjahr 1849 eingeweiht worden sein. Darüber liegt
zwar kein Bericht vor, jedoch feierte die jüdische Gemeinde in
Neckarbischofsheim am 18. Mai 1899 das fünfzigjährige Bestehen ihrer
Synagoge,
worüber in der Zeitschrift "Der Israelit" am 25. Mai 1899 berichtet
wird:
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. Mai 1899: "Neckarbischofsheim, 18. Mai. Am ersten Tage des Wochenfestes feierte
die hiesige jüdische Gemeinde das fünfzigjährige Bestehen ihrer
Synagoge. In trefflichen Worten schilderte Herr Lehrer Niedermann die
Bedeutung des Tages als Zeit der
Toragebung, darauf hinweisend, wie dieser Tag am Sinai für ganz
Israel die Errichtung des Glaubenstempels brachte und wie die Festesfreude
für unsere Gemeinde noch erhöht wird in dem Gedanken an die vor 50
Jahren erfolgte Einweihung unserer Synagoge. Vieles lehrt ein Rückblick
auf die vergangenen 50 Jahre. In bewegte Zeitverhältnisse fiel die
Errichtung unseres Gotteshauses. Auch im Judentum haben jene Jahre
schwere, innere Kämpfe und tiefe Gegensätze hervorgerufen, Ereignisse,
die auch an unserer Gemeinde nicht spurlos vorübergingen. Unsere Synagoge
aber, das dürfen wir uns heute mit innigem Danke gegen Gott freuen, ist
unberührt geblieben von allen jenen Modekrankheiten dieser Zeitperiode,
in ihr waltet noch das traditionelle, unverfälschte Judentum. Will’s
Gott, wird es auch für die Folge unserer Gemeinde so bleiben."
Gerichtliche Auseinandersetzung betreffs des Beitrages
in die Synagogen-Baukasse (1867)
Artikel in der
"Karlsruher Zeitung" vom 10. April 1867:
"Karlsruhe, 7. April (Großherzoglicher
Verwaltungs-Gerichtshof). In der heutigen öffentlichen Sitzung kamen fünf
Rekursfälle zur Verhandlung. Der erste Fall betraf die Forderung
eines Beitrags in die Synagogen-Baukasse zu Neckarbischofsheim.
Zur Deckung der Kosten des neuen Synagogenbaues fasste die israelitische
Gemeinde Neckarbischofsheim am 6. Dezember 1845 einen Beschluss, wodurch
unter anderem auch bestimmt wurde, dass 'jedes Gemeindemitglied, das sich im
Ort verheirate und da seinen Wohnsitz nehme, von dem Beibringen seiner Frau
sowohl, als auch von seinem eigenen Vermögen, sowie diejenigen
Gemeindeglieder, welche ein Kind auswärts zu verehelichen beabsichtigen, vor
der Trauung ein Prozent zu bezahlen habe.' Auf das Gutachten der
Bezirkssynagoge Sinsheim, dass eine Abhabe nur von dem von den Eltern bei
der Verheiratung empfangenen Heiratsgut, nicht auch vom übrigen Vermögen,
und auch von jenem nur soweit es in barem Geld bestehe, nicht aber von
Liegenschaften üblich sei, gab das Bezirksamt Sinsheim, die Änderung des
Gemeindebeschlusses in diesem Sinne auf. In einem Nachtrag zu demselben
wurde in Folge dessen beigefügt, dass die 1 Prozent nur von barem
Heiratsgut und nicht von Liegenschaften oder sonstigem Vermögen erhoben
werden soll. - Im Jahr 1865 verheiratete sich der Sohn eines Angehörigen der
israelitischen Gemeinde Neckarbischofsheim auswärts. Er erhielt von seinem
Vater nur eine Aussteuer, in Einrichtungsgegenständen bestehend. Sein
übriges Vermögen rührte von bereits früher ihm angefallenen großelterlichen
Erbschaften her. Der Synagogenrat verlangte von dem letztern Vermögen den
Beitrag von 1 Prozent zur Synagogen-Baukasse, weil der Vater dieses Vermögen
erst bei der Verheiratung ausgefolgt habe und weil nach der Intention bei
der Fassung des Gemeindebeschlusses, wie auch nach der bisherigen Praxis
auch solches Vermögen beizuziehen sei. Der Bezirksrat Sinsheim wies jedoch
die Klage als unbegründet zurück, weil kein Heiratsgut im Sinn des
Gemeindebeschlusses vorliege, und der Verwaltungs-Gerichtshof bestätigte
diese Erkenntnis."
1871 wurde der Hof der Synagoge mit einer Einfriedung
(Mauer) umgeben. 1912 waren in der Synagoge größere Renovierungsarbeiten
erforderlich. Dabei musste das Gebälk des Erdgeschosses erneuert werden. Der
feuchte Baugrund ließ es offensichtlich vorzeitig morsch werden. 675 Mark
wurden für die Arbeiten aufgewendet, eine für die damalige Zeit stattliche
Summe.
Für das bis zur NS-Zeit jahrzehntelang gute Verhältnis
zwischen Christen und Juden in Neckarbischofsheim spricht, dass noch bis 1936
die politische Gemeinde – wie seit wohl über 100 Jahren – unentgeltlich die
Birken lieferte, mit denen zum jüdischen Wochenfest die Synagoge geschmückt
wurde.
In der Pogromnacht im November 1938 wurde die
Synagoge niedergebrannt. Bereits am frühen Morgen des 10. November war von etwa
25 SA-Leuten das Feuer gelegt worden. Das Inventar einschließlich der 14
Torarollen der Gemeinde, die teilweise über 100 Jahre alt waren, wurde auf auf
dem alten Sportplatz verbrannt. Auch die jüdische Schule wurde zerstört und
kurz darauf abgebrochen. Die Grundstücke wurden eingeebnet.
Die Ereignisse beim Novemberpogrom 1938
Samuel Jeselsohn, bis 1938 mehr als 25 Jahre letzter Vorstand der
israelitischen Gemeinde Neckarbischofsheim, beschreibt die Vorgänge (in: Das
Ende unserer... s. Lit. S. 237-238): "So kamen die Ereignisse des 10. November 1938. Bis dahin hatten wir noch
regelmäßigen Gottesdienst. Am 10. November morgens kurz nach 6 Uhr wurde ich
aus dem Bett gerufen. Unten stand ein Gendarm, der mich aufforderte, sofort die
Synagogenschlüssel herzubringen. Ich antwortete, sie seien in meinem
Geschäftslokal im Nachbarhause, ich wolle mich sogleich anziehen und sie herbeiholen. Ich hatte keine Ahnung, was man beabsichtigte. Der Gendarm nahm die
Schlüssel und bedeutete mir nach Hause zu gehen. Kurz nachher kam er wieder und
holte mich zur Synagoge, wo auch andere Gendarmen und etwa 25 SA-Leute, die
meisten derselben kannte ich persönlich, mich erwarteten. Der
Gendarmerieälteste eröffnete mir, er hätte den Auftrag, die Synagoge zu
durchsuchen. Ich antwortete, er könne dies tun, es sei nichts
Staatsgefährliches drin. Den SA-Leuten bedeutete er kurz, sie sollen warten,
bis er seinen Auftrag besorgt hätte. Er verlangte die Öffnung des
Toraschreines, ließ die Torarollen herausnehmen und auf den Boden legen. Auch
den Schrank mit den Gemeindeakten ließ er nach dem Vorgarten bringen. Dann kam
der SA-Führer. Ich musste noch mit dem Gendarm zur Religionsschule, und erst
dort entließ er mich. Aber vorher musste ich noch mit ansehen, wie ein
ortsfremder SA-Mann damit begann, mit einer schweren Axt den Toraschrein zu
demolieren.
Nach 1945: Bei Grabarbeiten für die Kanalisation wurde
in den
1970er-Jahren ein Teil der Grundmauern (Kellermauern) der ehemaligen Synagoge
freigelegt. Sie liegen heute unter der darüber führenden Schulgasse. Die nördlichen
Grundmauern der Umfassungsmauern des Eingangshofes zur Synagoge sind erhalten.
Hier wurde 1981 eine Gedenkstätte
mit Menora und Gedenktafel eingerichtet. An der Ecke des ehemaligen Wohnhauses
des Vorsängers (jetzt Schulgasse 9) steht ein Torpfeiler (linker Pfeiler des
Eingangstores zum Eingang in das Gelände der Synagoge).
Innenraum der zum Wochenfest
"Schawuoth"
geschmückten Synagoge
"Plan zur Einfriedigung der Sinagoge in
Neckarbischofsheim" (Mitte 19.Jh.; Original im
GLA Karlsruhe 377/3344); das
darauf eingetragene
Wohnhaus des Vorsängers ist heute Schulgasse 9
Fotos nach 1945/Gegenwart:
Fotos um 1985: (Fotos: Hahn)
Plan der Umfassungsmauern des
Eingangshofes der Synagoge.
Die nördlichen
Grundmauern (schraffiert) sind erhalten.
Blick über das Synagogengrundstück /
ehemals Gelände der
Bannmühle
(daher mit Mühlstein)
Das
Synagogengrundstück heute - über den Großteil führt die Straße. Das
kleine Grundstück
rechts zeigt die Reste der Umfassungsmauern mit der
Gedenkstätte
Menora
Gedenkinschrift
Historisches Familienbild
Familie Julius und
Friederike Frank geb. Ottenheimer mit
den Kindern Siegfried und Inge (geb. 1926);
Friederike Frank (geb.1889) stammte aus Heinsheim
Dezember 2015:
Ausstellung zur jüdischen
Geschichte in Neckarbischofsheim
Mitteilung
von "Sinsheim-lokal.de" vom 3. Dezember 2015 - Pressemitteilung der Stadt
Neckarbischofsheim: "Ausstellung 'Stolpersteine – Spuren jüdischen Lebens
in Neckarbischofsheim'. Vom 4. bis 6. Dezember 2015 findet im Alten
Schloss Neckarbischofsheim die Ausstellung 'Stolpersteine - Spuren jüdischen
Lebens in Neckarbischofsheim' statt. Eröffnet wird diese im Beisein von
Bürgermeisterin Tanja Grether am Freitag, 4. Dezember, um 19 Uhr und kann
zudem am 5. und 6. Dezember jeweils von 14-18 Uhr besucht werden.
Die Ausstellung ist ein gemeinsames Projekt von Schülerinnen und Schülern
des Adolf-Schmitthenner-Gymnasiums Neckarbischofsheim, der Projektgruppe
'Judentum im Kraichgau' der Realschule Waibstadt, des Vereins 'Jüdisches
Kulturerbe im Kraichgau e.V.', des Vereins für Heimatpflege e.V. und der
SPD-Ortsgruppe."
Dazu Artikel von Berthold Jürriens in der
"Rhein-Neckar-Zeitung" vom 21. November 2015: "Neckarbischofsheim: Per
Spurensuche zu den Stolpersteinen
Die Ausstellung über das jüdische Leben in Neckarbischofsheim soll der
Auftakt für weiteres Gedenken sein - Schulen und Vereine kooperieren dazu Neckarbischofsheim. Else Kahn kam 1910 in der damaligen Rappenauer
Straße, heute Von-Hindenburg-Straße 4, zur Welt und war die Tochter von
Theodor und Lisette Jeselsohn, einer angesehenen und bekannten Familie im
Ort und in der Region. Im elterlichen Gemischtwarenladen der Jeselsohns in
der Hauptstraße 20 gab es so gut wie 'alles'. Von Zwetschgenwasser aus der
eigenen Dampfbrennerei bis hin zu Buchungen für Schifffahrtslinien. In der
Tür kann man noch die Spur der früheren Anbringung einer Mesusa, eines
Thora-Symbols, erkennen - ein Zeichen dafür, dass hier Israeliten gewohnt
haben.
Mit solchen Spuren und mit den Biografien und Schicksalen ehemaliger
jüdischer Bürger beschäftigt sich die Ausstellung 'Stolpersteine - Spuren
jüdischen Lebens in Neckarbischofsheim', die am Freitag, 4. Dezember, 19
Uhr, im Alten Schloss eröffnet wird. Auf fast ein Dutzend Stelltafeln werden
historische Fotos, aktuelle Aufnahmen und Dokumente gezeigt, die die ehemals
große jüdische Gemeinde lebendig werden lassen sollen und auch das gute
Zusammenleben im Ort bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten
dokumentieren. Angestoßen wurde das Projekt vor fast zwei Jahren von
Siegfried Bastl vom Verein 'Jüdisches Kulturerbe im Kraichgau', der sich an
Georg Werner, Geschichtslehrer am Adolf-Schmitthenner-Gymnasium, mit der
Idee von Stolpersteinen für Neckarbischofsheim wandte. 'Ich war sofort
begeistert, auch weil ich es von meiner Heimatstadt Berlin kenne', so
Werner. Wie in anderen Städten möchte man das Gedenken an die vertriebenen,
deportierten und ermordeten Juden durch die Verlegung von 'Stolpersteinen'
aufrechterhalten. 'Diese Ausstellung soll ein erster Schritt sein', so die
Teilnehmer. Eine weitere und dann auch größere Ausstellung sei für Februar
im ASG geplant. Mit im 'Projektboot' sind auch die SPD- Ortsgruppe in Person
von Franziska Legat, der Heimatverein mit Walter Zeller sowie Marion Guttman
und ihre Schülergruppe 'Judentum im Kraichgau' von der Realschule Waibstadt.
Diese Zusammenarbeit habe sich bereits in früheren Projekten bewährt.
Bürgermeisterin Tanja Grether hatte bereits im ersten Gespräch ihre
Unterstützung zugesagt.
'Die Geschichte von Neckarbischofsheim wäre ohne die Erinnerung an ihre
ehemaligen jüdischen Bürger lediglich eine bruchstückhafte Auflistung der
Ereignisse', so die Projektteilnehmer, die sich auf Spurensuche gemacht und
intensive Recherchen durchgeführt haben. Vor allem Mitte des 19.
Jahrhunderts bildeten die Juden eine starke Minderheit im Ort mit bis 190
Angehörigen. In der Folgezeit gingen die Personenzahlen ständig zurück. 1933
lebten noch 37 Juden in der Stadt. Zur israelitischen Gemeinde gehörte etwa
der Arzt Dr. Georg Hamburger, der das erste Krankenhaus Neckarbischofsheims
gründete, oder aber Erna Stein und Else Kahn, beide aktive Sportlerinnen
beim örtlichen Turnverein. 'Der Stein bzw. das kleine Denkmal ist ja nur der
eine Teil des Projekts, der andere Teil ist der Versuch die Lebensgeschichte
hinter dem Stolperstein zu dokumentieren und öffentlich zu machen. Und da
kommen die Schüler ins Spiel, die sich damit beschäftigen', weiß Bastl aus
seiner Erfahrung mit der Stolpersteinverlegung in Neidenstein und Waibstadt.
Heimatkenner Walter Zeller machte während seinen Erkundigungen im Ort noch
eine weitere spannende Entdeckung. Auf einem von ihm gemachten Detailfoto,
das er in der Schulstraße 3 aufgenommen hatte, entdeckte er auf der
Eingangstür eine 'Menora' bzw. eine 'Chanukkia'. 'Dieser sieben- bzw.
achtarmige Leuchter auf der Flügeltür könnte der Hinweis auf einen Teil der
Tür der Synagoge sein.' Es sei auf jeden Fall ein jüdisches Symbol. Die
Bilder dazu gibt es auf der Ausstellung, die auch am Samstag, 5. Dezember,
und Sonntag, 6. Dezember, jeweils von 14 bis 18 Uhr geöffnet ist."
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November 2017:
In Neckarbischofsheim wurden "Stolpersteine" verlegt
Vorberichte:
- Artikel in der "Rhein-Neckar-Zeitung" vom 11. November 2016: "Neckarbischofsheim: Verlegung der Stolpersteine kommt ins
Stocken..." Link
zum Artikel
- Artikel in der "Rhein-Neckar-Zeitung" vom 30. Oktober 2017: "Neckarbischofsheim - 15 Stolpersteine werden verlegt..." Link
zum Artikel
- Artikel in der Internet-Zeitung "Sinsheim-lokal" vom 5.
November 2017: "Gedenkfeier anlässlich der Reichspogromnacht -
Verein für Heimatpflege Neckarbischofsheim..." Link
zum Artikel
Berichte zur Verlegung:
- Artikel in der Internet-Zeitung
"Sinsheim-lokal" vom 29. November 2017: "Stolpersteinverlegung in Neckarbischofsheim
- Verein für Heimatpflege Neckarbischofsheim
(zg) Nach langer Vorbereitungszeit konnte der Künstler Gunter Demnig die ersten 15 Stolpersteine in Neckarbischofsheim verlegen, 79 Jahre nach den gewaltsamen Übergriffen der Nationalsozialisten in ganz Deutschland.
Am 10. November 1938 wurde die Synagoge und die 'Judenschule' in Neckarbischofsheim zerstört. Diese verbrecherischen Vorgänge wurden vom damaligen Vorstand der Jüdischen Gemeinde, Samuel Jeselsohn, niedergeschrieben.
Stolpersteine werden für Verfolgte des Nationalsozialismus verlegt, die fliehen mussten und in Lagern und Gaskammern umkamen. Die Stolpersteine sollen am letzten freigewählten Wohnort des ermordeten jüdischen Mitbürgers vor seinem ehemaligen Wohnhaus gesetzt werden. Demnig möchte den Menschen, die von Gestapo und SS verfolgt wurden, Ihre Würde zurückgeben. Stolpersteine wurden verlegt für die Familie Dr. Hamburger, Waibstadterstraße 15; für die Familie Wolff, Hauptstraße 36/38; für die Familie Abraham Jakobsohn, Hauptstraße 47/49; für die Familie David Jakobsohn, Alexandergasse 4 und für die Familie Katzengold, Alte Rathausgasse 12.
Während der Stolpersteinverlegung sprach Walter Zeller vom Heimatverein über das Leben und Wirken der im Nationalsozialismus verfolgten jüdischen Bürger in Neckarbischofsheim.
Auch Schülerinnen und Schüler der Realschule Waibstadt und des Adolf-Schmitthenner Gymnasiums Neckarbischofsheim trugen Texte aus dem Leben der jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger vor.
Nach der Stolpersteinverlegung fand in der Zehntscheune eine gemeinsame Gedenkveranstaltung statt. Auch Bürgermeisterin Tanja Grether, Harald Frommknecht, Schulleiter vom ASG Neckarbischofsheim, Walter Zeller, Verein für Heimatpflege, Marion Guttmann, Projektgruppe
'Judentum im Kraichgau' und Georg Werner, 'Projektgruppe
Adolf-Schmitthenner-Gymnasium', erinnerten an die die ermordeten jüdischen
Personen aus Neckarbischofsheim." Link
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- Artikel von Berthold Jürriens in der "Rhein-Neckar-Zeitung"
vom 12. November 2017: "Stolpersteine in Neckarbischofsheim.
Vergessene Namen kehren in Messing zurück..." Link
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November 2017: Gedenkveranstaltung
zur Zerstörung der Synagoge beim Novemberpogrom 1938
Artikel in der Internet-Zeitung
"Sinsheim-lokal" vom 20. November 2017: "Gedenkveranstaltung zum 79. Jahrestag der Zerstörung der Synagoge in Neckarbischofsheim
(zg) Die schon traditionelle Gedenkveranstaltung fand in Neckarbischofsheim wieder am Platz der ehemaligen Synagoge in der Schulgasse in Neckarbischofsheim statt. Die Gedenkfeier wird seit vielen Jahren von Heimatverein und SPD-Ortsverein organisiert. Zum Gedenktag hatten sich wieder Bürgerinnen und Bürger sowie Vertreter der Stadt und der Kirchen zu besinnlichen Worten und Gebeten zusammengefunden.
Bei der Begrüßung erinnert Franziska Legat an die Übergriffe an jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern im ganzen Land. Auch die Synagoge wurde 1938 zerstört.
Frau Karin Bender, stellvertretende Bürgermeisterin, sprach in Vertretung von Bürgermeisterin Tanja Grether. Der 9. November sei, wie kein anderer Tag in der Deutschen Geschichte geprägt. Die Reichspogromnacht 1938 gehöre zu den dunkelsten Zeiten. Die Diskriminierung der jüdischen Bevölkerung habe bereits mit der Machtergreifung der Nazis begonnen und setzte sich fort bis zum Völkermord im Holocaust. Dies dürfe nie wieder geschehen, so Bender.
Der Bundestagsabgeordnete Dr. Lars Castellucci erinnerte an die Dichterin Hilde Domin, die rechtzeitig fliehen konnte. Sie hatte, aus Deutschland kommend, Hilfe auf ihrer Flucht erfahren. Eine Hilfe vergleichbar derjenigen, wie sie die in den vergangenen Jahren viele auf ihrer Flucht nach Deutschland erfahren haben. Hilde Domin sei es wichtig gewesen, nicht nur die Erinnerung an das Erlittene weiterzugeben, sondern auch die Erinnerung an diese Hilfe:
'Dass wir die jungen Menschen dazu ermutigen, nie wegzusehen, sondern immer hinzusehen, wenn Unrecht geschieht, und die Welt zum Menschlicheren hin zu verändern.' Dann werde das erlittene Leid dieses Jahrhunderts im Namen aller Toten fruchtbar für die Menschen sein.
Walter Zeller vom Heimatverein würdigte das Leben der Familie Jakobsohn in seiner Gedenkrede.
Die Seelsorger Neckarbischofsheims Pfarrer Joachim Maier der Katholischen Gemeinde und Manfred Wolff, Evangelist der Neuapostolischen Gemeinde sprachen Fürbitten und Gebete für die Opfer des Nationalsozialismus, für bedrohte Menschen und Minderheiten, für Flüchtende, Kranke und Sterbende und beteten gemeinsam ein Vater Unser. Herr Pfarrer Peter Beisel betete den Psalm 22.
Zuletzt dankte Franziska Legat allen Akteuren und Gästen für ihr Kommen, Der Stadt Neckarbischofsheim dankte sie für die Sperrung der Straße während der Veranstaltung und der Familie Dries, die den Gedenkstein ganzjährig mit schönen Blumen schmückt." Link zum Artikel
November 2018:
Einladung zur Gedenkfeier zum
Novemberpogrom 1938
Artikel in "Sinsheim-Lokal" vom November
2018: "Gedenkfeier anlässlich der Reichspogromnacht vor 80 Jahren.
Der Heimatverein Neckarbischofsheim und der SPD-Ortsverein
Neckarbischofsheim laden am Freitag, den 9. November 2018 um 16.45 Uhr, wie
in jedem Jahr, zur Gedenkfeier am Platz an der ehemaligen
Neckarbischofsheimer Synagoge ein. Walter Zeller vom Heimatverein wird in
seinem Redebeitrag an die furchtbaren Geschehnisse in den Morgenstunden des
10. November 1938 erinnern. Wie in jedem Jahr wird auch Bürgermeisterin
Tanja Grether Worte des Gedenkens sprechen. Auch die Vertreter der Kirchen:
Pfarrerin Stephanie Ultes der Evangelischen Kirche, Pfarrer Joachim Meier
von der Katholischen Kirche und Evangelist Manfred Wolff von der der
Neuapostolischen Kirche werden mit Worten und Gebeten der Opfer von Terror
und Gewalt gedenken, die auch unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern
während der Zeit des Nationalsozialismus erleiden mussten. Sie alle sind zur
Gedenkfeier herzlich eingeladen!"
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Juli 2019: Besuch
von Nachkommen der Familie Jeselsohn
Artikel in Sinsheim Lokal vom 20. Juli 2019:
"Die Rückkehr der alten Bücher - Verein für Heimatpflege
Neckarbischofsheim - Bücher in der Heimat
Für den 1949 in New York geborenen Robert Jesselson, einen renommierten
Musikprofessor aus South Carolina (USA) war der Besuch in
Neckarbischofsheim, der Geburtsstadt seines Großvaters sehr bewegend. 'Als
ich in New York aufwuchs, hörten meine Cousins und ich immer von dieser
hübschen kleinen Stadt, die in der Erinnerung beinahe ein Garten Eden war.'
Bei seinem ersten Besuch in Neckarbischofsheim Anfang der 60-iger Jahre
hatte ihm sein Vater noch ganz stolz einen Baum im Schlossgarten mit den
Initialen KJ (= Kurt Jeselsohn) gezeigt. Walter Zeller vom Verein für
Heimatpflege begleitete Robert Jesselson, dessen Frau und Frau Annegret
Braun, die vor Jahren ein Buch über das Schicksal von Else Kahn, geborene
Jeselsohn geschrieben hatte. Robert Jesselsons Tante Else kam nach dem
25.11.1944 im KZ Stutthof ums Leben. Nach einem Besuch der Synagoge in
Steinsfurt begleitete Herr Chris Flothow vom Verein 'Alte Synagoge
Steinsfurt' die Gruppe zu den Gräbern der Familie Jeselsohn auf dem
jüdischen Friedhof in Waibstadt. Der älteste Grabstein ist dabei der von
Faelkel Jehosua Jeselsohn (1742 – 28.03.1820). Nach altem jüdischen Brauch
legte Robert Jesselohn auf jeden der Grabsteine einen Stein des Gedenkens
nieder. In Neckarbischofsheim übergab dann Robert Jesselson in der
Totenkirche Herrn Peter Beisel in Leder eingebundene Bücher aus dem frühen
18.Jahrhundert. Diese kleinen EX libris Bücher in französischer Sprache mit
der Signatur des Grafen Max von Helmstatt standen solange er sich erinnern
konnte im Bücherregal seines Vaters Kurt Erich Jesselson. Dieser gelangte
noch während der letzten Tage des 2.Weltkrieges als erster der in der
NAZI-Zeit vertriebenen jüdischen Familien als amerikanischer Soldat nach
Neckarbischofsheim. Vielleicht hatte er diese Bücher damals von den letzten
Gräfinnen als Gastgeschenk erhalten. Peter Beisel versprach, dass diese
Bücher einen würdigen Platz im Heimatmuseum im Alten Schloss erhalten
würden. Danach führte Walter Zeller die Gäste durch die Stadt. Diese waren
begeistert von den Sehenswürdigkeiten wie dem Alten Schloss, der Stadtkirche
und als Höhepunkt dem Fünfeckigen Turm. Lange stand die kleine Gruppe am
Platz der ehemaligen Synagoge und vor den Stolpersteinen. Die Geschichten
der Menschen, an die durch die Stolpersteine gedacht wird, wurden wieder
lebendig. Am Haus von Robert Jesselsons Urgroßvater Max Jeselsohn
(ehemaliges Geschäft 'Dies und Das') ist noch deutlich an der Eingangstür
die Aussparung für die Mesusa erkennbar und wenn man genau hinschaut ist
über der Eingangstür nach all den Jahren auch noch der Schriftzug 'Jeselsohn'
unter dem Verputz zu entziffern. Es sei ein großer Wunsch der Familie
Jeselsohn, dass auch für seinen Großonkel Samuel, dem letzten Vorstand der
jüdischen Gemeinde, dessen Bruder Theodor und deren Ehefrauen zum Andenken
an die nahezu 300-jährige Geschichte der Familie Jeselsohn in dieser Stadt,
einer Familie, die voll integriert war und sich als Deutsche gefühlt haben,
Stolpersteine verlegt werden könnten, meinte Robert Jesselson am Ende eines
langen Tages." Link
zum Artikel
Franz Hundsnurscher/Gerhard Taddey: Die jüdischen Gemeinden in Baden.
1968. S. 218-221.
Hans Benz/Hansjörg Bräumer: Die Juden in Neckarbischofsheim, und
Samuel
Jeselsohn, Das Ende unserer Heiligen Gemeinde Neckarbischofsheim, und
Heinz Teichert, Zur Geschichte des Judenfriedhofs im Mühlbergwald, in:
Kraichgau 7 (1981) S. 233-242.
Hans Benz/Manfred Müller: Alt-Bischofsheim. Ein Bildband
vergangener Zeit. Hg. vom Verein für Heimatpflege Neckarbischofsheim e.V.
1981 S. 13f.
Joseph Walk (Hrsg.): Württemberg - Hohenzollern -
Baden. Reihe: Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from
their foundation till after the Holocaust (hebräisch). Yad Vashem Jerusalem
1986. S. 418-419.
Joachim
Hahn / Jürgen Krüger: "Hier ist nichts anderes als
Gottes Haus...". Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte
und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen. Hg. von Rüdiger Schmidt,
Badische Landesbibliothek, Karlsruhe und Meier Schwarz, Synagogue Memorial,
Jerusalem. Stuttgart 2007.
Hinweis
auf einen 2008 erschienenen Kalender
"Spuren jüdischer
Kultur" im Kraichgau
"Sichtbare
Spuren der Vergangenheit: erkennen - erhalten"
Projekt "Denkmal aktiv" - Kulturerbe macht Schule Es kooperieren vier Schulen: Realschule Waibstadt - Adolf
Schmitthenner-Gymnasium
Neckarbischofsheim - Wilhelmi-Gymnasium Sinsheim -
Harmanni-Gymnasium Eppingen
Den Kalender
erhalten Sie auf Anfrage zu einem Preis von 7.50 € (bei Versand
zuzüglich Porto) bei
Realschule Waibstadt Tel. 07263/724 Fax:
07263/910538 E-Mail
Konto: Förderverein RSW e.V. Volksbank Schwarzbachtal: Konto Nr.
13412 BLZ 67262402 Der Erlös ist für die Sanierung der ehemaligen Synagoge Steinsfurt
bei Sinsheim bestimmt.
Neckarbischofsheim Baden. Jews were present in the 17th century,
with a synagogue built in 1769 and the community growing to a peak population of
189 in 1859 (total 2,010). In 1848, a new synagogue was built on pillars because
of the marshy ground. The Jewish population declined to 109 in 1900 and 37 in
1933. On Kristallnacht (9-10 November 1938), the synagogue was vandalized,
with 14 Torah scrolls destroyed or stolen. Twenty-five Jews emigrated; 14 were
deported to the Gurs concentration camp on 22 October 1940 and three were
deported to the Sobibor death camp from their refuge in Holland. Seven of those
deported survived the Holocaust.
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