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Baden-Württemberg
Rastatt (Kreisstadt)
Jüdische Geschichte / Betsaal/Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In dem zur Markgrafschaft Baden gehörenden Rastatt
lebten Juden bereits im Mittelalter. 1337/38 wird von einer
Judenverfolgung berichtet.
Die Entstehung der neuzeitlichen Gemeinde geht in das 16./17. Jahrhundert zurück.
1560 werden mit den Juden Samel und Lebel erstmals Juden in Rastatt genannt.
1584 und nochmals 1620 wurden die meisten Juden der Markgrafschaft für einige
Zeit ausgewiesen. 1701 und 1721 lebten jeweils fünf jüdische Familien in der Stadt.
In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gab es in der Stadt eine hebräische Druckerei, die der damalige
Bruchsaler Rabbiner Pelta Epstein und sein Schwager Hirsch Moses Wormser betrieben.
Später wurde diese Druckerei nach Karlsruhe verlegt.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie folgt: 1825 61 jüdische Einwohner, 1834 89, 1845 100, 1865 158, 1875
230 (Höchstzahl), 1900 227.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine
Schule (auch im 19. Jahrhundert nur Religionsschule) und ein rituelles Bad. Die
Toten der jüdischen Gemeinde wurden zunächst in Kuppenheim beigesetzt, seit
1881 auf einem eigenen Friedhof in Rastatt.
Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der
zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war. In besonderer Erinnerung blieb Lehrer
Emanuel Mayersohn, der von 1883 bis 1923 (40 Jahre) in der Gemeinde als
Lehrer, Kantor und Schochet tätig war. 1827 wurde die Gemeinde dem
Rabbinatsbezirk Bühl zugeteilt.
Seit der zweiten Hälfte
des 19. Jahrhunderts nahmen die jüdischen Einwohner regen Anteil an der
wirtschaftlichen und industriellen Entwicklung der Stadt. 1877 wurde mit Josef
Altschul erstmals ein jüdischer Einwohner in den Bürgerausschuss der Stadt
gewählt; bis 1933 waren immer wieder jüdische Einwohner
Bürgerausschussmitglieder oder Mitglieder der örtlichen Vereine.
Um 1924, als zur Gemeinde etwa 200 Personen gehörten (1,33 % von
insgesamt etwa 15.000 Einwohnern), waren die Gemeindevorsteher Moritz Weil,
Jonas Friedmann, Arnold Lion, Isak Wertheimer und Salo Bloch. Als Kantor, Lehrer
und Schochet war inzwischen (und bis 1937) Hermann Translateur tätig, der auch in einigen
umliegenden Gemeinden den jüdischen Religionsunterricht erteilte.
1933 gehörte jüdischen
Familien noch zahlreiche Handels- und Gewerbebetriebe in der Stadt. Es gab zwei jüdische Ärzte und einen Rechtsanwalt sowie eine jüdische
Gastwirtschaft. Der wirtschaftlichen Bedeutung entsprach auch die vielfältige
Anteilnahme der jüdischen Einwohner am öffentlichen Leben in der Stadt. Im
einzelnen war in jüdischem Besitz: Lumpensortieranstalt Richard Baer (Rauentaler
Straße 26), Eisenwarenhandlung Dreyfuß und Ettlinger, Inh. Julius Ettlinger
(Kapellenstraße 7), Kartonagenfabrik Dreyfuß & Roos, Inh. Manfred Dreyfuß (Militärstraße
2), Manufakturwarengeschäft Alfred Durlacher (Hans-Jakobstraße 6), Manufakturwarengeschäft Julius Ettlinger
(Friedrich-Ebert-Straße 11), prakt. Arzt Dr. Alfred Grünebaum (Murgtalstraße
6), Schuhhandlung Samuel Herrmann (Am Grün 11), Warenhaus Geschw. Knopf
(Kaiserstraße 11), Pferdehandlung Salomon Kuppenheimer (Am Grün 25), Rechtsanwalt Arnold Lion
(Bahnhofstraße 7a), Pferdehandlung Leopold und Alfred Loeb (Roonstraße 3), Fass-, Öl- und Fetthandlung Albert Maier (Am Grün 11), Viehhandlung Sally Maier und Moritz Wertheimer
(Bahnhofstraße 8), Schuhhandlung 'Schuh-Zentrale' Isaak Markewitz (Kaiserstraße
15), Tabakwarengroßhandlung Moritz Mayer, Inh. Josef Julius Maier (Murgtalstraße
5), Garn- und Strickwarengeschäft Ida und Ernestine Nachmann (Kapellenstraße
9), Haushalts-, Eisen- und Kurzwarenhandlung Leopold Nachmann (Werderstraße 1), Lederhandlung Nachmann & Wachter, Inh. Karl Nachmann und Alfred Wachter, Inh. Karl Nachmann und Alfred Wachter
(Kaiserstraße 27), Lebensmittelgeschäft Simon Roos (Dreherstraße 10), Hutgeschäft Simon Roos
(Dreherstraße 10), Hutgeschäft Emma Simon (Kaiserstraße 1), Schuhfabrik S. Weil und Söhne OHG (Rauentaler
Straße ), Möbelhandlung Julius Weinheimer (Kaiserstraße 41), Viehhandlung mit Gasthaus
'Zum Wilden Mann', Isaak Wertheimer
(Schlossstraße
22).
1933 lebten noch 155 jüdische Personen in der
Stadt. Auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts, der zunehmenden
Repressalien und der Entrechtung verließ ein Großteil von Ihnen in den
folgenden Jahren die Stadt. Zwei Drittel der jüdischen Bevölkerung gelang bis
1939/40 die Emigration in die USA, nach Frankreich, Palästina oder in andere
Länder. Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge zerstört (s.u.),
jüdische Wohnungen und Geschäfte wurden geplündert und demoliert. Die
jüdischen Männer wurden nach Dachau verschleppt, nachdem man auf dem Bahnhof
eine Art Spießrutenlaufen mit ihnen veranstaltet hatte. Letzter Treffpunkt der
jüdischen Gemeinde war nach Zerstörung der Synagoge die Wohnung des
letzten Religionslehrers und Kantors Siegfried Simon. Am 22. Oktober 1940 wurden
aus Rastatt 30 jüdische Einwohner nach Gurs deportiert. Von ihnen starben sechs
in Gurs, je eine Person in Noe und Rivesaltes an den Folgen der Entbehrungen.
Acht Deportierte konnten in die Freiheit gelangen. Die übrigen wurden in die
Vernichtungslager des Ostens weiter deportiert. In Rastatt überlebte nur eine
in "Mischehe" lebende jüdische Frau den Krieg.
Von den in Rastatt geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Karl Adler
(1925), Oskar Altschul (1876), Clemence Blum geb. Haas (1866), Hedwig
Bodenheimer (1877), Max Bodenheimer (1863), Mina Bodenheimer (1879), Frieda
Breisacher geb. Maier (1869), Hedwig Bär geb. Wolf (1902), David Daube (1871),
Jacques Dienstag (1878), Hedwig Dreifuss geb. Friedmann (1894) Mathilde Dreifuss
geb. Nachmann (1887), Jacob Dreifuss (1880), Berthold Dreyfuss (1886), Rosa
Dreyfuss geb. Eppstein (1886), Rosa Eis geb. Gumbrich (1874), Else Ettlinger
(1898), Julius Ettlinger (1902), Josef Fleischer (1873), Frieda Friedmann
(1895), Johanna Friedmann (1864), Elfriede Goldstrom geb. Scheuermann (1885),
Nathan Herz (1857), Richard Herz (1894), Hannelore Kaufherr (1926), Ilse Kuch
geb. Nachmann (1904), Martin Kuch (1907), Henriette Kuhn geb. Bakofen
(1865), Rudolf Kuhn (1887), Salomon Kuppenheimer (1865), Henriette Lindner
geb. Weil (1868), Leopold Maier (1874), Leopold Maier (1880), Simon Maier
(1857), Simon Maier (1870), Sophie Maier geb. Hilb (1862), Cäcilie Mayer geb.
Rothschild (1866), Joseph Julius Mayer (1865), Leopold Nachmann (1873), Olga
Rosenthal geb. Kuhn (1899), Therese Rothschild (1894), Herbert Manfred Samuel
(1926), Hermann Samuel (1894), Johanna Schohl geb. Bodenheimer (1861), Johanna
Schönberger geb. Dreyfuss (1892), Betty Springer geb. Herz (1889), Eva
Stern (1925), Emma Trier geb. Mayer (1865, "Stolperstein" in Aschaffenburg), Else (Ilse Jenny) Walter geb.
Ettlinger (1906), Emma Weill geb. Bodenheimer (1868), Ella Wilhermsdörfer
(1878).
Weitere Spuren der jüdischen Geschichte und Erinnerungsmale
Vom Haus einer jüdischen Hoffaktorwarenfamilie (Poststraße 8, Vorgängergebäude) ist eine Inschriftentafel von 1703 vorhanden. Sie befindet sich im Innenhof des Heimatmuseums.
An Erinnerungsmalen für jüdische Persönlichkeiten besteht ein Gedenkstein für den
ehemalige Stadtrat Hugo Levi, der im April 1945 auf dem Todesmarsch zum KZ Dachau ums Leben kam (Standort im alten Friedhof, heute Patientengarten des Kreiskrankenhauses).
Zum Gedenken an den 60. Jahrestag der Deportation der Juden nach Gurs wurde 2000 vor dem Bahnhofsgebäude ein
Gedenkstein aufgestellt.
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Allgemeine Beiträge
zur jüdischen Geschichte
Publikation über "Die Ansiedlung der Israeliten
in der ehemaligen markgräflichen Residenz Rastatt" von Lehrer Emanuel Mayersohn
(1903)
Anmerkung: nach Erscheinen der historischen Stadtgeschichte von C.F.
Lederle im Jahr 1902 stellte Lehrer Mayersohn mit diesem Beitrag einige der
darin auf die Geschichte der Juden in Rastatt bezüglichen Erkenntnisse vor.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. Dezember 1903: "Die
Ansiedlung der Israeliten in der ehemaligen markgräflichen Residenz
Rastatt. Von Em. Mayersohn, Lehrer und Kantor in Rastatt.
Die großen geschichtlichen Momente, an denen Rastatt namentlich zur
Regierungszeit des Markgrafen Ludwig Wilhelm (Türkenlouis) von Baden mit
seiner trefflichen Gemahlin Augusta Sibylle geb. Prinzessin von Laubenburg
so reich ist, sind lange nur in den Annalen der Stadt als Kleinodien
bewahrt worden und waren deshalb nur wenigen zugänglich. Seitdem im Jahre
1902 im Verlage von Hermann Greiser in Rastatt ein vom Professor C.F.
Lederle auf Anregung des gemeinnützigen Vereins und der Stadtgemeinde
Rastatt mit großer Hingabe gut durchgearbeitetes Werk, Rastatt und seine
Umgebung, erschienen ist, wurde das Interesse an den früheren Geschicken
und der Entwicklung dieser Stadt viel reger denn je. Und in der Tat bietet
das Werk, einem längst gefühlten Bedürfnisse entsprungen, eine Fülle
von Darstellungen |
geschichtlicher Ereignisse, die sich in Rastatt und dessen Umgebung seit
dem Mittelalter, zur Zeit der Verwüstung Badens durch die französischen
Horden und um die Zeit der Türkenkriege abspielten, als auch solche von
allgemeinem Interesse über die spätere Entwicklung dieser Stadt, dass
man mit Recht dem werk eine kulturelle Bedeutung beimisst.
Es soll nun nicht der Zweck dieser Zeilen sein, einen Auszug aus dem
Inhalt dieses Werkes zu geben, aber es sei mir gestattet, einige Details
daraus über die Ansiedlung der Israeliten in der Markgrafschaft Baden,
die ersten israelitischen Familien in Rastatt, wie sie urkundlich
festgelegt sind, zu entnehmen.
Als Markgraf Ludwig Wilhelm seine Residenz von Baden nach Rastatt verlegt
hatte und die ständigen Kriege den damals schon berühmt gewordenen
Helden zuletzt auch mehrere Jahre in Österreich hielten, fiel seiner
Gemahlin Augusta Sibylle die Ansprache zu, für den Ausbau der neuen
Residenz Sorge zu tragen. Mit welch' hohem Kunstverständnis die
Markgräfin dieser Aufgabe gerecht wurde, geht zur Genüge aus den noch
heute bewunderten herrlichen Bauten des Schlosses, der katholischen Stadtkirche,
der Einsiedlerkapelle und nicht zuletzt aus der Anlage und dem Bau des
Lustschlosses 'Favorite', unweit Kuppenheim, inmitten eines kleinen
Wäldchens, hervor. Die Mittel zu diesen Bauten flossen zwar reichlich aus
ihren ererbten Fürstengütern Schlackenwerft in Böhmen, allein ein Teil
musste auch durch Umlagen aufgebracht werden. Und da scheint die Markgräfin
den Israeliten nicht besonders gewogen gewesen zu sein. Unter anderen
sollte die junge Residenz mit einem würdigen Straßenpflaster versehen
werden, was mit einem Aufwand von vorläufig 6.000 Gulden geschehen
sollte. Um diese Summe aufzubringen, verfiel die Regierung der
Markgräfin-Regentin auf ein eigenartiges Mittel, sie musste von allen in
der Markgrafschaft ansässigen israelitischen Familien bezahlt werden, in
der Weise, dass jede einzelne nach Verhältnis des von ihr an die
Regierung zu entrichtenden Schutzgeldes daran bezahlen musste. Der
geringste Betrag, der eine Familie traf - war 34 Gulden, der höchste 155
Gulden, ganz Unbemittelte wurden davon befreit. Die Familien, welche sich
weiterten, ihre Betreffnisse zu zahlen, wurden aus dem Lande gewiesen. Die
6.000 Gulden reichten aber zur Vollendung der Pflasterung nicht aus, und
so wurden 1750 in gleicher Weise nochmals 568 Gulden erhoben von jenen
israelitischen Familien, die sich seit der ersten Verordnung 1721 in der
Markgrafschaft niedergelassen hatten. Auch nach vollendeter Pflasterung
blieb - angeblich zur Unterhaltung der Stadtstraßen, für die
israelitischen Familien der Markgrafschaft jene drückende Last
bestehen.
Die urkundlichen Nachrichten über die Niederlassung |
israelitischer
Familien aus dem Mittelalter sind sehr spärlich und fehlen für Rastatt
sozusagen ganz. Zum ersten Male finden wir Rastatter Familien mit ihrem
Namen erwähnt 1605, wo Menle und Elias an den markgräflichen Hof nach
Durlach zur Verhandlung wegen Geldleistungen zur Bestreitung der
Postausgaben vorgeladen waren. Einige Jahrzehnte später geben die
Speyerer Kirchenvisitations-Protokolle wieder genauere Aufschlüsse, nach
ihnen wohnten damals nur drei israelitische Familien in Rastatt. 1689
flohen diese bei der Zerstörung Rastatts über den Rhein, sind aber nach
derselben Quelle 1700 bereits wieder zurück, und nun wird wiederholt der
in Rastatt ansässige Handelsmann Nathan Schweizer als Judenschultheiß
erwähnt. Zur Ortsgemeinde und zum Staat ward damals die Stellung der
Israeliten eine eigenartige. Die Israeliten beziehungsweise die
Familienhäupter traten in den Verband der Gemeindebürger nicht ein,
hatten aber die Pflichten derselben, d.h. sie wurden zu allen
bürgerlichen Leistungen in Bezug auf Wachen, Frohnden, Umlagen etc.
herangezogen, sogar auf Kultusbedürfnisse der christlichen Konfessionen,
dafür war ihnen der gleiche Schutz wie den Gemeindebürgern gesichert.
Als Schutz- und Handelsjuden standen sie durch ihre Schutzbriefe aber nur,
und zwar direkt - in Folge einer Art von Vertragsverhältnis - unter den
Markgrafen, dessen Untertanen sie waren; diese Verträge waren immer nur
für die einzelnen Familien geschlossen und jeweils für eine ganz
bestimmte Zeit gültig. Diese Sonderstellung der Israeliten in Bezug auf
Pflichten und Recht wurden noch verschärft, indem denselben 1741 sogar
verboten wurde, ihren Gottesdienst in der Stadt abzuhalten; sie wurden in
die Vorstand erwiesen. Über die näheren Umstände und über die weitere
Entwicklung der Dinge berichtet Näheres der dritte Abschnitt des Werkes,
das auch uns Israeliten einen Einblick in frühere Zeiten und
Verhältnisse gewährt, und uns ermöglicht, einen Einblick zu tun in das
Leben und die Kämpfe unserer Ahnen vom Mittelalter bis zur Errichtung des
jetzigen Großherzogtums, womit auch der Bann, in den man die Israeliten
tat, gelöst wurde und alle diesbezüglichen Ausnahmegesetze fielen." |
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer und der Schule
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet
1838 / 1839 / 1848 / 1855 / 1922
Anmerkung zur Ausschreibung von 1922: nachdem Lehrer Mayersohn fast 40 Jahre in Rastatt gewirkt hatte,
hatte er den Ruhestand wohl verdient: die Stelle wurde neu ausgeschrieben und
mit Lehrer Hermann Translateur neu besetzt.
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" von 1838 S. 824 (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen): "Bühl.
Erledigte Schulstelle.
Bei der israelitischen Gemeinde Rastatt ist die Lehrstelle für den Religionsunterricht
der Jugend, mit welcher ein Gehalt von 66 Gulden nebst freier Kost und
Wohnung
verbunden ist (welcher Gehalt aber auch nach Maßgabe der Persönlichkeit
des sich meldenden Kandidaten und auch noch dadurch bedeutend erhöht
werden kann, dass mit dieser Stelle auch der Vorsängerdienst samt den
davon abhängigen Gefällen in Bälde verbunden werden soll), bis zum 1.
März 1839 erledigt, und durch Übereinkunft mit der Gemeinde unter
höherer Genehmigung zu besetzen. Die rezipierten israelitischen Schulkandidaten werden daher aufgefordert,
unter Vorlage der Rezeptionsurkunde und der Zeugnisse über ihren
sittlichen und religiösen Lebenswandel binnen 6 Wochen sich bei der
Bezirks-Synagoge Bühl zu melden.
Auch wird bemerkt, dass im Falle weder Schulkandidaten noch
Rabbinatskandidaten sich melden, andere inländische Subjekte nach
erstandener Prüfung bei dem Bezirks-Rabbiner zur Bewerbung zugelassen
werden.
Bühl, den 1. November 1838. Großherzogliche
Bezirks-Synagoge." |
|
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" vom 12. Juni 1839 (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen):
"Bei der israelitischen Gemeinde Rastatt ist die Lehrstelle für den
Religionsunterricht
der Jugend, mit welcher ein Gehalt von 66 Gulden nebst freier Kost und
Wohnung verbunden ist, erledigt, und durch Übereinkunft mit der Gemeinde unter
höherer Genehmigung mit einem Subjekte zu besetzen, das nötigenfalls
auch den Vorsängerdienst dabei zu versehen imstande ist. Es werden daher
die rezipierten israelitischen Schulkandidaten aufgefordert,
unter Vorlage der Rezeptionsurkunde und der Zeugnisse über ihren
sittlichen und religiösen Lebenswandel binnen sechs Wochen bei der
Bezirks-Synagoge Bühl sich zu melden. Auch wird bemerkt, dass im Falle weder Schulkandidaten noch
Rabbinatskandidaten sich melden, andere inländische Subjekte nach
erstandener Prüfung bei dem Bezirks-Rabbiner Willstätter zu Bühl zur Bewerbung zugelassen
werden." |
|
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" vom 25. November 1848 (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen): "Vakante
Schulstellen. Die mit einem festen Gehalte von 150 fl., freier Wohnung
und dem Vorsängerdienste samt den davon abhängigen
Gefällen verbundene Religionsschulstelle bei der israelitischen Gemeinde Rastatt
ist zu besetzen. Die berechtigten Bewerber um dieselbe werden daher aufgefordert, mit ihren
Gesuchen unter Vorlage ihrer Aufnahmeurkunden und der Zeugnisse über
ihren sittlichen und religiösen Lebenswandel binnen 6 Wochen mittelst des
betreffenden Bezirksrabbinats bei der Bezirkssynagoge Bühl in Rastatt
sich zu melden. Bei dem Abgange von Meldungen von Schul- und Rabbinatskandidaten können
auch andere inländische befähigte Subjekte, nach erstandener Prüfung
bei dem Bezirksrabbinate zur Bewerbung zugelassen werden." |
|
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" vom 24. November 1855 (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen):
"Die Schul- und Vorsängerstelle bei der israelitischen Gemeinde zu Rastatt
ist vakant und soll sofort neubesetzt werden. Dieselbe ist mit einem fixen
Lehrergehalte von 150 fl., ungefähr 16 fl. Schulgeld und 80 fl.
Akzidenzien vom Vorsänger- und Schächterdienste, nebst schöner freier
Wohnung und Beheizung des Schulzimmers, verbunden. Auch findet ein
geschickter Lehrer, namentlich durch Privatunterricht in der Musik und in
der französischen Sprache, hier viel Gelegenheit, obiges Einkommen
bedeutend zu erhöhen.
Außer rezipierten Kandidaten, werden auch andere befähigte Subjekte,
welche sich einer Prüfung bei der Bezirksrabbiner unterziehen, zur
Bewerbung zugelassen. Die desfallsigen Eingaben, nebst Zeugnissen, sind
innerhalb 4 Wochen bei der Bezirkssynagoge Bühl einzureichen."
|
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. Dezember 1922:
"Wir suchen für Rastatt (Baden) per sofort oder bald einen Kultusbeamten
als Lehrer, Kantor und Schochet. Seminaristisch und musikalisch
gebildete Herren erhalten den Vorzug. Das Gehalt richtet sich nach der
Besoldungsordnung des badischen Oberrats der Israeliten, hinzu kommen für
Dezember ca. 2.500 % voraussichtliche Teuerungszulage zum Grundgehalt und
Kinderzulage. Recht guter Nebenverdienst zugesichert. Auch Angebote von
Bewerber ledigen Standes sind erwünscht. Meldungen mit Zeugnissen an die Bezirkssynagoge
Bühl (Baden)." |
Anzeige zur Bauakkord-Versteigerung für das neue
jüdische Schulhaus (1844)
Anzeige
in der "Karlsruhe Zeitung" vom 15. März 1844: "Rastatt.
(Bauakkord-Versteigerung.)
Die israelitische Gemeinde lässt am Freitag, den 29. März dieses Jahres,
Vormittags 9 Uhr,
im Gasthaus zum goldenen Roß dahier in Gemeinschaft mit großherzoglicher
Bezirksbauinspektion den Bau eines neuen Schulhauses, im Voranschlag von
2.300 fl., an die Wenigstnehmenden öffentlich versteigern; wozu die
Liebhaber mit dem Bemerken eingeladen werden, dass sich auswärtige Steigerer
mit legalen Vermögenszeugnissen auszuweisen haben.
Plan und Kostenüberschlag können täglich beim Unterzeichneten eingesehen
werden.
Rastatt, den 11. März 1844. Der großherzoglich badische Synagogenrat. M.
Rosenthal." |
Lehrer Mayersohn referiert bei
einer Versammlung der
jüdischen Lehrer des Rabbinatsbezirkes Bühl (1886)
Artikel
in "Die jüdische Presse" vom 9. Dezember 1886: "Bühl, 4. Dezember
(Original-Korrespondenz). Jüngsten Sonntag versammelten sich hier nach
vorhergegangener Einladung durch den Bezirks-Rabbiner Herrn Dr. Mayer
sämtliche israelitischen Lehrer des Rabbinatsbezirks Bühl zur Abhaltung der
auf diesen Tag anberaumten Konferenz. Der Herr Bezirks-Rabbiner hieß die
Versammelten, denen sich auch der derzeitige Bezirksälteste Herr Dr. M.
Wertheimer und Synagogenrat S. Weil dahier angeschlossen hatten,
herzlich willkommen und hob den Anwesenden in wenigen, aber geistreichen
Worten den Wert solcher Versammlungen für den Unterricht hervor. Hierauf
erteilte derselbe dem Hauptlehrer Jacob dahier das Wort zu seinem
Referate über den biblisch-geschichtlichen Religionsunterricht. ...
In der hieran anschließenden Diskussion, an welcher Hauptlehrer Lehmann
aus Lichtenau, Lehrer Levy aus
Rheinbischofsheim, Lehrer
Maiersohn aus Rastatt und andere sich beteiligten, wurde dieser
Vereinigung beigestimmt, aber auch hervorgehoben, dass in den so genannten
Religionsschulen, denen für den Religionsunterricht mehr Zeit zur Verfügung
steht, diese Unterrichtsgegenstände ausführlicher behandelt werden können.
Hierauf sprach Lehrer Pollaschek aus
Bodersweier über den Wert des
Pentateuchunterrichts und hob insbesondere die Schwierigkeit hervor, die dem
Lehrer hierbei dadurch bereitet wird, dass so manche Eltern diesem wichtigen
Unterrichtsgegenstand so wenig Sympathie entgegenbringen. Auch von den
anderen Lehrern, die an der hierauf folgenden Besprechung sich beteiligten,
wurde dieser Indifferentismus tief beklagt. Herr Bezirks-Rabbiner Dr. Mayer
legte jedoch in seiner Schlussrede den anwesenden Lehrern dringend ans Herz,
sich hierdurch nicht stören zu lassen und ihren Obliegenheiten umso
gewissenhafter nachzukommen. Im Allgemeinen glaubte der Vorsitzende den
Lehrern bezüglich des geschichtlichen Unterrichts und unter Bezugnahme auf
das Referat des Herrn Hauptlehrers E. Jakob den Wink geben zu sollen,
dass es nicht so wohl darauf ankomme, sich bei einzelnen unerheblichen
geschichtlichen Erzählungen aufzuhalten, als vielmehr durch lichtvolle
Rekapitulationen des Geschichtsstoffes denselben dem Gedächtnisse der Kinder
dauernd einzuprägen, mit anderen Worten dem Unterricht einen mehr intensiven
als extensiven Charakter zu verleihen. Nachdem hierauf die Tagesordnung für
die nächstjährige Konferenz festgestellt war, vereinigte man sich zu einem
gemeinschaftlichen Mittagessen, bei welchem neben guten Speisen und
Getränken auch der gemütliche Teil, Toaste, gesangliche und humoristische
Vorträge nicht fehlten. Erst am späten Abend trennte man sich, mit dem
Bewusstsein, einen genussreichen Tag verlebt zu haben." |
Vortrag von Lehrer Mayersohn über Situation der
russischen Juden (1891)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. Juni 1891:
"Rastatt. Gelegentlich des Wochenfestes nahm unser Herr Lehrer und
Kantor Mayersohn die Veranlassung, in seinem Vortrage auf die russischen
Zustände hinzuweisen.
In seiner gediegenen Ansprache beleuchtete derselbe das Elend, welches
gegenwärtig in Russland herrscht und jedes rechtlich denkende fühlende
Menschenherz empört. Der Redner gab von diesem Elend ein überzeugendes
Bild. Eine hierauf am vergangenen Sonntag vorgenommene Sammlung ergab das
schöne Resultat von Mark 203. Mögen alle, welche diese Zeilen lesen,
alle die ein Scherflein entbehren können, das ihrige beisteuern, um das
Elend unserer russischen ausgewiesenen Glaubensgenossen zu mildern. Viel
wenig, geben ein Viel. Besten Dank auch den gütigen Gebern. N.N." |
Auszeichnung für Lehrer Emanuel Mayersohn (1894)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. Mai 1894:
"Rastatt. Aus Anerkennung und Dankbarkeit für pflichttreue Erfüllung
seines Berufes erhielt Herr Lehrer und Kantor Em. Mayersohn von den
Mitgliedern der hiesigen israelitischen Gemeinde einen prachtvollen
silbernen Pokal mit einer Widmung. Möge es demselben gegönnt sein, noch
viele Jahre zum Nutzen und Frommen seiner Gemeinde wirken zu
können." |
30-jähriges Dienstjubiläum und Silberne Hochzeit von Kantor
Emanuel Mayersohn (seit
1883 in Rastatt; 1898)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Februar 1898:
"Rastatt, 6. Februar (1898). Eine schöne Feier, die hier abgehalten
wurde, verdient es, öffentlich bekannt zu werden. Am heutigen Tage
feierte Kantor Mayersohn seine silberne Hochzeit, in Verbindung mit seinem
30jährigen Dienst-Jubiläum als Lehrer und Kantor. Schon gestern wurden
ihm von Seiten der Gemeinde viele Gratulationen dargebracht; heute
Vormittag begab sich die ganze Schuljugend in die Wohnung ihres Lehrers,
überbrachten ein schönes Geschenk mit prachtvoll ausgeführter Adresse
der Schüler, wobei eine Schülerin ein passendes Gedicht für das
Jubelpaar vorgetragen, das alle Anwesende sehr rührte. Das Jubelpaar
dankte in bewegten Worten. Beredtes Zeugnis von der Beliebtheit des
Jubilars legen die vielen kostbaren Geschenke ab, mit welchen er von
Seiten seiner Gemeinde beehrt wurde. Mittags fand in festlich dekoriertem
Schulsaale in engerem Familienkreise ein Festessen statt und waren einige
Bekannte und Verwandte von der Nähe und Ferne anwesend. Bei dem Mahle
unterhielt man sich mit Worten der Tora. Bezirksrabbiner Herr Dr. Mayer
aus Bühl traf auch während des Mahles ein, und hielt eine schöne,
schwungvolle Rede über die Bedeutung der zweifachen Feier, die großen
Beifall fand. Verschiedene Toaste wurden ausgebracht und hat Herr Dr.
Mayer besonders hervorgehoben, welche Verdienste das Jubelpaar sich
erworben, da sie selbst ohne Kinder, ein fremdes Kinder angenommen und
dasselbe bisher so musterhaft erzogen; ferner betonte Herr Nachmann von
hier, dass schön vor 5 Jahren die Gemeinde die Verdienste ihres Kantors
anerkannte, indem sie ihm aus Achtung und Liebe einen prachtvollen
silbernen Pokal widmete. Es war nur zu bedauern, dass die schönen Stunden
so schnell verschwanden, aber sicher werden sie alle Teilnehmer in stets
freudiger Erinnerung bleiben. Herr Mayersohn ist schon 15 Jahre hier, und
möge es ihm auch gegönnt sein, sein fünfzigjähriges Dienstjubiläum
und goldene Hochzeit zu feiern. Die Anhänglichkeit der Schüler und
Gemeinde zu ihrem Lehrer müssen jeden Kollegen angenehm
berühren." |
Zum Tod von Lehrer Emanuel Mayersohn (1924)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. Januar 1924: "Rastatt
(Baden), 6. Januar (1924). Die jüdische Gemeinde Rastatt wurde durch den
Heimgang ihres Lehrers Em. Mayersohn, der hier 40 Jahre amtierte, in tiefe
Trauer versetzt. Der Verstorbene hat hier fast ein Menschenalter hindurch
in seltener Pflichttreue seines Amtes als Lehrer, Kantor und Prediger gewaltet,
hoch geehrt von allen, die ihn kannten. Sein Amtsnachfolger, Lehrer H.
Translateur, widmete dem heimgegangenen Freund und Kollegen zugleich im
Auftrag des israelitischen Lehrervereins für Baden, einen tief
empfundenen Nachruf. Als Vertreter des Oberrates und der Bezirks-Synagoge Bühl
sprach Herr Rosenfelder aus Bühl den
Dank an den Verblichenen für seine Verdienste um Jugenderziehung und
Judentum aus. Zuletzt sprach noch als Vertreter des Synagogenrates und der
Gemeinde Herr Vorsteher M. Weil schlichte Worte des Dankes und der Trauer.
Ein kaum übersehbarer Zug von Leidtragenden, Freunden und Schülern gab
dem hochverehrten Lehrer und Menschenfreund das letzte Geleite. Der
Verstorbene, der ein Alter von 74 Jahren erreichte und seit einem Jahre im
Ruhestande lebte, hinterlässt eine Witwe mit drei unversorgten Kindern. Seine
Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
Aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben
Antijüdisches gegen Rastatter Juden in der Mitte des
19. Jahrhunderts bei Heinrich Hansjakob (dargestellt 1939)
Anmerkung: zu dem Pfarrer und Heimatschriftsteller Heinrich Hansjakob
(1837-1916) siehe Wikipedia-Artikel
'Hansjakob'
Artikel in "Das Tagblatt vom Wochenende. Unterhaltungsbeilage des
Schwarzwälder Tagblatts Villingen" vom 14. Januar 1939 (Quelle:
Stadtarchiv Donaueschingen): "Schalomachei o waih...
Heinrich Hansjakob und die Hebräer.
Dass Heinrich Hansjakob, der berühmte Schwarzwälder Volksdichter, kein
sonderlicher Freund der Juden war, beweist eine kleine Geschichte, die
sich vor 80 Jahren, im März 1859, im Gasthaus zum 'Kreuz' in Ottersdorf
bei Rastatt zugetragen hat.
Hansjakob war damals Primaner am Rastatter Gymnasium. Einem guten Tropfen
war der lebensfrohe Sohn des Schwarzwalds nicht abgeneigt. Mit Soldaten
kneipte er gern, aber auch mit seinen Kameraden. Doch geben wir dem
Dichter selbst das Wort.
'Nicht lange nach der Fasnachtszeit', so berichtete er uns in seinen
'Jugenderinnerungen', 'saßen wir an einem schönen Märzen-Samstag im
Nebenzimmer des Ottersdorfer Wirtshauses. Drauß' in der Stube aber hatten
sich einige Rastatter Juden niedergelassen, uneingedenk des Sabattgebotes.
Sie sollten es büßen. Ich schlug meinen Kameraden vor, das Lied zu
singen 'Von der Sau und den Juden' mit dem Schlussreim:
Schalomachei o waih,
O Jud, o Jud, i Judele,
O Judele, o Jud. Gesagt, getan!
Ich sang den Vers und die anderen den Refrain. Sofort entstand merkliche
Aufregung unter den Semiten. Einer von ihnen kam zu uns herein und 'verbat
sich dieses Lied'. 'Wir singen, was uns gefällt', war die Antwort, worauf
der Hebräer die Tür zumachte, um in der Stube den Gesang nicht mehr zu
hören.
Ich aber erhob mich, nahm die Tür aus den Angeln, stellte sie an die
Wand, und das Judenlied brauste weiter in alle Wirtschaftsräume herein.
Da trat abermals ein Sohn Israels an mich heran mit der Erklärung: 'Wir
werden sofort nach Rastatt zurückkehren und uns beim Direktor des Lyzeums
beklagen!' 'Tun sie das' war meine Antwort, 'und wenn Sie nicht wissen, wo
er im Lyzeum wohnt, so merken Sie: Statt einer Klingel hat er einen
Sauschwanz an der Tür hängen!' Ich sprach's und unter Hohngelächter zog
der Jude von dannen...'
Sie haben sich nie im Lyzeum blicken lassen, die Hebräer; sie hatten
keine Lust, mit dem Sauschwanz Bekanntschaft zu machen.
-r." |
Gemeindebeschreibung von 1859 nach der damaligen
Restaurierung und Wiedereröffnung der Synagoge am 12./13. August 1859
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 26. September
1859: "Rastatt, Ende August (1859). Die hiesige Einwohnerschaft
beträgt ungefähr 12.000 Seelen, wovon die Hälfte auf die Besatzung der
Bundesfestung kommt, die israelitische Gemeinde besteht nur aus 15
Familien und befindet sich somit in der bescheidensten Minderzahl. Groß
aber ist das Wohlwollen, dessen sie sich von Seiten der ganzen
Einwohnerschaft, und namentlich von Seiten der Gemeindebehörde zu
erfreuen hat. So empfangen die israelitischen Armen, gleich den
christlichen, regelmäßige Unterstützung aus der städtischen
Armenkasse, so erhält die israelitische Schule, welche nur
Religionsschule ist, jährlich 1 1/2 Klafter Holz aus dem Stadtwalde
unentgeltlich, und ebenso der Lehrer 1/2 Klafter zu seinem Privatgebrauch.
Wenn dieses allein schon den Geist der wahren Liebe und des wahren
Fortschrittes bezeichnet, welcher die hiesige christliche Gemeinde und
namentlich deren aufgeklärte Vorstände beseelt, so ist doch aus
jüngster Zeit noch eine weit höhere Kundgebung ihres Edelsinnes erfolgt,
welche die weiteste Verbreitung verdient. Es hat nämlich die hiesige
israelitische Gemeinde ihre Synagoge restauriert, namentlich mit
Subsellien (Bankreihen) und Chorbänken versehen, um hierdurch die
Abhaltung des Gottesdienstes selbst in bessere Form zu bringen, und
empfing aus diesem Anlass Beweise der aufmunterndsten Teilnahme von Seiten
der christlichen Einwohnerschaft, namentlich von einem Kaufmanne eine sehr
schöne Schulchan-Decke, und von der Gemeindebehörde einen Beitrag von
250 Gulden aus der Stadtkasse als freies Geschenk; dies ist aber eine
Munifizenz, welche vielleicht einzig in ihrer Art dasteht. So wurde auch
die Wiedereröffnung der restaurierten Synagoge allseitig mit
aufrichtiger Teilnahme begleitet, nicht nur durch die Anwesenheit der
achtbarsten Personen aus allen Ständen, sondern auch wieder durch
verschiedene Gaben, z.B. lange weiße Wachskerzen, die einer der ersten
Bürger und Geschäftsmänner zur Verwendung bei der Einweihung gesandt
hatte. - Diese Wiedereröffnung fand am verflossenen Sabbath Nachmu
(= 12./13. August 1859) statt und es nahm der hierzu berufene
Bezirksrabbiner Schott aus Bühl Veranlassung, sowohl in der Predigt des
humanen Verhaltens der städtischen Behörden und Einwohnerschaft zu
gedenken, als auch nachher in Begleitung des Vorstehers, Herrn Hirsch
Löw, dem Herrn Stadtdirektor Scheible, dem Herrn Stadtbürgermeister Dr.
Hammer und dem Herrn Stadtdekan Buchdunger Dankbesuche abzustatten, bei
welcher Gelegenheit die gedachten Herren sich auf das Wohlwollendste
aussprachen, und das gute ehrenhafte Streben der hiesigen Israeliten
anerkannten.
Zum Schluss zu Diesem selbst habe ich noch mitzuteilen, dass man hier die
vortreffliche Gottesdienstordnung der Gemeinde Bühl
anzunehmen beschlossen, und zu diesem Zwecke einen guten Vorsänger und
Lehrer in der Person des Herrn Model von Bühl engagiert, wobei die
Gemeinde die bisherige Besoldung des Lehrers um 100 Gulden erhöht hat,
was bei ihrer Geringzähligkeit gewiss ein großes Opfer ist. Gott möge
es ihr lohnen." |
Festgottesdienst zum 40-jährigen Regierungsjubiläum von Großherzog Friedrich
von Baden (1892)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. Mai 1892:
"Rastatt, 2. Mai (1892). Aus Anlass des 40jährigen
Regierungsjubiläums Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs Friedrich
von baden fand am Samstag den 30. April in der hiesigen festlich
geschmückten Synagoge ein Festgottesdienst statt. Nach dem zeremoniellen
Eingang hielt Herr Kantor E. Mayersohn eine ergreifende Festrede, in
welcher er die Bedeutung der Feier in begeisternden Worten zu würdigen
verstand und besonders die tolerante Gesinnung unseres Landesfürsten
hervorhob, dessen Herzen die Untertanen jeder Konfession gleich nahe
stehen.
Vom Synagogenrat wurde folgendes Telegramm abgesandt:
Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzog Friedrich von Baden!
In tiefster Ehrfurcht bringt untertänigst die israelitische Gemeinde
ihrem viel geliebten und allergnädigsten Landesherrn anlässlich
höchstdessen Regierungsjubiläum die innigsten Glückwünsche dar. Der
Synagogenrat: Simon Altschul.
Nachstehendes Telegramm ging hierauf dem Vorsteher Simon Altschul von dem
Geheimen Kabinett zu: Herrn Simon Altschul in Rastatt! Seine
Königliche Hoheit der Großherzog lässt für die Glückwünsche des
Synagogenrats freundlichst danken. Im höchsten Auftrag: Sternberg." |
Berichte
zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde
Über den Lebensretter Emil Ettlinger (1903)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Juli 1903:
"Rastatt, 6. Juli (1903). (Rettung aus Todesgefahr). In
höchster Angst um einen dem Ertrinken nahen Menschen standen dieser Tage
um die Mittagszeit auf der Badener Brücke eine Menge Menschen. Der in den
zwanziger Jahren stehende Bäckergeselle Johann Hegele aus Bartenstein
(Württemberg) hatte mit einem Hund in der Murg unterhalb der genannten
Brücke gespielt, geriet dabei immer weiter in den dort ziemlich tiefen
Fluss, bis er schließlich den Boden verlor und des Schwimmens unkundig,
nach vergeblichen Anstrengungen, ans Ufer zu kommen, auf den Grund sank.
Jetzt erst ging ein Kanonier nach, konnte aber nicht untertauchen. Nach
kurzer Weile sprang Herr Emil Ettlinger den Murgdamm hinab, schnell
sich der Schuhe und des Kragens entledigen, und hinein in das nasse
Element. Beim zweiten Untertauchen brachte er den Leblosen in die Höhe
und zog ihn anÄs Ufer, wo er sofort Wiederbelebungsversuche mit ihm
anstellte, die denn auch bald Erfolg hatten. Durch das entschlossene
Vorgehen des Herrn Ettlinger wurde ein blühendes Menschenleben dem Tode
entrissen.
Inzwischen hat sich der Bäckergeselle im hiesigen Spital wieder ziemlich
erholt, sodass keine Gefahr für dessen Leben mehr vorhanden
ist." |
Arthur Nachmann erhält das Eiserne Kreuz
(1914)
Meldung
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 13. November
1914: "Rastatt. Der Reservist der Ersatzbatterie des
Feldartillerieregiments 63 (Frankfurt am Main) Arthur Nachmann aus Rastatt
erhielt für seine Tapferkeit vor dem Feind das Eiserne Kreuz und wurde
zum Gefreiten befördert." |
Alfred Loeb erhält das eiserne Kreuz (1915)
Meldung
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. Juni 1915: "Rastatt,
28. Mai (1915). Alfred Loeb, Sohn des Herrn David Loeb in Rastatt (in
Baden), erhielt das Eiserne Kreuz." |
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Torarolle zu kaufen gesucht (1887)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. November 1887:
"Die Gemeinde Rastatt (Baden) sucht zum Zwecke des
Privatminjans eine ganz kleine Sefer-Tora zu kaufen. Offerten nebst
Probeschriften sind zu richten an den Synagogenrat
daselbst." |
Getreidegeschäft Wertheimer & Weil sucht einen Lehrling (1890)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. August 1890: "Wir
suchen für unser Getreidegeschäft einen mit den nötigen
Vorkenntnissen versehenen Lehrling aus guter Familie zum sofortigen
Eintritt.
Wertheimer & Weil, Rastatt." |
Anzeige von Metzgermeister S. Bodenheimer (1898)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. September 1898:
"Ein Lehrling oder angehender Metzgerbursche kann
sofort eintreten.
S. Bodenheimer, Metzger, Rastatt,
Baden." |
Kennkarte
aus der NS-Zeit |
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Am 23. Juli 1938 wurde
durch den Reichsminister des Innern für bestimmte Gruppen von
Staatsangehörigen des Deutschen Reiches die Kennkartenpflicht
eingeführt. Die Kennkarten jüdischer Personen waren mit einem großen
Buchstaben "J" gekennzeichnet. Wer als "jüdisch"
galt, hatte das Reichsgesetzblatt vom 14. November 1935 ("Erste
Verordnung zum Reichsbürgergesetz") bestimmt.
Hinweis: für die nachfolgenden Kennkarten ist die Quelle: Zentralarchiv
zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland: Bestände:
Personenstandsregister: Archivaliensammlung Frankfurt: Abteilung IV:
Kennkarten, Mainz 1939" http://www.uni-heidelberg.de/institute/sonst/aj/STANDREG/FFM1/117-152.htm.
Anfragen bitte gegebenenfalls an zentralarchiv@uni-hd.de |
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Kennkarte
für den in Rastatt
geborenen Rudolf Kaufmann |
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Kennkarte (ausgestellt in
Mainz 1939) für Rudolf Eugen Kaufmann
(geb. 30. Mai 1874 in
Rastatt) |
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Zur Geschichte des Betsaales / der Synagoge
Seit 1720 hielten die Rastatter
Juden ihre Gottesdienste in einem Betsaal des Hauses des Daniel Kassel
(Kusel) ab, der zeitweise "Judenschultheiß" war und in der inneren Stadt
wohnte. Damals hatte in Rastatt und Bühl ein
1724 genannter Rabbi Isak das Amt eines Vorbeters inne.
Immer wieder kam es in den folgenden Jahren zu
Auseinandersetzungen um die "Judenschule", in der es offensichtlich bei
Versammlungen und Diskussionen immer wieder sehr heftig und laut zuging. Die
Regierung selbst wurde in den Streit um die Ruhestörungen hineingezogen. 1741
berichtete man, dass es in der Judenschule "abermahlen ein entsetzliches und ärgerliches
Geschrei und Gezänk, ja vermutlich untereinander mit Schelt- und Schlaghändel"
gegeben habe. Die Söhne des Daniel Kassel und des Juden Vola wurden als Haupttäter
genannt. Darauf verordnete Markgraf Ludwig Georg, dass der Betsaal in Zukunft
nicht mehr in der Stadt, sondern in der Vorstadt über der Brücke, das heißt
jenseits der Murg (d.h. jenseits der Ankerbrücke) eingerichtet werden solle.
Daniel Kassel durfte in seinem Haus fortan keine Gottesdienste mehr abhalten;
die Urheber der Streitigkeiten wurden mit einer Geldstrafe belegt. Der damalige
Obervogt Lassolaye von Rastatt verschärfte dieses Verbot und untersagte in
Rastatt und Kuppenheim gemeinsame Andachtsübungen
in einem Haus sowie den Bau einer Synagoge in der Vorstadt. So sollte es zur
Einrichtung einer Synagoge "über der Brücke" erst Jahrzehnte später kommen.
Im Laufe der Jahre wurde wieder ein Betsaal in einem
der jüdischen Häuser eingerichtet. Anfang des 19. Jahrhunderts befand er sich
im Hause des Judenvorstehers Löb Simson Altschul, des Inhabers des Gasthauses "Zum
goldenen Rössle".
Um 1825 plante man die Einrichtung einer Synagoge in
der Augustavorstadt. Dies war für die damals nur 61 Personen umfassende kleine
jüdische Gemeinde ein nicht einfach zu bewältigendes Vorhaben. Dennoch gelang
es nach zweijähriger Vorarbeit und auf Grund einer auf alle Gemeindeglieder
verteilten Umlage, den Bau einer Synagoge in der damaligen Hildastrasse (heute
Gebäude Ottersdorfer Strasse 9) zu finanzieren. Am 31. Oktober 1829
wurde das Gebäude durch den Prediger und Lehrer der jüdischen Gemeinde
Heidelbergs Karl Rehfuß aus Heidelberg eingeweiht.
1859 wurde die Synagoge gründlich renoviert. Die
Zahl der Gemeindeglieder hatte sich seit 1825 fast verdoppelt. Bei der
Renovierung wurden die bis dahin vorhandenen beweglichen Ständer (Betpulte)
entfernt und Subsellien (Bankreihen) sowie Chorbänke eingebaut. Am 12./13. August 1859
(Sabbat Nachamu) konnte die Synagoge wieder eröffnet werden. Die Festpredigt
hielt Bezirksrabbiner Leopold Schott aus Bühl.
In einem hierzu in der "Allgemeinen Zeitung für das Judentum" erschienenen
Artikel (siehe oben) wurde das damalige große Wohlwollen gepriesen, das der jüdischen
Gemeinde von Seiten der ganzen Einwohnerschaft und der Gemeindebehörde zugute
kam. Ein christlicher Kaufmann schenkte der Gemeinde zur Renovierung der
Synagoge eine schöne Schulchan-Decke. Die Gemeindebehörde gab 250 Gulden
Zuschuss. Ein anderer Bürger schenkte zur Einweihung lange weiße Wachskerzen.
1859 übernahm die Rastatter Gemeinde die "vortreffliche Gottesdienstordnung"
der Gemeinde Bühl.
Anzeige der jüdischen Gemeinde zum Dank
für die Unterstützung der Synagogenrenovierung durch die Stadt
(1859)
Anzeige
in der "Karlsruher Zeitung" vom 20. August 1859:
"Rastatt. Danksagung.
Die hiesige israelitische Gemeinde hat ihre Synagoge mit Subsellien und
sonstigen Verschönerungen in den inneren Räumen ausstatten lassen, wozu der
löbliche Gemeinderat der Stadtgemeinde Rastatt einen Gratialbeitrag von 250
fl. gespendet hat.
Wir können es nicht unterlassen, diesen edlen Zug von Wohltätigkeitssinn und
Loyalität in öffentlichen Blättern zu verkünden, wodurch wir nicht genug
unsere ganz verbindlichste Danksagung erstatten können. Rastatt, den
18. August 1859. Der Synagogenrat. Hirsch Löw." " |
Da die jüdische Gemeinde im Laufe des 19. Jahrhunderts
stark gewachsen ist (1900 hatte sie 227 Gemeindeglieder), war die erste Synagoge
in den 1890er-Jahren viel zu klein geworfen. Auch zeigten sich bauliche Mängel,
die nur durch einen kostspieligen Umbau hätten behoben werden können. Mehrere
Jahre wurden Überlegungen zum Neubau einer Synagoge angestellt, die großenteils
der frühere Vorsteher Simon Altschul (Gemeindevorsteher von 1875 bis 1899)
leitete. Am 16. Oktober 1904 beschloss die Gemeinde, eine neue Synagoge
nach den Plänen von Baurat Professor Ludwig Levy aus Karlsruhe zu erbauten. Die
Synagoge sollte auf dem damaligen Wall der Bastion XII am Leopoldsring gegenüber
dem Gefängnis entstehen (städtisches Festungsgelände beim Ottersdorfer Tor,
Grundstück Leopoldring 2). Hier hatte die Stadtverwaltung der Gemeinde
kostenlos Grund und Boden zur Verfügung gestellt. Architekt Prof. Levy plante
einen modernen Neubau. Er hatte bereits mehrere Synagogen in ganz
unterschiedlichen Stilen gebaut (Pforzheim,
Baden-Baden). Die Finanzierung sollte
unter anderem durch Gelder aus dem Erlös der alten Synagoge und aus Beiträgen
der jüdischen Gemeinde geschehen. Die Grundsteinlegung geschah am 14. September
1905 in Anwesenheit von Bezirksrabbiner Dr. Baruch Mayer aus Bühl (Bericht
siehe unten). Die neue
Synagoge enthielt 152 Männerplätze, 106 Frauenplätze, 26 Plätze für Sänger
und 38 für die Vorsynagoge, zusammen 322 Plätze. Auf der Estrade gegen Osten
stand der Vorbetertisch, dahinter eine erhöhte Kanzel und darüber der
Toraschrein. Auf der Westempore befand sich eine Sängerbühne mit Orgel. Die
Baukosten wurden mit 100.000 Mark veranschlagt. Die Bauten wurden überwiegend
von Rastatter Firmen ausgeführt. Nur die Steinmetzarbeiten übernahm
Hofsteinmetz Albert Burrer aus Maulbronn. Neben der Synagoge wurde ein
Rabbinatsgebäude erstellt. Unter Teilnahme der ganzen Bevölkerung konnte das
neue Gotteshaus am 11. September 1906 eingeweiht werden.
Grundsteinlegung zum Neubau der Synagoge
(1905)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 3. November 1905:
"Rastatt, 26. Oktober (1905). Auch in unserer Stadt wurde nunmehr der
Grundstein zum Neubau der Synagoge gelegt. Die Feier fand am 14. dieses
Monats statt. Trotz des Regenwetters hatten sich auf dem Bauplatze der
Synagoge außer den israelitischen Gemeindemitgliedern eingefunden: ein
Vertreter des großherzoglichen Oberrats, die Bezirksältesten von
Karlsruhe und Bühl, der bauleitende Architekt, der großherzogliche
Bezirksvorstand, der Bürgermeister, die Mitglieder des Gemeinderats und
Bürgerausschusses, sowie viele Bewohner der Stadt. Nach Begrüßung der
Erschienenen durch den Vorstand der israelitischen Gemeinde, Moritz Weil,
nahm der Bezirksrabbiner Dr. Mayer-Bühl die Einsegnung des Grundsteins
vor und führte die ersten drei Hammerschläge aus. Weitere Hammelschläge
erfolgten durch Rabbiner Dr. Appel - Karlsruhe, die beiden
Bezirksältesten, den bauleitenden Architekten, Hofrat Levy, den Herrn
Geheimen Regierungsrat Frech, den Bürgermeister Bräunig, die Mitglieder
des Synagogenrats sowie durch das älteste männliche Mitglied der
Gemeinde und den jüngsten Schulknaben. Mit Erteilung des Segens nahm
dieser Akt sein Ende, und man begab sich zur Fortsetzung der Feier in den
Saal zur 'Linde'. Hier hielt Bezirksrabbiner Dr. Mayer die Festrede, die
auf alle Anwesenden tiefen Eindruck machte. Hierauf erfolgte die Verlesung
der Urkunde. Aus dem Inhalt, der zuerst die zurzeit regierenden Fürsten,
die Inhaber der Staats- und städtischen Behörden und sonstige
historische Ereignisse anführt, ist zu entnehmen, dass für die neue
Synagoge 322 Plätze vorgesehen sind und die Baukosten auf 100.000 Mark
veranschlagt sind. Die Zahl der israelitischen Gemeindemitglieder beträgt
zurzeit 54, und die Gesamtseelenzahl 226. Auf ein an der Großherzog von
Baden abgesandtes Ergebenheitstelegramm traf folgendes huldvolle
Antworttelegramm ein: 'Herr Moritz Weil, Rastatt! Es freut mich, dass die
zur Grundsteinlegung versammelten Festgäste bei dieser Feier meiner in so
freundlicher Weise gedachten. Friedrich, Großherzog.'" |
Die Einweihung der Synagoge (Bericht des Rastatter Tageblattes vom 12. September 1906:
Auszüge zitiert bei W. Reiß s. Lit.):
"Unsere israelitischen Mitbürger begingen gestern die Einweihungsfeier
der neuerbauten Synagoge. Die Stadt prangte im Fahnenschmuck und der Himmel
machte ein freundliches Gesicht dazu. Es waren von auswärts viele eingeladene
Gäste eingetroffen und auch von Rastatt waren aus allen Berufs- und
Gesellschaftsklassen Teilnehmer und Abordnungen erschienen."
"Die Feier begann nachmittags halb 3 Uhr mit einem einfachen
Abschiedsgottesdienst in der alten Synagoge. Unter Vorantritt einer Musikkapelle
ging es dann nach dem neuen Gotteshaus, wobei eine Schar weißgekleideter
Mädchen die Spitze des Festzuges bildete. Die ältesten Gemeindemitglieder
trugen die Torarollen. Vor dem Haupttor der neuen Synagoge überreichte Herr
Baurat Levy ... Herrn Geh. Reg.-Rat Frech ... den Schlüssel, der ihn an den
israelitischen Gemeindevorstand Herrn Moritz Weil weitergab, worauf dieser die
Öffnung des Portals vollzog. Eine große Menschenmenge wohnte dieser
feierlichen Handlung bei."
"Die neue Synagoge befindet sich am Leopoldring in der Nähe der Bastion
XII auf einer kleinen Anhöhe; sie ist nach dem Plan des Herrn Professor Levy
aus Karlsruhe im Barockstil erbaut und wird von einem in Kupfer gekleideten
Turme überragt. Der Bau, der sich in der Mitte eines großen freien Platzes
erhebt, ist mit einem kunstvoll gearbeiteten Gitter eingefriedet und macht einen
sehr vorteilhaften Eindruck. Am schönen Hauptportal, zu dem eine Terrasse von
rotem Sandstein führt, sind in goldener hebräischer Schrift die Wort des
Erzvaters Jakob angebracht: 'Wie ehrfurchtgebietend ist diese Stätte; dieses
ist nichts anderes als ein Gotteshaus und dieses ist das Tor des Himmels!', An
der Hauptfront ist ferner ein großes farbiges Bogenfenster eingefügt..."
"...Ist man in die Synagoge eingetreten, so erblickt man in einer großen
Wölbung auf einer Estrade den aus weißem Sandstein gehauenen Altar, das
Allerheiligste, der von den Gesetzestafeln gekrönt wird, die durch ein
künstliches magisches Licht beleuchtet werden... Oberhalb des Allerheiligsten
sind in Goldschnitt die Worte zu lesen: 'Mein Haus ist ein Haus, wo alle Völker
den Namen des Herrn anrufen.' Vor dem Altar befindet sich die Kanzel und der
Vorbetertisch, links der Kantorstuhl und daneben ein siebenarmiger Leuchter, den
die Firma Hch. Degler Söhne gestiftet hat."
"...Für die männlichen Mitglieder der Gemeinde ist der untere Raum
bestimmt, ... während die Empore den weiblichen Mitgliedern dient. An den auf
beiden Seiten befindlichen Emporen sind Wandelgänge, die links für Kinder,
rechts für Militär Plätze enthalten... Zur Heizung sind in den vier Ecken des
Raumes Gasöfen aufgestellt worden. Durch mächtige Seitenfenster kann das
Tageslicht in den Raum eindringen, und beim Gottesdienst während der Dunkelheit
verbreitet ein von der Mitte der Decke herabhängender Kronleuchter mit 24
Brennern beinahe Tageshelle..."
"Die Arbeiten für die Synagoge wie für die Amtswohnung, deren
Gesamtkosten sich auf etwa 108 000 M. belaufen, wurden größtenteils von
hiesigen Geschäftsleuten ausgeführt, die hierdurch ein glänzendes Zeugnis
ihrer Leistungsfähigkeit an den Tag gelegt haben. Das Hauptverdienst gebührt
jedoch Herrn Baurat Levy aus Karlsruhe, als dem geistigen Urheber des
Prachtbaues. Er hat mit dem Bau der Rastatter Synagoge sich selbst ein
bleibendes Denkmal seines künstlerischen Schaffens und Könnens gesetzt".
Stichwortartig zum Ablauf der Einweihungsfeierlichkeiten sei zusammengefasst:
Die gesangliche Umrahmung des "Weiheaktes" in der Synagoge geschah
durch einen gemischten Chor, "in der Hauptsache Mitglieder des Gesangvereins
'Apollonia' und des evangelischen und katholischen Kirchenchors." Die
Festpredigt von Bezirksrabbiner Dr. Mayer über den Text "Mein Haus soll
ein Bethaus genannt werden für alle Völker", der nicht nur die neue Synagoge
- wie schon zitiert - "oberhalb des Allerheiligsten" in Goldlettern
schmückte, sondern auch am Eingang der alten Synagoge, in den Torbogen
eingehauen, zu lesen war...
|
Die alte Synagoge, die 1906 verkauft wurde, ist zu einem
bis heute bestehenden Wohnhaus umgebaut worden. 1982 wurde der alte Türbogen
wieder freigelegt, an dem jedoch die hebräische Inschrift vermutlich in der
NS-Zeit herausgeschlagen wurde. Eine Hinweistafel zur Geschichte des Hauses
ist angebracht.
Dr. Heinrich Heidenheimer stiftet einen Toraschreinvorhang (Parochet,
1913)
Mitteilung
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 22. Oktober 1913:
"Dr. Heinrich Heidenheimer, Stadtbibliothekar in Mainz,
stiftete zum Andenken an Moses und Frau Rosenthal und deren Tochter
Henriette Heidenheimer geb. Rosenthal der jüdischen Gemeinde in Rastatt
ein prachtvoller weißseidenes Poroches nebst Schulchan und
Kanzeldecke." |
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Dieselbe
Mitteilung wie oben im "Frankfurter Israelitischen
Familienblatt" vom 15. Oktober 1913. |
Die Synagoge wird geschändet (1932)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. November 1932:
"Karlsruhe. Die Synagoge in Rastatt in Baden wurde in der Nacht zum
5. November mit Hakenkreuzen und unflätigen Beschimpfungen
vollbeschmiert. Auch einige jüdische Häuser wurden auf die gleiche
sinnige Art gezeichnet." |
In der Pogromnacht im November 1938 wurde die
Synagoge am Leopoldring demoliert und niedergebrannt, kurz darauf von Pionieren
gesprengt. Bei der Sprengung wurden durch die hochfliegenden Fundamentsteine die
umliegenden Häuser so stark beschädigt, dass ein Gesamtschaden von 500 Mark
vergütet werden musste. Der Synagogenplatz wurde eingeebnet. Die Abräumarbeiten
wurden bereits am 1. Dezember 1938 abgeschlossen. Erhalten blieb nur das
Kantorenhaus, an dem 1964 eine Gedenktafel für die Synagoge angebracht
wurde. Das Synagogengrundstück wurde mit einem Mehrfamilienwohnhaus neu überbaut.
Im ehemaligen Kantorenhaus wurde im Oktober 2010 ein Dokumentationsraum zur
Erinnerung an die jüdische Geschichte in Rastatt eröffnet (siehe
Pressebericht unten).
Fotos
1. Synagoge Ottersdorfer
Straße:
Historisches Foto:
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Eingang zur alten Synagoge (1829-1906); Foto aus
Festschrift
1931 S. 29; hebräische Inschrift übersetzt: "Mein Haus
soll ein
Bethaus genannt werden für alle Völker"
Außenansicht siehe unten: Foto zur Einweihung der neuen Synagoge |
Fotos nach 1945/Gegenwart:
Fotos um 1985:
(Fotos: Hahn) |
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Gebäude Ottersdorfer Straße 9, in dem
sich 1829-1906 die Synagoge
befand |
Eingangstür |
Die Portalinschrift (vgl. Foto oben) wurde
vermutlich in der NS-Zeit
entfernt |
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Fotos 2003:
(Fotos: Hahn,
Aufnahmedatum 16.9.2003) |
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Das Gebäude präsentiert sich
in
frisch renoviertem Zustand |
Die Eingangstür |
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Hinweistafel zur Erinnerung an
die "Alte
Synagoge" mit Zitat der Eingangsinschrift |
Die Fuge der Portalinschrift
ist geblieben |
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Foto 2012:
(Fotos: Irene Schneid-Horn,
Aufnahmedatum 2.9.2012) |
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Gegenüber 2003
unverändert |
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Fotos 2021:
(Fotos: Hahn; Aufnahmedatum 31.5.2021) |
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Eingangstor mit
Hinweistafel: |
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Gegenüber
2003 ist das Gebäude kaum verändert erhalten |
2. Neue Synagoge:
Historische Fotos:
(die mit *) bezeichneten aus der Festschrift von 1931 s. Lit.)
Prozession mit den
Torarollen zur
Einweihung der neuen Synagoge
am 11. Juni 1906
(Quelle: Stadtarchiv Rastatt) |
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Im Hintergrund ist die
alte
Synagoge zu erkennen |
Links: die Synagoge
(Quelle: Publikation
Einblicke... s.Lit. unten) |
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Außenansichten der Synagoge (linkes Foto*) |
Innenansicht der Synagoge* |
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Titelblatt der Festschrift von 1931
(s. Lit.) mit Außenansicht der
neuen
Synagoge* |
Toravorhang in der Synagoge,
gestiftet 1931 vom israelitischen
Frauen-Verein Rastatt* |
Toraschild in der neuen Synagoge,
gestiftet 1878 von Josef Altschul* |
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Gefallenen-Gedenktafel,
eingeweiht 1925* |
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Unklar, um welchen Synagogenraum
in Rastatt es sich handelt
(kleine /
Wochensynagoge?) |
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Die Zerstörung der
Synagoge 1938 |
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Die Synagogenruine
nach der Pogromnacht |
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Fotos nach 1945/Gegenwart
Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
Aktuell
im Oktober
2010: Eröffnung des ehemaligen Kantorenhaus in Rastatt als Stadtteilzentrum West
mit Dokumentationsraum
über das jüdische Leben in Rastatt um 1900. |
Mitteilung des Stadtmuseums
Rastatt vom 11. Oktober 2010: "Mit der Sanierung und Öffnung des ehemaligen Kantorenhauses in Rastatt bietet sich für die Stadtgeschichte erstmals die Möglichkeit, in einem Gebäude, das einst als Wohnhaus des Lehrer und Kantors der jüdischen Gemeinde genutzt war, einen Einblick in das jüdische Leben in Rastatt zu geben. Aufgrund der eingeschränkten Platzmöglichkeiten
(20qm-Raum) wurde das Thema weitgehend auf den Zeitraum um 1900 eingegrenzt.
Kernstück der Präsentation ist eine topografische Darstellung Rastatts, in der die Häuser und Liegenschaften jüdischer Eigentümer eingetragen sind. Sie steht für die Präsenz und Integration der jüdischen Gemeinde in Rastatt, die bis in die 1920er Jahre auch gut funktionierte.
Jüdische Unternehmen trugen in dieser Zeit zum Wohlstand Rastatts bei, insbesondere nach der Entfestigung. Zwei Objekte in der Ausstellung geben Zeugnis davon: Der schöne Damensekretär des Möbelschreiners und Fabrikanten Sigmund Löw, der von 1870 bis 1879 sein Geschäft in Rastatt betrieb und der große, aus Holz geschnitzte Wegweiser der Fa. Werola, die nach dem Ersten Weltkrieg nach Rastatt kam, um hier eine Fabrik für Krepp- und Buntpapiere zu gründen, die heute noch in Rastatt produziert.
Beispielhaft herausgegriffen wurden in Text und Bild drei Biografien: Hedda Kuhn, die rechtzeitig mit ihrer Familie nach Dänemark emigrieren konnte, Josef Julius Mayer, bekannt auch als
'Mayer-Seppel' oder 'Zigarrenmayer' aus dem 'Dörfel', der im Alter von 75 Jahren nach Gurs deportiert wurde und dort starb und Lilly
(besser: Lilli) Wächter*
(Dokumente unten), die als
'Halbjüdin' die Shoa in Rastatt überlebte und sich nach dem Krieg stark in der Friedensbewegung engagierte.
Übergriffe und gezielte Hetzkampagnen gegen jüdische Bürger begannen in Rastatt bereits Anfang der 1930er Jahren. Zwischen 1933 und 1939 gelang es einem Teil der Rastatter Juden zu emigrieren, meist nach Frankreich, in die USA oder nach Palästina, was in der Ausstellung durch eine tabellarische Darstellung deutlich wird.
Dennoch war es einem Teil der Rastatter Juden nicht möglich, die Stadt zu verlassen. Sie wurden am 22.10.1940 in einem organisierten Massentransport in das südfranzösische Internierungslager Gurs deportiert. Das damals erstellte amtliche Verzeichnis mit den Namen der Deportierten wird in der Ausstellung mittels einer Lichtinstallation an die Wand projiziert.
Der Dokumentationsraum zur jüdischen Geschichte Rastatts ist eine Außenstelle des Stadtmuseums.
Das Kantorenhaus wird keine eigenen Öffnungszeiten haben und ist für Individualbesucher zu den Kontaktzeiten des Stadtteilzentrums West, dienstags von 14 bis 17 Uhr zu besichtigen.
Weitere öffentliche Führungen werden im November und Dezember angeboten, die in der Presse noch bekannt gegeben werden.
Führungen für angemeldete Gruppen sind nach Anmeldung unter T.07222/972-8400 möglich. Die Ansprechpartnerin für den Dokumentationsraum
'Jüdisches Leben in Rastatt' im Kantorenhaus ist Museumsleiterin Iris Baumgärtner
E-Mail."
Offizielle
Pressemitteilung der Stadt Rastatt zur Eröffnung des Kantorenhauses vom
18. Oktober 2010. |
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Das ehemalige
Kantorenhaus
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Blick in den
Dokumentationsraum:
links die "Topografie", rechts
Biografien
jüdischer Einwohner
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"Topografie jüdischer
Häuser
in Rastatt" um 1900
mit Abbildungen jüdischer Häuser
und Gewerbebetriebe |
Rechts der aus
Holz geschnitzte
Wegweiser der Fa. Werole,
Fabrik für Krepp- und
Buntpapiere,
früher in jüdischem Besitz |
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Dokumente zu Lilli Wächter geb. Schuster (1899 Karlsruhe - 1989 Bühl)
Fotos der Dokumente erhalten von Oliver Timm |
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Geburtsurkunde
für Lilli Schuster,
Tochter von Sofie Schuster aus
Rülzheim (1899) |
Einwohnerkarte
für Lilli Wächter, eingetragen als "jüdischer Mischling ersten Grades" und
damit mit dem Stempel "J" für Jude/Jüdin versehen |
Autobiographische
Notizen
von Lilli Wächter
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Pressebericht
über Lilli Wächter
(vermutlich anlässlich ihres Todes 1989 in Bühl)
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Hinweis:
Am 16. April 2013
fand eine erste Verlegung von
"Stolpersteinen" in Rastatt statt
Weitere Informationen über die Website http://www.stolpersteine-rastatt.de/ |
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Dezember 2016:
Sessel kehrt nach über 80 Jahren wieder an
jüdische Familie zurück
Anmerkung: Dr. Alfred Grünebaum war Anfang der 1930er-Jahre
in Rastatt als Allgemeinarzt und Geburtshelfer tätig; seine Praxis und
Wohnung waren im Obergeschoss einer Villa in der Josefstraße. Seine Frau
Ruth geb. Nachmann stammte aus Gernsbach,
wo ihr Vater Emil Nachmann ein Kaufhaus betrieb. Die beiden hatten zwei
Sohne Yochanan und Michael... |
Artikel
von Irene Schneid-Horn in den "Badischen Neuesten Nachrichten"
vom 22. Dezember 2016: "
Jüdische Spurensuche. Nach 80 Jahren kehrt Sessel zur Familie zurück.
Deutschland im Jahr 1935: Die Nürnberger Gesetze treten in Kraft. Die jüdischen Bürger werden mehr und mehr entrechtet, drangsaliert und an ihrer Berufsausübung gehindert. Wegen des Terrors der Nationalsozialisten beschließt eine junge jüdische Familie aus Rastatt, ihre Heimat zu verlassen.
Ihr gutbürgerliches Leben und einen Großteil ihrer Habe muss sie zurücklassen – unter anderem einen Ohrensessel mit geblümtem Bezug. Dieser Sessel überdauert Jahrzehnte im ehemaligen Rastatter Wohnhaus, bis der Enkel, Eyal Grunebaum, letztes Jahr zur Spurensuche in die Region kommt und das Erinnerungsstück ausfindig macht. Es hat nun in dessen Heim im kanadischen Toronto einen Ehrenplatz bekommen – am Ende einer Reise, die über 80 Jahre dauerte..."
Link
zum Artikel |
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März 2018:
Die "Stolpersteine" in Rastatt werden
gereinigt |
Presseartikel von Martin Pischelsrieder in
den Mitteilungen von Radio Regenbogen vom 27. März 2018: "Jugendliche setzen Zeichen gegen Rassismus
Im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus, hat die IGMG Mevlana Moschee Rastatt e.V. eine Stolperstein-Aktion veranstaltet. Rastatter Jugendliche nahmen daran teil und reinigten Stolpersteine, die als Gedenktafeln an die Opfer der NS-Zeit dienen.
Die Aktion begann mit einem Vortrag. Dieser erklärte den Jugendlichen, dass sie rassistische und diskriminierende Taten nicht hinnehmen, sondern dagegen vorgehen sollen. Außerdem wurde ein Workshop angeboten. Dabei wurde die Judenverfolgung im Deutschen Reich und in Rastatt erarbeitet. Die Reinigung von 23 Stolpersteinen wurde von zwei jüdischen Bürgern mitbegleitet. Am Ende wurde vor dem Kantorenhaus über die systematische Brandstiftung der Synagoge am 10.11.1938 gesprochen. Nach der Aktion gingen die Jugendlichen zurück zur Moschee, wo gemeinsam noch gegessen und über die Aktion geredet wurde."
Link
zum Artikel |
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März 2021:
101-jährige Israelin aus Rastatt
wird wieder deutsche Staatsbürgerin |
Artikel in "Israel-Netz" vom 3. März 2021: "Vor
den Nazis geflohen. 101-jährige Israelin wieder deutsche Staatsbürgerin
Nach 84 Jahren hat eine 101-jährige Israelin ihre deutsche
Staatsbürgerschaft zurückerhalten. Edith Ramon aus Rastatt war 1937 vor den
Nationalsozialisten ins damalige Mandatsgebiet Palästina geflohen. Auch
ihren Eltern gelang rechtzeitig die Flucht. Ein in England lebender Enkel
entdeckte nach dem Brexit, dass seiner Großmutter die Staatsbürgerschaft
zusteht. Die Urkunde überreichte Botschafterin Susanne Wasum-Rainer am
Samstag persönlich. 'Es ist eine sehr große Ehre für uns, dass Edith wieder
deutsche Staatsbürgerin sein will', sagte die Diplomatin."
Link zum Artikel |
Artikel in "Israel Heute" vom 5. März 2021:
"101-Jährige erhält deutschen Pass. 17 Jahre war Edith Ramon alt, als sie
vor den Nazis floh und ihre deutsche Staatsangehörigkeit verlor. Jetzt bekam
sie diese, nach 84 Jahren, wieder zurück.
Als Edith Ramon im Jahr 1937 mit jungen Jahren Deutschland verließ und ihr
daraufhin die Staatsbürgerschaft entzogen wurde, hätte sie sich nie träumen
lassen, dass sie diese als Hochbetagte zurückerhalten würde. Edith Ramon
(geborene Nachman) wurde 1920 in Rastatt geboren. Bei einem
antisemitischen Angriff in den 1930ern wurde das Auto der Familie in Brand
gesteckt. Der Vorfall trug dazu bei, dass sie auswanderte. Zuerst zog sie
als 17-Jährige nach Eretz Israel, dann folgten später auch ihre Eltern. Im
Jahr 1939 schloss sie sich der Kerngruppe der Gesher-Pioniere an und war
eine der Gründerinnen des Kibbuz. Dort lernte sie ihren Mann Moshe Futerman
kennen, der ebenfalls aus Deutschland kam. Gemeinsam kämpften sie mit den
anderen Kibbuz-Mitgliedern für die Verteidigung des Kibbuz und halfen bei
der Gründung des Staates Israel. Einer ihrer in England lebenden Enkel
beschloss nach dem Brexit, Ediths Anspruch auf die deutsche
Staatsbürgerschaft zu überprüfen und damit eine Art historische Korrektur
für sie und alle ihre Nachkommen vorzunehmen. Edith konnte ihre
Staatsbürgerschaft dank einer Änderung des deutschen Grundgesetzes
wiedererlangen, die es in Deutschland geborenen Menschen, deren
Staatsbürgerschaft von den Nazis zwischen 1933-1945 entzogen wurde, erlaubt,
ihren Status wiederzuerlangen. Es war eine schöne Überraschung für die
Großmutter, als plötzlich zwei hohe deutsche Beamte vor ihrer Tür standen
und nicht nur freundlich lächelten, sondern sogar ein Geschenk mitbrachten.
Die deutsche Botschafterin in Israel, Dr. Susanne Wasum-Rainer, und der
deutsche Konsul, Dr. Lars-Uwe Kettner, ließen es sich nicht nehmen, sogar zu
Edith Ramon nach Hause zu kommen, um ihr den Pass persönlich zu übergeben.
'Es ist eine sehr große Ehre für uns, dass Edith wieder deutsche
Staatsbürgerin sein möchte und deshalb sind der deutsche Konsul und ich zu
Edith in den (Kibbutz) Gesher gekommen, um ihr die
Staatsbürgerschaftsurkunde persönlich zu überreichen', sagte die
Botschafterin Wasum-Rainer."
Link zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Quellen:
Literatur:
| Franz Hundsnurscher/Gerhard Taddey: Die jüdischen Gemeinden in Baden.
1968. S. 243-246. |
| Oskar Stiefvater: Geschichte und Schicksal der Juden im Landkreis
Rastatt, in: Um Rhein und Murg 5 (1963) S. 42-83. |
| Hermann Translateur: Geschichte der Juden von Rastatt. in: Festschrift
zur Feier des 25jährigen Jubiläums der Synagoge in Rastatt am 3. und 4.
Oktober 1931. |
| Klaus Schiwek: Der israelitische Friedhof an der Karlsruher Straße
in Rastatt, in: Heimatbuch. Landreis Rastatt 9 (1982) S. 144ff. |
| Wolfgang Reiß: Die neue Synagoge in Rastatt. 1906 bis 1938, in:
Heimatbuch Landkreis Rastatt 10 (1983) S.107-114. |
| Renate Liessem-Breinlinger: Jules Wertheimer, Autobiographie eines
Juden aus Baden: in Geroldsecker Land (27) 1985, S.185-196. |
| Joseph Walk (Hrsg.): Württemberg - Hohenzollern -
Baden. Reihe: Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from
their foundation till after the Holocaust (hebräisch). Yad Vashem Jerusalem
1986. S. 490--494. |
| Joachim
Hahn / Jürgen Krüger: "Hier ist nichts anderes als
Gottes Haus...". Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte
und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen. Hg. von Rüdiger Schmidt,
Badische Landesbibliothek, Karlsruhe und Meier Schwarz, Synagogue Memorial,
Jerusalem. Stuttgart 2007. |
| Einblicke
in die jüdische Gemeinde Rastatts. Beiträge zur Stadtgeschichte. Hrsg. von
der Stadt Rastatt 2010. |
| Günther
Mohr: "Neben, mit Undt bey Catholischen*. Jüdische Lebenswelten
in der Markgrafschaft Baden-Baden 1648-1771. Böhlau-Verlag Köln u.a. 2011.
248 Seiten. ISBN 13: 978-3412207397. Website
des Verlags mit Informationsseite
zur Publikation
Die Studie widmet sich den Lebensmöglichkeiten von Juden und Jüdinnen in der katholisch geprägten Markgrafschaft Baden-Baden und damit Fragen der ländlichen Gesellschaft und Kultur in Südwestdeutschland. Es entsteht ein neues Bild des Landjudentums in seinen vielfältigen Kontakten zur christlichen Nachbarschaft und mit einem überraschenden Selbstbewusstsein. Das Buch analysiert u.a. die Aufnahme der Juden in den Schutz, die wirtschaftlichen Aktivitäten von Juden und Christen, ihr spannungsreiches Verhältnis zueinander, innerjüdische Verhältnisse sowie Fragen der jüdischen Religion. Dabei stehen immer die wechselvollen Schicksale einzelner Protagonisten im Vordergrund. |
| Christiane
Twiehaus: Synagogen im Großherzogtum Baden (1806-1918). Eine
Untersuchung zu ihrer Rezeption in den öffentlichen Medien. Rehe: Schriften
der Hochschule für jüdische Studien Heidelberg. Universitätsverlag Winter
Heidelberg 2012.
Zur Synagoge in Rastatt S.222-227. |
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Eva-Maria Eberle: Tribunal Général. Kriegsverbrecherprozesse
Rastatt 1946-1950. Verlag Buch Klöpfer
Ottersweier 2018. ISBN: 978-3-943855-22-7.
Inhalt: Inhalt des Buches sind die Rastatter Prozesse gegen Kriegsverbrecher in den Jahren 1946-1950. Ziel war, für tatsächlich 61 hingerichtete Kriegsverbrecher in Rastatt den jeweiligen Prozess zu finden. Das Buch beschreibt die großen Prozesse zu den Außenlagern von
Natzweiler-Struthof, aber auch andere Prozesse, wie z.B. der Dora Prozess, der
Leonberg-Tunnel Prozess, der Hinzert Prozess usw. Es ist die bisher einmalige Aufführung vieler in Rastatt stattgefundener Prozesse und eine aufwändige Recherche von drei
Jahren. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Rastatt (in Jewish sources,
Rechstatt) Baden. Jews are recorded in 1560 and following expulsions in 1584 and
1615 established a new community after 1683. Towards the end of the 17th
century, the Court Jew Mattityahu Schweitzer was active on behalf of the
community and his sons served as heads of the community. A Hebrew printing press
operated in the 1770s and 1780s. In 1829 a synagogue was completed. The Jewish
population grew to 230 in 1875 (total 12,219) and remained stable until
emigration, mostly of the young, accelerated after worldwar I. Jews were
regularly elected to the municipal council. A new synagogue was consecrated in
1906 and the Central Union (C.V.) and Zionist Organization opened offices in
1918 and 1924, respectively. Anti-Jewish agitations intensified in the early
1930s. In 1933, 155 Jews remained, operating 19 business establishments and two
factories. After the economic boycott of 1 April 1933, Jews were banned from
public places. On Kristallnacht (9-10 November 1938), the synagogue was
set on fire (with its ruins subsequently blown up), Jewish homes and businesses
were heavily damaged, and Jews were sent to the Dachau concentration camp after
being viciously beaten and tormented. In 1933-40, at least 38 Jews emigrated
from Germany, mostly to the U.S., France, and Palestine, and another 19 left for
other German cities. In October 1942, 29 Jews were deported to the Gurs
concentration camp; another ten were sent to the camps after leaving Rastatt,
Twelve deportees survived the Holocaust.
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