Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Redwitz an der Rodach (VG Redwitz, Kreis Lichtenfels)
Jüdische Geschichte / Synagoge
(vgl. Website "Jüdisches Leben am Obermain" https://juden-am-obermain.de/)

Übersicht:

bulletZur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Aus der Geschichte des Rabbinates      
Aus dem jüdischen Gemeindeleben 
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen  
Sonstiges     
bulletZur Geschichte der Synagoge   
bulletFotos / Darstellungen   
bulletLinks und Literatur   

  

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde       
   
In Redwitz bestand eine zeitweise relativ große jüdische Gemeinde  bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 16./18. Jahrhunderts zurück. Erstmals werden 1595 in einem Weismainer Gerichtsbuch Juden in Redwitz genannt. 1675 lebten zwölf Juden in Redwitz. In einem Lehensverzeichnis von 1716 werden fünf jüdische Haushalte mit Hausbesitz aufgeführt, im Urbar von 1734 bereits acht. Die Juden machten damals etwa ein Sechstel der Bevölkerung aus.
   
Fast 40 jüdische Familien wurden um 1800 am Ort gezählt. 1797 nahm das Rittergut Redwitz von den 33 jüdischen Haushalten insgesamt 213 Gulden an Schutzgeld ein. 1813 wurden der Gemeinde 38 Matrikeln (Plätze für jüdische Familien) eingeräumt. 1829 wurden 196 jüdische Einwohner gezählt (23 % der Einwohnerschaft), 1852 waren es noch 120 jüdische Einwohner. Bereits in den 1840-/1850er-Jahren sind zahlreiche junge Juden von Redwitz nach Nordamerika ausgewandert.
  
1810 werden folgende jüdische Hausbesitzer genannt (Häuser nach heutigen Grundstücks-Adressen; die Häuser waren teilweise zwischen zwei besitzenden Familien aufgeteilt; nur neun jüdische Familien besaßen 1810 ein ganzes Haus; in eckiger Klammer sind spätere Familiennamen angegeben): Bärlein Seligmann (Kronacher Str. 12), Witwe Märla [Flankauer] (Kronacher Str. 12), Isaac Schneibel (Kronacher Str. 10), Scholum Meier [Kares] (Kronacher Str. 8), Salomon Mayer (Kronacher Str. 8), Bonum David [Hofmann] (Am Markt 6), "Vorsingers-Wohnung" (Haus Nr. 34, ?), Synagoge (Haus Nr. 35, ?), Hirsch Jonas [Cotta] (Hauptstr. 1), Salomon Hirsch [Philo] (Hauptstr. 1), Löb Abraham (Hauptstr. 15), Salomon Baruch [Midas] (Hauptstr. 15), Salomon Abraham (?), Henoch Marx [Gütermann] (Hauptstr. 29), Samuel Hirsch (Hauptstr. 36), Salomon Baruch (Hauptstr. 36), Kronum Marx (Hauptststr. 32), Wolf Marx [Gütermann] (Hauptstr. 18), Isack Moses [Hallo] (Haupstr. 2), Wolf Moses [Hallo] (Hauptstr. 2), Jacob Moses [Hallo] (Am Markt 5), Hirsch Michel [Kuh] (Kronacher Str. 3), Kila Hirsch (Haus Nr. 106, ?), Wolf Rindskopf (Kronacher Str. 5), Bendert Wolf [Kastor] (Kronacher Str. 5), Seligmann Löser [Wald] (Kronacher Str. 5), Michael Gutmann (Kronacher Str. 7), Aron Wolf [Gosser] Kronacher Str. 11), Abraham Jacob [Kann] (Kronacher Str. 11), Meier Wolf [Dinon] (Haus Nr. 112] (Hauptstr. 4), Keela, Kaiums Witwe [Pictor] (Haus Nr. 114, ?), Helena, Isacks Witwe (Gässla 1). Weitere sieben Familien, die nicht in der Liste genannt sind, wohnten vermutlich in Miete. Die jüdischen Familien lebten damals in meist armseligen Verhältnissen und verdienten ihren Unterhalt vom Klein-, Vieh-, Hausier-, vom Lumpenhandel oder vom Taglohn.       
   
Vom 14. November 1825 bis 27. Mai 1862 war Redwitz Sitz eines Distriktrabbinats (für das Amt Lichtenfels), dem die jüdischen Gemeinden Lichtenfels, Kronach, Oberlangenstadt und Redwitz angeschlossen waren. Die Stelle war seit 1827 mit dem weit bekannten Rabbiner Moses Gutmann besetzt. Er war der erste akademisch gebildete Rabbiner in Bayern und erhielt 1828 eine Belobigung durch die Regierung, weil er gegen die "noch herrschenden Vorurteile und veralteten Mißbräuche" war und "dagegen mit deutschen Ansprachen in den Synagogen" eintrat (Groiss-Lau s.Lit. S. 25).  
  
Zu Ausschreitungen gegen jüdische Familien kam es im Revolutionsjahr 1848: am 12. März 1848 wurden die von Juden bewohnten Häuser überfallen und teilweise ausgeplündert. Die Vorkommnisse beschleunigten den Prozess der Aus- und Abwanderung vom Ort. 1867 wurden noch 76 jüdische Einwohner gezählt, 1869 67, 1875 51, 1880 26.   
 
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde im ehemaligen "Judenhof" unweit des Marktplatzes eine Synagoge (bis 1741 ein Betsaal; weitere Informationen unten). Dazu gab es ein Haus des Vorbeters, in dem sich seit 1830 auch eine neue Mikwe (rituelles Bad) befand. 1876 erwarb die jüdische Gemeinde das Wohnhaus des Schnittwarenhändlers Salomon Lust, um hier eine jüdische Schule mit Lehrerwohnung einzurichten, da das bisherige Vorsängerhaus baufällig geworden war. Die Schule wurde jedoch bereits 1879 geschlossen, das Gebäude 1884 verkauft. Das alte Vorsängerhaus wurde 1884 verkauft und im Jahr darauf abgebrochen. Seit 1781 gab es eine sogenannte "Judenherberge" zur Unterbringung von obdachlosen Betteljuden (im Haus des Händlers Simon Seligmann). Die Toten der jüdischen Gemeinde wurden in Burgkunstadt beigesetzt. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war - insbesondere nach Auflösung des Rabbinates - ein Lehrer angestellt, der meist zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war. Unter den Lehrern der Gemeinde ist zu nennen: 1856 bis 1857 Eisenmann Frank aus Schondra, 1858 bis 1861 Phineas (Pinchas, Philipp) Seligsberger (1827-1907, aus Fuchsstadt, war nach seiner Zeit in Redwitz Lehrer in Altenmuhr, gest. nach Recherchen von E. Böhrer 1907 in Bad Kissingen), 1863 bis 1869 Simon Dachauer (zuvor Lehrer in Heiligenstadt), 1869 bis 1875  Benjamin Freudenthal (geb. 1844 in Tann, vor Redwitz Lehrer in Bad Neuhaus, 1875 von Redwitz nach Grünstadt versetzt, wo er 35 Jahre lang erfolgreich als Lehrer und Kantor wirkte); 1875 bis 1879 Jonas Nordhäuser (1848-1907, aus Wüstensachsen a.d.Rhön).
  
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verzogen die jüdischen Familien vom Ort, viele wanderten aus (vgl. die Fotos der Grabsteine aus New York unten). 1883 hieß es, dass sich die jüdische Gemeinde "fast ganz aufgelöst" habe. 1890 wurden noch 17 jüdische Einwohner gezählt, 1903 waren es noch 22. Im August 1921 wurde die Gemeinde aufgelöst. Eine der letzten jüdischen Familien war die Familie E. Gutmann, der eine Korbwaren-Manufaktur gehörte (vergleiche Anzeigen der Familie unten). 
  
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde: Gefreiter Justin Gutmann (geb. 10.3.1895 in Redwitz, gef. 26.4.1918). Sein Name steht auf dem Kriegerdenkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges neben der evangelischen St.-Ägidius-Kirche in Redwitz. Außerdem ist gefallen: Ernst Fleischmann (geb. 1.1.1898 in Redwitz, vor 1914 in Nürnberg wohnhaft, gef. 22.12.1917).  
        
1933 wurde noch ein jüdischer Einwohner gezählt.   
 
Von den in Redwitz geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Ida Blümlein geb. Kuh (1891), Frieda Fichtelberger geb. Kuh (1895), Martin Fleischmann (1895), Emma Gerngroß geb. Midas (1862), Thomas Grosser (1855), Max Gutmann (1899), Rosa Hammel geb. Gutmann (1881), Max Hopfmann (1868), Meta Lilienfeld geb. Gutmann (1903), Mathilde Nordhäuser (1878), Johanna Steuermann geb. Midas (1860).    
   
   
   
Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde                     
    
Aus der Geschichte des Rabbinates   
Rabbiner Dr. Fürst (Bayreuth) und Rabbiner Gutmann (Redwitz) können sich gegen orthodoxe Einflüsse behaupten (1860)     
Anmerkung: mit den "Würzburgern" sind die konservativ-orthodoxen Kreise um Rabbiner Seligmann Bamberger gemeint, die einen immer stärkeren Einfluss im fränkischen Bereich ausübten.    

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 26. Juni 1860: "In Oberfranken haben die Würzburger überhaupt noch wenig festen Fuß fassen können. Außer Rabbiner Gutmann in Redwitz ist auch Dr. Fürst in Bayreuth nicht der Mann, der sich durch diese Leute beirren lässt, und sind beide mit Erfolg bestrebt, das Judentum in zeitgemäßer Fortbildung zu befestigen. Gutem Vernehmen nach beabsichtigt man in Bayreuth sogar bei der sehr notwendigen Renovierung der Synagoge, die diesen Sommer vorgenommen werden soll, die Anbringung einer Orgel. Es wäre dies ein Anfang, der allseitig in Bayern mit Freude begrüßt würde."       

  
Zum Tod von Rabbiner Moses Gutmann (1862)  
         
Anmerkung: Rabbiner Moses Gutmann (geb. 1805 in Baiersdorf, gest. 1862 in Redwitz): war Sohn des rabbinischen Gelehrten Jontoph Gutmann; studierte an der Jeschiwa in Fürth und an der Universität Erlangen; seit 1827 Distriktsrabbiner für das Amt Lichtenfels mit Sitz in Redwitz; war verheiratet mit Jette geb. Wittelshöfer, Tochter des Rabbiners Moses W. in Floß. Gutmann wurde auf dem jüdischen Friedhof in Burgkunstadt beigesetzt.       

Redwitz AZJ 25031862.jpg (231450 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 25. März 1862: "Nekrolog. Aus Bayern, im März (1862). Wir haben den Tod eines Mannes zu registrieren, dessen Namen in weiteren Kreisen bekannt geworden ist. 
Moses Gutmann, Rabbiner in Redwitz, starb am 1. Februar dieses Jahres, nach kurzem Lager im 57. Lebensjahr und 35. seiner Amtstätigkeit. An diesen Namen knüpft sich ein Stück jüdischer Kulturgeschichte. Nicht deshalb, weil er in der theologischen Literatur sein Wort mitgesprochen hat; diese Beweise seines Fleißes und literarischen Eifers gehören der jüdischen Literaturgeschichte an, sondern sein Eintritt ins Amt bildet eine Epoche in dem Fortschritt der deutschen Judenheit. Er fällt in die Glanzperiode der bayerischen Regierungstoleranz. Bayern nämlich und in Bayern die beiden Regierungen Bayreuth und Ansbach haben unter anderen glänzenden Erbschaften aus der preußischen Zeit auch die Verlassenschaft des Mendelsohn'schen Geistes und Verdienstes um die Lichtschaffung in den jüdischen Gemeinden cum beneficio angetreten. Hier wurde nach Einführung der bayerischen Verfassung mit dem Eintritt der zwanziger Jahre das wichtigste Moment für eine bessere Erziehung der israelitischen Bürger ins Auge gefasst, nämlich die Heranbildung methodisch gebildeter Pädagogen und Geistlicher. So wurden 1823/24 die ersten in Seminarien gebildeten Lehrer eingesetzt, und 1827 freute sich die damalige Regierung des Obermainkreises in dem jungen Gutmann, der schon zu 22 Jahren eine glänzende Prüfung über seine zu Erlangen gemachten Gymnasial- und philosophisch-theologischen Studien abgelegt hatte, den ersten Rabbiner, der mit gründlichen talmudischen Kenntnissen auch akademische Bildung verband, bestätigen zu können (Anmerkung: In einem öffentlichen Berichte über seine Installation, bei welcher alle Geistlichen der Umgegend sich beteiligten, heißt es, dass seine Antrittsrede alle Anwesenden zur Bewunderung und Rührung hinriss). Dass er auch den Erwartungen dieser intelligenten Kreisstelle entsprach, wurde ihm bereits im 2. Jahre seiner Amtsführung bewiesen, indem er von der Kreisregierung als Kommissär bei der Prüfung jüdischer Lehrer zu Würzburg der dortigen Behörde empfohlen wurde. Sein Takt, seine Sachkenntnis und Unparteilichkeit gewannen ihm damals allseitige Achtung. 
Überhaupt hatte ein unermüdeter Forschergeist, eine philosophische Erhebung über allen äußerlichen Schmuck und Genuss und eine unerschütterliche Festigkeit des Charakters sich bei Gutmann frühzeitig zur Bestimmung seiner Richtung vereinigt. Mit der Rabbinen- 
Redwitz AZJ 25031862a2.jpg (198433 Byte)lehre und deren biblischer Basis durch heimischen und Jeschiba-Unterricht vertraut; aber durch die Klarheit seines Geistes überzeugt, dass die Ethik des Judentums durch ungeeignete Zusätze und ungeschickte Pfleger verdunkelt, einer Reinigung bedürfe, um nach ihrer Trefflichkeit bei den eigenen Bekennern gewürdigt zu werden, und den Angriffen äußerer Kritik widerstehen zu können, nahm er den Faden Mendelsohn'scher Auffassung des Judentums auf, und war der große jüdische Philosoph des 18. Jahrhunderts im Norden als Gedanken und Plan darstellte, dem hat Gutmann, der stets offen und frei seine Stirne trug, in der Praxis Leben und Gestaltung gegeben. Er zerbrach unwesentliche Zeremonien-Formen, und es gelang ihm, durch Verbesserungen in Liturgie und Unterricht seine Parochianen aus dem Indifferentismus in ein Interesse für jüdisch-religiöses Leben hinüber zu führen. Denn durch ihn wurde der innere Geist des Judentums wie sein äußeres Ansehen gehoben, und die Staatsregierung, die sich durch ihn zur Aussuchung und Anstellung ähnlicher Fachkräfte bewogen fand, wurde dadurch zum Muster. Gutmanns Bestrebungen fanden auch wirklich bald hilfreiche Hände in seinen mit ihm und nach ihm berufenen Freunden und Kollegen Dr. Löwi, Aub und Stern, und mit diesem Zuwachs an Gesinnungsgenossen begrüßte er freudig die Gelegenheit, seine geläuterte Religions-Anschauung über den engen Kreis seines Sprengels hinaus zu tragen. Leider fand die damals projektierte Herausgabe der angekündigten Kohelet und seines Teils fertigen Bibelausgabe nicht die gehoffte Unterstützung. 
War ihm hier die lässige Wirklichkeit schon entgegengetreten, so legte ihm ein Umschwung von oben herab noch größere Hindernisse in den Weg. Mit dem Jahre 1836, unter den Ministerien Wallerstein und Abel, für deren Namen die bayerische Staatsgeschichte überhaupt nur einen Wegeruf kennt, trat besonders für die Juden eine traurige Hemmung der inneren und äußeren Entwicklung ein. Gutmanns lichtsuchender Geist zog sich von da an fast ganz auf das Feld der Theorie zurück. Von früh bis spät in den Räumen der Wissenschaft und bei den klassischen Schriften der alten und neuen Zeit weilend (Anmerkung: Er machte keinen Spaziergang ohne Vademecum eines klassischen Werkes der alten und modernen Sprachen, deren er Meister war), machte er gründliche  
Redwitz AZJ 25031862b.jpg (190164 Byte) und vielseitige Studien, wovon nicht bloß seine Übersetzung der Apokryphen, seine Beiträge zu Geiger's theologischer Zeitschrift, Fürst's Orient und besonders Stein's Volkslehrer, sowie viele amtliche Gutachten in den Archiven Zeugnis geben; sondern auch eine in Manuskript hinterlassene Übersetzung des Josephus mit einem gründlichen und gelehrten Kommentar in lateinischer Sprache. So unersättlich aber sein Wissensdurst und so rastlos seine Tätigkeit war, so anspruchslos und bescheiden war er in den äußeren Verhältnissen. Er suchte keine glänzende Stellung, trotzdem er unter seinen Kollegen als Stern erster Größe glänzte; und, ungeachtet seiner langen Dienstzeit und der garten Kämpfe, welche ihm die Notwendigkeit, eine zahlreiche Familie mit kärglicher Besoldung zu erhalten, auferlegt, hat er nie  eine Erhöhung seines Gehaltes verlangt (Anmerkung: Gutmann folgte darin ganz seinem Vater, dem verehrten Rabbi Jomtow Gutmann zu Baiersdorf, welchem viele Rabbinen der Neuzeit Erziehung und Unterricht verdanken). Er hat aber auch die Seinigen leben gelehrt, wie sich seine Gattin einmal ausdrückte. Seinen Söhnen gab er eine wissenschaftliche Reife, schickte sie dann noch auf höhere Schulen, und hätte sie alle mit den schwersten Opfern dem Dienste der Wissenschaft gewidmet, wenn nicht bis jetzt die praktische Laufbahn den Israeliten in den meisten Richtungen verschlossen wäre.
 Die sittliche Kraft, die den in seiner Einfachheit erhabenen Seelenhirten sein ganzes Leben hindurch geleitet und in allen Mühseligkeiten gestärkt hat, ist ihm auch in der unerwartet hereingebrochenen letzten Krankheit treu geblieben. Eingedenk des 'bestelle dein Haus' (Jesaja 38,1) ließ er seinen ältesten Sohn zu sich berufen, übertrug ihm mit sokratischem Gleichmut die Tröstung der Mutter und die Sorge für die Schwester, und - starb. 
Zu seinem Leichenbegängnis strömten alle Bewohner des Ortes und der Umgebung herbei, um dem allgemein verehrten Manne die letzte Ehre zu erweisen, und die Rede zu hören, welche Rabbiner Traub aus Burgkunstadt vor offener Synagoge hielt. Letztere war, die die ganze Gemeinde, in Trauer gehüllt. So ist ein seltener Mann von uns geschieden, dessen Namen die Geschichte des Judentums mit Verehrung nennen wird."  

   
   
Berichte aus dem jüdischen Gemeindeleben    
Ausschreitungen gegen die jüdischen Einwohner im Revolutionsjahr 1848 

  Aus einem Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit im 19. Jahrhundert" vom 16. April 1848 über antisemitische Vorkommnisse in Bayern im Revolutionsjahr 1848: "...Als nun in der Nacht vom 12. auf den 13. (März 1848) auch in dem Orte Redwitz das Schloss demoliert und das Amthaus mit der ganzen Registratur geplündert wurde, da wendete sich der vom Freiheitsschwindel sowie vom Bayerischen Bier berauschte Volkshaufe auch gegen die Häuser der dasigen Israeliten, warf nicht nur bei fast allen de Fenster ein, sondern  drang auch mit roher Gewalt in die Häuser mehrerer Kaufleute und raubte und plünderte, was er vorfand; andere kauften sich durch Austeilung von Geld an das Raubgesindel von der Plünderung los. Gewalttätigkeiten gegen Personen wurden weiter nicht verübt, bloß der Gutsherr und sein Beamter wurden tätlich misshandelt..."  
..   

     
Rückgang der jüdischen Gemeindeglieder - Berichte 1883 / 1912  

Oberlangenstadt AZJ 15101883.jpg (47611 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 15. Oktober 1883: "Altenkunstadt (Bayern), 6. Oktober (1883). Seit Jahren musste es das Herz eines jeden Glaubensgenossen mit Wehmut erfüllen, wenn er die einst großen und blühenden jüdischen Landgemeinden in unserer Gegend sich auflösen sah. So hat sich die jüdische Gemeinde Redwitz, welche einst 40 Mitglieder zählt und einen eigenen Rabbiner hatte, den gelehrten Gutmann, welcher auch in der literarischen Welt durch seine in Geiger's Zeitschrift veröffentlichten Aufsätze über die Leviratsehe einen Namen sich erworben hatte, fast ganz aufgelöst. In Maineck, in Mitwitz, Horb wohnt noch eine jüdische Familie. In Oberlangenstadt und Küps ist auch eine bedeutende Reduktion der Gemeindemitglieder eingetreten."
 
Oberlangenstadt AZJ 02081912.jpg (62404 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 2. August 1912: "Regensburg, 26. Juli (1912). Der hier erscheinenden 'Deutsch-Israelitische Zeitung' wird aus dem Frankenwalde geschrieben. Auffallend ist der langsame, aber stetige Rückgang der jüdischen Kultusgemeinden in unserer Gegend. Friesen, Redwitz, Mitwitz sind schon vor längerer Zeit erloschen; Oberlangenstadt, das früher 30 Judenfamilien zählte, hat nur noch 6 solche. - In solchen Gemeinden könnte mancher Israelite sich gut ernähren. Neu von auswärts Zuziehende sollten sich nicht in den Städten anhäufen. Wenn sie sich in Landgemeinden ansiedelten, würde auch das Judentum gewinnen, manche schöne Synagoge könnte erhalten werden. Vielleicht zeigt sich der Hilfsverein der Deutschen Juden auch einmal als Hilfsverein der Deutschen Juden und gewährt solchen Ansiedlern Subvention zum Bau eines Häuschens."

     
     
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen    
Anzeigen einer der letzten jüdischen Familie am Ort - Familie E, Gutmann 1890 / 1901 / 1904 / 1907     

Redwitz Israelit 21071890.jpg (26886 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. Juli 1890: "Ich suche einen jungen Mann mit guter Schulbildung unter günstigen Bedingungen als Lehrling, bei freier Station im Hause. 
E. Gutmann. Korbwaren-Manufaktur, Redwitz a.d. Rodach (Bayern).   
 
Redwitz Israelit 21031901.jpg (34321 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. März 1901: "Ein ordentlicher Junge, mit guter Schulbildung und schöner Handschrift kann unter günstigen Bedingungen in meinem Korbwaren-Engros-Export-Geschäft sofort als Lehrling eintreten. 
E. Gutmann, Redwitz a.d. Rodach (Bayern)."  
 
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. März 1904: "Suche 
für eine ältere, taubstumme Dame eine ältere Person zur Führung des Hausstands. Anerbietungen sind an den Vormund 
E. Gutmann, Redwitz a.d. Rodach (Bayern) zu richten."    
 
Anzeige im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 10. Mai 1907: "Suche für meinen Sohn mit guter Schulbildung Lehrstelle in einem Getreide- oder Landesproduktengeschäft. 
E. Gutmann
, Redwitz an der Rodach (Bayern)."     

  
  
Sonstiges     
Rechnungen der Textilhandlung Max Fleischmann (1901)   
 
(aus der Sammlung von Christian Porzelt, Kronach)   

      Links: zwei Rechnungen der Textilhandlung Max Fleischmann an den Freiherrn von Aufseß aus dem Jahr 1901. Zu dem Geschäft liegen folgende Informationen vor:
1888 eröffnete der Kaufmann Max Fleischmann in Oberlangenstadt ein "Tuch-, Schnitt- und Kurzwarengeschäft", das er bereits 1890 ins benachbarte Redwitz an der Rodach verlegte. Um die Jahrhundertwende scheint er nach Aufseß gezogen zu sein. Ende des Jahres 1905 meldete das Handelsgeschäft Konkurs an. Über das weitere Schicksal von Max Fleischmann ist nichts bekannt.  

 
Erinnerungen an die Auswanderungen im 19. Jahrhundert  
Grabsteine in New York für Sophie Fisher (1831-1886) und Zidonie Hackes geb. Wald (1786-1864), beide aus Redwitz 
Anmerkung: die Gräber befinden sich in einem jüdischen Friedhof in NY-Brooklyn

Redwitz New York Salem 1804.jpg (168585 Byte)   Grabstein für 
"Sophie Fisher, Born in Redwitz - Bavaria Febr. 28, 1831. 
Died August 2, 1886" und 
"Solomon Fisher. Born in Altenkunstadt Bavaria,  October 11, 1817, 
Died September 15, 1906 - 
Was a righteous man, perfect in his generation, an he walked with God".   
    
  Redwitz New York Salem 1813.jpg (99107 Byte) Redwitz New York Salem 1813a.jpg (122934 Byte)Grabstein für 
"Zidonie Hackes geborne Wald  
geb. 15. Juni 1786 in Redwitz Baiern 
gest. den 2. Sept. 1864 - 
Die tiefbetrübten Kinder - 
ihrer vielgeliebten unvergesslichen Mutter"   

   
   
   
Zur Geschichte der Synagoge        
   
Im 18. Jahrhundert hatte die jüdische Gemeinde einen Betsaal (1716 erstmals genannt; befand sich im Obergeschoss eines jüdischen Wohnhauses am Dorfrand). Als dieser zu klein wurde, errichteten die jüdischen Familien 1741 eine Synagoge in der Ortsmitte. Sie hatten dazu die Genehmigung des damaliges Dorfherrn Alexander Heinrich von Redwitz erhalten. Das - mit Erdgeschoss aus Sandstein und mit barockem Giebelwalmdach errichtete Gebäude - durfte auf Grund der Forderungen der christlichen Obrigkeit nur in zweiter Baureihe stehen. Das Gebäude war etwa 10 Meter lang und 8,5 Meter breit. Um 1790 gab es 32 Männerstände (Betständer) im Erdgeschoss und 31 Frauenstände auf der Empore.
Neben der Synagoge hatte die Gemeinde in der Hauptstraße 15 ein Gemeindehaus mit der Wohnung für den Lehrer/Vorbeter, einer "Judenherberge" und einer Mikwe (rituelles Tauchbad) und ein Schlachthaus.   
 
Noch um 1890 wurden Gottesdienste in der jüdischen Gemeinde abgehalten. Zu den hohen Feiertagen 1891 wurde daher auch ein Vorbeter gesucht, da in Redwitz damals sicher kein eigener Vorbeter mehr in der Gemeinde angestellt war. 

Redwitz Israelit 17081891.jpg (21893 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. August 1891: "Wir suchen für die hohen Festtage einen Vorbeter. Offerten an die Kultusgemeinde Redwitz a.d. Rodach erbeten." 

Um 1920 wurde die Synagoge aufgegeben. Im Januar 1920 fanden noch zwei Hochzeiten in der Synagoge statt. Nach Auflösung der jüdischen Gemeinde im August 1921 wurde im Oktober 1927 die Synagoge für 2000 Mark an den Schreiner Georg Alberth verkauft und im Juni 1928 abgebrochen. An Stelle der Synagoge wurde eine Schreinerwerkstatt erstellt.     
  
  
Adresse/Standort der Synagoge:   altes Haus Nr. 34, Plan Nr. 58 (vgl. Markierung auf Plan bei Fotos) 
  
  
Fotos    
(Fotos: Jürgen Hanke, Kronach, Aufnahmen vom Oktober 2021 und Februar 2022)  

Seit Oktober 2021: Gedenktafeln und
Schautafeln zur jüdischen Geschichte am Ort 
 
    Ortsführung und Festakt zur Einweihung des
Denkmals und der Schautafeln am 3. Oktober 2021
 
     
     
Haus Hauptstraße 29: Haus der Familie Marx Wolf,
dann Familie Seligmann Gütermann  
 Haus Am Markt 5: Handlung Gütermann - 
Korbhandlung Zinn - Firma Gutmann
 Haus Am Markt 10:
Familie Lust - Familie Kuh
     
     
 Hauptstraße 36: ehemaliges Haus
der Familie Gütermann, dann Familie Gosser
  Haus Kronacher Str. 6: ehemaliges
Geschäftshaus Samuel Zinn
 Haus Sonnenweg 5: Informationen
u.a. zur Korb- und Weidenhändlerfamilie Pauson
     
   
 Gebäude Hauptstraße 1 mit Denkmal (Menorah und Davidstern / Hinweistafel)      Hauptstraße 3 - Informationstafel
     
     
 Informationen zur Synagoge
mit Foto vom Marktplatz
 
   
 Informationen zur "Judenherberge", Rabbiner
Moses Gutmann, Lage der Gebäude der jüdischen
 Gemeinde und Karte zu den Rabbinatsbezirken
 Redwitz und Burgkunstadt 
Informationen zum Schicksal von
jüdischen Personen, die in Redwitz
geboren sind. Elf dieser Personen sind
in der NS-Zeit umgekommen.
     
     
 Informationstafel
 Hauptstraße 18
 Informationen zur jüdischen Geschichte im Oberen
Maintal und Geleitbrief für Redwitzer Juden von 1519
Regeln zur Aufnahme von Juden in Redwitz
 (Schutzbriefe) aus dem 18. Jahrhundert 
     
     
    Über Maximilian Gütermann, Gründer der
 Nähseidenfabrik Gütermann in Gutach
  Markierung der früheren jüdischen Häuser 
im Ortsplan sowie Hausansichten  
 Über den Korbhändler Emanuel Gutmann
und seine Kinder 
     

       
        

Links und Literatur

Links:  

bulletWebsite der VG Redwitz an der Rodach    

Literatur:  

bulletIsrael Schwierz:  Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit. A 85. 1988 S. 220.
bulletKlaus Guth: Jüdische Landgemeinden in Oberfranken 1800-1942. Bamberg 1988. S. 395. 
bulletEva Groiss-Lau: Jüdisches Kulturgut auf dem Land. München/Berlin 1995.  
bulletGünter Dippold: Eine jüdische Gemeinde in einem ritterschaftlichen Dorf - Beiträge zur Geschichte der Juden in Redwitz. In: 750 Jahre Redwitz a.d. Rodach und Unterlangenstadt - Geschichte und Geschichten. Rolf Kneipp Verlag. Traunau 2000. S. 143-172  Online zugänglich über die Website www.bezirk-oberfranken.de;     

     
      

                   
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Copyright © 2003 Alemannia Judaica - Arbeitsgemeinschaft für die Erforschung der Geschichte der Juden im süddeutschen und angrenzenden Raum
Stand: 30. Juni 2020