Eingangsseite
Aktuelle Informationen
Jahrestagungen von Alemannia Judaica
Die Mitglieder der
Arbeitsgemeinschaft
Jüdische Friedhöfe
(Frühere und bestehende) Synagogen
Übersicht: Jüdische Kulturdenkmale
in der Region
Bestehende jüdische Gemeinden
in der Region
Jüdische Museen
FORSCHUNGS-
PROJEKTE
Literatur und Presseartikel
Adressliste
Digitale Postkarten
Links
| |
zurück zur Übersicht "Synagogen in der Region"
zurück zur Übersicht "Synagogen in Unterfranken"
Steinach a.d. Saale mit
Bad Bocklet (Markt Bad Bocklet, Kreis Bad Kissingen)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
Steinach a.d. Saale
In Steinach a.d. Saale lebten Juden bereits im Mittelalter.
Diese waren 1337 oder 1338 von der sogenannten "Armleder-Verfolgung"
betroffen.
Die neuzeitliche Gemeinde bestand bis 1938/42. Ihre
Entstehung geht in die Zeit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts
zurück.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1816 113 jüdische Einwohner (17,9 % von insgesamt 631), 1848 140, 1867
113 (18,0 % von 737), 1880 144 (18,0 % von 801), 1900 106 (13,5 % von 785), 1910
80 (9,3 % von 860).
Bei der Erstellung der Matrikellisten 1817 werden in Steinach a.d. Saale auf
insgesamt 24 Matrikelstellen die folgenden jüdischen Familienvorstände
genannt (mit neuem Familiennamen und Erwerbszweig): Haium (Heinemann) Gerson
Gessner (Viehhandel), Joseph Schloma Nußbaum (Vieh- und Warenhandel), Salomon
Maier Hochheimer (Schmusen), Moses Löw Frank (Vieh- und Schnürhandel), Simon
Wolf Siegel (Schlachten), Abraham Maier (Spezerei- und Schnitthandel), Aron
Haium Treuhold (Viehhandel, Warenhandel), Wolf Schloma Wolf (Viehhandel,
Schlachten), Joseph David Stern (Schlachten), Moses Abraham Lion (Viehhäute-,
Hopfen- und Wollenhandel), Feist Schloma Straus (Schmusen), Löw Maier (Honig-
und Landproduktenhandel), Schloma Gumpel Marx (Schnitthandel), Löw David Stern
(Viehhandel), Samuel Maier, Reitz, Witwe des Isaac Eisenmann (Pferdehandel),
Jacob Joseph Spiegel (Schlachten), Moses Salomon Straus (Viehhandel), Jonas
Maier (Schnitthandel), Manche Salomon Gutmann (Schnitthandel,
Zehngeboteschreiber), Maier Haium Goldberg (Schmusen, Schlachten), Isaac
Freudenlieb (Seifen- und Lichterhandel), Marx Hirsch (Schmusen), Marx Moses
Frank (Häutehandel).
An Einrichtungen hatte die Gemeinde hatte eine Synagoge (s.u.), ein
Schulhaus mit der Israelitischen Volksschule (bis 1923, danach Religionsschule)
und einer Lehrerwohnung, ein rituelles Bad sowie seit 1874 einen eigenen Friedhof.
Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt (ab
1923 noch Religionslehrer), der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war
(vgl. unten Ausschreibung der Stelle 1923). Unter den Lehrern sind in besonderer
Erinnerung Salomon (Shlomo) Bein, Lehrer bis 1884 (Bericht zu seinem Tod siehe
unten) und sein Sohn Mosche Bein (Lehrer bis 1912). Die Gemeinde gehörte zum
Bezirksrabbinat in Bad Kissingen.
Um 1924, als noch 45 jüdische Einwohner gezählt wurden (4,7 % von ca.
950), waren die Vorsteher der Gemeinde Heinrich Straus, Moses Stern und Bernhard
Frei. Der Religionsunterricht der damals noch fünf schulpflichtigen jüdischen
Kinder wurde durch Hauptlehrer Carl Wahler aus Neustadt
an der Saale erteilt. 1932 waren die Gemeindevorsteher Heinrich
Straus (1. Vors. und Schriftführer) sowie Manfred Leven (2. Vors.). Damals
erhielten noch sechs jüdische Kinder Religionsunterricht.
1933 wurden noch 39 jüdische Gemeindeglieder gezählt. In den ersten
Jahren der NS-Herrschaft ging die Zahl nur langsam zurück: im Dezember 1935
wurden 35, im Juni 1937 noch 24 jüdische Einwohner gezählt. Antijüdische
Maßnahmen setzten im Juli 1933 ein, als die Gestapo Würzburg eine Durchsuchung
bei den jüdischen Einrichtungen in Steinach anordnete. Die Ortspolizei wies in
ihrer Antwort jedoch darauf hin, dass die zehn - zurückgezogen und in dürftigen
Verhältnissen lebenden - jüdischen Familien keinerlei regierungsfeindlicher
Aktivitäten verdächtigt seien. Die jüdischen Gewerbebetriebe (u.a. ein
Schuhgeschäft, ein Baumaterialien- und ein Fettgeschäft) konnten sich relativ
lange halten: noch im Oktober 1938 waren noch sieben jüdische
Gewerbebetriebe und Handlungen (Viehhandlung, Pferdehandlung) vorhanden; die
nichtjüdische Bevölkerung ließ sich durch den Boykott nur teilweise vom
Umgang mit den jüdischen Einwohnern abhalten.
Gewalttätigkeiten im Zusammenhang mit dem Novemberpogrom 1938 fanden in
Steinach erst am 11. November 1938 statt. Zu dieser verspäteten Aktion kam es,
da die Ortsgruppe der NSDAP den Zorn der Bevölkerung fürchtete. Bei der
- hauptsächlich durch auswärtige SS- und SA-Schlägertrupps - durchgeführten
Aktion wurden die jüdischen Häuser und Geschäfte verwüstet (Steinach selbst
hatte keine SS-/SA-Trupps).
Bis 1941 hatten 31 jüdische Personen Steinach verlassen: acht waren in
andere Orte verzogen; 23 konnten emigrieren (16 in die USA, fünf nach Uruguay,
zwei nach Kuba). Im Februar 1942 lebten noch sechs jüdische Personen in
Steinach. Vier wurden im April über Würzburg nach Izbica bei Lublin
deportiert, die letzten beiden über Würzburg in das Ghetto Theresienstadt.
Von den in Steinach a.d. Saale geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen
Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Frieda Falkenberg
geb. Stern (1887), Lazarus Frank (1862), Leo (Jehuda) Frank (1881), Prof. Dr.
Ludwig Frank (1878; war Mathematik-Lehrer an der Rupprecht-Oberreal-Schule in München;
1940 im KZ Sachsenhausen ermordet), Regina Gessner (1858), Theresia (Therese)
Gottlob geb. Liebmann (1875), Paula Jordan geb. Frank (1889), Alma Leefsma geb.
Salomon (1891), Albert Leven (1922), Herta Leven (1920), Ilse Leven
(1925), Manfred Leven (1893), Paula Leven geb. Lion (1887), Daniel Liebmann
(1876), Josef Liebmann (1872), Max Meier Liebmann (1868, "Stolperstein" in
Eichstätt, Marktplatz 2), Jette Lippmann geb.
Siegel (1874), Erna Löwenstein (1907), Sara Löwenstein (1876), Selma Löwenstein
(1909), Adolf Maier (1890), Max G. Maier (1881), Elise Moses geb. Liebmann
(1874), Berta Rosenthal geb. Frank (1871), Paula Seliger geb. Frank (1887), Adolf
Stern (1890), Moses Stern (1855), Bertha Strauss geb. Strauss (1879), Fanni
Straus geb. Hepner (1871), Herbert Strauss (1930), Justin Straus (1902), Kurt
Strauss (1934), Paula Straus geb. Frei (1899). Sofie (Susa) Straus (1937).
Bad Bocklet
In Bad Bocklet gab es zu keiner Zeit eine jüdische
Gemeinde. Es gab zeitweise einige jüdische Einwohner im Zusammenhang mit den
Kureinrichtungen des Ortes. Das Hotel Maier (vermutlich jüdischer Inhaber)
machte sich in den 1870er-Jahren in der orthodox-jüdischen Zeitschrift
"Der Israelit" mit Anzeigen bekannt. Bei der Eröffnung des
"Königlichen Stahlbades Bocklet" im Mai 1878 wurde mit dem Hinweis
auf eine "eigene Küche für israelitische Kurgäste" in derselben
Zeitschrift geworben.
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. Mai 1877: "Bad
Bocklet bei Kissingen. Hôtel Maier bietet kurgemäße Speisen und
komfortable Einrichtung. Hochachtung. G. Maier". |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. Juni 1878: "Königliches
Stahlbad Bocklet bei Kissingen.
Eröffnung den 15. Mai 1878.
Starke, seit Jahrhunderten durch ihre glänzendenden Heilerfolge
hochberühmte Stahlquelle, dann Schwefelquelle.
Neu erbautes, nach den bewährtesten Grundsätzen eingerichtetes Badehaus,
mit Stahl-, Wellen-, Moor- und Douche-Bädern. Apparat für Elektrizität
und Inhalation verdünnter und verdichteter Luft. Molk- und Milch-Kur.
Durchweg neu eingerichtete Wohnräume mit elegantester Ausstattung zu den
mäßigsten Preisen.
Vorzügliche Bewirtung. - Eigene Küche für israelitische Kurgäste. -
Neu eingerichtete Konversationsräume mit Billard, Klavier usw. Post- und Telegraphenbüro
im Kurhause. Täglich zweimalige Postverbindung mit Kissingen im
Anschlusse an alle Haupteisenbahnzüge.
Bad- und Brunnenarzt Herr Dr. Scherpf, der alle die Kur betreffenden
Anfragen gerne zu beantworten bereit ist.
Bestellungen und Anfragen wegen des Aufenthaltes, der Verpflegung usw.
erbittet sich die ergebenst Unterzeichnete.
Bocklet, im Juni 1878. Verwaltung des Königlichen Kurhauses. A.
Heß". |
Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Steinach a.d. Saale
Allgemeiner Bericht
Brief eines (früheren Steinacher?) katholischen Pfarrers
an den Kaufmann David Stern in Steinach a.d. Saale 1881 als Zeichen guten
christlich-jüdischen Miteinanders
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. Juli 1881:
"Würzburg, den 6. Juli (1881). Der Kaufmann, Herr David Stern
in
Steinach a.d. Saale erhielt vor einigen Wochen einen Brief von einem
katholischen Geistlichen, welcher gerade jetzt, da unseren
Glaubensgenossen so viel Antipathie entgegentritt, veröffentlicht zu
werden verdient. Derselbe lautet:
'Lieber Stern!
Sie werden kaum einige Zeilen lesen, sondern gleich auf das Ende des
Briefes sehen, um zu erfahren, wer denn der Schreiber ist; meine
Handschrift kennen Sie ja doch nicht mehr.
Ja, ja, seit mehr denn 20 Jahren haben wir einander weder gesehen noch
gesprochen; es ist während dieser Zeit viel Wasser die Saale und den Main
hinabgeflossen. Wir ließen Sie, Ihre Frau und Kinder wohl mehrmals
grüßen, ob es aber ausgerichtet worden, weiß ich nicht.
Auch von Ihnen wurden uns einige Male Grüße hinterbracht. Wir haben erst
von Ihnen geredet, besonders aber Ihr Mädchen als Muster von Fleiß,
Geschicklichkeit und Folgsamkeit gegen ihre Eltern sowohl bei Christen als
Israeliten in G... und Kl... hervorgehoben.
Nachdem ich nun 64 Jahre alt geworden und mehrmals schwer erkrankt war,
konnte ich meine große Pfarrei (2.000 Seelen) nicht länger mehr versehen
und bewarb mich um eine ruhige Stelle; ich erhielt das Benefizium
(Frühmesse) dahier in W. Ende April vorigen Jahres kamen wir hier
an. Das Klima dahier muss ich erst wieder ertragen lernen, es ist viel rauer,
als es unten am Maine war. Der Abschied von unserm langjährigen
Aufenthalte tat uns recht wehe, allein ich konnte die Stelle nicht länger
mehr versehen. Alles ohne Ausnahme begleitete uns zur Bahn und hatte
Trauer angelegt, wie wenn ich gestorben wäre. Die hiesigen Israeliten
gingen in der vordersten Reihe; Einer derselben war erkrankt und schrieb
mir deshalb einen Abschiedsgruß, den ich hier beilege und den Sie mir
gefälligst wieder retour geben wollen, als es aber forthing, überwand er
alles Leid, ging doch mit und wich nicht von unserer Seite, bis der Zug
abfuhr.
Sie können daraus ersehen, wie einig ich mit allen Leuten lebte und so
wäre es fortgegangen bis zu meinem Tode.
Aus weiter Ferne nun wieder hier, wende ich mich auch wieder an meinen
alten Geschäftsfreund und der waren Sie.
Die wenigen Bedürfnisse, die ich in meinem alten Tagen noch habe, werden
Sie mir ja besorgen, Sie taten es allzeit zu meiner Zufriedenheit, deshalb
haben Sie die Güte und geben mir (folgt Bestellung).
In Steinach werde ich nun wohl Niemand mehr kennen, kann darum nur
ersuchen, den I... S... bestens zu grüßen. Ihre Kinder werden wohl auch
alle ausgeflogen sein. Von N... Cl... weiß ich es gewiss, die Andern
kenne ich nicht recht, weil sie noch zu klein waren.
Wenn man alt ist, passt man nicht mehr in die jetzige Welt, ich fühle es
recht gut, kann aber diese Welt nicht eher verlassen, bis Gott ruft. In
meinem Gebete gedenke ich auch noch Ihres verstorbenen Vaters und würde
ihn heute noch kennen, wenn ich ihn wieder sehen könnte.
Schreiben Sie mir also einige Zeilen und wäre mir lieb, wenn Sie mir
schon da sagen könnten, was das Tuch und Zubehör kosten, ich könnte
dann das Geld gleich mit nach N... schicken. Unter vielen herzlichen
Grüßen an Sie und Ihre Frau verbleibe.
W..., 4. Juni 1881. Ihr ergebenster G..., Benefiziat." |
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibung der Stelle der Lehrers, Vorbeters und
Schochet 1923
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Mai 1923: Infolge
Auflösung der Volksschule und Versetzung des bisherigen Inhabers dieser
Stelle, ist die Stelle eines Religionslehrers, Vorbeters und Schochets in
der Kultusgemeinde Steinach a. Saale bei Bad Kissingen baldmöglichst neu
zu besetzen. Gehalt nach den Tarifsätzen des bayerischen
Gemeindeverbandes und schöne Wohnung mit elektrischer Beleuchtung und
Wasserleitung. Bewerbungen sind unter Beifügung von Zeugnissen und
Referenzen baldgefälligst zu senden an H. Geßner, Kultusvorstand,
Steinach a. Saale". |
Schuldienst-Exspektant Jakob Geßner in Steinach wird
Religionslehrer und Vorsänger in Völkersleier (1867)
Anzeige im "Königlich Bayerischen Kreis-Amtsblatt von
Unterfranken und Aschaffenburg" vom 26. November 1867:
"Durch Regierungsentschließung vom 19. November 1867 ad Nr. 37,850
ist die, von der israelitischen Kultusgemeinde Völkersleier,
königlichen Bezirksamts Hammelburg, beschlossene Übertragung ihrer
Religionslehrers- und Vorsängerstelle an den israelitischen Schuldienst-Exspektanten
Jakob Geßner in Steinach, königlichen Bezirksamts Kissingen,
genehmigt worden." |
Die Beerdigung des Lehrer Salomon Bein - die christlich-jüdischen
Dorfgemeinschaft verabschiedet sich (1886)
Bericht
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. Januar 1886:
"Neustadt a.d. Saale. Gestern hat man in Steinach a.d. Saale einen
Ehrenmann zu Grabe getragen. Herr Lehrer Salomon Bein ist vergangenen
Freitag einem längeren schmerzlichen Leiden in seinem 69. Lebensjahre
erlegen. Die zahlreiche Beteiligung, ohne Unterschied der Konfession, am
Leichenbegängnisse legte beredtes Zeugnis ab, welcher Liebe und
Hochachtung sich der Verewigte allseits zu erfreuen hatte. Zahlreiche
christliche und israelitische Amtsgenossen waren herbeigeeilt, ihm die
letzte Ehre zu erzeigen. Vor dem Trauerhause ehren die christlichen
Kollegen den Verblichenen durch einen erhebenden Grabgesang. In Begleitung
der Leiche, die in einem schönen, eleganten Leichenwagen zum Friedhof
überführt wurde, befand sich Herr Distriktsrabbiner Bamberger - sein
Licht leuchte - aus Bad Kissingen, der Ortsgeistliche, die
Gemeindeverwaltung, die Feuerwehr, der Krieger- und Kampfgenossenverein
und viele Leidtragende aus Ort und Umgebung. Am Grabe sprach der Herr
Rabbiner in einer längeren Rede, in welcher er namentlich die drei
Haupttugenden des Verewigten - Gerechtigkeit, Liebe und Bescheidenheit -
hervorhob, Worte des Trostes und der Anerkennung. In dem Dahingeschiedenen
verliert seine Gemeinde einen pflichttreuen, gewissenhaften Beamten, seine
Familie aber einen liebenden und treuen Familienvater.
Möge das Gute, das er in seiner Gemeinde gewirkt, blühen und gedeihen
zur Ehre seines Namens und des Judentums. Seine Seele sei eingebunden
in der Bund des Lebens." |
Berichte zu einzelnen
Personen aus der Gemeinde
Über Jakob Geßner
Aus Steinach stammte der später viele Jahre in Hammelburg tätige Lehrer Jakob
Geßner, der großes Ansehen in Hammelburg genoss:
Artikel in der "Bayerischen Israelitischen
Gemeindezeitung" vom 15. Februar 1937: "Jakob Geßner. Kaum 24
Stunden nach dem Ableben unseres Kollegen Jakob Nussbaum wurde uns ein
weiteres liebes und treues Mitglied, der im 89. Lebensjahre stehende
Lehrer i.R. Jakob Geßner, durch den Tod entrissen. Der Heimgegangene, am
18. Juli 1848 in Steinach a.d. Saale geboren, war Schüler der Präparandenschule
Höchberg und der Lehrerbildungsanstalt
Würzburg, die er 1867
absolvierte. In Würzburg legte er auch die Anstellungsprüfung für den
Volksschuldienst ab. Seine erste Anstellung fand er in Völkersleier, wo
er von 1867-1875 tätig war; er wirkte dann in Hammelburg und trat nach
31jähriger überaus segensreicher Tätigkeit in dieser Gemeinde, geehrt
und geachtet in allen Kreisen der Bevölkerung, in den Ruhestand über,
den er bei seinen ihn liebevoll betreuenden Kindern in Güstrow und später
in Rostock verbrachte. Der Entschlafene zählte zu den Männern, die im
Herbste 1879 dem Weckruf zur Gründung eines jüdischen Lehrervereins zunächst
für Unterfranken, der sich wenige Jahre später auf ganz Bayern
erstreckt, gefolgt waren und sich in Erkenntnis der Notwendigkeit des
Zusammenschlusses der Lehrerschaft dem Verein als Mitglied anschlossen.
Mit warmfühlendem Herzen und in edler sozialer Gesinnung förderte er die
Ziele des jungen Vereins und in einem der ersten Jahresberichte werden
seine erfolgreichen und anerkennenswerten Bemühungen um die
Vereinseinrichtungen dankend hervorgehoben. Durch das Vertrauen der
Kollegen wurde er 1889 zum ersten Male und dann wiederholt als Ersatzmann
gewählt, um alsdann in die Verwaltung, der er von 1894-96 als Beisitzer
angehörte, einzutreten. Anlässlich des 50jährigen Vereinsjubiläums
wurde er mit acht weiteren Gründungsmitgliedern zum Ehrenmitgliede des
Vereins ernannt. Mit dem Dahingeschiedenen ist ein gütiger Mensch, ein
edler und vornehmer Charakter, ein Mann von vorbildlicher Treue
dahingegangen; ihm wird in unseren Reihen ein stetes und ehrendes Andenken
bewahrt bleiben. Secher zadik livrocho (das Gedenken an den
Gerechten ist zum Segen)." |
Über Prof. Dr. Alex Bein (1903-1988)
Alex Bein - Schriftsteller,
Historiker und Archivar - ist am 21. Januar 1903 in Steinach geboren,
wo sein Vater Mosche Bein (verheiratet mit Lina geb. Bruckheim) Lehrer und
Vorbeter der jüdischen Gemeinde war. Mitte Juni 1912 verzog die Familie
nach Nürnberg. Nach dem Schulbesuch studierte er Geschichtswissenschaften
in Erlangen und Berlin (Promotion in Berlin 1927). 1927 Anstellung beim
Deutschen Reichsarchiv Potsdam;1933 kündigte er seine Stellung und
entschloss sich zur Emigration nach Palästina. Alex Bein wurde vor allem
durch seine in viele Sprachen übersetzte Biographie Theodor Herzls
(deutsch 1934), aber auch durch zahlreiche andere Werke bekannt. In
Jerusalem 1956-1971 Staatsarchivar/Leiter des Zentralen Zionistischen
Archivs. Mit seinem Tod am 20. Juni 1988 in Stockholm "verlor das deutsche
Judentum einen seiner letzten großen Repräsentanten" (Julius H.
Schoeps). |
|
Rechts: Prof. Dr. Alex Bein
(1903-1988) |
|
|
Links: Titelblatt der
Biographie
Alex Beins zu Theodor Herzl
(1934) |
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Stellensuche eines angehenden Metzgers aus Steinach
(1884)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. April 1884: "Für
einen angehenden Metzger aus guter Familie wird eine Stelle gesucht.
Aufschluss wird durch den Unterzeichneten erteilt.
Steinach bei Bad Kissingen. L. D. Liebmann." |
Anzeigen von Heinemann Geßner, Bäcker und Mehlhandlung (1899
/ 1904)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. Oktober 1899:
"Für Bäcker.
Da mein jetziger Geselle zum Militär einrücken muss,
suche ich einen jungen kräftigen Mann, der selbstständig arbeiten kann.
Samstags und Feiertage geschlossen. Eintritt sofort.
Heinemann Geßner, Bäcker und Mehlhandlung, Steinach bei Bad
Kissingen." |
|
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. April
1904:
"Suche einen tüchtigen Bäckergehilfen und einen Lehrjungen
für sofort. Samstags und Feiertage geschlossen.
H. Geßner, Steinach a. Saale." |
Frau Lehrer Bein sucht eine Haushaltshilfe
(1900)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. August 1900:
"Suche sofort für meinen kleinen Haushalt ein Mädchen aus guter
Familie, welches sich gerne allen häuslichen Arbeiten unterzieht und
Liebe zu Kindern hat. Familiäre Behandlung zugesichert. Offerten mit
Gehaltsansprüchen erbittet
Frau Lehrer Bein, Steinach bei Bad Kissingen." |
Kennkarte
aus der NS-Zeit |
|
Am 23. Juli 1938 wurde
durch den Reichsminister des Innern für bestimmte Gruppen von
Staatsangehörigen des Deutschen Reiches die Kennkartenpflicht
eingeführt. Die Kennkarten jüdischer Personen waren mit einem großen
Buchstaben "J" gekennzeichnet. Wer als "jüdisch"
galt, hatte das Reichsgesetzblatt vom 14. November 1935 ("Erste
Verordnung zum Reichsbürgergesetz") bestimmt.
Hinweis: für die nachfolgenden Kennkarten ist die Quelle: Zentralarchiv
zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland: Bestände:
Personenstandsregister: Archivaliensammlung Frankfurt: Abteilung IV:
Kennkarten, Mainz 1939" http://www.uni-heidelberg.de/institute/sonst/aj/STANDREG/FFM1/117-152.htm.
Anfragen bitte gegebenenfalls an zentralarchiv@uni-hd.de |
|
Kennkarten
der in Steinach a.d. Saale
geborenen Sara Katz geb. Liebmann |
|
|
|
KK (Dieburg 1939) für Sara
Katz geb. Liebmann (geb. 12. April 1874 in Steinach a.d. Saale),
wohnhaft in Dieburg und Hersfeld, am 27. September 1942 deportiert ab
Darmstadt in das
Ghetto Theresienstadt, am 16. Mai 1944 in das Vernichtungslager Auschwitz,
ermordet |
|
Zur Geschichte der Synagoge
Eine Synagoge in Steinach a.d. Saale wurde bereits 1676 erbaut.
Über ihre weitere Geschichte ist wenig bekannt. Berichte über Gottesdienste
oder besondere Ereignisse in der Geschichte der Synagoge u.a. konnten noch nicht gefunden
werden.
1850 wollte die Gemeinde eine neue Synagoge erstellen, wofür von den
Behörden die Durchführung einer Kollekte genehmigt wurde. Ob damit ein Neubau
durchgeführt werden konnte, ist nicht bekannt.
Anzeige in "Königlich Bayerischen Intelligenz-Blatt für
Mittelfranken" vom 21. Dezember 1850: "An die sämtlichen
Distrikts-Polizeibehörden, dann an die Vorstände der israelitischen
Kultusgemeinden von Mittelfranken.
(Die Erbauung einer Synagoge zu Steinach, hier die Bewilligung
einer Kollekte betreffend).
Im Namen Seiner Majestät des Königs.
Durch Reskript des königlichen Staatsministeriums des Innern vom 19. Dezember
dieses Jahres betr. die Sammlung freiwilliger Beiträge der Israeliten in
den sieben Regierungsbezirken diesseits des Rheins zum Zwecke der
Aufbringung der Mittel für die Erbauung einer neuen Synagoge zu Steinach
Landgerichts Münnerstadt unter der Bedingung genehmigt, dass jene
Sammlung unter Leitung der Aufsicht der Vorstände der israelitischen
Kultusgemeinden vorgenommen werde.
Die vorgenannten Behörden und Kultusvorstände erhalten daher die
Weisung, diese Sammlung binnen vier Wochen vornehmen zu lassen, und den
Ertrag an die Unterfertigte einzusenden.
Ansbach, den 16. Dezember 1850. Königliche Regierung von
Mittelfranken, Kammer des Innern, von Voltz,
Gerhardt." |
Zum religiösen Leben der jüdischen Gemeinde ist bekannt, dass es sich
um eine streng toratreue Gemeinde gehandelt hat. So waren beispielsweise
die Erwachsenen verpflichtet, zweimal jährlich als Fasttag den Jom Kippur
katan (kleiner Versöhnungstag) zu begehen, und zwar jeweils am Tage vor den
jüdischen Monaten Nissan (im Frühjahr) und Ellul (im Herbst).
Jeder, der diese Tage nicht mit Fasten und Gottesdienstbesuch verbrachte, wurde
mit einer Geldbuße belegt. Noch Ende 1935 bat der Gemeindevorstand das
Bezirksrabbinat, ihn bei der Einziehung noch ausstehender Geldbußen zu
unterstützen. Diese Bitte war Ausdruck der Sorge, dass die Gemeinde religiös
und geistig verfallen werden, wenn sie nicht mit Nachdruck den Grundsatz der
inneren Disziplin vertrete (Ophir/Wiesemann S. 404).
Ende 1936 wurden die ältesten Ritualien aus der Synagoge, darunter ein
Torawimpel von 1676, dem Verband der Israelitischen Gemeinden in München zur
Aufbewahrung übergeben. Im Januar 1938 teilte die Gemeinde dem Gemeindeverband
mit, dass sie das Synagogengebäude noch nicht verkaufen wolle, da an jedem
Schabbat Gottesdienst abgehalten werde und die Kinder weiter dort Religionsunterricht
erhielten. Im Zusammenhang mit den erst zwei Tage nach dem Novemberpogrom 1938
durch auswärtige SS- und SA-Trupps durchgeführten Judenaktion in Steinach
wurden das Inventar der Synagoge und die Ritualien vernichtet. Das Gebäude selbst blieb unzerstört, da die Ortsverwaltung es
übernehmen wollte.
Nach 1945 blieb das Synagogengebäude zunächst, wenn auch beschädigt,
stehen, wurde jedoch später abgebrochen. 1971 wurde auf dem Grundstück
der ehemaligen Synagoge eine Schule erbaut. Erhalten blieb die ehemalige
Mikwe (integriert im Kellerbereich der Schule). Eine Hinweistafel (von 1988
mit dem Text "An diesem Platz stand die Synagoge der Jüdischen Gemeinde
Steinach) und ein vor einigen Jahren aufgestellter Gedenkstein sind
vorhanden.
Unweit der Synagoge gibt es ein "Judengäßchen", der früher
von den jüdischen Bewohnern als Zugang vom Ort zur Synagoge benutzt wurde.
Adresse/Standort der Synagoge: Fürstengasse (auf
dem Grundstück der heutigen Grund- und Hauptschule)
Fotos
(obere Zeile: Jürgen Hanke, Kronach, Fotos von 2004; Quelle: www.synagogen.info,
die anderen Fotos - Alex-Bein-Weg und Hinweistafel - von Elisabeth Böhrer, 2008)
Historische Fotos
sind nicht bekannt; über Hinweise oder Zusendungen freut sich der
Webmaster von "Alemannia Judaica"; Adresse siehe Eingangsseite. |
|
|
|
|
|
|
|
Schulgebäude auf dem
Grundstück
der Synagoge mit Gedenkstein |
Hinweistafel
von 1988 |
Gedenkstein |
|
|
|
|
Rechts: Erinnerung an Prof.
Dr. Alex Bein:
der "Prof. Dr. Alex-Bein-Weg" |
|
|
|
Beim Prof. Dr.
Alex-Bein-Weg handelt es sich um den an der Straße entlangführenden Weg
(nicht die Straße, auch nicht der an dieser Stelle von der Straße
bergauf führende Weg) |
|
Hinweistafel
zur Geschichte der Juden in Steinach a.d. Saale mit dem Text: "Juden in
Steinach. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gehörten in Steinach die Juden
ganz selbstverständlich dazu. 38 Häuser waren im Besitz jüdischer
Mitbürger. Bis vor dem 2. Weltkrieg lag das gesamte Geschäftswesen in
jüdischer Hand. Die christlichen Bürger fanden bei ihnen Arbeit. Die
ersten Juden werden bereits 1337 in den Quellen genannt. 1676 wurde eine
jüdische Gemeinde gegründet und mit dem Bau einer Synagoge begonnen.
1936 wurde die jüdische Gemeinde aufgelöst. Viele Juden verkauften ihr
Hab und Gut und verließen 1937 ihre Heimat. Die Steinacher galten als
sehr judenfreundlich. Die verhängten Boykottmaßnahmen führten zu
Unzufriedenheit unter der Ortsbevölkerung, auch bei Parteigenossen.
So blieb in der 'Reichskristallnacht' alles ruhig. Aufgrund der Vorwürfe
eines radikalen Parteigenossen: 'Den Tag der Erhebung gegen die Juden habt
ihr verschlafen', fanden am 10./11. November 1938 dann doch noch
judenfeindliche Aktionen statt. Gegen 24 Uhr versammelten sich
Menschenmengen vor den jüdischen Privatwohnungen. Die Türen wurden
eingeschlagen, Fensterscheiben zerstört, das Hab und Gut der Juden auf
die Straße geworfen, Geschäftsbücher und andere Schriften wurden auf
der Ortsstraße verbrannt. Gleichzeitig wurde die Inneneinrichtung der
Synagoge völlig zerstört. Von 1934 bis 1938 emigrierten 20 jüdische
Bürger, 42 Juden wurden 1942 deportiert, 3 gelten als verschollen. Am
Ende des Holocaust gab es keine Juden mehr in Steinach. Die Synagoge wurde
abgerissen, an ihrer Stelle wurde die Schule errichtet.
Stummer Zeitzeuge - Der Judenfriedhof. Versteckt im Wald (ca. 15 Minuten
Fußmarsch) Richtung Unterebersbach liegt der Judenfriedhof. Umgeben von
hohen Betonmauern, verschlossen mit einem schmiedeeisernen Gittertor, wird
er vor Grabschändern geschützt. Die reicheren Juden leisteten sich
kunstvoll geschaltete Grabsteine. Während die Inschriften in hebräisch
verfasst sind, ist der Name stets in lateinischer Schrift zu lesen. Allen
gemein ist die Ausrichtung gegen Osten." |
Presseartikel
über die jüdische Gemeinde und Prof. Dr. Alex Bein
Artikel von Elke Halbleib in der
"Mainpost" vom 7. November 2003: |
"Synagoge innen völlig zerstört.
Steinach Juden sind ein Stück Steinacher Geschichte. Sie gehörten zu Beginn des 20. Jahrhunderts selbstverständlich dazu. 38 Häuser waren im Besitz jüdischer Mitbürger. Sie waren Bäcker, Metzger, Viehhändler, Schneider. Sie betrieben regen Handel mit Textilien, Rauchwaren, Wein, Kolonialwaren und Kurzwaren.
Vor dem Zweiten Weltkrieg lag das gesamte Geschäftswesen in den Händen von Juden. Sie machten damals knapp ein Fünftel der Bevölkerung aus. Die christlichen Bürger fanden bei ihnen Arbeit. Jüdische Viehhändler aus Steinach beherrschten nicht nur den Raum der Vorrhön, ihr Handel reichte bis ins Grabfeld und in die Gegend von Schweinfurt.
Die ersten Juden werden bereits 1337 in den Quellen genannt. Ob der verkehrsgünstige Lage, der Nähe zu Bad Neustadt, wo regelmäßig mit dem Bartholomäus-Markt der größte Viehmarkt im nordbayrischen Raum abgehalten wurde und der relativ einfachen Ansiedlung ließen sich immer wieder jüdische Glaubensbrüder im Juden-Zentrum Steinach nieder.
Im Jahr 1676 wurde eine jüdische Gemeinde gegründet und man begann mit dem Bau einer Synagoge. Doch das jüdische Schicksal machte auch vor Steinach nicht halt. Der überwältigende Einfluss der NSDAP machte den Juden in Steinach seinerzeit das Leben schwer. 1936 wurde die jüdische Gemeinde aufgelöst. Viele Juden verkauften ihr Hab und Gut und verließen 1937 ihre Heimat.
Die Steinacher galten damals als sehr Juden freundlich. Die verhängten Boykott-Maßnahmen gegen die Juden führten zu Unzufriedenheit unter der Ortsbevölkerung, sogar bei Parteigenossen, heißt es in der Steinacher Chronik. Nur zur Schau gab sich eine ganze Anzahl von Volksgenossen antisemitisch. In Wirklichkeit unterhielten sie heimlich geschäftliche Beziehungen mit den Juden.
So blieb auch in der Reichskristallnacht zunächst alles ruhig. Aufgrund der Vorwürfe eines radikalen Parteigenossen - "Den Tag der Erhebung gegen die Juden habt ihr verschlafen" - fanden in der Nacht zum 11. November 1938 dann doch noch judenfeindliche Aktionen statt. Gegen 24 Uhr versammelten sich größere Menschenmengen vor den jüdischen Privatwohnungen.
Die Türen wurden eingeschlagen, Fensterscheiben zerstört und das Hab und Gut der Juden auf die Straße geworfen. Mehrere Geschäftsbücher und sonstige Schriften wurden auf der Ortsstraße verbrannt. Die Schlafstätten der Juden blieben jedoch fast unberührt, so dass für die Familienmitglieder noch genügend Schlafgelegenheit vorhanden war.
Gleichzeitig wurde auch die Inneneinrichtung der Synagoge völlig zerstört. Von 1934 bis 1938 emigrierten 20 jüdische Bürger. 42 Juden wurden im Jahr 1942 deportiert, drei galten als verschollen. Am Ende des irrwitzigen deutschen Mord-Rausches, der heute Holocaust heißt, gab es keine Juden mehr in Steinach.
Die Synagoge wurde abgerissen. An ihrer Stelle wurde die Schule errichtet. Der Eingang zum ehemaligen Taufbecken ist im Schulkeller noch zu erkennen. Letzter Zeitzeuge ist der jüdische Friedhof im Wald (Richtung Unterebersbach). Ansonsten weisen heute auf die ehemals jüdische Gemeinde lediglich eine Tafel und ein Gedenkstein hin.
Einer der berühmtesten Steinacher Juden dürfte der 1988 verstorbene Prof. Dr. Alex Bein sein. Bein wurde 1903 als Sohn des Lehrers und Kantors Moses
Bein in Steinach geboren und galt in der jüdischen Geisteswelt, aber auch in Deutschland, als bekannter Schriftsteller, Historiker und Archivar.
Seine Kindheit verbrachte er in Steinach. In einer Ausgabe der "Rhön-Wacht" schrieb er, dass sein Charakter und sein Lebensweg wohl am grundlegendsten von den Eindrücken geprägt worden seien, die er in seiner Kindheit in Steinach erlebte.
Obwohl die 20 bis 25 jüdischen Familien in dem überwiegend katholischen Ort wohnten und tätig waren, so war zu dieser Zeit "ein gutes Auskommen miteinander", heißt es in seinem Artikel. 1984, bereits 81-jährig, besuchte er erstmals nach seiner Übersiedlung nach Israel seinen Geburtsort." |
|
Artikel über Prof. Dr. Alex
Bein (ikr) in der "Mainpost"
vom 19. Juni 2008 |
STEINACH. Professor Dr. Alex Bein: Historiker, Archivar, Schriftsteller
(ikr) Alex Bein, bekannt geworden durch seine Biographie Theodor Herzls, ist 1903 als Sohn eines Lehrers in Steinach geboren. In den 20er Jahren studierte er Geschichtswissenschaften, zuerst in Erlangen, dann in Berlin. Nach seiner Promotion arbeitete er am Reichsarchiv in Potsdam.
Als 1933 Hitler und die Nazis an die Macht kamen, kündigte Bein seine Stellung: "Ich werde den Staub Deutschlands von meinen Schuhen abschütteln und nach Palästina gehen", erklärte er dem Direktor des Archivs.
Bis Mitte 1936 arbeitete er als freier Schriftsteller. Die wichtigste Frucht seiner Arbeit war die Geschichte des zionistischen Siedlungswerkes. Das Buch, das in Hebräisch und Englisch erschien, ist bis heute das grundlegende Werk auf diesem Gebiet.
In Palästina machte sich Bein besonders um den Aufbau des dortigen Archivwesens verdient. Im Jahr 1955 wurde er als Nachfolger von Georg Herlitz zum Direktor des Zionistischen Zentralarchivs ernannt. David Ben-Gurion ernannte ihn bald darauf zum ersten Staatsarchivar des jungen Staates. Bald bildete er auch junge Archivare aus.
Bein galt und gilt auch heute noch als einer der führenden Historiker des Zionismus, dessen Untersuchungen weltweit beachtet wurden. Als Wissenschaftler war er Mitglied des Instituts für Zionismusforschung an der Universität Tel Aviv. Für seine wissenschaftlichen Leistungen wurde er 1987 mit dem Israel-Preis ausgezeichnet.
In der Bundesrepublik Deutschland ist Bein vor allem durch sein 1980 erschienenes Werk "Die Judenfrage. Biographie eines Weltproblems" bekannt geworden, das er im Alter von 77 Jahren schrieb. |
|
Artikel zum 20. Todestag
von Prof. Dr. Alex Bein von Isolde Krapf und Roland Pleier in der "Main-Post"
vom 19. Juni 2008 |
Foto
links: Alex Bein mit seiner Frau Judith im März 1988, drei Monate vor
seinem Tod; stehend: Franz Hildmann aus Steinach. STEINACH
Hat Bocklet die Alex-Bein-Straße vergessen? -
Der Todestag des jüdischen Schriftstellers aus Steinach jährt sich zum 20. Mal
Israel feiert heuer die Staatsgründung vor 60 Jahren. Zur Gründergeneration gehörte auch ein Mann, der in Steinach geboren wurde: Alex Bein. Sein Todestag jährt sich am 20. Juni zum 20. Mal. Indes sind zehn Jahre vergangenen, dass der Gemeinderat Bocklet sich vorgenommen hatte, eine Straße in Steinach nach dem jüdischen Schriftsteller zu benennen.
'Es war zunächst ein sehr schweres Leben, ein leichtes ist es bis heute nicht geworden. Aber es war und ist lebenswert.' Als der jüdische Schriftsteller, Historiker und Archivar Professor Dr. Alex Bein 1988 im Alter von 85 Jahren auf einer Reise in Stockholm starb, klang dieser biographische Satz für die Nachwelt wie ein Lebens-Resümee: Sich durch widrige Umstände nicht entmutigen zu lassen und für die eigene Sache einzutreten alles geprägt von dem festen Vorsatz, objektiv zu bleiben und neben den politischen Aspekten nicht den Blick auf den Menschen zu verlieren.
Dieser Eindruck verfestigt sich, wenn man in seinen Erinnerungen blättert, die 1996 unter dem Titel
'Hier kannst du nicht jeden grüßen' vom Moses Mendelssohn-Zentrum für europäisch-jüdische Studien herausgegeben wurden. Oft ist da von Steinach die Rede, dem
'kleinen unterfränkischen Rhöndorf', in dem Alex Bein 1903 das Licht der Welt erblickte:
'Das volle erste Jahrzehnt meines Lebens habe ich als Dorfjude gelebt wie meine Vorfahren.'
Damals wohnten in dem 'christlich geprägten' Steinach rund 800 Einwohner, darunter 20 jüdische Familien, insgesamt etwa hundert Juden jeden Alters. Juden und Christen waren im Leben des Alltags, des Erwerbs, des handwerklichen und wirtschaftlichen Tuns zwar eng miteinander verbunden, gingen jedoch getrennte Wege, was das gesellschaftliche Leben anging. Nur die Hautevolée saß bei Speis' und Spiel gelegentlich Seite an Seite, schreibt Bein.
Er erzählt von seinen Großeltern, die aus Unsleben stammten, beschreibt das Leben seines Vaters, der Dorfschullehrer war und erinnert sich präzise an den Dorfgeistlichen Alois Kolb, dem er manchmal bei seinen Kollekten für wohltätige Zwecke half und der gern zu den Beins zum Mazzekaffee kam, wenn die ihr Pessach-Fest feierten.
Denkwürdig war für ihn auch die Einweihung der restaurierten jüdischen Synagoge im Jahr 1909. Und nicht zu vergessen die Feier des 90. Geburtstags des bayerischen Prinzregenten Luitpold im März 1911.
Als einen der 'seltsamsten und geheimnisvollsten Bräuche' des Judentums beschreibt er die Neumonds-Heiligung, allmonatlich am Abend eines Sabbatendes (denn das jüdische Jahr ist ja ein Mondjahr):
'Ich sehe die Männer auf den Zehenspitzen seltsame Tanzschritte dem Mond entgegen tun und dabei hebräische Worte sagen, die ich nicht verstand.'
Ob die Juden in dieser christlich- deutschen Dorfwelt anerkannt waren, darüber sei heute schwer zu urteilen, schreibt Bein in seinen Erinnerungen, denn heute seien die Juden ja gegen alle Äußerungen der Feindschaft, der Gleichgültigkeit, der Freundschaft misstrauisch und hellhörig. Aber trotz alldem, was sich zwischenzeitlich an Furchtbarem ereignete, müsse man versuchen, sich diese Frage immer wieder unparteiisch zu stellen.
Oft war Bein allzu direkt in seinen Fragestellungen und dadurch unbequem. So verfasste man 1983 zum Steinacher Heimattreffen eine Chronik, in der es am Ende hieß:
'Als 1933 Hitler an die Macht kam, verließen viele vermögende Juden Steinach, greise und finanzschwache Juden mussten zurückbleiben. Dass es den restlichen Juden von nun an nicht besonders gut ging und was letztlich mit ihnen geschah, darauf brauche ich wohl nicht extra einzugehen.'
Warum nicht? Warum diese Zurückhaltung des Schweigens? Alex Bein stellte diese Fragen nicht anklagend. Er vermisste, wie er schreibt,
'den Ausdruck der Scham, den Ton der Erschütterung, den jeder junge Deutsche über die Geschichte seines Landes in jenen Jahren haben müsste'.
Immer wieder mahnte er den offenen Umgang mit dem Geschehenen an. Hielt das Aufarbeiten auch traditionellen Gedankenguts für oberstes Gesetz. So schrieb er in seinem Werk
'Die Judenfrage. Biographie eines Weltproblems' von 1980: 'Die Judenfrage wird es solange geben, solange das tradierte Judenbild das Denken des Menschen bestimmt.' Und weiter:
'Die gesellschaftliche Emanzipation der Juden ist die Emanzipation der Juden von ihrem Judenbild.'
Anlässlich des Todestages von Alex Bein, der sich am 20. Juni zum 20. Mal jährt, erinnert der Steinacher Franz Hildmann an seinen Antrag, der 1998 im Gemeinderat diskutiert worden war. Hildmann hatte vorgeschlagen, eine Straße in Steinach nach dem jüdischen Schriftsteller zu benennen. Diesem Wunsch, so ist es im Bericht über diese Sitzung nachzulesen, wollte der Gemeinderat im damals
'künftigen Gewerbegebiet' nachkommen. Getan hat er dies bis heute – also auch zehn Jahre später – noch nicht." |
|
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Germania Judaica II,2 S. 789. |
| Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die
jüdischen Gemeinden in Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979
S. 404+406 (Hinweis: im Buch Ophir/Wiesemann sind die Inhalte der
Seiten 404 und 405 vertauscht; die dort mit 405 bezeichnete Seite gehört
zur Geschichte von Sommerhausen). |
| Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in
Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische
Bildungsarbeit. A 85. 1988 S. 115-116. |
| Oskar Dünisch: Chronik von Steinach an der Saale:
"der Pfarrey Steinacher Dorffschafften 1712". Mit einem Beitrag
von Josef Wabra. Steinach 1988 (Landeskundliche Schriftenreihe der
Arbeitsgemeinschaft Rhön, Saale). |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany -
Bavaria. Hg. von Yad Vashem 1972 (hebräisch) S. 577-579.
|
| Alex Bein und andere: Hier kannst Du nicht jeden grüßen:
Erinnerungen und Betrachtungen. Georg Olms Verlag 1996. Darin von Alex
Bein ein ausführlicher Bericht über seine Erinnerungen an die Jugendzeit
in Steinach. |
| Cornelia Binder und Michael (Mike) Mence: Last Traces /
Letzte Spuren von Deutschen jüdischen Glaubens im Landkreis Bad Kissingen.
Schweinfurt 1992. |
| dieselben: Nachbarn der Vergangenheit / Spuren von
Deutschen jüdischen Glaubens im Landkreis Bad Kissingen mit dem Brennpunkt
1800 bis 1945 / Yesteryear's Neighbours. Traces of German Jews in the administrative district of Bad Kissingen focusing on the period
1800-1945. Erschienen 2004. ISBN 3-00-014792-6. Zu beziehen bei den
Autoren/obtainable from: E-Mail.
Info-Blatt
zu dieser Publikation (pdf-Datei). |
| Dirk Rosenstock: Die unterfränkischen
Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche
Quelle. Reihe: Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg Band 13.
Würzburg 2008. S. 211-212. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Steinach an der Saale
Lower Franconia. Jews were among the victims of the Armleder massacres of 1336.
The modern community was founded no later than the second half of the 17th
century. Thirty-six Jews emigrated to North America in 1830-1854. The Jewish
population reached a peak of 144 (total 801) in 1880, with a synagogue built in
mid-century and a Jewish public school operating until 1924. The Jewish
population declined to 39 in 1933. Thirty-one left in 1934-41. On 11 November
1938, the night after Kristallnacht, the synagogue and Jewish homes were
vandalized. Of the six Jews remaining in 1942, four were deported to Izbica in
the Lublin district (Poland) via Wuerzburg on 25 April and two to the
Theresienstadt ghetto on 23 September 1942.
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
|