Eingangsseite
Aktuelle Informationen
Jahrestagungen von Alemannia Judaica
Die Mitglieder der
Arbeitsgemeinschaft
Jüdische Friedhöfe
(Frühere und bestehende) Synagogen
Übersicht: Jüdische Kulturdenkmale
in der Region
Bestehende jüdische Gemeinden
in der Region
Jüdische Museen
FORSCHUNGS-
PROJEKTE
Literatur und Presseartikel
Adressliste
Digitale Postkarten
Links
| |
zurück zur Übersicht "Synagogen in der Region"
zurück zur Übersicht "Synagogen in Unterfranken"
Waltershausen (Gemeinde
Saal an der Saale, Kreis Rhön-Grabfeld)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In Waltershausen bestand eine kleine jüdische Gemeinde
bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Ihre Entstehung geht in die Zeit
des 17. Jahrhunderts zurück. 1799 wurden 38 jüdische Einwohner gezählt.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1810 38 jüdische Einwohner, 1813 34, 1830 39, 1839 54, 1848 46,
1871 14, 1880 8, 1890 3 jüdische Einwohner. Bei der Volkszählung 1900 wurde
kein jüdischer Einwohner mehr gezählt.
Zur Entstehung der Familiennamen liegt ein Bericht des evangelischen
Pfarrers von Waltershausen, Johann Friedrich Nenninger, der in der Einleitung zu
den von ihm zu führenden "Judenregistern" 1811 geschrieben hat:
"Gegenwärtig sind 7 Familien hier, denen heute, um sie in diesem Buche bei
der öfteren Gleichförmigkeit ihrer Beschneidungsnamen nicht zu verwechseln,
folgende Geschlechtsnamen auf des Unterzeichneten Vorschlag beigelegt
worden: Männlein Schlomm Anfänger, weil seine Voreltern den
Anfang der hiesigen Judenschaft [haben] machen helfen. Schmul, Salomons Sohn, Bienenfreund,
weil diese Familie die Bienenpflege betreibt. Elieser, Salomons Sohn, Dachsgruber,
weil seine Stube so finster als eine Dachsgrube sein soll. Elieser,
Salomons Sohn, Cammerfüller, weil er keinen Keller hat und alles in
seiner Kammer niederlegen muss. Yehuda, Eliesers Sohn, Ellermann,
weil er auf der Eller wohnt. Wolf, Moses Sohn, Fleischbringer, weil
er Metzger ist. Herz, Mantels Sohn, Gänsekäufer, weil er sich
ihren Kauf oft zum Geschäft machen soll".
Bei der Erstellung der Matrikellisten 1817 werden in Waltershausen auf
insgesamt 10 Matrikelstellen die folgenden jüdischen Familienvorstände genannt
(mit neuem Familiennamen und Erwerbszweig):
Wolf Fleischbringer (Schlachter), Hirsch Ellermanns Witwe (Kleinhandel), Mantel
Dachsgruber (Unterhändler), Salomon Bienenfreund (Warenhandel), Loeb
Bienenfreund (Warenhandel), Menachem (Mennla) Anfänger (Lederhändler), Elieser
(Loeser) Kammerfüller (Unterhändler), Herz Gänsekäufer (Schlachter), Lazarus
Ellermann (Ellenhandel) Salomon Anfänger (Lederhandel).
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge
(s.u.), eine Religionsschule und ein rituelles Bad (im Gebäude der
Synagoge). Die Toten der Gemeinde wurden auf dem jüdischen Friedhof
in Kleinbardorf beigesetzt. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts - zumindest zeitweise
- ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war.
Genannt wird Ende der 1830er-Jahre Lehrer Abraham Ebert (siehe
unten).
Von den in Waltershausen geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Julie Karoline
Anfänger (1870), William Anfänger (1865).
Drei weitere im Gedenkbuch unter "Waltershausen" genannte Personen
dürften aus dem thüringischen Waltershausen (Kreis Gotha) stammen.
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer
Zum Tod des Religionslehrers und Kantors Abraham Ebert
(1894 in Fürth, war Ende der 1830er-Jahre Lehrer in Waltershausen)
Anmerkung: nach den Recherchen von Elisabeth Böhrer ist Abraham Ebert nicht
am 24. Dezember, sondern am 4. Dezember 1823 in Neuhaus geboren.
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 5. Oktober 1894: "Fürth,
30. September (1894). Am 23. September dieses Monats verschied nach
längerem Leiden der Religionslehrer und Kantor der hiesigen
Kultusgemeinde, Herr Abraham Ebert. Am 24. Dezember 1823 in Neuhaus
bei Neustadt a. Saale geboren, fungierte er im Alter von 15 Jahren bereits
in Waltershausen und Thundorf,
bezog 1840 das Schullehrerseminar in
Würzburg, machte 1841 das Examen als Religionslehrer, bestand 1845
die staatliche Anstellungsprüfung in Würzburg mit Note 1 in Musik und
Lehrfach und fungierte dann in Brückenau
und Bayreuth. In Bayreuth gehörte er
einem aus ihm, einem protestantischen, katholischen und reformierten
Geistlichen bestehenden Vokalquartett an, das einst vor dem König Max II.
singen durfte. Im Jahre 1852 wurde der Verstorbene gleichzeitig nach
Köln, Frankfurt am Main und Fürth
berufen, nahm die Stelle hier an und wirkte seitdem, also 42 Jahre, an der
hiesigen Gemeinde. Er pflegte die reinen, traditionellen Tempelmelodien
und führte die Sulzer'schen Gesänge in der hiesigen Hauptsynagoge ein,
welche desto mehr zur Geltung kamen, als der Verblichene über eine
prächtige, lyrische Tenorstimme verfügte. Als Religionslehrer erteilte
er den Unterricht in der hiesigen städtischen Volksschule und der
königlichen Realschule. Zu dem erhebenden Bewusststein strenger
Pflichterfüllung gesellte sich die Freude eines glücklichen
Familienlebens. Der Verstorbene war ein ehrenwerter Charakter von reichem
Gemüte und warmem Herzen. Von der Liebe und Achtung zeugte die außerordentlich
große Anzahl von Trauergästen, die seinem Leichenbegängnisse am 28.
dieses Monats folgten. Herr Rabbiner Dr. Neubürger hielt die
Leichenrede, Herr Justizrat Gunzenhäuser sprach namens der Kultusgemeinde,
Herr Dr. Hutzelmann namens der königlichen Realschule. das
Andenken des Verblichenen wird in Ehren fortleben."
|
Persönlichkeiten
Leopold Anfänger, geb. 9. August 1868 in Waltershausen
als Sohn von Jakob Anfänger und der Rosa geb. Fleischmann. Leopold Anfänger
war nach der Ausbildung an der Israelitischen Lehrerbildungsanstalt in Würzburg
(Examen 1888), Religions- und Volksschullehrer in Schonungen,
Willmars und Memmelsdorf,
bis er 1905 als Nachfolger von Jakob Weißbart an die Israelitische
Lehrerbildungsanstalt nach Würzburg berufen wurde. Hier wirkte er fast drei
Jahrzehnte (zuletzt als Seminar-Oberlehrer), bis er 1933 pensioniert wurde und
nach Köln verzog, wo er am 24. Juli 1936 verstorben ist. Er wurde in Köln
beigesetzt.
Leopold Anfänger war seit 1895 (in Schonungen)
verheiratet mit Hedwig geb. Steinberger (geb. 6. Dezember 1875 in
Schonungen als Tochter des Viehhändlers Lazarus Steinberger und der Eva geb.
Linz). Aus der Ehe stammten die Kinder Karl Anfänger (geb. 21. April
1896 in Willmars, später als Kaufmann in Halberstadt, Stockholm, ab 1924 in
Köln tätig, emigrierte in die USA, gest. Juli 1979 in Miami Beach), Herbert
Anfänger (geb. 26. Juli 1897 Willmars, gefallen 17. April 1917 in
Frankreich), Ludwig Anfänger (geb. 1899 in Willmars, nach Studium der
Medizin ab 1926 als Arzt in Berlin tätig, emigrierte 1933 oder danach nach
Zürich), Berta verh. Kaufmann (geb. 1901 in Memmelsdorf, lebte mit ihrem
Mann Moritz Kaufmann später in Dortmund, emigrierte in die USA), Rosa verh.
Grünert (geb. 16. September 1908 in
Würzburg).
Salomon Anfänger, geb. 4. März 1862 in
Waltershausen (Angabe von Elisabeth Böhrer; er war jedoch kein Bruder von
Leopold Anfänger): war nach Abschluss seiner Lehrerausbildung am Israelitischen
Lehrerseminar in Würzburg 1880 Lehrer in
Altenstein, dann in Willmars und von
1895 bis 1939 Lehrer, zuletzt Oberlehrer in Heßdorf.
Er war verheiratet mit Regina geb. Bierschild. Weiteres siehe auf der Seite zu Heßdorf.
Zur Geschichte der Synagoge
Eine Synagoge in Waltershausen wurde 1731 erbaut. Sie wurde
wahrscheinlich spätestens 1895 auf Abbruch verkauft. Im Gebäude war
möglicherweise auch ein Schulraum und mit Sicherheit ein rituelles Bad
(Mikwe)
Adresse/Standort der Synagoge: unbekannt.
Fotos
Es sind noch keine
Fotos zur jüdischen Geschichte in Waltershausen vorhanden;
über Hinweise
oder Zusendungen freut sich der Webmaster der Alemannia Judaica; Adresse
siehe Eingangsseite. |
|
|
|
|
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in
Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische
Bildungsarbeit. A 85. 1988 S. 123. 1992² S. 132-133. |
| Dirk Rosenstock (Bearbeiter): Die unterfränkischen
Judenmatrikeln von 1817. Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg. Bd.
13. Würzburg 2008. S. 188 (von hier auch das Zitat des evangelischen
Pfarrers Nenninger von 1811). |
n.e.
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
|