Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Wolfskehlen mit Goddelau (Stadt Riedstadt, Kreis Groß-Gerau)
Jüdische Geschichte / Synagoge

bulletZur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer  
Berichte aus dem jüdischen Gemeindeleben    
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde   
Zu Familie Wolfskehl, die sich in Darmstadt nach ihrem Herkunftsort Wolfskehlen benannte  
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen       
bulletZur Geschichte der Synagoge   
bulletFotos / Darstellungen   
bulletLinks und Literatur   

    

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english version)    
   
In Wolfskehlen und Goddelau bestand eine für beide Orte gemeinsame jüdische Gemeinde mit Synagoge in Wolfskehlen bis 1939/40. Ihre Entstehung geht mindestens in die Zeit des 18. Jahrhunderts zurück. 
Seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts lebte in Darmstadt die durch mehrere Vertreter der Familie bekannte Familie Wolfskehl, die sich nach ihrem Herkunftsort Wolfskehlen nannte (siehe unten). Daher ist eine jüdischen Ansiedlung in Wolfskehlen bereits für die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts anzunehmen, vermutet werden erste jüdische Ansiedlungen in Wolfskehlen bereits im Mittelalter. Die erste urkundliche Erwähnung der "Judenschaft zu Wolfskehlen" stammt aus dem Jahr 1686.

1725 lebten drei jüdische Familien in Wolfskehlen. 

Die Zahl der jüdischen Einwohner entwickelte sich im 19. Jahrhundert wie folgt: in Wolfskehlen 1802 fünf Familien, 1828 34 jüdische Einwohner, 1900 23, 1907 21 (1,8 % von 1.130), in Goddelau 1828 32 jüdische Einwohner, 1861 63 (5,4 % von insgesamt 1.164 Einwohnern), 1880 47 (3,5 % von 1.329), 1900 59 (2,8 % von 2.112), 1905 54 (2,2 % von 2.482 Einwohnern), 1910 50 (1,9 % von 2.629). Bis 1877 gehörten auch die in Erfelden lebenden jüdischen Personen zur Gemeinde Goddelau - Wolfskehlen.

An Einrichtungen bestanden eine Synagoge in Wolfskehlen (s.u.), eine Religionsschule und ein rituelles Bad. Letzteres wurde nach 1847 neu erbaut. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war (vgl. Ausschreibungen der Stelle unten). Die Gemeinde gehörte zum orthodoxen Rabbinatsbezirk Darmstadt II. Die Toten der Gemeinde wurden auf dem jüdischen Friedhof in Groß-Gerau beigesetzt. 
  
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Rudolf Montag (Goddelau; geb. 7.3.1883 in Goddelau, gef. 27.11.1914).

Im Philippshospital in Goddelau (psychiatrisches Krankenhaus, heute: Zentrum für soziale Psychiatrie Philippshospital, Riedstadt) waren auch jüdische Patienten untergebracht. 
 
Um 1924, als der Israelitischen Gemeinde Goddelau-Wolfskehlen noch 13 Personen in vier Familien in Wolfskehlen und 17 Personen in Goddelau angehörten, war ihr Vorsteher A. Oppenheimer. In Goddelau lebten die Familien Schellenberg, Montag und Wreschner, die Haushaltsvorstände waren Kaufleute. In Wolfskehlen wohnten die Familien Lachenbruch (Metzgerei und Viehhandel) und Lichtenstein, Abraham Oppenheimer (Textilhandel), Ferdinand Jakob (Landesproduktenhandel), Moses Eisenberger (Fruchthandel) und die Geschwister Hanna und Kätchen Neustätter (Hausierhandel); Julius (Isaak) Veit war bei Opel tätig. Zwei Kinder aus der Gemeinde erhielten Religionsunterricht durch den jüdischen Lehrer W. Bergen aus Crumstadt. 1932 lebten fünf Familien in Goddelau (Eisenwarenhändler Max Bruchfeld, Eisenhändler Adolf Schellenberg, Textilkaufmann Leopold Schellenberg, Arbeiter bei Opel Julius (Isaak) Veit , drei Familien in Wolfskehlen. Gemeindevorsteher war inzwischen Adolf Schellenberg. Religionsunterricht erhielten vier jüdische Kinder.

1933 lebten noch 9 jüdische Personen in Wolfskehlen, die in den folgenden Jahren auf Grund der zunehmenden Entrechtung und der Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert sind. Aus Goddelau emigrierte die Familie Schellenberg über Frankfurt in die USA (1936/38), Angehörige der Familie Wreschner nach Palästina beziehungsweise Israel. Beim Novemberpogrom 1938 wurde von SA-Leuten die Synagoge geschändet und demoliert. Anschließend wurden die Wohnungen der noch in Wolfskehlen und Goddelau lebenden jüdischen Familien überfallen und verwüstet. Insbesondere traf es das Kaufhaus von Leopold Schellenberg (Hospitalstr. 15), das geplündert wurde. Im November 1939 lebten in Wolfskehlen noch 7 jüdische Personen, im Dezember 1940 noch fünf, die vermutlich alle deportiert wurden. Goddelau war im November 1940 in der NS-Sprache "judenfrei".

Von den in Wolfskehlen geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945", ergänzt durch Angaben bei Schleindl s.Lit. S. 263): Alice Jakob (1917), Ferdinand Jakob (1881), Helene Jakob (1915), Johanna (Ida) Jacob geb. Neustädter (1884), Paul Lachenbruch (1905), Elisabeth (Settchen) Lazarus geb. Lachenbruch (1864), Herbert Lichtenstein (1932), Kurt Lichtenstein (1929), Lina Lichtenstein geb. Lachenbruch (1899), Moritz Lichtenstein (1894), Adolf Neustädter (1868), Karoline Neustädter (1872), Pauline Neustädter (1864), Babette (Rosa) Oppenheimer (1883), Simon Oppenheimer (1880), Recha Rosenkranz geb. Regenstein (1877), Babette Samuelsohn geb. Lachenbruch (1866), Anna Stern geb. Neustädter (1875; für sie wurde 2012 in Malsch KA ein "Stolperstein" verlegt).
    
In Wolfskehlen wurden bis 2017 elf "Stolpersteine" zum Gedenken an Opfer der NS-Zeit verlegt.     
    
Von den in Goddelau geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945", ergänzt durch Angaben bei Schleindl s.Lit. S. 249): Adolf Abraham (1889), Johanna Abraham (1883), Clothilde Amram geb. Rotschild (1859), Max Fuld (1874), Alfred Kramer (1898), Klara Schellenberg geb. Fuld (1882), Leopold Schellenberg (1884), (Adolf) Manfred Schellenberg (1873), Arnold Tannenbaum (1928), Bertha Veit geb. Amram (1894), Erika Veit (1911), Julius (Isaak) Veit (1884), Emma Wreschner geb. Montag (1875), Ludwig Wreschner (1883).
   
In Goddelau wurden bis 2017 22 "Stolpersteine" zum Gedenken an Opfer der NS-Zeit verlegt.   
     
Unter dem - allein im Jahr 1941 mindestens 596 - Kranken des Philippshospitals, die in den Gaskammern von Hadamar ermordet wurden, waren auch jüdische Patientinnen und Patienten, u.a. Bruno Baum (1883), Emma Bodenheim (1892), Amalie Goldschmidt geb. Marx (1865), Max Gutmann (1899), Erna Hirsch (1910), Luitpold Kahn (1894), Isaak Kamm (1881), Alfred Kramer (1898), Minna Lehmann (1902), Ferdinand Lorsch (1909), Rosa Nathan (1890), Ernst Oppenheimer (1890), Hugo Oppenheimer (1891), Emilie Reiss (1900), Berta Schmidt (1884), Rebecka Schwan geb. Lindheimer (1872), Moritz Sichel (1887), Isaak Strauß (1868), David Sußmann (1889), Arnold Tannenbaum (1928).
   
   
   
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde 
  
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer  
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1869 - 1879 
Anmerkung: innerhalb weniger Jahre wurde die Stelle unter dem Vorsteher M. Oppenheimer mindestens 10 mal ausgeschrieben - die Gemeinde hatte damals kein Glück, was eine kontinuierliche Besetzung der Stelle betraf.

Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. August 1869: "Vakante Lehrerstelle. Die hiesige israelitische Gemeinde sucht einen Religionslehrer, Vorbeter und Schächter (auch kann die Stelle ohne Schächterdienst vergeben werden). Der jährliche Gehalt mit Nebeneinkünften beträgt ungefähr 200 Thaler sowie freie Wohnung. Bewerber wollen sich baldigst melden beim Vorstande. 
Wolfskehlen bei Darmstadt, im August 1869. M. Oppenheimer."    
 
   
Wolfskehlen Israelit 27071870.jpg (54801 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. Juli 1870: "Vakante Lehrerstelle. Die in der hiesigen israelitischen Religionsgemeinde in Erledigung kommende Religionslehrer- Schochet- Chasan-Stelle (auch kann dieselbe ohne Schechita, Schächteramt vergeben werden) soll bis Mitte September dieses Jahres wieder mit einem tüchtigen Manne besetzt werden.   
Der Gehalt beträgt 300 Gulden und wird bemerkt, dass die Nebenverdienste nicht unbedeutend sind. Reflektierende wollen ihre Anmeldung unter Beilage ihrer Zeugnisse an Unterzeichneten machen. 
Wolfskehlen an der Riedbahn, im Juli 1870. 
Der Vorstand. M. Oppenheimer".
     
Wolfskehlen Israelit 06031872.jpg (40986 Byte) Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. März 1872: "In Wolfskehlen bei Darmstadt ist die Schochet-, Chasan (Vorbeter-) und Religionslehrerstelle sofort zu besetzen. Der fixe Gehalt beträgt jährlich 280 Gulden. Nebeneinkünfte circa 40 Gulden, die Funktion als Schochet circa 60 Gulden (auch wird dieselbe ohne Schechita vergeben). Bewerber wollen ihre Zeugnisse einsenden an M. Oppenheimer, Vorstand."  
  
Wolfskehlen Israelit 19061872.jpg (30596 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. Juni 1872: "Vakante Lehrerstelle. In Wolfskehlen bei Darmstadt ist die Chasan- und Religionslehrerstelle sofort  zu besetzen. 
Der fixe Gehalt beträgt jährlich 300 Gulden, Nebeneinkünfte ca. 40 Gulden. Bewerber wollen ihre Zeugnisse einsenden an M. Oppenheimer, Vorstand."
  
 
Wolfskehlen Israelit 10111875.jpg (40143 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. November 1875: "In der israelitischen Gemeinde Wolfskehlen bei Darmstadt ist die Schochet, Chasan- und Religionslehrerstelle sofort zu besetzen. Gehalt 420 Mark fixe, circa 70 Mark Nebeneinkünfte und circa 200 Mark Schächtergebühren. 
Die Stelle kann auch ohne Schächterfunktion vergeben werden. 
Im November 1875. Oppenheimer, Vorsteher."
 
Wolfskehlen Israelit 24021875.jpg (37757 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. Februar 1875: "In der israelitischen Gemeinde Wolfskehlen wird bis 1. April laufenden Jahres ein Religionslehrer, Vorsänger und Schächter gesucht. Gehalt 280 Gulden fix, 40 Gulden Nebeneinkünfte, ca. 80 Gulden für Schächtergebühren. Die Stelle kann auch ohne Schächterfunktion vergeben werden. Im Januar 1875. Oppenheimer, Vorsteher"     
 
Wolfskehlen Israelit 17051876.jpg (35884 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Mai 1876: "Ein Vorbeter und Religionslehrer (unverheiratet) wird gesucht in der israelitischen Gemeinde Wolfskehlen bei Darmstadt. Gehalt 600 Mark fix und ca. 60 Mark Nebeneinkünfte. Bewerber wollen ihre Zeugnisse baldigst einsenden. 
Wolfskehlen, im Mai 1876. Oppenheimer, Vorsteher."
 
Wolfskehlen Israelit 12091877.jpg (42239 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. September 1877: "Die hiesige Religionslehrer- und Vorbeterstelle ist bis 1. November dieses Jahres vakant. Gehalt 650 Mark, Nebeneinkünfte nicht unbedeutend. Privatunterricht steht auch in Aussicht. Nur unverheiratete Person wird erwünscht. Bewerber wollen ihre Zeugnisse baldigst einsehenden. Wolfskehlen bei Darmstadt, im August 1877. Oppenheimer, Vorsteher."  
 
Wolfskehlen Israelit 14111877.jpg (28702 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. November 1877: "Ein unverheirateter Vorsänger und Religionslehrer, der gründlichen hebräischen Unterricht erteilen kann, wird sofort gesucht. Gehalt 700 Mark mit entsprechenden Nebeneinkünften. Wolfskehlen bei Darmstadt, im November 1877. Vorsteher Oppenheimer".
 
Wolfskehlen Israelit 05061878.jpg (34174 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. Juni 1878: "Ein Vorsänger und Religionslehrer (unverheiratet) wird sofort oder bis 1. Juli gesucht. Gehalt nebst freier Wohnung 700 Mark mit entsprechenden Nebeneinkünften. Wolfskehlen bei Darmstadt an der Riedbahn, im Mai 1878. Der israelitische Gemeindevorstand."  
 
Wolfskehlen Israelit 29051878.jpg (32973 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. Mai 1878: "Ein Vorsänger und Religionslehrer (unverheiratet) wird sofort oder bis 1. Juli gesucht. Gehalt nebst freier Wohnung 700 Mark mit entsprechenden Nebeneinkünften. Wolfskehlen bei Darmstadt, an der Riedbahn, im Mai 1878. Der israelitische Gemeindevorstand." 
 
Wolfskehlen Israelit 30041879.jpg (45205 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. April 1879: "Die Stelle eines Religionslehrers und Vorbeters für die hiesige Gemeinde ist mit einem jährlichen Gehalt von 600 Mark nebst Nebeneinkünften und freier Wohnung zum 1. Juni zu besetzen (ledige Personen werden bevorzugt). Russen und Polen werden nicht berücksichtigt. Wolfskehlen bei Darmstadt, an der Riedbahn, im April 1879. Der Vorsteher Oppenheimer."

    
    
Berichte aus dem jüdischen Gemeindeleben     
Die Gemeinden Wolfskehlen, Goddelau und Erfelden schaffen gemeinsam einen Leichenwagen an und weihen diesen zur zur Beisetzung von Salomon Montag aus Goddelau ein (1885)    

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 13. Januar 1885: "Darmstadt, im Dezember (1885). Es ist als eine recht erfreuliche Tatsache zu verzeichnen, dass selbst in kleinen jüdischen Landgemeinden, wo man noch den überlieferten Satzungen und Bräuchen mit gewissenhafter Treue anhangt, man in jüngster Zeit bestrebt ist, manchem heiligen Brauche die veraltete Missgestalt abzunehmen, ihn in ein modernes Gewand zu kleinen und auf diese Weise dem Sinne für Anstand und Schicklichkeit Rechnung zu tragen. Ein Beispiel hierzu lieferten dieser Tage die kleinen jüdischen Gemeinden Wolfskehlen, Goddelau und Erfelden. In der Provinz Starkenburg bestehen nämlich ungefähr 5 bis 6 israelitische Friedhofsverbände, von welchen an manchem 10 bis 15 oder gar noch mehr Landgemeinden partizipieren, und von diesen liegen die meisten stundenweit von dem gemeinschaftlichen Begräbnisplatze entfernt. Tritt in einer solchen Gemeinde ein Todesfall ein, so wird der Verstorbene, nachdem sein Tod vom Arzte konstatiert und die Erlaubnis, ihn zu begraben, erteilt worden ist, in einen Sarg (Oron) gelegt, dieser auf einen Wagen geladen und unter Begleitung der Verwandten, Freunde, Glaubensgenossen etc. bis zum Begräbnisplatze gefahren und daselbst begraben. Dieser Wagen besteht gewöhnlich in einem sogenannten Leiterwagen, manchmal aber auch in einem Mistwagen. Eine Leiche, auf einen solchen Wagen gesellt, bietet wahrlich einen ganz widerlichen Anblick dar, der noch vergrößert wird, wenn dieselbe stundenlang im Regenwetter transportiert wird. Da haben sich denn jüngstens die oben erwähnten 3 Gemeinden, deren gemeinschaftlicher Begräbnisplatz bei dem Kreisstädtchen Groß Gerau liegt, zusammengeschart, aus eigenen Mitteln die erforderliche Summe Geldes aufgebracht, und mit dieser einen bedeckten, mit schwarzem Tuche überzogenen Totenwagen sowie auch einen schwarzen Anzug für den Fuhrmann angekauft. Herr M. Sternfels aus Erfelden bewilligte überdies 2 schwarze Decken für die Pferde. Und am Sonntag, den 21. dieses Monats wurde der erste Tote, Salomon Montag aus Goddelau, in dieser modernen Bestattungsart zu Grabe gebracht. Sowohl seitens der Juden wie der Christen wurde diese Neuerung mit Beifall aufgenommen, und bereitet den dortigen Israeliten desto mehr Ehre, als, wie man hört, die meisten nicht zu den Reichen gezählt werden können, aber sich dennoch bereit fanden, dem Fortschritt dieses Geldopfer zu bringen. - Es gibt allerdings noch viele Orthodoxe, die in solcher Neuerung eine Nachahmung fremder Sitten erblicken und sie daher für unerlaubt halten. Aber möchten sie doch des Ausspruches des Talmuds eingedenk sein, dass die Israeliten zwar die fremden törichten Sitten meiden, dagegen die vernünftigen und löblichen nachahmen sollen. Und man wird doch wahrlich die Sitte, die Totenbestattung in einer schönen anständigen Form zu verrichten und dadurch ihr Ansehen und ihre Wertschätzung zu erhöhen, zu den löblichen rechnen müssen.   
Am Grabe des verstorbenen Salomon Montag hielt Rabbiner Dr. Landsberger eine ergreifende Rede; während des Leichenzuges läuteten die Glocken der Kirche."        

        
        
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde
Zum 95. Geburtstag der aus Wolfskehlen stammenden Henriette Moses geb. Simon 1928  

Wolfskehlen GblIsrFf Jan1928 154.jpg (156405 Byte)Artikel im "Gemeindeblatt der Frankfurter Israelitischen Gemeinde vom Januar 1928 S. 154: "Eine Fünfundneunzigjährige. Am 1. Januar dieses Jahres beging Frau Ludwig Moses Wwe., Henriette geb. Simon ihren 95. Geburtstag. Die Jubilarin erfreut sich in geistiger und körperlicher Beziehung einer erstaunlichen Frische. Sie ist in Wolfskehlen bei Darmstadt als zweijüngstes Kind von sieben Kindern geboren und von diesen, die sämtlich hoch betagt gestorben sind, die einzig Überlebende. Von einfachen Eltern in Anspruchslosigkeit, aber in Frömmigkeit und Gottvertrauen erzogen, hat sie hartes Geschick geduldig ertragen. In Bingen, wohin sie sich verheiratete, verlor sie nach sechsjähriger glücklichster Ehe ihren Mann im Jahre 1866, und es oblag ihr, das von diesem betriebene Eisengeschäft weiterzuführen. Der tatkräftigen Frau genügte dies jedoch nicht, und sie gründete ein Grundstücksverkaufsgeschäft, dem sie viele Jahre in außerordentlich erfolgreiches Weise vorstand. Im Jahre 122 verließ sie ihren Wohnsitz in Bingen, um zu ihrem Sohne nach Frankfurt am Main überzusiedeln, doch genießt sie heute noch in ihrer Heimat allgemeines Ansehen. Frau Moses hat im Laufe ihres langen Lebens nicht nur für ihre Familie, sondern auch für Fernstehende in aufopfernder Weise gesorgt; für sich hatte sie keine Wünsche. Die Jubilarin verfolgt mit seltener Teilnahme die Ereignisse des Tages, liest ihre Zeitung, macht Handarbeiten und betätigt sich noch im Haushalt ihres Sohnes. Möge der rüstigen Greisin, die wohl die älteste Frau unserer Gemeinde ist, ein langer und gesegneter Lebensabend beschieden sein!"

   
   
Zu Familie Wolfskehl, die sich in Darmstadt nach ihrem Herkunftsort Wolfskehlen nannte 
(nach dem Artikel "Wolfskehl" bei wikipedia.

Ursprünge der Familie gehen auf mittelalterliche Zeiten zurück. Der Schriftsteller Karl Wolfskehl wies eine verwandtschaftliche Beziehung zwischen der vermutlich bereits Ende des 10. Jahrhunderts in Mainz lebenden (aus Lucca zugezogene) Familie Kalonymus nach.
 Berühmte Vertreter der Familie waren:
Heyum Wolfskehl (1776-1866), Hof-Bankier in Darmstadt unter Großherzog Ludwig I. und Ludwig III., Gründer des Bankhauses Heyum Wolfskehl und Söhne
Joseph Carl Theodor Wolfskehl (1814-1863), Darmstädter Bankier
Wilhelm Otto Wolfskehl (1841-1907), Jurist, Darmstädter Bankier und Stadtverordneter, langjähriger Landtagsabgeordneter und Vizepräsident der zweiten Kammer des Hessischen Landtags, Gründer des Bauvereins für Arbeiterwohnungen, Gründer der Hessischen Landeshypothekenbank, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde Darmstadt.
Wolfskehl Karl.jpg (66439 Byte) Karl Joseph Wolfskehl (1869-1948), Schriftsteller und Übersetzer.
Wolfskehl Paul 01.jpg (31414 Byte) Paul Friedrich Wolfskehl (1856-1906), Mathematiker und testamentarischer Stifter des Wolfskehl-Preises.  

       
       
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen   
Anzeige von Moses Eisenberger (1912)   

Wolfskehlen FrfIsrFambl 10051912.jpg (49103 Byte)Anzeige im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 10. Mai 1912: "Für meine 2 Söhne (Zwillinge), 14 Jahre alt, mit guter Schulbildung, kräftig entwickelt, suche in kaufmännischem Hause 
Lehrstelle. 
Moses Eisenberger, Wolfskehlen bei Darmstadt
."    

      
      
      
Zur Geschichte der Synagoge        
     
Eine Synagoge war in Wolfskehlen vermutlich seit Anfang des 19. Jahrhunderts vorhanden. Sie wurde auch von den in Goddelau und (bis 1877) von den in Erfelden lebenden jüdischen Einwohnern mitbenutzt (1828 umfasste die 34 Personen in Wolfkehlen, 32 in Goddelau und 25 in Erfelden). 1907 wurde diese ältere Synagoge erneuert beziehungsweise weitgehend neu gebaut.  
   
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge von SA-Leuten geschändet. Türen und Fenster wurden eingeschlagen, die Inneneinrichtung wurde zertrümmert, die Torarollen verbrannt.
 
Das ehemalige Synagogengebäude wurde Anfang der 1950er-Jahre nach Abschluss des Restitutionsverfahrens von der JRSO verkauft und vom neuen Besitzer in ein Wohnhaus umgebaut. Aus dem früheren Synagogensaal wurde ein Wohnzimmer, aus dem Frauenabteil (in einem Nebenraum zum Synagogensaal, nicht auf einer Empore) wurde die Küche. Über dem Ankauf des früheren rituellen Bades entstand eine Terrasse. Im ersten Stock des Gebäudes war bereits zu Synagogenzeiten eine kleine Wohnung mit zwei Kammern und einer Küche (für den Lehrer der Gemeinde gedacht).    
    

Adresse/Standort der SynagogeSackgasse 13     
    
    
Fotos
(Quelle: Altaras 1988 S. 142 und 1994 S. 119 sowie Schleindl S. 351)   

Wolfskehlen Synagoge 124.jpg (82236 Byte) Wolfskehlen Synagoge 125.jpg (58637 Byte) Wolfskehlen Synagoge 123.jpg (73150 Byte)
Das Gebäude der 
ehemaligen Synagoge 1945
Das Gebäude der 
ehemaligen Synagoge 1953
Das Gebäude der 
ehemaligen Synagoge im August 1985
         
Wolfskehlen Synagoge 121.jpg (41890 Byte) Wolfskehlen Synagoge 122.jpg (51473 Byte) Wolfskehlen Synagoge 120.jpg (45742 Byte)
Grundriss des Dachgeschosses 
mit der Lehrerwohnung 
    
Grundriss des Erdgeschosses des
 Synagogengebäudes mit Betsaal der 
Männer (Synagoge) und Frauenabteil 
sowie dem rituellen Bad
Grundriss des rituellen Bades 
(gegenüber dem Grundriss in der Mitte 
um 90 Grad gedreht!) 
 
     
Das Gebäude der ehemaligen Synagoge 2007   
Wolfskehlen Synagoge 140.jpg (77713 Byte) Wolfskehlen Synagoge 141.jpg (79707 Byte) Wolfskehlen Synagoge 142.jpg (30677 Byte)
Blick auf das ehemalige Synagogengebäude mit dem kleinen Vorbau 
des ehemaligen Toraschreines
Davidstern im Giebel 
der Fassade

  
  
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte     

Hinweis: Im Blick auf die Erinnerungsarbeit in Riedstadt engagiert sich die PROJEKTGRUPPE DES FÖRDERVEREINS JÜDISCHE GESCHICHTE UND KULTUR IM KREIS GROSS-GERAU (FJGK)
Wer sich für die Mitarbeit in der Projektgruppe interessiert, kann bei einem der Treffen vorbeikommen. Außerdem werden weiter Sponsoren gesucht, die sich finanziell an dem Projekt beteiligen möchten. Dies ist beispielsweise durch die Übernahme einer Patenschaft für einen Stolperstein möglich, wofür ein Betrag von 120 Euro zu zahlen ist. 
Für weitere Auskünfte steht der Vorsitzende des Fördervereins, Walter Ullrich (Ringstraße 50, 65468 Trebur-Geinsheim, Telefon 06147- 83 61, E-Mail: walter.ullrich@freenet.de) zur Verfügung. 
 
Februar 2015: Erste Verlegung von "Stolpersteinen" in Goddelau (und Crumstadt)  
Artikel in Echo-Online.de vom 31. Januar 2015: "Riedstadt. Stolpersteine erstmals auch in Crumstadt
RIEDSTADT - Gedenksteine – Dritte Riedstädter Verlegungsaktion mit Gunter Demnig am 4. Februar in Goddelau und Crumstadt

In Riedstadt werden in der kommenden Woche zum dritten Mal Stolpersteine zum Gedenken an die Opfer des deutschen Faschismus verlegt. Am Mittwoch (4.) ab 10.30 Uhr wird der Kölner Künstler Gunter Demnig zum dritten Mal nach Riedstadt kommen, um für 15 ehemalige Nachbarn seine Stolpersteine zu verlegen. Die Aktion ist von einer Projektgruppe des Fördervereins Jüdische Geschichte und Kultur im Kreis Groß-Gerau (FJGK) vorbereitet worden.
Die Teilnehmer der Gedenkveranstaltung treffen sich in Goddelau, Starkenburger Straße 17, wo die Steine für die Familien Veit und Amram in den Gehsteig eingelassen werden. Issak Julius Veit kam durch seine Ehe mit Rosa Schellenberg nach Goddelau. Ihre gemeinsame Tochter Erika wurde 1911 geboren. Nach dem Tod seiner Ehefrau heiratete Veit Berta Amram. Ihr gemeinsamer Sohn Phillip (Fritz) kam 1920 zur Welt. 1934 zog auch Bertas Mutter Clothilde Amram in das Haus. Veit war Arbeiter bei Opel. Die Familie betrieb außerdem einen kleinen Kolonial- und Kurzwarenhandel. Die Eheleute wurden am 15. September 1942 nach Theresienstadt deportiert. Julius wurde dort am 8. März 1944 ermordet. Seine Frau kam im Oktober 1944 nach Auschwitz, wo sie am 18. Oktober 1944 ermordet wurde. Auch Tochter Erika kam zunächst über Theresienstadt nach Auschwitz und wurde am gleichen Tag wie ihre Mutter umgebracht. Großmutter Clothilde Amram wurde 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo sie am 16. März 1943 starb. Nur Sohn Phillip gelang 1939 die Flucht nach London und über Kanada in die USA. Dort studierte er Deutsche Literatur und wurde Dozent an der Universität Boston. Seine Tochter Barbara Veit-Rosen lebt heute bei New York. Sie wird als Familienangehörige an der Stolpersteinverlegung teilnehmen.
Anschließend werden drei weitere Stolpersteine vor dem Haus Starkenburger Straße 18 eingelassen, das Max Bruchfeld 1928 erbaute. Seine Eltern betrieben in Crumstadt einen Eisenwarenladen. Max heiratete Rachel Fuchs; ihr Sohn Lutz wurde 1923 geboren. In seinem Haus wurden Eisenwaren, Fahrräder und Möbel verkauft. Der Familie Bruchfeld gelang 1938 die Flucht in die USA, wo sie einen neuen Namen annahmen.
Nur wenige Meter weiter steht das Haus der ehemaligen Familie Lazarus (Laase) Montag. In der Weidstraße 18 betrieben sie ein Kolonialwaren- und Schuhgeschäft. Nachdem Sohn Rudolf im Ersten Weltkrieg gefallen war, führte Tochter Emma mit ihrem Mann Ludwig Wreschner das Geschäft. 1910 wurde ihr Sohn Ernst Julius geboren. Die Familie verkaufte auf Druck der Gemeinde 1936 ihr Haus und zog nach Frankfurt. Deportiert am 1. September 1942, wurden Emma am 14. Februar 1943 und Ludwig am 20. März 1944 in Theresienstadt ermordet. Ihr Sohn floh 1938 über die Tschechoslowakei nach Israel. In Haifa hatte er später eine Bäckerei. 1964 war er zuletzt in Goddelau und traf Freunde und Schulkameraden.
Mit der dritten Stolpersteinaktion am 4. Februar wird auch in Crumstadt an Nazi-Opfer erinnert (siehe weiteren Text auf der Seite zu Crumstadt)."  
Link zum Artikel:  Stolpersteine erstmals auch in Crumstadt (Echo Online, 31.01.2015)      " 
 

    


   
Links und Literatur  

Links: 

bulletWebsite der Gemeinde Riedstadt  
bulletWebportal HS 010.jpg (66495 Byte)Webportal "Vor dem Holocaust" - Fotos zum jüdischen Alltagsleben in Hessen mit Fotos zur jüdischen Geschichte in Goddelau  
    

Literatur:  

bulletPaul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. I S. 270-271.
bulletThea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit 1945? 1988 S. 141-142.
bulletdies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. S. 119.
bulletAngelika Schleindl: Verschwundene Nachbarn. Jüdische Gemeinden und Synagogen im Kreis Groß-Gerau. Hg. Kreisausschuss des Kreises Groß-Gerau und Kreisvolkshochschule. Groß-Gerau 1990.
bulletStudienkreis Deutscher Widerstand (Hg.): Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt. 1995 S. 170-172.
bulletPinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume III: Hesse -  Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992 (hebräisch) S. 120-121 (unter Goddelau).   
bulletMonica Kingreen: Jüdische Patienten im Philippshospital und die Ermordung von 29 jüdischen Pfleglingen im Februar 1941, in: Irmtrud Sahmlan, Sabine Trosse, Christina Vanja, Hartmut Berger, Kurt Ernst: "Haltestation Philippshospital". Ein psychiatrisches Zentrum – Kontinuität und Wandel 1535-1904-2004. Eine Festschrift zum 500. Geburtstag Philipps von Hessen. Historische Schriftenreihe des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen. Quellen und Studien Band 10, Marburg 2004, S. 202-224.  

   
    


 

Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the Holocaust". 
First published in 2001 by NEW YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad Vashem Jerusalem, Israel.

Goddelau  Hesse. Excluding members in nearby Wolfskehlen, with whom they formed one community, the Jews numbered 63 (5 % of the total) in 1861, dwindling to 19 in 1933. Those who remained left Goddelau after Kristallnacht (9-10 November 1938), when villagers helped destroy the synagogue and burn Torah scrolls. In February 1941, 29 Jewish patients in a local psychiatric hospital fell victim to 'mercy killings.'  
    
     

                   
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Stand: 15. Oktober 2013