Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Aschenhausen (VG Hohe Rhön, Kreis Schmalkalden-Meiningen)
Jüdische Geschichte / Synagoge

Übersicht:

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bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde  
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer  
Berichte zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde   
bulletZur Geschichte der Synagoge   
bulletFotos / Darstellungen 
bulletErinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte     
bulletLinks und Literatur   

   

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english version)   
   
In Aschenhausen bestand eine jüdische Gemeinde bis 1938. Ihre Entstehung geht in die Zeit um 1700 zurück. Erstmals wurden 1695 Juden am Ort durch die Ortsherrschaft (Adelsgeschlecht von Speßhardt) aufgenommen, darunter Feibel Katz, der Gründer der Familie Katzenstein. Nach wenigen Jahren konnte ein jüdischer Friedhof angelegt werden. 1717 wird erstmals ein jüdischer Lehrer am Ort (Simon) angestellt. 
  
In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts ließen sich weitere Juden nieder, die die Begründer von jüdischen Familien waren, die über mehrere Jahrzehnte am Ort leben sollten. Die Familien lebten vom Handel mit Vieh und Waren aller Art. Ihre Zahl nahm im 18. Jahrhundert ständig zu: um 1800 lebten 113 Juden neben 134 Christen in Aschenhausen. 1821 hatten die Familien feste Familiennamen anzunehmen. In einem Abgabenverzeichnis von 1834 werden an Namen genannt: Nußbaum (sechs Namen), Sachs, Oppenheimer, Richheimer, Katzenstein (fünf Namen), Grünstein, Kahn, Schmidt, Schwed, Frühauf, Rosenblatt, Stern, Friedmann (zwei Namen), Westheim, Grünbaum, Weck. 
  
In den 1840er-Jahren wurden, nachdem die alte abgebrannt ist, eine neue Synagoge (s.u.), ein jüdisches Schulhaus und eine Lehrerwohnung erbaut. Die Gemeinde gehörte zum Landrabbinat Sachsen-Weimar-Eisenach (mit Sitz in Stadtlengsfeld, später in Eisenach). Bereits seit Beginn des 18. Jahrhunderts war ein jüdischer Friedhof am Ort vorhanden. Zur Besorgung religiöser Aufgaben in der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und als Schochet tätig war (1889 von Lehrer Engelberg so im Statistischen Jahrbuch des Deutsch-Israelitischen Gemeindebundes ausgesagt, gleichfalls 1892 für Lehrer Katz). Um 1865 bis 1871 war Hirsch Hecht als Lehrer vor Ort (Bericht zu seinem Tod 1877 siehe unten). Ab 1875 bis 1897 wird als Lehrer Louis Samuel Engelberg genannt (geb. 1846, stammte aus Ockershausen bei Marburg; war verheiratet mit Mathilde geb. Gutmann, geb. 1859 in Kitzingen; Tochter Sara geb. 1888), ab 1898 bis nach 1910 Lehrer Willy Katz. Dieser erteilte Religionsunterricht auch den Kindern in Kaltennordheim.
   
Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts begann die Aus- und Abwanderung der jüdischen Bevölkerung. 1848 war die Höchstzahl jüdischer Einwohner mit 50 Familien erreicht worden (die Hälfte der Gesamtbevölkerung). Ab 1850 setzte sich der Ortsbeirat von Aschenhausen aus drei jüdischen und drei christlichen Vertretern zusammen. Der stellvertretende Bürgermeister war bis 1918 immer ein jüdisches Gemeindeglied. Auf Grund der starken Abwanderung - vor allem in die Städte Meiningen und Eisenach - lebten 1929 nur noch 10 ältere jüdische Personen in Aschenhausen. 
  
Zur jüdischen Gemeinde in Aschenhausen gehörten auch die in Kaltennordheim lebenden jüdischen Familien (nach Angaben des "Handbuches der jüdischen Gemeindeverwaltung von 1924/25).  
  
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Sally Schwed (geb. 12.1.1895 in Aschenhausen, vor 1914 in Karlsruhe wohnhaft, gef. 20.7.1916). Gefreiter Siegfried Schwed wurde mit dem EK II ausgezeichnet. 
   
1933
gab es noch drei jüdische Familien in Aschenhausen. 

Die 1942 in Aschenhausen noch lebenden Juden wurden nach Theresienstadt deportiert und sind umgekommen: Adolf Kahn, Abraham Katzenstein, Regina und Rosalie Richheimer, Kathi Schwed und Hannchen Weiß.  
   
Von den in Aschenhausen geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Babette Berkowitz geb. Richheimer (1864), Flora Bienes geb. Nussbaum (1885), Jettchen Bienes geb. Grünstein (1882), Frida Engelbrecht geb. Schwed (1889), Samuel Friedmann (1879), Therese Goldschmidt geb. Katzenstein (1869), Henriette (Jettchen) Gutmann geb. Katzenstein (1879), Adolf Kahn (1870), Bernhard Kahn (1869), Siegmund Kahn (1877, zuletzt Lehrer in Gehaus), Ida Katzenstein (1855), Ida Katzenstein geb. Grünstein (1860), Jacob Katzenstein (1878), Moritz Katzenstein (1860), Jenny Marx geb. Illfeld (1888), Rosa Nussbaum (1856), Frida Plaut geb. Katzenstein (1891), Regina Richheimer (1871), Rosalie Richheimer (1873), Frieda Scheuer geb. Katzenstein (1883), Rudi Salli (Sally) Schiff (1923), Sofie Schild geb. Katzenstein (1895), Isaak Schmidt (1871), Jakob Schmidt (1861), Julius Schmidt (1866), Moritz Schmidt (1874), Sally Schmidt (1905), Kathi Schwed (1885), Rosa Schwed (1887), Betty Silbermann geb. Schmidt (1883), Gutta (Jutta) Stern geb. Schwed (1890), Franziska Strauß geb. Katzenstein (1862), Karl (Kusel) Westheimer (1881).         
     
     
     
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde      
   
Allgemeiner Beitrag   

Über die Geschichte der jüdischen Gemeinde Aschenhausen (Beitrag von 1929 von Willy Katz, der ab 1889 jüdischer Lehrer in Aschenhausen war)     

Aschenhausen JuedWZKassel 19041929.jpg (398875 Byte) Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und Waldeck" vom 19. April 1929: 
"Entstehen und Vergehen einer jüdischen Landgemeinde
. Von Oberlehrer i.R. Willy Katz, Stadtlengsfeld.    
Auf der geraden Linie von Fulda nach Meiningen, direkt südlich von Eisenach, liegt in der Thüringischen Rhön, 555 Meter über dem Meer, auf einem Gebirgssattel ein kleines Dörfchen, Aschenhausen. Von welcher Richtung aus man kommt, so fällt einem schon von weitem ein großes stattliches Gebäude in der Mitte des Dorfes mit hohen Fenstern und einem spitzen Dach in die Augen. Es ist die Synagoge. Heute steht sie leer, und der Holzhammer, mit dem der alte Peritz noch vor 20 Jahren jeden Morgen durch sein rhythmisches 'Schulenklopfen' an Scheunentor oder Haustür zum Gottesdienst rief, führt ein beschauliches Dasein. 200 Jahre wohnten in diesem Dörfchen Juden, 1695 ließ sich der erste hier nieder, und nicht mehr fern ist die Zeit, in der der letzte verschwunden sein wird. Das Schicksal dieser Gemeinde ist bezeichnend für das Entstehen und Vergehen so vieler Dorfgemeinden in unserem Vaterlande.   
Im Jahre 1548 sicherte der deutsche Kaiser in der Reichspolizeiordnung der gesamten Reichsritterschaft und allen ihren Mitgliedern das Recht zu, wie die übrigen Reichsstände, Juden auf ihrem Gebiet zu halten und von ihnen das Schutz- und Schirmgeld zu erheben. Der Reichsfreiherr, Rittergutsbesitzer Dietrich Rab von Speßhardt zu Aschenhausen, machte von diesem Recht im Jahre 1695 Gebrauch und nahm einen Juden, Kusel, als Schutzjuden auf. 1699 kam Faibel Katz hinzu, der der Stammvater der Katzenstein'schen Familie wurde, und Abraham Gronsfeld, 1705 Israel Auerbach und Liebmann Levi, 1707 Josef Elias. Im Jahre 1707 kam der erste Todesfall vor, und der Friedhof wurde angelegt. Die Juden kauften für den Preis von 20 Talern einen Platz am Leichelberg als Begräbnis und erhielten ihn von der Herrschaft als Lehen. Darauf mussten sie jährlich als Erbzins und Lehnsbekenntnis 1/4 Pfd. Pfefferkörner, 1/4 Pfd. gestoßenen Ingwer und zwei Muskatnüsse jedes Mal zu Michaelis überreichen. Bei jedem Herrenwechsel, spätestens jedoch nach je dreißig Jahren, sollte eine Neubelehnung der Judenschaft mit dem Friedhof stattfinden, denn weil dieser Platz ad manus mortuas kam, war der Vorbehalt dabei, alle dreißig Jahre einen sogenannten neuen Lehnsfall zu bezahlen, und 'weil der ganze Begräbnisplatz ein Freilehn, indem sie nicht die geringsten weiteren Onera als das jährliche Lehnsbekenntnis und quasi Schutzgeld dem Lehnherrn davon zu entrichten haben, muss solches nicht mit 7, sondern mit 10 pro Centum verlehnrechtet werden'. Ferner sollte die Familie, in der ein alter Jude stirbt, der Herrschaft einen Taler in der einer unter 30 Jahren stirbt, 3 Kopfstücke, und in der ein Kind stirbt, 1/2 Taler zahlen. Die Verkaufsurkunde und die erste Belehnungsurkunde wurden am 12. April 1707 ausgefertigt, 1717 wurde der Lehrer Simon angestellt. Er blieb nur ein Jahr hier. Sein Nachfolger wurde 1718 Elias Levi. Von ihm stammen die Schmidt'schen Familien ab. 1731 wird Nathan Samse, Stammvater der Familien Bettmann und Friedmann, als Schutzjude aufgenommen, 1746 Isaak Salomon aus Spangenberg, 1749 Moses Katz, Stammvater der Frühauf, Nußbaum und Stern, 1749 Hirsch Simon (Grünstein), Samuel Josef (Richheimer) aus Walldorf, und Isaak Chaim (Oppenheimer und Westheimer) aus Wüstensachsen. 1752 wurde der Lehrer Mendel David Katz als Nachfolger des Elias Levi aufgenommen. 1758 gab er aber den Schuldienst auf und widmete sich dem lohnenderen Handel. Da er als Geschäftsmann mit 50 fl. in der Steuerliste steht, kann man sich denken, welches Gehalt er als Lehrer bekommen hat. 1766 besteht die Gemeinde aus 13 steuerzahlenden Mitgliedern, deren Einkommen sich zwischen 50 und 550 fl. bewegt. Die Steuerquote betrug '2 Billette (wohl Gulden) auf 100 fl. Schätzung'. 1738 überließ man ihnen einen Teil eines Pferdestalles auf der nördlichen Seite des Schlosshofes, den sie zu einem Betsaal einrichteten. Hierfür mussten sie jährlich pro Person 2 fl. Miete zahlen. Als sich aber die Gemeinde vergrößerte, kauften sie einen Platz und bauten 1765 eine Synagoge, Schule und Backhaus. Dafür hatten sie als jährliches Lehnsgeld 8 fl. 45 Kreuzer, 1/2 Huhn, 1/6 Hahn und 5 Eier zu zahlen. Dass sie, nachdem sie eine Synagoge hatten, auch die Feste feierten, wie sie fielen, geht aus folgendem Gemeindebeschluss hervor: 'Heute, an hauschanoh rabbo 5530, versammelte sich die Gemeinde Aschenhausen und beschloss einstimmig, dass der älteste Familienvater am simchas tauroh chosen tauroh nehmen solle und der jüngste Familienvater chosen bereschis, und ch.t. muss dafür in die Synagoge ein Viertel Wachs spenden und ch.b. 1/2 Viertel Wachs, und ch.t. hat nachmittags der Gemeinde 8 Maß Bier und 1/4 Maß Branntwein zum Besten zu geben und ch.b. halb so viel. Und wer sich diesem Beschluss nicht fügt, zahlt als Strafe 2 Pfd. Wachs in die Synagoge.'   
Im Jahre 1770 war die Gemeinde auf 22 Familien angewachsen, teils durch Zuzug, teils durch Verheiratung von Söhnen. Sie wurden nach Zahlung einer gewissen Summe unter Aushändigung eines Schutzbriefes als Schutzjuden aufgenommen. Ihre jährlichen Leistungen bestanden in der Bezahlung des Schutzgeldes von 6 fl. fränkisch, der Abgabe eines 8 Lot schweren 14-lötig silbernen Löffels, die der 'Judenparnaß' jährlich einsammeln und abliefern musste, sowie in der Ablieferung der Zungen alles von ihnen geschlachteten Rindviehs. An die Pfarrei hatten sie zu zahlen bei der Beschneidung eines Knaben 6 Batzen, bei der Geburt eines Mädchen 4 Batzen. Mit dem christlichen Gemeindeverband hatten sie nichts zu tun, waren von Fronen und Gemeindepflichten frei, hatten aber auch keine Berechtigung an Weide und Gemeinwesen. Sie durften kein Land besitzen und kein Vieh halten und als einzelne bei christlichen Nachbarn eine Ziege in Fütterung gegeben hatten, wurde ihnen das am Petersgericht, am 6. März 1748 bei Strafe verboten.  
Als 1803 die Reichsritterschaft aufgehoben wurde und Aschenhausen zu Sachsen-Weimar-Eisenach kam, wurden die Juden daselbst zwar weimarische Untertanen, sie blieben dabei aber auch Speßhardt'sche Schutzjuden, mussten als solche Schutzbriefe lösen und nach wie vor das Schutzgeld und alle anderen Abgaben zahlen, aber von jetzt ab auch an den Staatslasten teilnehmen; die Staatssteuer betrug jährlich 1 Taler 8 Groschen für jede Judenfamilie; wer zur Miete wohnt, zahlt jährlich 12 Gr., Einzelpersonen 6 Gr. Einmietlingssteuer. Zum Militärdienst wurden sie noch nicht herangezogen, sondern waren gegen eine jährlich zu Martini zu leistende Zahlung von 3 Karolins davon befreit. Erst am 21. Juni 1811 mussten sie sich zum erstenmal zur Musterung stellen. 81 fl. rheinisch in 24 fl. Fuß hatten sie 1814 als Anteil des Zwangsanlehns, welches im Herzogtum Eisenach zur Bestreitung der Kriegskosten ausgeschrieben war, zu tragen. Durch das Emanzipationsgesetz von 1823 wurden aus den Speßhardt'schen Schutzjuden zwar weimarische Staatsbürger, doch das Schutzgeld und alle sonstigen Abgaben an die Gutsherrschaft mussten sie nach wie vor leisten. Erst 1842 fielen diese Abgaben nach einem langwierigen Prozess, in dem Rechtsanwalt Dr. Leutbecher - Tiefenort, der Präsident des Weimarischen Landtages, ihre Sache führte. Aber noch immer war ihre Gemeinde nicht nur eine Kultus-, sondern auch eine Volksgemeinde, und der Vorsteher führte den Titel 'Judenschultheiß'. Da forderte das Großherzogliche Landesdirektorium den Landrat auf, beide Gemeinden zu einer einzigen zu vereinigen, sodass die Nachbarn beider Gemeinden gleiches Recht an die Vorteile der Gemeinde haben sollen, dagegen aber auch die Lasten und Leistungen, die den Gemeinden dem Staate, der Gerichtsbarkeit und dem Gemeindewesen gegenüber obliegen, gleichmäßig, d.h. ein Nachbar wie der andere, tragen müssen. Hiervon bleiben natürlich ausgenommen alle Angelegenheiten des Kirchen- und Schulwesens'. Die Vereinigung wurde eine so enge, dass von jetzt ab in den Gemeinderat drei christliche und drei jüdische Ortseinwohner und zum Bürgermeister-Stellvertreter stets ein Jude gewählt wurde (1850-67 Levi Hirsch Grünstein, 1868-73 Samuel Richheimer, 1874-80 Isaak Rosenblatt und 1881-1918 Lippmann Schwed). Die damals angestrebte Vereinigung der beiden konfessionellen Volksschulen zu einer zweiklassigen Simultanschule kam erst 1876 zustande. 
Die Gemeinde zählte um diese Zeit etwa 45 Familien. Aber die Abwanderung hatte bereits begonnen. Während unter Freiherr v.    
Aschenhausen JuedWZKassel 19041929a.jpg (133819 Byte)Speßhartscher Herrschaft ihre Söhne als Schutzjuden sch nach Belieben verheiraten und neu Familien gründen durften, sofern sie nur einen Schutzbrief lösten und das Judenschutzgeld sowie die anderen Abgaben zahlten, änderte sich das, als sie dem State Karl Augusts, Goethes, Schillers und Herders einverleibt worden waren. 1819 war die Verfügung ergangen, dass nur der älteste Sohn Handel treiben dürfte, während die anderen Söhne sich dem Handwerk widmen müssten und nur diejenigen bekamen die Erlaubnis zur Heirat, die ein Handwerk erlernt hatten. Man kam dieser Verfügung nach und gab die schulentwachsende Jugend zu Handwerkern in die Lehre. Es gab infolgedessen Schneider und Schuster, Zeugmacher und Marchentweber, Kürschner und Mützenmacher, Seifensieder und Sattler. Nur der Betrieb der Bierbrauerei und der Schank- und Gastwirtschaft und die Ausübung des Bäcker- und Metzgerhandwerks war ihnen verboten, weil angeblich durch Ausübung dieser Betriebe die Sicherheit der Christen gefährdet würde! Diese Beschränkung fiel erst nach langen Verhandlungen im Landtag im Jahre 1833. Natürlich konnten sich so viele Handwerker in solch kleinem Ort nicht ernähren, viele gingen fort auf Wanderschaft, und mancher kam nicht wieder zurück, er hatte sich auswärts ansässig gemacht. Doch bot die Beschränkung der Freizügigkeit nur wenigen Gelegenheit dazu, heißt es doch im § 519 der Judenordnung von 1823: 'Die Juden der Großherzogtums sind auf ihre dermaligen Wohnorte eingeschränkt. An einem anderen Orte müssen sie durch einen förmlichen, von zwei Dritteilen sämtlicher stimmfähigen Einwohner gefassten Gemeindebeschluss und Erlaubnis der Landesdirektion zur Niederlassung berechtigt werden. Die Landesdirektion kann die Aufnahme versagen, nie aber den Gemeindebeschluss anordnen.' Deshalb wählten sie sich ein anderes Ziel, Amerika. Faibel Frühauf war der erste, der 1845 dahin auswanderte, dem bald darauf Levi Grünebaum und Faibel Katzenstein folgten. Nachdem diese drüben waren und verlockende Schilderungen von der neuen Heimat nach Hause schickten, folgten ihnen rasch nacheinander andere, Jungens und Mädels. Diese Auswanderung nach Amerika hielt bis Mitte der 90er-Jahre an. Aber auch die größeren deutschen Städte, zunächst das benachbarte Eisenach und Meiningen, lockten, nachdem mit Gründung des Norddeutschen Bundes die Beschränkung der Freizügigkeit gefallen war. Diese Abwanderung nahm in den 90er-Jahren rapid zu. Während bei der Vereinigung der beiden Schulen neben 40 christlichen auch 40 jüdische Schulkinder und im Jahre 1889, als Schreiber dieses als Lehrer hinkam, noch 33 jüdische Schulkinder die Schule besuchten, verließ von 1890 ab die gesamte schulentlassene Jugend Vaterhaus und Heimat, um in der Fremde etwas tüchtiges zu lernen. Nicht ein einziger kehrte zurück. Heute besteht die Gemeinde nur noch aus etwa zehn meist bejahrten Personen. Wie lange wird es noch dauern und der Letzte wird verschwunden sein. So ist das Schicksal jüdischer Landgemeinden."     
 
  Der Beitrag erschien auch im "Gemeindeblatt der Israelitischen Gemeinde Frankfurt" Ausgabe April 1929 S. 254-256.      

   
   
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer  
Ausschreibung der Stelle des Lehrer für die israelitische Abteilung der Ortsschule (1875)      

Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 5. Oktober 1875: "Gesucht wird ein seminaristisch-gebildeter israelitischer Lehrer für die zweite (israel.) Lehrerstelle, bezüglich die israelitische Abteilung der Ortsschule in Aschenhausen bei Kaltennordheim im Großherzogtum Sachsen-Weimar. 
Die Stelle ist Staatsstelle. Anfangsgehalt 850 Mark inkl. 50 Mark für freie Wohnung, nach 5 Jahren 940, nach 10 Jahren 1030, nach 5 Jahren 1150 Mark. Kinderzahl: 30-40. 
Die schon im vorigen Jahre ausgeschriebene Stelle kommt wegen Neuregulierung der Schulverhältnisse erst jetzt zur Besetzung. Mit ihr sind die niederen Kultusdienste verbunden.  
Bewerbungen sind nebst Zeugnissen, kurzem Lebenslauf und Angabe der vorgesetzten Dienstbehörde schleunigst bei Unterzeichnetem einzureichen. 
Dermbach
, den 23. September 1875. R. Stier, Großherzoglich Sächsischer Bezirksschulinspektor für den IV. Verwaltungsbezirk."        

      
Zum Tod des emeritierten Lehrers Hirsch Hecht (bis 1871 Lehrer in Aschenhausen; starb 1877)   

Artikel in der "Israelitischen Wochenschrift für die religiösen und socialen Interessen des Judentums" vom 21. Juni 1877: "Aus dem Großherzogtum Sachsen. Anfangs Juni. Am 29. vorigen Monats hat zu Stadtlengsfeld ein edles Lehrerherz aufgehört zu schlagen. Der emeritierte Lehrer Hirsch Hecht, der früher als Kultusbeamter zu Aschenhausen eine achtunggebietende Stellung einnahm, war im Jahre 1871 durch körperliche Schwäche veranlasst seine Pensionierung zu erbitten, welche ihm auch in ehrenvollster Weise gewährt wurde und nahm dann seinen dauernden Wohnsitz in Lengsfeld. Unerwartet rasch erlag er dort einem Herz leiden. Derselbe hatte es verstanden, durch ein musterhaftes Familienleben, durch treue Anhänglichkeit an die Religion seiner Väter, durch Förderung aller gemeinnützigen Bestrebungen, durch freundliches Entgegenkommen gegen alle die mit ihm verkehrten, sich alle Herzen zu gewinnen. Seine Erkrankung und sein hinscheiden riefen die aufrichtigste Teilnahme bei allen Konfessionen und Berufsklassen des Ortes hervor. Die Sympathien, die der Verlebte genossen, gaben sich durch ein zahlreiches Geleite zur letzten Ruhestätte, am 31. vorigen Monats kund. Der Land Rabbiner Dr. Kroner verstand es in meisterhafter Rede am Grabe des Treuen über einen braven Manne Ausdruck zu geben und wählte hierzu, in gelungener Weise anknüpfend an den Wochenabschnitt, das Bild der Menorah. Ein erhebender Grabgesang von den Lehrern des Ortes und der Umgegend schloss in würdiger Weise die ernste Feier. Das Andenken des wackeren Lehrers wird in Ehren fortleben!"   

   
   
Berichte zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde   

Zum Tod von Babette Richheimer (1936)   

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. März 1936: "Tiefenort an der Werra, 28. Februar (1936). Im 94. Jahre stehend, wurde heute Frau Babette Richheimer in Aschenhausen (Rhön) zur letzten Ruhe gebracht. Sie war eine fromme Frau im wahrsten Sinne des Wortes. Eine noch unverheiratete Tochter, die die Mutter lange gepflegt hatte, ging ihr vorigen Freitag im Tode voraus. Frau Richheimer war bis zu ihrem Ende geistig vollkommen rüstig. - Die Gemeinde Aschenhausen, die früher sehr groß war, ist leider eine sterbende Gemeinde. Der Friedhof, der sehr schön liegt, ist ziemlich alt. Sie besitzt noch eine schöne Synagoge. U."   

    
    
Sonstiges        
Erinnerungen an die Auswanderungen im 19. Jahrhundert: 
Grabstein in New York für 
Sophia Hanauer aus Aschenhausen (1820-1897)      
Anmerkung: das Grab befindet sich in einem jüdischen Friedhof in NY-Brooklyn.      

Aschenhausen NY Cyprus 1739.jpg (86619 Byte)   Grabstein für 
"Sophia Hanauer  
Born in Aschenhausen Sachsen-Weimar  
March 20, 1820  
Died Feb. 27, 1897 
Aged 77 Years".  

      
      
     
 
Zur Geschichte der Synagoge       
    
Zunächst war vermutlich ein Betsaal in einer der jüdischen Wohnungen eingerichtet. 1738 wurde ein Pferdestall an der Nordseite des Schlosses zu einer ersten Synagoge umgebaut. Dafür war der Ortsherrschaft eine jährlich Gebühr von 2 Talern Miete pro Gemeindemitglied zu bezahlen. 
    
Am 30. April 1841 brannte die Synagoge ab. Das in der Nähe stehende Backhaus war in Flammen aufgegangen, wodurch auch mehrere benachbarte Gebäude, unter anderem die jüdische Schule mit der Lehrerwohnung zerstört worden waren. In mehreren überregionalen Zeitungen erschien Ende Juni /Anfang Juli 1841 dazu folgender Bericht und Aufruf:   

Aschenhausen AZJ 26061841.jpg (153449 Byte) Aschenhausen Israelit19Jh 04071841.jpg (169861 Byte) Aschenhausen.  Gesuch und Aufruf. Der Mittag des 30. April (1841) war vorüber. Die meisten männlichen Bewohner unserer Gemeinde waren auswärts. Da stand plötzlich unser Backhaus in hellen Flammen. Schon nach wenigen Minuten, ehe noch Hilfe möglich war, hatte der scharf wehende Ostwind den flackernden Brand unserer Synagoge, unserer Schule mitgeteilt. Es geschah alles, was angestrengte Tätigkeit der Ortsbewohner, was von nah und fern herbeieilende Hilfe, bei dem Wassermangel, an dem wir leiden, zu leisten vermochten; ach, dem ungeachtet sanken unsere Synagoge, unser Schulhaus, die Wohnungen zwei unserer Glaubensgenossen, zwei Scheuern und das Wohnhaus eines christlichen Bewohners in Asche. Fast nichts konnte gerettet werden; doch wir denken dem, der den Elementen gebietet, dass wir den Verlust keines Menschenlebens zu beklagen haben. Aber unsere Gemeinde ist sehr arm, und leider sind sämtliche Gemeindegebäude, welche abbrannten, nach Landesgesetz nur mit 286 Talern in der Assekuranz versichert. 
Wie soll es also ermöglicht werden, unsere Synagoge wieder aufzurichten, dem wackern Lehrer unserer Kinder ein neues Obdach zur Fortsetzung seines segenbringenden Berufes zu schaffen, und unsere um Hab und Gut gekommenen Glaubensgenossen in ihrer Not aufzuhelfen, wenn wir nicht die Mildtätigkeit unserer näher und ferner wohnenden Brüder in Anspruch nehmen. An Sie wenden wir uns daher in unserer tiefen Bedrängnis, und gewiss bitten wir nicht vergebens um Beinstand; denn noch belebt warmes Mitgefühl bei fremdem Schmerz die Brust der Söhne Israels, noch ist edle Mildtätigkeit in den zerstreuten Gemeinden Jakobs nicht erloschen, noch steht der feste Glaube an die vergeltende Hand des Ewigen unerschüttert. Ja, er wird die Gaben segnen, mit welchem Ihr Edelmut unsere Not zu lindern suchen wird, und die wir mit dankbar gerührtem Herzen empfangen werden.  
Die unterzeichneten Vorsteher unserer Gemeinde werden nicht verfehlen, den Empfang der Unterstützungen öffentlich zu bescheinigen und einer Zeit Rechnung darüber abzulegen. 
Möge der Allmächtige alle unsere Brüder mit gleicher oder ähnlicher Heimsuchung verschonen. 
Aschenhausen bei Kaltennordheim im Großherzogtum Sachsen-Weimar den 20. Mai 1841. 
Der israelitische Gemeinde-Vorstand: Löser Katzenstein, Abraham Friedemann, Levi Stern, Isaac Cahn. 
Obiges Gesuch bestätigt und empfiehlt: Aschenhausen den 21. Mai 1841 Der Gerichtsdirektor Briegleb. 
Stadtlengsfeld den 23. Mai 1841: Der Land-Rabbine Dr. M. Heß.
Aufruf in der "Allgemeinen Zeitung 
des Judentums" vom 26. Juni 1841
Aufruf in der Zeitschrift "Der Israelit 
des 19. Jahrhunderts" vom 4. Juli 1841
   

Der Spendenaufruf hatte Erfolg. Mit ihrer Hilfe konnte im folgenden Jahr (August 1842) die jüdische Gemeinde einen Beetgarten aus den Gütern der Freiherren von Speßhardt für 175 Gulden kaufen und hier eine eine neue Synagoge erstellen, die am 23./24. Juni 1843 eingeweiht wurde. Auch die Großherzoglich-Weimarsche Regierung hatte einen Zuschuss von 400 Talern zum Bau der Synagoge bewilligt:

Ergebnis der Spendensammlung in jüdischen Gemeinden (1841)   
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 27. November 1841: "Bescheinigung und Dank.
Als Unterstützung wegen des unserer Gemeinde widerfahrenen Brandunglücks sind eingegangen: "Von der israelitischen Gemeinde zu ..."
es werden die Spenden aus zahlreichen jüdischen Gemeinden der weiteren Umgebung aufgeführt
was wir hierdurch dankbarlichst bescheinigen.
Aschenhausen im Großherzogtum Weimar den 1. November 1841.
Der israelitische Vorstand Löser Katzenstein, Vorsteher. A. Friedemann. Levi Stern."  
  
Unterstützung durch die Großherzoglich Weimarsche Regierung (1842)  
Aschenhausen Israelit19Jh 06111842.jpg (24703 Byte)Bericht in der Zeitschrift "Der Israelit des 19. Jahrhunderts" vom 6. November 1842: "Schließlich gedenken wir aber noch mit verdienter Anerkennung der Großherzoglich Weimarschen Regierung. Sie gab kürzlich einen neuen Beweis von der Freigebigkeit, mit welcher sie die jüdische Kultus- und Schulanstalten unterstützt, gegeben, indem sie zum Aufbau einer Synagoge und Schule in Aschenhausen, einen Beitrag von 400 Talern verwilligte." 
 
 
Artikel in "Der Israelit des 19. Jahrhunderts" vom 9. Juli 1843:  "Geschichte des Tages.
Unsere Leser mögen es unserem Patriotismus zugute schreiben, wenn wir heute die Tagesgeschichte mit einem großen Berichte aus einem kleinen Orte des Vaterlandes eröffnen:
(Aschenhausen im eisenachischen Oberlande.) Am 30. April 1841, in den gemütlichen Freitagnachmittagsstunden, da wir dem lieben Gast, der stillen Sabbat Feier, entgegen harten, regte sich ein bewegtes Leben in unseren Gassen, von den Bergen sah man eine eilige Menschenmenge unserem Orte zu zu strömen. Die und entfernten Orte entsendeten uns in Massen ihre menschenfreundlichen Bewohner. Angstgeschrei, Hilferuf, das Wimmern der Sturmglocken, verkündeten, dass es dem Kampfe mit dem entwickelten Elemente galt. Unser Heiligtum - die Synagoge - unser Schulhaus mit der Wohnung unseres Lehrers, und andere Gebäude in der Nähe, waren rettungslos von den Flammen ergriffen. Doch, der Wille Gottes und der Beistand tatkräftiger Nachbarn setzte ihren weiteren Verheerrungen Grenzen.
Zwei Jahre später. - Am 23. Juni 1843, wieder am Vor-      
abend der trauten Sabbatfeier, erneuerte sich das Schauspiel; aber, gottlob! in weit erfreulicherer Weise. Wieder ward's lebendig in den sonst so stillen Gassen, durch die Fluren zogen zu Wagen und zu Fuße frohe Menschenscharen, die Säume dunkler Wälder auf den Höhen entsendeten bunte fröhliche Gruppen in unsere sonst so schweigsame Fluren. Es galt der Einweihung unserer, Aus der Asche in herrlicher Pracht wieder erstanden in Synagoge. Nachmittags um 3 Uhr ordnete sich der Zug. Während die Gesetzesrollen aus dem Lokale, das man während der verflossenen zwei Jahre zum Gottesdienste verwendet hatte, herausgebracht wurden, stimmte der Chor eine vom Schullehrer Löwenheim zu Lengsfeld Gedichte, und vom Chordirektor und Hofmusicus Hornthal zu Kassel in Musik gesetzte hebräische Hymne an. Vor der Synagoge angekommen, fand derselbe den geräumigen Vorhof von einer solchen Menschenmasse voll gepropft, dass es der ganzen Tätigkeit des betreffenden Polizeipersonals bedurfte, um dem weltlichen Mitgliede der Aufsicht über das Kirchenwesen und unserem Landrabbinen Dr. Heß den Weg zu der Synagogentüre zu bahnen, von welcher Stelle aus beide an die Versammlung eine geeignete Ansprache hielten. Der Landrabbine hatte dabei zum Texte (hebräisch und deutsch:) 'Wer darf des Ewigen Berg besteigen? Wer auf seiner heiligen Stätte ruhen?' Darauf stimmte der Chor wiederum eine hebräische, von den schon erwähnten Herren gedichtete und komponierte Hymne an. Als nun von dem Vorsteher die Synagogentüren geöffnet wurden, entstand ein solches Gedränge, dass nicht allein die Ordnung des Zuges zerrissen wurde, sondern man war auch einige Zeit hindurch in großer Sorge, dass es ein Unglück geben könnte. Nach wiederhergestellter Ordnung begann die eigentliche Feier, deren bedeutungsvollsten Moment die vom Landrabbinen Dr. Heß gehaltene Weihepredigt bildete.
Was nun den Bau selbst betrifft, so wissen wir der Gnade Gottes nicht genug zu danken, der innerhalb einer so kurzen Zeit, inmitten einer so unbemittelten Gemeinde, so Großes hat ausführen lassen. Denn an Zweckmäßigkeit, Eleganz und Geräumigkeit mag nicht leicht in einer Gemeinde, wie die unsere, ja, in gar vielen größeren und bemittelteren seinesgleichen angetroffen werden. Doch unsere Gemeinde, wäre auch bei den großen Opfern, die sie der heiligen Angelegenheit feierte, nicht im Stande gewesen, aus eigenen Mitteln ein solches Resultat herbeizuführen. Nur dem großmütigen Beitrage unseres allergnädigsten Landesvaters (400 Taler) und den reich fließenden Beiträgen unserer mild- tätigen Glaubensbrüder, war die schleunige Förderung des Baues in diesem Umfang, in dieser gefälligen Form und zweckmäßigen Einrichtung möglich geworden. So ging an uns in Erfüllung: 'Mit Feuer (dem Elementarischen) hast du das Heiligtum verzehrt und mit Feuer (der Religion) hast du es wieder aufgebaut.'
Noch können wir die erfreuliche Erscheinung nicht unerwähnt lassen, mit welcher liebevollen Teilnahme unsere christlichen Brüder aller Stände sich bei unserem Feste beteiligten. Sämtliche Schullehrer der Diözese Kaltennordheim fanden sich nicht allein zu der Feier ein, sondern bildeten, aufs uneigennützige, den    
eigentlichen Kern des Chores, und scheuten nicht die Mühe, sich mitunter stundenweit hierher zur Feier, und einige Tage vorher zur Probe, zu bemühen. Ihnen schlossen sich später viele Amtsgenossen aus anderen benachbarten Diözesen an. Nur diesen tüchtigen Gesangeskräften ward es möglich, bei dem großen Gedränge und der daraus hervorgegangenen mannigfachen Störungen für das Chor, dennoch den Gesängen eine der Feier angemessene Haltung zu geben. Die bekannte humane Gesinnung unserer Beamten und Angestellten in der Umgegend, namentlich des Amtes Kaltennordheim, sowie die vorurteilsfreien Grundsätze der Geistlichkeit, den hochwürdigen Superintendenten zu Kaltennordheim an der Spitze, bewährte sich auch hier, in dem sich dieselbe in corpore, ein Teil davon im Ornate, dem Zuge anschlossen und auch sonst ihre Teilnahme aufs Sprechenste betätigten. Auch der christliche Bürger und Landmann von nah und fern, wandelte in Liebe und Eintracht neben seinem israelitischen Bruder, und nahm den innigsten Anteil an seiner religiösen Freude. Glückliches Land des religiösen Friedens und der bürgerlichen Eintracht, bete fortan für das Wohl deines väterlichen Fürsten, und seiner erleuchteten Diener!"      

Fast 100 Jahre diente dieses Gebäude der jüdischen Gemeinde als religiöses Zentrum. 1936 fand anlässlich der Hochzeit eines Paares aus Oepfershausen ein letzter Gottesdienst statt.  Danach wurde die Synagoge von den letzten Vorstandsmitgliedern an einen christlichen Einwohner verkauft. Die Torarollen und andere Kultgegenstände sollen vor dem Verkauf aus der Synagoge genommen und auf dem jüdischen Friedhof begraben worden sein. 
     
Das Synagogengebäude wurde nach dem Verkauf als Scheune genutzt. Da sie in der Pogromnacht 1938 mit Heu gefüllt war, wurde sie von den aus Kaltennordheim kommenden SA-Leuten auf Grund des Widerstandes der Bevölkerung nicht angezündet. 
     
Um 1980 war das Gebäude inzwischen in einem baufälligen Zustand, wurde jedoch in diesem Jahr in die Denkmalliste des Kreises Meiningen aufgenommen. Anfang der 1980er-Jahre begannen die Überlegungen, aus dem Gebäude eine Stätte der Begegnung zu machen. 1987 wurde mit der Restaurierung begonnen, die mit Hilfe vieler Freiwilliger 1991 abgeschlossen wurde. Am Pfingstsamstag 1991 konnte das Gebäude eingeweiht werden und dient seitdem als Stätte der Begegnung und Erinnerung.    
     
     
Adresse/Standort der SynagogeIn der Ortsmitte 
     
Für Besichtigungen befindet sich ein Schlüssel zur Synagoge bei Familie in der Nachbarschaft: c/o Frau Ingrid Eichhorn, Oberkätzer Str. 12, 98634 Aschenhausen, Tel. 036966/80584.     
     
     

Fotos
(Fotos Hahn, Aufnahmedatum 12.8.2005) 

Historische Aufnahme und 
Modell der Synagoge
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    Historische Aufnahme der Synagoge
 (1950er-Jahre?)  
Modell der Synagoge von Bet Tfila  
(s.u. Links)  
     
Die ehemalige Synagoge Anfang der 1980er-Jahre 
(Fotos eingestellt mit freundlicher Genehmigung  
von Bernd H. Müller, © Müllers CULTURA Mühle
www.cultura.mueh.le.ms  | www.landfilm.ev.ms)  
Aschenhausen Synagoge 198301.jpg (265124 Byte)  

Aus den Erinnerungen von Bernd H. Müller (mitgeteilt am 18.11.2014): "Ich bin einst in meiner Grundschulzeit in Aschenhausen in die Schule gegangen. Es war die vierte und fünfte Klasse, in der Zeit von 1967/68. Schon damals hat mich die Architektur der Synagoge beeindruckt. Als 'Scheune' war sie doch vollkommen anders gebaut als die, die ich in der Vorderrhön kannte. Doch erzählte uns damals niemand, was es mit dem Gebäude auf sich hatte. Erst Anfang der achtziger Jahre, als ich in Leipzig studierte und auch mit der jüdischen Gemeinde in Ostberlin Kontakt hatte, erfuhr ich von der jüdischen Gemeinde in Aschenhausen. Nie werde ich die Schilderung meiner Großmutter vergessen, die uns erzählte wie eine der letzten Juden, es war eine Frau aus Oepfershausen, mit ihrem Koffer an der Bushaltestelle stand und auf nimmer wiedersehen den Ort verlies. Die Aufnahme von der Synagoge in Aschenhausen erstellte ich 1983. Es ist kaum ein Unterschied zur Aufnahme aus den 1950er-Jahren (siehe oben). Ein Teil des Gebäudes wurde als Hühnerhaus genutzt. Rechts erkennbar ist das große Fenster mit Hühnerleiter und Eingang."  

     

Die ehemalige Synagoge im Sommer 2005  

 
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Die Synagoge von der Nordwestseite 
mit dem klassizistischen Giebel über
 dem Eingangsbereich. 
Dieselbe Ansicht mit dem 
Brunnen vor der Synagoge 
Die Synagoge 
von der Nordostseite 
       
     
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Die Synagoge von der Südostseite  Der Eingangsbereich  Eine der Eingangstüren 
     
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Blick zum Bereich des 
ehemaligen Toraschreines 
Blick von der dreiseitig 
verlaufenden Frauenempore 
Aufgang zur 
Frauenempore 
     
Aschenhausen Synagoge 103.jpg (37254 Byte) Aschenhausen Synagoge 107.jpg (48674 Byte) Aschenhausen Synagoge 100.jpg (40147 Byte)
Blick von der Frauenempore zum
 Bereich des ehemaligen Toraschreines 
Die Deckenbemalung  Menora im Bereich des 
ehemaligen Toraschreines 
   
     

      
      
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte  

September 2014: Auf den Spuren der jüdischen Geschichte in Aschenhausen   
Artikel von Gisela Ruck in inSüdthüringen.de vom 10. September 2014: "Jüdisches Leben hinterließ Spuren
Auf die Spuren der einst großen, heute nicht mehr existierenden jüdischen Gemeinde in der Thüringer Rhön begaben sich 60 Besucher am Sonntag in Aschenhausen.

Aschenhausen - Zum ersten Mal hatte der Verein Provinzkultur e.V., der sich eine breitenkulturelle Bereicherung in Südthüringen zum Ziel gesetzt hat, eine Reise in die Rhön organisiert. Im Rahmen des Europäischen Tages der Jüdischen Kultur organisierte der Verein unter Leitung von Ina Heß eine Busreise in die jüdisch geprägte Rhöngemeinde. Etwa 60 Teilnehmer aus Suhl, Zella-Mehlis und Meiningen folgten der Einladung. Einige Interessierte warteten bereits vor der Synagoge in Aschenhausen, als der Bus ankam..." 
Link zum Artikel       
 
 


  

Links und Literatur

Links:   

bulletInformationsseite zu Aschenhausen der VG Hohe Rhön  
bulletInformationsseite zu Aschenhausen der "Rhön-Region Geba"  
bulletModell der Synagoge von Bet Tfila - Forschungsstelle für jüdische Architektur in Europa: hier anklicken  
bulletInformationen zum jüdischen Friedhof Aschenhausen (interner Link)   

Literatur:  

bulletStefan Frühauf / Elke Schwerda: Aschenhausen - Entstehen und Vergehen einer jüdischen Landgemeinde. In: Hans Nothnagel (Hg.): Juden in Südthüringen - geschützt und gejagt. Bd. 5 Jüdische Gemeinden in der Vorderrhön. Suhl 1999 S. 52-89.  

     
       


 

Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the Holocaust". 
First published in 2001 by NEW YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad Vashem Jerusalem, Israel.

Aschenhausen Thuringia. Jews first settled in Aschenhausen in 1695 and the Jewish population was seven families in 1707. The community established a synagogue and a cemetery. In the 19th century, Jews made up half of the total population, reaching an absolute majority in 1848 with 50 families. Until 1919, the chairman of the local council was generally a Jew. After 1900, the community rapidly declined, dwindling to 12 members on the eve of the Nazi takeover in 1933. Together with the affiliated communities of Kaltennordheim (35 Jews), Kaltensundheim (5) and Opferhausen (2), the combined Jewish population in the area was 52 Jews. Those who still remained after 1939 were deported and in 1943 the four last Jews were sent to the Theresienstadt ghetto.  
      
        

                   
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Stand: 30. Juni 2020