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im Elsass"
Ettendorf
(Dep. Bas-Rhin / Alsace /
Unterelsass)
Jüdische Geschichte / Synagogue / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In Ettendorf bestand eine jüdische
Gemeinde bis um 1900. Ihre Entstehung geht in die Zeit des späten
Mittelalters zurück. Von besonderer Bedeutung für die gesamte Region wurde
seit Anfang des 15. Jahrhunderts der bei Ettendorf gelegene zentrale jüdische Friedhof. der sich über eine Fläche von 18 ha erstreckt.
In Ettendorf selbst entwickelte sich eine zeitweise große jüdische Gemeinde;
nach unbestätigten Angaben sollen zu den Blütezeiten der Gemeinde über 600
jüdische Personen am Ort gelebt haben. Eine berühmte rabbinische Schule (Jeschiwa)
bestand längere Zeit mit bis zu sechs Lehrern und 150 Schülern.
Ende des 18. Jahrhunderts gab es noch 124 jüdische Einwohner in 20
Familien (Zählung von 1784).
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1807 60 jüdische Einwohner, 1846 45, 1861 45, 1866 37, 1893 12 (in drei
Familien), 1894/1900 8 (in zwei Familien), 1910 5.
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine jüdische
Schule, ein rituelles Bad und der bereits genannte zentrale Friedhof. Zur
Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war bis zur zweiten Hälfte des
19. Jahrhunderts noch ein Lehrer am Ort, der auch als Vorbeter und
Schochet tätig war. 1893 gab es nur noch zwei schulpflichtige Kinder am Ort;
damals gab es keinen eigenen Lehrer mehr. Die Gemeinde gehörte zum Rabbinat in Bouxwiller.
1893/94 war - vermutlich letzter - Vorsteher der jüdischen Gemeinde und
Friedhofsverwalter Elias Levy. Er starb 1903 und war damals der letzte
jüdische Einwohner des Ortes (siehe Bericht unten). Nur einzelne sind in den
kommenden Jahren wieder zugezogen.
1936 lebten noch 4 jüdische Personen in Ettendorf.
Die Deportation nach Südfrankreich unter der deutschen Besatzung 1940 beendete
das jüdische Leben am Ort.
Von den in Ettendorf geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Sophie Dreyfuss
(1872), Leopold Kauffmann (1885), Sophie Eberlin (1881).
Nach 1945 kehrten keine früheren jüdischen Einwohner nach Ettendorf
zurück.
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Berichte aus
dem jüdischen Gemeindeleben
Die Gemeinde Ettendorf löst sich auf (1900)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. Februar 1900: "Aus
dem Unter-Elsaß. Es ist eine nicht zu verkennende Tatsache, dass die
kleineren jüdischen Gemeinden auf dem Lande leider von Jahr zu Jahr immer
mehr abnehmen, und dagegen die Zahl der jüdischen Bewohner der
Großstädte immer mehr wächst. Manche jetzt leerstehende Synagoge in
unserem Lande gibt uns einen deutlichen Beweis hierfür. Betrachten wir
zum Beispiel das an der Bahnstrecke Straßburg - Obermodern gelegene
Dörfchen Ettendorf. In diesem Orte, zu dessen weit ausgedehntem
Friedhofe alljährlich zur Zeit der Jomim hanauroim Glaubensgenossen aus
allen Teilen des Landes gepilgert kommen, wohnt zur Zeit noch ein einziger
Jude, der Pförtner des Friedhofes. Hier war vor Zeiten eine große
Gemeinde und ebenso bestand hier auch ein weitberühmtes Lehrhaus. Die
fast neue Synagoge ist heute verlassen. Von anderen Gemeinden will ich nur
Weinburg und Offweiler bei Ingweiler erwähnten, deren Gotteshäuser jetzt
verkauft sind. Noch andere, wie Büsweiler, stehen im Begriffe, sich
aufzulösen." |
Berichte
zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde
Über das Ehepaar Salomon und Fanny Metzger (1896)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. Mai 1896:
"Ettendorf im Elsass. Bei meiner vorgestrigen und gestrigen
Besichtigung des hiesigen altehrwürdigen Friedhofes, konnte ich
nicht umhin, den hier wohnhaften, mit der Krone des Greisenalters
geschmückten Eheleuten, Salomon und Fanny Metzger einen Besuch
abzustatten. Herr S. Metzger ist 92, die Frau F. Metzger 90 Jahre alt. Sie
sind 64 Jahre miteinander verheiratet. Sie waren nie und sind auch jetzt
nicht mit Glücksgütern gesegnet, umso rühmender muss es hervorgehoben
werden, dass unsere israelitischen Mitbrüder, die bekanntlich barmherzige
Menschen sind, der Eheleute Metzger in liebevoller Weise sich
annehmen. Aus weiter Ferne gehen ihnen Geldspenden zu, und namentlich
haben unsere wohlhabenden Brüder, deren Angehörige auf dem hiesigen Friedhof
bestattet werden, stets eine offene Hand für die alten, bedürftigen
Metzger. Auch unsere Regierung hat schon mehrere Male dem ehrwürdigen
Greisenpaar namhafte Unterstützungen zukommen lassen, jedoch reichten
diese zur Unterstützung des Ehepaares nicht aus. Bei meinem Abschiede von
diesem durch die Last der Jahre und der Armut gebeugten und gebrechlichen
Ehepaare, frug ich dasselbe, ob ich ihm irgendwelchen Wunsch noch
erfüllen könnte. Einen Wunsch haben wir, antwortete das Greisenpaar
lächelnd, den Sie aber uns nicht erfüllen können, Gott allein kann
dieses tun und wir hoffen auch, dass er es tun wird. Wir wünschen das hundertste
Lebensjahr miteinander zu erreichen, vorher aber wollen wir noch das
70-jährige Hochzeitsjubiläum feiern und von unserm guten, lieben Kaiser
einen Orden und viel Geld
erhalten." |
Zum Tod des letzten jüdischen
Einwohners in Ettendorf Elias Levy (1903)
Artikel in der "Jüdischen Rundschau" vom 10. April 1903: "Der letzte
seines Stammes, der Friedhofsverwalter Elias Levy, ist laut
'Elsässer' als letzter Bürger der jüdischen Gemeinde von Ettendorf zu
Grabe getragen worden. Ettendorf zählte früher über 100 jüdische
Familien. Im Laufe der letzten Jahrzehnte hat sich jedoch dort die gleiche
Erscheinung bemerkbar gemacht, wie in den sundgauischen Dörfern in der Nähe
Basels, die früher starke jüdische Kolonien beherbergten. Die jüdische
Bevölkerung zieht sich immer mehr teils freiwillig, meist aber unter den
Druck widriger Verhältnisse vom Lande nach den Städten." |
Zur Geschichte der Synagoge
Eine Synagoge wurde im 17. Jahrhundert erbaut. Sie
drohte in den 1860er-Jahren auf Grund von Baufälligkeit einzustürzen.
1867/68 wurde die Synagoge nach Plänen des Architueten Louis Furst neu erstellt, aber nur noch wenige
Jahrzehnte genutzt. Bereits in den 1890er-Jahren stand sie leer. Um 1900 wurde
berichtet (siehe Artikel oben): "Die fast neue Synagoge ist heute
verlassen". Das Synagogengebäude wurde in den 1930er-Jahren zur Remise eines daneben
stehenden Bauernhauses umgebaut.
Adresse/Standort der Synagoge: 86 rue des
Tilleuls
Fotos
Das Gebäude
der
ehemaligen Synagoge |
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Über
dem Eingang die Portalinschrift aus Psalm 55,15: "Zum Hause Gottes
gehen wir
inmitten der Menge" mit Jahreszahl 5628 = 1867/68 |
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Foto aus der
Seite des
Ministère de la Culture
(siehe Link unten) |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
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Ettendorf: ein jüdisches Heiligtum im Elsaß. Schulbetrieb in
alten Zeiten. In: Israelitisches Wochenblatt für die Schweiz 1927 Nr. 44ff.
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M. Ginsburger: Ettendorf. Les premiers établissements
juifs. In: Souvernir et Schience. Année 2 1931 No. 1. |
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Michel
Rothé / Max Warschawski: Les Synagogues d'Alsace et leur Histoire.
Ed. 'Chalom Bisamme' Jerusalem 1992. S.32.76.
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n.e.
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