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Kraisdorf (Gemeinde
Pfarrweisach, Kreis Hassberge)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In Kraisdorf bestand eine jüdische Gemeinde bis Ende des 19.
Jahrhunderts. Ihre Entstehung geht die die Zeit des 17./18. Jahrhunderts
zurück. Die jüdischen Familien waren von den Freiherren von Altenstein
und der Rotenhanischen Gutsherrschaft aufgenommen worden. Zunächst handelte
es sich nur um einzelne Juden am Ort. 1622 verzog einer von ihnen von Kraisdorf
nach Rentweinsdorf. Seit 1676 kam es dann zu einer kontinuierlichen jüdischen
Präsenz.
Bei der Erstellung der Matrikellisten 1817 werden in Kraisdorf auf
insgesamt 14 Matrikelstellen die folgenden jüdischen Familienvorstände
genannt (mit neuem Familiennamen, Erwerbszweig und Familienverhältnissen): Isack Bruchmann
(Schlachter, 52 Jahre und bereits gebürtig in Kraisdorf, aus Schlachter tätig;
hatte fünf Söhne und drei Töchter), Simon Rauenecker (Warenhändler, hatte
Frau und eine Tochter), Wolf Rau (Waren- und Rauzeughändler, hatte Frau, zwei
Söhne und vier Töchter), Bonfurt Reus (Warenhändler, hatte Frau, einen Sohn
und eine Töchter), Jacob Straus (Viehhändler, hatte Frau und eine Tochter),
Witwe von Salomon Reus (lebte von der Strickerei, hatte zwei Söhne und eine
Tochter), Seligmann Gut (Warenhändler, hatte Frau und drei Söhne), Moses
Hartmann (Warenhändler, hatte eine Frau, keine Kinder), Laeser Hartmann
(Warenhändler, hatte Frau und zwei Töchter), Haium Braun (Warenhändler, hatte
Frau, einen Sohn und eine Töchter), Isac Süskind (Schmuser, hatte Frau, zwei
Söhne und zwei Töchter), Moses Straus (Viehhändler, hatte Frau, drei Söhne
und drei Töchter), Hindel, Witwe von Viehhändler Joseph Rosenberger (hatte
drei Söhne und eine Tochter), Isac Braun (Auszüger, hatte Frau, einen Sohn und
eine Tochter).
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sind die jüdischen Familien
des Ortes in andere Orte verzogen beziehungsweise
ausgewandert.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge
(s.u.), eine Schule (Schulhaus Ortsstraße Nr. 17) und ein rituelles Bad. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war
zeitweise ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig
war. 1832 wurde die jüdischen Schulen in Pfarrweisach und Kraisdorf
zusammengelegt (mit dem Sitz in Kraisdorf).
Von den in Kraisdorf geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Fanny Brückmann
(geb. 1875 in Kraisdorf, später wohnhaft in Bamberg, "Stolperstein" in der
Hainstraße 4), Rosa Brückmann (geb. 1869 in Kraisdorf, später wohnhaft in
Bamberg, "Stolperstein" in der Hainstraße 4), Marianne Steinhardt geb. Brückmann (geb. 1877
in Kraisdorf, später wohnhaft in
Burgpreppach),
Gertrud (Gertraud) Mahler geb. Raiß (geb. 1871 in Kraisdorf, später wohnhaft in
Westheim HAS und
Schweinfurt).
Die "Stolpersteine" für
Fanny und Rosa Brückmann (beide geboren in Kraisdorf)
in Bamberg in der Hainstraße 4 (Quelle: Wikimedia commons)
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Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Gemeinde
Kraisdorf in der Liste der
"nicht mehr bestehenden jüdischen Gemeinden" (1903)
Aus
einem Artikel in "Blätter für jüdische Geschichte und Litteratur" Nr.1 1903
S. 12: "Unterfranken:
Altenstein (k. Bezirksamt Ebern),
Kraisdorf (k. Bezirksamt Ebern),
Pfarrweisach (k. Bezirksamt Ebern),
Mechenried (k. Bezirksamt Hassfurt),
Marktsteft (k. Bezirksamt
Ochsenfurt), Segnitz (k. Bezirksamt
Ochsenfurt)." |
Aus der
Geschichte der jüdischen Lehrer
Beitrag von Lehrer Simon Hecht (1849)
Anmerkung: Lehrer Simon Hecht (geb. 1825 in
Nordheim [1825 lt. Geburtseintrag nach
Angaben von E. Böhrer; auf Grabstein 1828]) hatte am Israelitischen
Lehrerseminar in Würzburg studiert; er war nach seiner Entlassung
aus
Sulzdorf Lehrer in
Weimarschmieden,
Kraisdorf, 1852-53 Ritzebüttel (Cuxhaven), 1856
Jever und
1857-60
Münchweiler. Nach dem Tod seines Bruder
Dr. Emanuel Hecht (Hoppstädten) 1862 ist Simon Hecht nach Amerika ausgewandert und war in Evansville,
Indiana als "Reverend" und "Rabbi" der jüdischen Gemeinde Bnai Israel tätig
(Foto der 1866 eingeweihten Synagoge
http://www.evansvilleago.org/organs/evv_bnai_Israel.htm). Eine seiner ersten
Amtshandlungen in der Synagoge Bnai Israel war eine Hochzeit am 18. Oktober 1866
(Quelle
S.8). 1868 erschien in Evansville von Salomon Herxheimer und Simon Hecht: "Der
israelitische Confirmand oder: Glaubens- und Pflichtenlehre für den Schul- und
Privatgebrauch in Reformgemeinden". Zahlreiche weitere Publikationen folgten,
u.a. in der Zeitschrift "Die Deborah". 1878 erschien die Sammlung von "Jewish
Hymns for Sabbath Schools and Families".
Über Simon Hecht vgl. u.a. Judah M. Cohen: Jewish Religious Music in
Nineteenth-century America. Buch erschien Indiana University Press 2019
https://www.amazon.com/Jewish-Religious-Music-Nineteenth-Century-America/dp/0253040213.
Vgl. in diesem Buch u.a. die
Anmerkungen auf der verlinkten Seite zu Beiträgen von Simon Hecht.
Simon Hecht starb am 17. März 1908 und wurde im Rose Hill Cemetery in Evansville
beigesetzt: Grab siehe
https://de.findagrave.com/memorial/11252550/simon-hecht.
Weiterer Beitrag von Simon
Hecht - an den Beitrag im April 1849 anknüpfend (1849)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 17. September 1849: "Kraisdorf
in Unterfranken Bayern, 28. August (1849). Meine Abhandlung über
Synagogengesang in der Allgemeinen Zeitung des Judentums No. 17 hat noch
mehrere Besprechungen hervorgerufen, welche zur Genüge beweisen, dass die
Frage des Synagogengesanges eine interessante und angelegentlichste Sorge
ist..."
Beitrag wird nicht abgeschrieben, da es außer dem Verfasser keine besonderen
Bezüge zu Kraisdorf. Bei Interesse: zum Lesen bitte Textabbildungen
anklicken. |
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Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeige von Moses Goldfinger (1887)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. Mai 1887: "Ein
ordentliches tüchtiges jüdisches Mädchen sucht Stelle bis Ende Juli bei
einer nicht so großen Familie gegen anständigen Lohn und gute
Behandlung.
Zu erfragen bei Moses Goldfinger in Kraisdorf, Post Ebern, Unterfranken,
Bayern." |
Zur Geschichte der Synagoge
Eine Synagoge (Betsaal) wurde nach den
Recherchen von Elisabeth Böhrer (Mitteilung vom 21.7.2011) 1747 erbaut
(Hinweis auf ein Schriftstück im Staatsarchiv Würzburg vom 30.4.1817).
1843 stand eine umfangreiche Reparatur der Synagoge an. Da
die eigenen finanziellen Mittel der wenigen jüdischen Familien dafür nicht
ausreichten, wurde die Durchführung einer Kollekte bei der Regierung beantragt.
Diese wurde im Januar
1844 genehmigt und in den folgenden Wochen durchgeführt. Es konnten 175
fl. 25 Kr. gesammelt werden. Vermutlich alsbald nach Abschluss der Sammlung
wurde die Reparatur der Synagoge durchgeführt. Zur Kollekte selbst liegen drei
Artikel aus dem "Intelligenzblatt von Unterfranken..." vor:
Kollekte zur Reparatur der Synagoge in Kraisdorf (1844)
Artikel
im "Intelligenzblatt von Unterfranken und Aschaffenburg des Königreichs
Bayern Nr. 1. Februar 1844 S. 64: "29. Januar 1844. An die fürstlich
Löwensteinische Regierungs- und Justizkanzlei Kreuzwertheim und an sämtliche
Distrikts-Polizeibehörden des Regierungs-Bezirks.
(Die Bitte der Juden zu Kraisdorf um Bewilligung einer Kollekte zur
Reparatur ihrer Synagoge betreffend).
Im Namen Seiner Majestät des Königs.
Seine Majestät der König haben in Gemäßheit hohen Ministerial-Reskripts
vom 4. Januar laufenden Jahres den Juden zu Kraisdorf die Veranstaltung
einer Kollekte unter ihren Glaubensgenossen zur Aufbringung der Kosten für
Reparatur ihrer Synagoge allergnädigst zu bewilligen geruht.
An sämtliche Distrikts-Polizeibehörden ergebt sonach der Auftrag, in allen
jüdischen Kultusgemeinden ihres Bezirkes fragliche Sammlung durch die
Kultus-Vorsteher beschäftigen zu lassen, über das Resultat der Sammlung nach
Ablauf von vier Wochen anher zu berichten, den eingegangenen Gesamtbetrag
aber an das diesseitige Expeditions-Amt einzusenden.
Würzburg, den 15. Januar 1844. Königliche Regierung von Unterfranken
und Aschaffenburg, Kammer des Innern. Graf Fugger. Thaler."
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Artikel
im "Intelligenzblatt von Unterfranken und Aschaffenburg des Königreichs
Bayern vom 27. Juni 1844 S. 394: "Königlich Bayerisches Ministerium des
Innern.
Der königlichen Regierung K.d.J. wird auf ihren Bericht vom 21. Februar
dieses Jahres in Betreff der den Juden zu Kraisdorf und
Miltenberg gestatteten Sammlung unter
ihren Glaubensgenossen zum Zweck der Herstellung ihrer Synagoge erwidert,
dass es nicht die Absicht sei, die fraglichen Kollekten, welche lediglich
als Gegenstände polizeilicher Aufmerksamkeit gegen Missbrauch oder unbefugte
Sammler zu betrachten sind, durch die Distrikts-Polizei-Behörden
veranstalten zu lassen, und dass es den betreffenden israelitischen
Kultusgemeinden überlassen bleiben solle, von der erhaltenen allerhöchsten
Erlaubnis auf eine gesetzlich zulässige Weise Gebrauch zu machen.
Die beiden Schreiben der königlichen Regierung von Oberbayern vom 2. Februar
dieses Jahres folgen zurück. München den 30. Mai 1844.
Auf Seiner Königlichen Majestät allerhöchsten Befehl. von Abel." |
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Artikel
im "Intelligenzblatt von Unterfranken und Aschaffenburg des Königreichs
Bayern vom 31. August 1844 S. 530-531: "(23. August 1844) (Die Bitte der
Juden zu Kraisdorf um Bewilligung einer Kollekte betreffend).
Im Namen Seiner Majestät des Königs.
Aus beiliegender Übersicht ist der Ertrag der für die Juden zu Kraisdorf
bei ihren Glaubensgenossen im Königreiche zu Aufbringung der Kosten für
Reparatur ihrer Synagoge veranstalteten Kollekte zu entnehmen.
Würzburg den 18. August 1844.
Königliche Regierung von Unterfranken und Aschaffenburg, Kammer des Innern.
B.V.d.Pr. Freiherr von Strauß, Direktor.
Hübner."
Aus der Übersicht gehen die Erträge der Sammlung der einzelnen
Behörden/Ämter hervor. |
Hinweis: die oben gezeigten Dokumente
beziehen sich nur auf die Sammlung in Unterfranken und Aschaffenburg.
Weitere Erträge gab es aus den anderen Regierungsbezirken Bayerns und der
Pfalz. |
Das Synagogengebäude wurde nach Wegzug der meisten jüdischen
Familien / Einwohner 1905 an Privatleute verkauft. Es ist als Wohnhaus erhalten.
Adresse/Standort der Synagoge: Ortsstraße Nr. 20
- die jüdische Schule war im Gebäude Ortsstraße Nr. 17
Fotos
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Es sind noch keine
Fotos vorhanden; über Zusendungen freut sich der
Webmaster der
"Alemannia Judaica"; Adresse siehe Eingangsseite. |
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Erinnerungsarbeit vor
Ort - einzelne Berichte
November 2000:
Ausstellung zur jüdischen
Geschichte in Kraisdorf
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Artikel
in der "Main-Post" vom 30. Oktober 2000:
"KRAISDORF (AT). Das Schicksal der Juden aus Kraisdorf
Eine Ausstellung über die jüdische Vergangenheit von Kraisdorf wird am
Allerheiligentag, 1. November, in Kraisdorf eröffnet, allerdings nicht wie
ursprünglich vorgesehen im Saal des Gasthauses Bühler, sondern im
Gemeindezentrum. Dort wird die Ausstellung bis zum 26. November zu sehen
sein. Zusammengestellt wurden die Exponate von Cordula Kappner aus Haßfurt.
Seit dem 18. Jahrhundert lebten in Kraisdorf Juden, die ihren
Lebensunterhalt meist als Händler verdienten. Ab etwa 1860 sankt die Zahl
der jüdischen Mitbewohner in Kraisdorf kontinuierlich, weil in dieser Zeit
die Juden gehäuft von den kleinen Dörfern in die Städte und größere Orte
oder nach Amerika umsiedelten. 1898 wurde die Kraisdorfer Kultusgemeinde
aufgelöst und in den Jahren danach verließen die letzten Juden Kraisdorf.
Die Ausstellung in Kraisdorf beschäftigt sich mit den jüdischen Familien in
Kraisdorf und geht ihren Spuren nach. Die Ausstellung setzt sich laut
Initiatorin Cordula Kappner und den Organisatoren von der Gemeindeverwaltung
Pfarrweisach zum Ziel, dass sich ähnliches wie unter dem Nationalsozialismus
nicht wiederholt und alle hier lebenden Menschen ein menschenwürdiges Leben
führen können. Am Sonntag, 5. November, wird die Ausstellung von 11 bis 17
Uhr geöffnet sein. Zu jeder Zeit kann der Schlüssel in der Schreinerei
Wolfgang Krug abgeholt werden."
Link zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in
Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische
Bildungsarbeit. A 85. 1988. 1992² S. 89-90 |
| Dirk Rosenstock: Die unterfränkischen
Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche
Quelle. Reihe: Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg Band 13.
Würzburg 2008. S. 107. |
|
1200 Jahre Kraisdorf 800-2000. Hrsg.
vom Verein 1200 Jahre Kraisdorf. Bücher zu erhalten über
Link.
Dieses Buch lag dem Webmaster noch nicht zur Auswertung der jüdischen
Geschichte des Ortes vor. |
| Stefan Rohrbacher: Steine auf dem Paradies. Der
jüdische Friedhof zu Ebern. Hrsg. Bürgerverein Ebern 1897 e.V. im Jahr 2016.
Online einsehbar (pdf-Datei). |
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