Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Wassertrüdingen (Kreis Ansbach)
Jüdische Geschichte / Synagoge  

Übersicht:  

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bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Aus der Geschichte des Rabbinates  
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer  
Aus dem jüdischen Gemeindeleben    
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde   
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Einzelpersonen     
bulletZur Geschichte der Synagoge   
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bulletLinks und Literatur   

  

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english version)   
 
In Wassertrüdingen lebten Juden bereits im Mittelalter. Ob es zur Bildung einer jüdischen Gemeinde mit eigenen Einrichtungen gekommen ist, ist nicht bekannt. Spätestens in der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts waren jüdische Personen ansässig. Die Verfolgung 1298 ("Rindfleisch"-Verfolgung) traf die Gemeinde. Erst in den 1340er-Jahren sind wieder jüdische Personen nachweisbar. 1343 lieh ein Dopp von Dietenhofen 15 Pfund Haller bei Lewi von Wassertrüdingen. Der Jude Pfefferkorn, Gläubiger Herzog Stephans von Niederbayern, war von 1346 bis 1347 hier ansässig. Die Verfolgung während der Pestzeit 1348/49 traf auch die Juden in Wassertrüdingen. 1382 verschreiben sich Abt Albrecht, Dekan Heinrich und der Konvent des Klosters Ellwangen gegenüber dem Juden Isak von Wassertrüdingen und seinem Bruder Bern zu Rothenburg. Juden aus Wassertrüdingen wurden 1377 in Bayreuth, Kulmbach oder Hof aufgenommen, eine jüdische Frau 1387 in Augsburg. 
  
Ende des 15. Jahrhunderts gab es in Wassertrüdingen drei "Judenhäuser" (1480). 1482 wird ein Wassertrüdinger Jude in Nördlingen genannt. Markgraf Friedrich der Ältere von Ansbach-Bayern (1486-1515) erteilte 1511 einem oder mehreren Juden Ausnahmeschutzbriefe für die Stadt. Auch in den folgenden Jahrhunderten lebten möglicherweise kontinuierlich Juden in Wassertrüdingen. 1616 wird Jud Xander von Wassertrüdingen in Hainsfarth genannt. Die Gemeinde hatte in ihrem Besitz die Abschrift eines vor 1650 begonnenen Memorbuches aus dem Jahr 1790.
 
Im 17. und 18. Jahrhundert hatte die Gemeinde als Rabbinatssitz eine größere Bedeutung für die in der Region bestehenden jüdischen Gemeinden. 1714 lebten 17 jüdische Familien in der Stadt, 1741 24; die jüdische Gemeinde gehörte damals im Mittelfränkischen zu den wenigen wohlhabenden Gemeinden. Im Laufe des 18. Jahrhunderts stieg die Zahl der Familien am Ort weiter an: 1803 gab es 108 jüdische Personen in Wassertrüdingen.
   
Aus dem 19. Jahrhundert liegen folgende Zahlen vor: 1811/12 126 jüdische Einwohner (7,6 % von insgesamt 1.656), 1824 149, 1852 132, 1867 122 (6,9 % von insgesamt 1.763, in 25 Familien), 1880 68 (3,8 % von 1.773), 1900 47 (2,6 % von 1.776), 1910 27 (1,4 % von 1.910).  
   
An Einrichtungen hatte die Gemeinde eine Synagoge (s.u.), ein Gemeindehaus mit einer Religionsschule und ein rituelles Bad. Die Gemeinde gehörte nach Auflösung des eigenen Rabbinates seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (1865) zum Distriktsrabbinat Wallerstein (beziehungsweise zunächst Oettingen-Wallerstein), das in den 1920er-Jahren von Ichenhausen aus versehen wurde (1932 gehörte Wassertrüdingen zum Rabbinatsbezirk Ansbach). Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Religionslehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war (vgl. unten die Ausschreibungen der Stelle). Die Toten der jüdischen Gemeinde wurden in Bechhofen beigesetzt. 
  
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Ernst Kohn (geb. 8.6.1896 in Wassertrüdingen, gef. 26.10.1916). Sein Name steht auf der linken Seite der Gefallenen-Gedenktafel des Ersten Weltkrieges in der Bahnhofstraße hinter der Realschule in einer kleinen Anlage.       
    
Um 1924, als 31 jüdische Personen zur Gemeinde zählten (1,72 % von insgesamt etwa 1.800 Einwohnern), waren die Vorsteher der Gemeinde Emil Emden und Ludwig Kohn. Den Religionsunterricht der damals noch vier schulpflichtigen jüdischen Kinder erteilte Lehrer Julius Sommer aus Wittelshofen (1932: zwei Kinder). 1932 waren Gemeindevorsteher Emil Emden und Hugo Tannenwald. Damals bestanden an jüdischen Vereinen neben dem Wohltätigkeits- und Bestattungsverein Chewra Gemilut Chassodim (gegründet 1751; für Männer) auch ein Israelitischer Frauenverein (unter Leitung von Emma Winter; Zweck und Arbeitsgebiete: Hilfe in Krankheits- und Sterbefällen, Unterstützung Hilfsbedürftiger). Wohlfahrtszwecken diente auch die "Mendel-Neumann-Stiftung" (Vorsitzender Emil Emden).
  
1933 wurden noch 29 jüdische Einwohner in der Stadt gezählt (1,7 % von insgesamt 1.736), Bis zum November 1938 verließen auf Grund der zunehmenden Repressalien und der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts 20 von ihnen die Stadt: 14 verzogen innerhalb von Deutschland (u.a. sechs nach Gailingen, fünf nach Fürth), sechs konnten auswandern (je drei in die USA und nach Südafrika). Ein jüdischer Mann starb in dieser Zeit in Wassertrüdingen. Beim Novemberpogrom 1938 wurden von Nationalsozialsten die Häuser der Familien Max Winter und Salomon Nehm verwüstet. Dabei sprang die Frau von Salomon Nehm aus dem Fenster ihres Hauses. Bis zum 6. Dezember 1938 verließen die letzten acht in Wassertrüdingen lebenden jüdischen Personen die Stadt, sieben von ihnen verzogen nach München. Im Januar 1939 wurde die Stadt in der NS-Sprache für "judenfrei" erklärt. 
    
Von den in Wassertrüdingen geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Herbert Emden (1927), Manfred Emden (1927), Natalie Gutmann geb. Nehm (1860), Max Kirschbaum (1871), Richard Kohn (1885), Johanna Kramer geb. Reh (1871), Amalie Nehm (1864), Klara Nehm geb. Winter (1883), Salomon Nehm (1872), Sofie Offenbacher (1884), Johanna Offenstadt geb. Sommer (1874), Doris Pfefferkorn (1869), Gertrud (Tana) Reh (1867), Jette Reh (1866), Salomon Reh (1879). Betty Rosenstein geb. Neumann (1869).    
       
       
       
Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde     
       
Aus der Geschichte des Rabbinates   
Zum Tod des Rabbiners Joseph Löb Samuel Buttenwieser (1852) 
Anmerkung: Rabbiner Joseph Löw Samuel Buttenwieser (geb. 1780 in Wassertrüdingen, gest. 1852 ebd.) war ein Sohn des Rabbiners Samuel Buttenwieser (geb. 1738 vermutlich in Buttenwiesen, gest. 1807 in Wassertrüdingen). Vater Buttenwieser war seit ca. 1773 "Bezirksdajan" im Fürstentum Ansbach und Ortsrabbiner für Wassertrüdingen; sein Sohn folgte ihm 1814 im Amt nach und verblieb bis zu seinem Tod in Wassertrüdingen.  

Wassertruedingen AZJ 12071852.jpg (23377 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" von 12. Juli 1852: "Am 20. dieses Monats verschied der Rabbiner Herr Buttenwieser in Wassertrüdingen in einem Alter von 71 Jahren. Der alten Schulen seiner Bildungszeit nach angehörig, wird er wohl den Jahren nach der älteste Rabbiner in Bayern gewesen sein."
 
Das weitere Bestehen des Rabbinates in Wassertrüdingen war von einer damaligen, im folgenden Artikel kritisch sogenannten "epidemischen Auflösungs- und Anschließungssucht" bedroht. Ein finanzkräftiges Gemeindeglied, dem an einem eigenen Rabbiner lag, wollte jedoch die sofortige Auflösung verhindern.
Dittenheim AZJ 09081852.jpg (141796 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 9. August 1851: "Bayern, Ende Juli. Was ich von dem Mangel an israelitischen Schulamtskandidaten bei uns mitteilte, das kann ich nunmehr als Reiseerfahrung auch aus Württemberg, auf die Gefahr hin, Ihrem wackern Korrespondenten aus jenem Lande ins Handwerk zu pfuschen, berichten. In dem dortigen Landesseminar zu Esslingen befindet sich seit drei Jahren kein israelitischer Seminarist mehr, weshalb die Oberkirchenbehörde die Aufforderung ergehen ließ, dass sich geeignete Jünglinge dem Schulfache wieder widmen mögen. Im Notfalle will man Ausländer berufen. Auch Rabbinatskandidaten sind dort nicht mehr vorhanden, während bei uns Überfluss an diesem Artikel ist. Eine Rabbinatsstelle ernährt bei uns immer ihren Mann anständig, und einmal zu ihr gelangt, ist man völlig Herr seiner Zeit, genießt eine achtbare Stellung und kann verdienstlich wirken, was bei Lehrern nur in letzterer Beziehung der Fall ist. Während aber das israelitische württembergische Kirchen- und Schulwesen vor dem unsern schon das voraus hat, dass dessen Diener nicht durch Wahlen auf breitester Grundlage, sondern durch Ernennung platziert werden, krankt unser Rabbinatswesen überdies noch an der epidemischen Auflösungs- und Anschließungssucht. Davon wird jedoch in Folge des unermüdlichen Eifers eines reichen Mannes das Rabbinat Wassertrüdingen eine Ausnahme machen. Dasselbe wird dem Sohne des verstorbenen Rabbiners Buttenwieser zuteil werden. Dittenheim etc. aber ist trotz seiner Stiftung anschließungslustig."
  
Trotz des Engagement des im vorigen Artikel genannten "reichen Mannes" gab es in der Folgezeit dennoch finanzielle Schwierigkeiten für die weitere Bezahlung eines Rabbiners in Wassertrüdingen.
Baiersdorf AZJ 13091852.jpg (44488 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 13. September 1852: "Der Anschluss der den Schwabacher Rabbinatsdistrikt mit gebildet habenden Gemeinden an Oettingen hat die Bestätigung königlicher Kreisregierung, weil außer dem Regierungsbezirk gelegen, nicht erhalten und ist besagten Gemeinden, wenn sie auf Auflösung des hiesigen Rabbinats bestehen und da die Eisenbahn das wesentliche Motiv des Anschlusses bilden soll, Baiersdorf empfohlen worden. Gut für Wassertrüdingen, für welches die nötige Fassionssumme noch immer nicht völlig aufzubringen war."
  

Vertretung des Rabbinates durch den Ansbacher Rabbiner Grünbaum (1853) 
Ob der im obigen Artikel genannte Sohn des Rabbiners Buttenwieser vorübergehend Rabbiner in Wassertrüdingen werden konnte, ist unwahrscheinlich. Anfang 1853 wurde Rabbiner Grünbaum aus Ansbach zum Rabbinatsverweser in Wassertrüdingen bestimmt. 

Wassertruedingen AZJ 10011853.jpg (19615 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 10. Januar 1853: "Von Seiten der königlichen Regierung von Mittelfranken ist Herr Rabbiner Grünbaum in Ansbach bis zum Ausgang der desfallsigen Wirren zum Verweser der Rabbinate Dittenheim und Wassertrüdingen ernannt worden."
Der Widerstand in der Gemeinde gegen eine Vertretung des Rabbinates durch einen auswärtigen Rabbiner war jedoch immer noch groß, sodass die Regierung wenig später beschloss, das Rabbinat in Wassertrüdingen nur bis Mitte 1853 durch einen auswärtigen Rabbiner zu besetzen: 
Dittenheim AZJ 14021853.jpg (80903 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 14. Februar 1853: "Bayern, Ende Januar (1853). Der Rekurs der Gemeinde Schwabach und Konsorten gegen die Regierungsverfügung, welche den Anschluss an ein außerkreisliches Rabbinat nicht gestatten wollte, war von dem beabsichtigten Erfolg. Das königliche Staatsministerium hat dies erlaubt. Wahrscheinlich als Konsequenz ist auch die Verwesung des Rabbinats Wassertrüdingen durch einen anderen Rabbinen außer dem Regierungsbezirk auf erhobene Beschwerde nunmehr, jedoch nur noch bis Ende Juni gestattet worden. Desgleichen auch eine von den betreffenden Gemeinden erbetene dreijährige Verwesung des Rabbinats Dittenheim durch Herrn Rabbiner Grünbaum in Ansbach. Sie sehen, wir werden sehr gnädig behandelt. Die Freiheit der jüdischen Kirche und ihre Unabhängigkeit vom Staate ist eine Wahrheit geworden!"

  
Beschreibung der Gemeindeverhältnisse und des Rabbinates (1865) 
Anmerkung: Trotz des oben im Artikel von 1853 genannten Beschlusses der Regierung, das Rabbinat Wassertrüdingen nicht weiter vertreten zu lassen, kann nach der nachstehenden "Beschreibung der Gemeindeverhältnisse 1865" angenommen werden, dass das Rabbinat Wassertrüdingen in den folgenden Jahren durch Rabbiner Dr. Feuchtwang vertreten wurde, der von 1847 bis 1857 Rabbiner in Oettingen war. Als er eine Berufung nach Ungarn angenommen hatte, wurde das Rabbinat Wassertrüdingen wiederum nicht mehr besetzt, sondern nun durch David Weiskopf, Distriktsrabbiner in Wallerstein vertreten (siehe unten, Dokument zur Grundsteinlegung der Synagoge). Rabbiner Weiskopf war in der Gemeinde Wassertrüdingen sehr anerkannt, was schließlich - auch auf Grund der zurückgehenden Zahlen der Gemeindeglieder - zur Auflösung des Distriktrabbinates Wassertrüdingen geführt hat.   

Wassertruedingen Israelit 25011865.jpg (189897 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. Januar 1865: "Als Fortsetzung meiner im vorigen Jahrgang Ihrer weitverbreiteten Zeitschrift enthaltenen Berichte, gebe ich Ihnen hiermit folgende Notizen: Wassertrüdingen, an der Eisenbahn gelegen, ehedem ein Rabbinatssitz, ist nunmehr dem Rabbinatsbezirk Oettingen-Wallerstein einverleibt. Die aus nur 25 Familien bestehende Gemeinde besitzt eine neue, in sehr gefälligem Stile erbaute, zweckmäßig eingerichtete Synagoge. Dem damaligen Landrichter Herrn von Merz, nunmehrigen Bezirks-Amtmann in Dinkelsbühl, gebührt hierbei das Verdienst, mit rastlosem Eifer den Bau dieser schönen Synagoge gefördert und bewerkstelligt und sich auch sonst hierbei in sehr toleranter und humaner Weise ausgezeichnet zu haben.
Rabbiner Weiskopf, der seit Berufung des ehemaligen Distrikt-Rabbiners Dr. Feuchtwang nach Ungarn die Verwaltung des ganzen Rabbinats-Sprengels übernommen, vertritt die streng-orthodoxen Ansichten konsequenter Weise. Hierbei kann ich nicht umhin, eines schönen Erfolges und Sieges zu gedenken und zur Kenntnis in weiteren Kreisen zu bringen, welchen obengenannter, ehrwürdiger Rabbiner Weiskopf, in Verbindung mit anderen gleichgesinnten Amtsbrüdern des schwäbischen Kreises, in neuerer Zeit auf dem Gebiete der Gewissensfreiheit errungen. Bisher waren nämlich die israelitischen Schüler - in jenen Gemeinden, wo besondere Religions-Schulen bestehen - gehalten, sich beim Besuch der christlichen Elementarschulen der daselbst eingeführten im rein christlichen Sinne verabfassten Lehrbücher beim Lesen und Lernen zu bedienen. Dass man dann, namentlich beim Unterricht in der biblischen Geschichte, mit unserer israelitischen Religion, deren Gründsätzen und dessen unsterblichem großen Stifter nicht immer aufs Glimpflichste verfuhr, und sich hierbei nicht selten gar manche unser Volk und unsere heilige Religion verletzende Bemerkungen erlaubte, dürfte wohl vielen Kollegen aus eigener Erfahrung bekannt sein! Auf das fürs Gute sowie fürs Böse leucht empfängliche und offene jugendliche Gemüt mussten solche Eindrücke notwendig verderblich wirken; obgleich andererseits durch einen guten und eindringlichen Religionsunterricht des israelitischen Religionslehrers diese in der christlichen Elementarschule empfangenen Eindrücke wieder zumeist paralysiert werden dürften. Diesen Übelstand bemerkend und ermessend, hat es nun erwähnter Herr Rabbiner Weiskopf durch seine Bemühungen, gemäß Ministerialreskript, durchgesetzt, dass ein derartiger Zwang in den christlichen Elementarschulen beim Gebrauch der vorgeschriebenen Lehrbücher gegen die israelitischen Schüler hinfort nicht mehr geübt werden darf. So ist es nun an den treffenden Rabbinen, Kultusvorständen und Lehrern, diese neue Errungenschaft auch in ihren Kreisen, im Interesse der Religion und der auch uns garantierten Gewissensfreiheit, auszubeuten und wo dies noch nicht geschehen, die desfallsigen Schritte zu! Zum Heil und Segen der Gesamtheit! 
J. Löwenmeyer. Lehrer."
    
Beschreibung der Gemeindeverhältnisse und des Rabbinates (1866)  
Wassertruedingen Israelit 30051866.jpg (41911 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. Mai 1866 (zusammengefasst): "Nahe am Ries ist die Gemeinde Wassertrüdingen (früher 30-40, jetzt ca. 20 Familien). Auch hier fungierten stets bedeutende Rabbinen ...; und war auch hier ganz sicher das fleißige Lernen auch mit fleißigem 'Lehren' verbunden. Auch hier - Gott sei Dank - auch hier ist die jüdische kernige Gesinnung in Beziehung auf die Ahawat HaTora (die Liebe zur Tora) erhalten, wozu das sehr rühmliche Beispiel des Schwiegervaters des Rabbiners Dr. Freuchtwang Raw Hinle HaCohen - er möge leben - wohl das Meiste beiträgt." 

  
    
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Lehrer-, Vorbeter- und Schächterstelle 1867 / 1870 / 1872 / 1877 / 1887

Wassertruedingen Israelit 30011867.jpg (51601 Byte)Anzeige in der Zeitschirft "Der Israelit" vom 30. Januar 1867: "Die hiesige israelitische Kultusgemeinde sucht einen Religionslehrer und Chasan (Vorbeter) von streng religiösem Lebenswandel, vorerst aber nur in provisorischer Eigenschaft. Auch die Schechita könnte mit übernommen werden und sich dadurch die Stelle um Vieles verbessern. Reflektierende wollen sich sogleich wenden an 
David Kohn, Kultusvorstand. Wassertrüdingen, in Bayern."    
Wassertruedingen Israelit 0611867.jpg (32782 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. November 1867: "Wassertrüdingen in Bayern. In hiesiger israelitischer Gemeinde ist die Religionslehrerstelle, verbunden mit dem Vorbeten und der Schechita (Schächten) und einem Erträgnisse von 550 bis 600 Gulden per Jahr vakant.
Reflektierende wollen sich sofort unter Beifügung ihrer Zeugnisse an Unterzeichneten werden.
Wissenschaft in unserer Heiligen Tora wird gewünscht. David Kohn".
  
Wassertruedingen Israelit 22061870.jpg (22254 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. Juni 1870: "Wassertrüdingen in Bayern. Die Religionslehrer-, Vorsänger- und Schächterstelle dahier mit einem jährlichen Einkommen von ca. 550 Gulden ist erledigt. Bewerber orthodoxer Richtung belieben sich sofort an Unterfertigten zu wenden. Kultusvorstand."
   
Wassertruedingen Israelit 31011872.jpg (26605 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 31. Januar 1872: "Die Religionslehrer-, Vorsänger- und Schächterstelle in Wassertrüdingen in Bayern ist zu besetzen. Fixes Gehalt 300 Gulden und Nebeneinkünfte. Offerten mit Zeugnissen an den Kultusvorstand."  
Die nächste Anzeige betrifft keine Ausschreibung, jedoch wird der Name des Lehrers 1875 genannt:
Wassertruedingen Israelit 03021875.jpg (13041 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. Februar 1875: "Unterzeichneter ist bereit, dahier zu jeder Zeit Hochzeitsmahle zuzubereiten und anzunehmen. Achtungsvoll.
Ph. Heimann, Lehrer und Schochet. Wassertrüdingen."
   
Wassertruedingen Israelit 07021877.jpg (28646 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Februar 1877: "Wassertrüdingen in Bayern. Die Religionslehrer-, Vorsänger- und Schächterstelle dahier wird vakant. Gesamterträgnis ca. Mark 1.100. Reflektanten werden ersucht, sich sofort zu wenden an den Israelitischen Kultusvorstand".
 
Wassertruedingen Israelit 28021887.jpg (26329 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. Februar 1887: "Wassertrüdingen, Bayern. Die Religionslehrer-, Vorbeter- und Schächterstelle dahier, erledigt sich per Ende März diesen Jahres. Einkommen Mark 1.000 und freie Wohnung. Reflektanten wollen ihre Zeugnisse einsenden.
Der Vorstand der israelitischen Gemeinde."

     
Zum Tod des Lehrers Moses Weismann (1866)  

Wassertruedingen Israelit 12121866.jpg (118377 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. Dezember 1866: "Wittelshofen (Bayern), den 29. November (1866). Wenn Ehrenmänner, fromme, gesetzestreue Israeliten von dieser Welt scheiden, in welcher sie zum Heil und Segen der Mit- und Nachwelt zeitlebens gewirkt, so ist sicherlich der ‚Israelit’ die würdigste Ruhmeshalle für das Andenken dieser Edlen, das zu ehren vielleicht auch für Manche aneifernd sein wird, den Heimgegangenen in ihrem frommen, edlen Wirken nachzuahmen. Wir erfüllen heute mit schmerzlichst bewegter Seele die traurige Pflicht, zuvörderst unserem Schmerz Ausdruck zu geben über den Hingang eines gar trefflichen Freundes und treuen Kollegen, des allseits verehrten und geachteten Lehrers Moses Weißmann in dem nahen Wassertrüdingen. Eine lange Reihe von Jahren in seinem mitunter so dornenvollen Berufe tätig, entriss ihn der unerbittliche Tod, zum größten Leidwesen seiner zahlreichen Freunde, seinen Angehörigen, seiner an ihm mit aller Liebe und Verehrung geketteten Gemeinde, seinem segensreichen Wirkungskreise in Schule, Synagoge, Haus und Gemeinde. Während seines langen und schmerzhaften Krankenlagers zeigte sich so recht die große Anhänglichkeit und Liebe, die seine wackere Gemeinde gegen ihren berufstreuen Lehrer beseelte, auf die unzweideutigste Weise.
Diese Beweise tätiger und aufopfernder Liebe, die ihm seitens seiner braven Gemeinde unermüdlich und unverdrossen zuteil geworden, machten wohl auf den Schwererkrankten den erhebendsten Eindruck und ließen ihn mitunter das Herbe und Bittere seines Leidens vergessen. – Eingangs des heiligen Sabbat Paraschat wajeze haucht dieser edle, bescheidene Lehrer seine fromme Seele aus, zur ewigen Sabbatruhe eingehend, daselbst für sein mühevolles Tagwerk reichen Lohn empfangend. Seine Gerechtigkeit strahle wie das Licht der sieben Tage! Und seine Ruhe sei zum ewigen Leben!
"

  
Zum Tod von Julius Sommer - Lehrer in Wittelshofen und Wassertrüdingen bis zum seinem Tod 1927  

Wittelshofen BayrGZ 07011927.jpg (117379 Byte)Artikel in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 7. Januar 1927: "Am Montag, dem 27. Dezember, wurde ein treuer Kollege, Lehrer Julius Sommer von Wittelshofen, zu Grabe getragen. Sommer, der am 16. Oktober 1858 in Höchheim geboren war, wirkte von 1878 bis 1895 in den Gemeinden Geroldshausen-Kirchheim bei Würzburg, und seit dieser Zeit, also über 31 Jahre, in Wittelshofen. Viele Jahre hindurch betreute er auch die Nachbargemeinde Wassertrüdingen. Fast vollzählig gab ihm seine Gemeinde das letzte Geleit zum weit entfernten Begräbnisplatz in Schopfloch und zeigte damit, wie sehr sie ihren Beamten schätzte. Vor dem Trauerhause würdigte Bezirksrabbiner Dr. Munk (Ansbach) in einem ehrenden Nachrufe die verdienstvolle Tätigkeit wie das anspruchslos und bescheidene Wesen des Dahingeschiedenen, worauf die Kultusvorstände von Wittelshofen und Wassertrüdingen dem geliebten Lehrer und langjährigen geistigen Führer Worte warmer Anerkennung und herzlichen Dankes widmeten. Am Grabe sprachen Lehrer Rosenstein (Schopfloch) für den israelitischen Lehrehrverein, Hauptlehrer Levite (Gunzenhausen) für die Bezirkskonferenz Ansbach und Lehrer Erlebacher (Mönchsrot) als Nachbarkollege. Tov schem mischemem tov! Der gute Name, den der wackere Kollege hinterlassen hat, gereicht mit der trauernden Familie auch dem Lehrerstande zur Ehre. Max Levite (Gunzenhausen).

  
  
Berichte aus dem jüdischen Gemeindeleben    

Ergebnis einer Spendensammlung in Wassertrüdingen zum Bau jüdischer Armen- und Pilgerwohnungen in Jerusalem (1862)      

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 31. Dezember 1862 (Ausschnitt): "Bau jüdischer Armen- und Pilgerwohnungen in Jerusalem. ...Ferner durch Herrn Salomon Ettenheimer aus Kleinerdlingen, und Herrn Menachem Kohn, Sohn des Herrn Hänle S. Kohn von Wassertrüdingen bei den geehrten Frauen zu Wassertrüdingen gesammelt: (Eine frühere Sammlung für denselben Zweck geschah noch nicht sehr lange, und es fließen von dieser, an Familienzahl nicht großen Gemeinde zur Verwendung in Erez Jisrael öfter ansehnliche Beiträge). Mad Zierle Kohn 7 fl (Gulden); Madame Elkla Kohn 4 fl.; Madame Miriam (Marie) Kohn 2 fl. 42 kr.; Mali Kohn 3 fl.; Madame Therese Gutmann 2 fl. 42 kr; Hänle S. Kohn 1 fl. 30 kr.; Michael Sommer 1 fl. 10 kr.; Neuburger 1 fl.; Mad. Kela Feierstein 1 fl.; Nathan Neumann 1 fl.; Abraham Neumaier 1 fl.; Neumaier sen. 1 fl.; Mad. Esther Weinberger 48 kr.; Bendet Winter 24 kr.; Brandeis Bäcker 18 kr.; Mad. Gitle Reh 15 kr.; Michel Kirschbaum 12 kr.; Feist Jakob Emden 12 Kr.; Posamentierer Koh 6 kr.; zusammen 38 fl. 7 kr." 

  
Ein nichtjüdischer Mann betrügt die jüdische Wohltätigkeit (1901)
     

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. August 1901: "Mitteilungen aus den jüdischen Armenvereinen und für dieselben. (Sämtliche jüdische Wanderbettelvereine und Kassen für Durchreisende sind gebeten, uns Mitteilungen und Erfahrungen, die sie auf dem Gebiete ihrer Tätigkeit machen, zukommen zu lassen. Wassertrüdingen, 18. August (1901). Die israelitischen Wanderunterstützungskassen werden hiermit auf einen Mann namens Hermann Löb, aus Frankfurt am Main, aufmerksam gemacht. Dieser gibt sich als Jehudi aus, ist aber in Wirklichkeit keiner. Zu meinem Bedauern besuchte er die hiesige Armenkasse in meiner Abwesenheit und wurde derselbe, da er verkrüppelte Hände vorzeigte, noch bevorzugt. Der Mann ist, wie mir angegeben wird, ein mittlerer Dreißiger, trägt einen blonden Backenbart und hat über dem linken Auge einen roten oder braunen Flecken. 
Herz, Lehrer."   

  
Erweiterung des Friedhofes in Bechhofen - Einweihung anlässlich der Beisetzung eines jüdischen Mannes aus Wassertrüdingen (1910)  

Bechhofen AZJ 30121910.jpg (103949 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 30. Dezember 1910: "Bechhofen, 22. Dezember (1910). Es sei hiermit die Aufmerksamkeit auf die altehrwürdige Synagoge in unserem Orte gelenkt, welche Direktor Frauberger in Düsseldorf als eine große Sehenswürdigkeit bezeichnet. Außen unscheinbar wie eine große Bretterhütte, ist sie im Jahre 1691 (Anm. Jahr ist nicht korrekt) von einem jüdischen Maler namens Elieser ben Schlomoh vom Fuß bis zum Giebel mit eigenartigen Malereien bedeckt worden. Sehenswert ist auch der in Bechhofen befindliche, über 400 Jahre alte Friedhof, welcher die Toten der israelitischen Kultusgemeinden Bechhofen, Colmberg, Cronheim, Heidenheim, Leutershausen, Jochsberg und Wassertrüdingen aufzunehmen bestimmt ist. Bis 1817 führte auch die Kultusgemeinde Ansbach, bis 1885 Gunzenhausen und bis 1906 Altenmuhr ihre Toten dahin. In letzter Zeit hat sich die Notwendigkeit gezeigt, den Friedhof in Bechhofen zu erweitern. Am 1. Oktober wurde der Friedhof seiner Bestimmung übergeben, zu welcher Feierlichkeit Herr Distriktsrabbiner Dr. Kohn in Begleitung des Kultusvorstandes Jakob Weil von hier erschienen war. Nach alter Sitte wurde unter den vorgeschriebenen Gebeten der Rundgang im Friedhof gemacht. An diese Gebetfeier schloss sich die Beerdigung eines in Wassertrüdingen verstorbenen Israeliten an, welcher sich um das Zustandekommen der Friedhofserweiterung besondere Verdienste erworben hat.

  
   
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde
   
Zum Tod des Gemeindevorstehers Gutmann (1866)   

Wassertruedingen Israelit 31011866.jpg (204167 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 31. Januar 1866: Wittelshofen (Bayern), den 19. Januar (1866). Wenn ein Mann dieser Welt entrückt wird, dessen Hinscheiden allgemeine Bestürzung und Trauer verbreitet und dessen Verlust von den verschiedensten Ständen und Klassen der Menschen aufrichtigst beklagt – ja beweint wird; so mag schon hieraus der hohe Wert und treffliche Charakter des Hingeschiedenen erhellen, und es demnach gerechtfertigt erscheinen, den Namen des Verstorbenen in den Annalen dieser, dem echten und unverfälschten Judentum dienenden Zeitschrift ein ehrendes Denkmal zu setzen. 
Auf diese einleitenden Betrachtungen führte uns die Trauerkunde von dem im rüstigsten und strebsamsten Mannesalter zum größten Leidwesen seiner zahlreichen Freunde und Angehörigen erfolgten Ableben des allgemein verehrten Kultusvorstehers Gutmann in unserer Nachbargemeinde Wassertrüdingen. - Derselbe bekleidete eine lange Reihe von Jahren das gewiss nicht beneidenswerte Amt eines Kultusvorstehers. – In unseren Tagen, wo sich in der Mitte der israelitischen Gemeinden gar häufig so mancherlei Interessen begegnen, ja feindlichst gegenüberstehen und durchkreuzen, die Kultus- und Gemeinde-Angelegenheiten gar häufig sich selbst überlassen und von keiner höheren Zentral-Behörde überwacht und geregelt werden, setzt wohl eine gute, allgemein befriedigende Verwaltung und Leitung der Gemeinde-Angelegenheiten großen Takt, edle Besonnenheit und wahre Selbstverleugnung und Gottesfurcht voraus. Diese schönen und seltenen Tugenden, verbunden mit einem bescheidenen und wohlwollenden Wesen und einem regen Sinn für echtes Judentum, die dem Verblichenen in hohem Maße innewohnten, gewannen ihm auch die Herzen aller seiner Mitbürger, sowohl jüdischen als auch christlichen Glaubens. Seine christlichen Mitbürger betrauten ihn wegen seiner anerkannten Rechtlichkeit mit dem ehrenvollen Amte eines Gemeinde-Bevollmächtigen, sowie eines Offiziers der Landwehr, wobei er manches Gute und Segensreiche bewirkt. Über seinen Wert als Mensch, Israelit und Bürger hat der zur Trauerfeierlichkeit berufene und schnell herbeigeeilte ehrwürdige Distrikts-Rabbiner Weißkopf von Wallerstein beredte und ergreifende Worte gesprochen, und mag daher auf den nunmehr Verklärten das Wort unserer Weisen vollgültige Anwendung finden: ‚Wer bei den Menschen beliebt, ist auch bei Gott angenehm.’
In diesem Worte sowie in der großen Hoffnung des hohen Lohnes hochherziger Vorsteher Israels in jenen Sphären des Lichtes und der Wahrheit, mögen seine, durch seinen frühen Hintritt, so tief betrübten und schmerzlichst betroffenen Freunde und Angehörigen wieder baldigst Trost und Beruhigung finden! Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens. J. Löwenmayer, Lehrer."

    
Zum Tod von Zierle Kohn (1875)   

Wassertruedingen Israelit 22121875.jpg (182653 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. Dezember 1875: "Wassertrüdingen (Mittelfranken). Obgleich das Schaffen und Wirken des Weibes sich der weiten Öffentlichkeit zu entziehen pflegt und nur in dem Kreise des Hauses und der Familie der Seelenadel einer Frau ganz und voll erkannt werden kann, so war und ist, Gott sei Dank, Israel nicht arm an besonders hervorragenden hehren Frauengestalten, welche auch über die Sphäre der Häuslichkeit hinaus als leuchtende Vorbilder frommen Lebens verehrt werden, deren Hinscheiden deshalb auch in weiteren Kreisen tief empfunden wird. Eine solche Frau haben wir am 8. dieses Monats zu Grabe getragen. Frau Zierle Kohn, Gattin des wegen seiner Kenntnisse in der Tora, seiner Gottesfürchtigkeit und seiner guten Taten in ganz Bayern hochgeschätzten Herrn Hänlein Kohn, hat ihre hieniedige Laufbahn vollendet. Was sie ihrem Gattin, mit dem sie in fast 50jähriger Musterehe vereint gelebt, ihren Kindern, Enkeln und Urenkeln gewesen, wie jedes einzelne Glied ihrer weit verzweigten Familie auf sie mit Stolz und Verehrung hingeblickt, wie sie unter den ihrigen als der von Gott entsandte Genius der Frömmigkeit, der Gottesfurcht, des Friedens waltete, - und wie tief schmerzlich ihr Scheiden dort gefühlt wird, das soll hier nicht ausgeführt werden. Wohl aber mag es am Platze sein, der Empfindung Ausdruck zu verleihen, welche außerhalb des engeren Familienkreises bei ihrem Ableben sich kundgibt. Die Armen der ganzen Gegend, die dürftigen Durchreisenden, denen sie ein Engel des Wohltuns gewesen, klagen über ihre Verlust; eine ganze Anzahl von verwandtschaftlich fern stehenden Familien beweinen in ihr die weise Ratgeberin, die liebevolle Trostbringerin, die freundliche Stifterin des Friedens. Mit hellem Blicke und seltenem Verständnisse griff sie segensreich in die verschiedensten Verhältnisse ein; vom frühen Morgen bis zum späten Abend war sie rastlos für Andere tätig. Als sie vor Jahren schwer erkrankte, veranstalteten ihre christlichen Mitbürger Bittgebete in der Kirche für ihre Genesung; an ihrem Leichenbegängnisse nahmen alle königlichen beamten der Stadt, die Geistlichkeit, der gesamte Magistrat teil und aus jedem Hause ausnahmslos waren Vertreter entsendet, um der allgemeinen Trauer Ausdruck zu geben.
In ihrer Jugend als Schönheit in der ganzen Gegend bekannt – man nannte sie ‚die schöne Zierle’ – und gewährte sie im Alter das Bild jener herzgewinnenden Persönlichkeiten, welche mit der Ruhe und Erfahrung des Alters die ungebrochene körperliche und geistige Kraft der Jugend vereinigen und durch ernst freundliche Sanftmut einen so mächtigen Einfluss auf ihre Umgebung ausüben. Das Wort, welches sie stets auf den Lippen hatte, war, ‚nur Schalom’, und den hat sie gepflegt und verbreitet ihr Leben lang, bis sie nun endlich eingegangen ist zum Schalom!"

 
Zum Tod des Gemeindevorstehers David Kohn (1889)   

Wassertruedingen Israelit 28101889.jpg (111413 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. Oktober 1889: "Wassertrüdingen, 20. Oktober (1889). Einen herben Verlust hat die hiesige israelitische Kultusgemeinde erlitten. Nach kaum achttägigem Krankenlager verschied unser allgemein geachteter Vorstand, Herr Kohn, am 28. Elul, im 62. Lebensjahre, tief betrauert von seinen Angehörigen und seiner Gemeinde und wurde am Erew Rosch Chodesch zu Grabe geleitet. An ihm hat nicht nur seine Familie ihre Stütze, sondern auch unsere jüdische Gemeinde ihr Oberhaupt und ihre Krone verloren. Seit mehr als 25 Jahren widmete der Verblichene seine Tätigkeit der jüdischen Gemeinde und waltete mit größter Gewissenhaftigkeit und Pünktlichkeit als Vorstand seines Amtes. Fast 30 Jahre fungierte er als 1. Magistratsrat und stellvertretender Bürgermeister in hiesiger Stadt, und stand bei allen, die ihn kannten und mit ihm Umgang hatten, in größter Hochachtung. Seine Rechtlichkeit und sein unparteiisches Handeln waren musterhaft. Mit Rat und Tat stand er auch Jedermann ohne Unterschied des Glaubens allezeit bei. Einen Beweis der allgemeinen Hochachtung lieferte sein Leichenbegängnis. Der ganze Magistrat, das Gemeindekollegium, das Gerichtspersonal und die Geistlichkeit hiesiger Stadt gaben ihm das letzte Geleite. Zwei Deputationen begleiteten ihn sogar bis nach dem vier Stunden von hier entfernten Begräbnisplatze Bechhofen.  An der Bahre sprach Herr Lehrer Herz rührende Worte, wobei kein Auge tränenleer blieb. Seit Menschengedenken sah die hiesige Stadt kein so großartiges jüdisches Leichenbegängnis. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens.  M.".

   
Zum Tod der aus Wassertrüdingen stammenden Jette Feuchtwang geb. Kohn, Witwe von Oberrabbiner Dr. M. Feuchtwang (1904)  
Anmerkungen zu den im Text genannten Personen:  Rabbiner Dr. Meyer Feuchtwang (geb. 1814 in Pappenheim als Sohn des Handelsmanns Maier Feuchtwang und der Jütle, gest. 1888 in Nikolsburg [Mikulov] Mähren): studierte in Würzburg und Göttingen; war zunächst an verschiedenen Orten als Lehrer tätig; 1846 zum Rabbiner ordiniert von Rabbiner Abraham Wechsler in Schwabach; 1846 bis 1856 Rabbiner in Oettingen, wo er 1847 Jette Henlein geb. Kohn aus Wassertrüdingen heiratete (geb. 1829 in Wassertrüdingen); 1858 Rabbiner in Neutra (Nitra), Slowakei, ab 1861 Rabbiner in Nikolsburg. Sein Sohn, der im Abschnitt unten genannte Dr. David Feuchtwang war sein Nachfolger in Mikulov und starb 1936 als Oberrabbiner in Wien.
Eine Tochter von Rabbiner Dr. Meyer Feuchtwang und der Jette geb. Kohn war Hipka (geb. 1848 in Oettingen, gest. 1920 in Würzburg). Hipka heiratete 1869 den im Text gleichfalls genannten Lehrer Dr. Moses Braunschweiger (geb. um 1840 in Steinbach bei Hünfeld, gest. 1913 in Würzburg). 
Eine Tochter von Lehrer Dr. Moses Braunschweiger und der Hipka geb. Feuchtwang war Friederike (geb. 1871 in Würzburg). Friederike heiratete den gleichfalls im Text genannten Rabbiner Dr. Eduard Ezechiel Goitein (geb. 1864 in Högyész, Ungarn, ab 1897 Bezirksrabbiner in Burgkunstadt, gest. 1914 in Burgkunstadt).   
Angaben teilweise nach Biographisches Handbuch der Rabbiner, teilweise nach Strätz Biographisches Handbuch Würzburger Juden.       

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Mai 1904: "Würzburg, im April (1904). (hebräisch und deutsch:) 'Eine schwere Trauer ist es', in welche eine unserer besten Familien plötzlich versetzt worden. Frau Jette Feuchtwang, Witwe des Oberrabbiners Dr. M. Feuchtwang zu Nikolsburg, ist am 24. dieses Monats im 75. Lebensjahre in das bessere Jenseits eingegangen. Schon als Gattin eines so hervorragenden, verdienstvollen Mannes und Gelehrten, und als Tochter aus einem an Religiosität und Wohltätigkeit ausgezeichneten Hause, wie es das des R. Henle Kohn zu Wassertrüdingen war, verdient es die Dahingeschiedene, in diesen Blättern gebührend gedacht zu werden, mehr aber noch um ihrer eigenen Tugenden, ihres vorbildlichen Lebens willen. Schon das Glück, das sie empfand, einem Manne der Gottesgelehrsamkeit und von höherem Berufe anzugehören, Vaterhaus und Vaterland zu verlassen und mit ihm Würde und Bürde zu teilen, zeigt von dem idealen frommen Sinn, von der erhabenen Auffassung ihrer Lebensaufgaben. Und wie hat sie diese zu erfüllen gesucht! In treuer Hingebung an ihre häuslichen, familiären Pflichten verstand sie es, den geliebten Gatten in seinem schweren Berufe zu unterstützen, die Familiensorgen ihm zu erleichtern, und ihm das Leben schön und heiter zu gestalten. An der Erziehung ihrer zahlreichen Kinder zu wahren, gesetzestreuen Jehudim, zu allem Guten und Nützlichen, nahm sie den hervorragendsten Anteil, und wenn heiliger Ernst und tiefe Durchdrungenheit in dieser Beziehung meistens den erwünschten Erfolg hat, so war es hier der Fall, denn sie hatte die Freude, ihre Kinder nach dem elterlichen Sinne leben und wirken zu sehen. So lebte sie glücklich an der Seite ihres geliebten Mannes 40 Jahre, zuerst in Oettingen, dann in Neutra und in Nikolsburg, bis der Tod des geliebten Mannes dieses Glück zerstörte. Wie einst Noemi kehrte sie als Witwe in die Heimat zurück, und beschloss vor einigen Jahren, ihren Lebensabend hier bei ihrem Schwiegersohne, Herrn Dr. Braunschweiger, in der Umgebung ihrer Töchter, Frau Dr. Braunschweiger und Frau Dünner, Witwe des seligen Rabbi Wolf Dünner von Köln, zu vollbringen. Dieser Wunsch fand nun durch den frühen Tod seine Grenze, ohne vorherige Krankheit entschlief sie eines sanften Todes. Die Beerdigung auf dem hiesigen Friedhof (Würzburg) fand unter zahlreicher Beteiligung statt. Vor allem war der Sohn, Herr Rabbiner Dr. David Feuchtwang in Wien, herbeigeeilt, seine geliebte Mutter zu betrauen und zu beweinen (Zitat aus 1. Mose 23,2). Auch andere nahe Verwandten, welche die Trauerkunde noch rechtzeitig erhielten, erschienen, um der geliebten Mutter, Schwester und Schwiegermutter den schuldigen Tribut der Liebe und Verehrung zu bringen. Auf dem Friedhofe angelangt, ergriff zunächst Herr Rabbiner Bamberger hier das Wort und entwarf unter Zugrundelegung des talmudischen Satzes die Frau eines Chawer [Freund, Gefährte] ist ein Chawer ein Lebensbild von der Hingeschiedenen, indem ihr ganzes Streben in Pflichterfüllung, in dem einen Ziele aufging, die Frau eines Chawer im erhabensten Sinne des Wortes, die Krone und der Schmuck ihres Mannes zu sein. Dieses Ziel hat sie in hohem Grade erreicht, hat sich die Liebe und Verehrung all der Ihrigen wie auch aller, die sie kannten, erworben. Tief ergriffen begann nun der Sohn, Herr Rabbiner Dr. Feuchtwang, an die Worte seines Vorredners anknüpfend, (hebräisch und deutsch:) 'die Weisheit der Frauen erbaut das Haus', und schildert die Heimgegangene, was sie ihrem Hause gewesen als treue Gehilfin und Lebensgefährtin des Vaters, als Mutter der Kinder, als Zierde der Familie; wie sie in dieser ihrer Aufgabe ein herrliches Vorbild, ein wahres Ideal gewesen. Stets nun sei dahin der Köstlichsten eine                
Wassertruedingen Israelit 09051904b.jpg (97762 Byte)ich nehme dir die Lust deiner Augen (Hesekiel 24,16), die nicht genug zu beweinen, nicht genug zu betrauern, 'aber du sollst nicht klagen und nicht weinen' (ebd.) Ihre mustergültigen Verdienste in und außer der Familie preisend, und ihr den innigsten Dank Aller nachrufend, nahm der Sohn rührenden Abschied von der geliebten Mutter, geh in Frieden, sie der allgnädigen Aufnahme im Reiche des Friedens empfehlend. Hierauf gab der Schwiegersohn, Herr Dr. Braunschweiger, seinen Trauergefühlen innigen Ausdruck, indem er nach der Talmudstelle 'eine gute Frau ist eine gutes Geschenk' nachwies, welches teure Gnadengeschenk die Hingeschiedene dem geliebten Vater, den Kindern, Geschwistern und allen Verwandten gewesen. Zum Schlusse sprach noch der Schwiegersohn des Vorredners, Herr Rabbiner Dr. Goitein in Burgkunstadt, und rief an der Hand des Verses (hebräisch und deutsch): 'Eine herrliche Krone ist das Greisenalter, auf dem Wege der Tugend wird sie gefunden', der geliebten Großmutter Worte der Trauer und des Schmerzes, der Liebe und Anerkennung nach, denn in Wahrheit hatte die Greisin sich des Alters Krone durch Tugend und Frömmigkeit erowrben. So möge sie in diesem ihrem Vorbilde fortleben und noch in ihrer Verklärung durch ihren Verdienst fortwirken!  Damit schloss die ergreifende Trauerfeier, nachdem der irdische Teil der Erde zurückgegeben, der Geist aber zu seinem Urquelle entstiegen war.  Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."        


Dr. Hans Kohn aus Wassertrüdingen wird Prosektor am jüdischen Krankenhaus Berlin (1907)  
Anmerkung: Prosektor ist gewöhnlich der Leiter der Pathologisch-Anatomischen Abteilung eines Krankenhauses       

Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 1. Februar 1907: "Berlin. Zum Prosektor am jüdischen Krankenhause ist Dr. Hans Kohn - geboren 1866 in Wassertrüdingen - gewählt worden".   

   
   
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Einzelpersonen 
Hänle S. Kohn sucht einen Hauslehrer (1861 / 1865)    

Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 22. Oktober 1861:  "In meinem Hause wird demnächst die Stelle eines Hauslehrers vakant. - Hierauf reflektierende talmudisch gebildete, orthodoxe junge Männer blieben ihre Offerten mir direkt zugehen zu lassen. 
Hänle S. Kohn. Wassertrüdingen
in Bayern."     
 
 
Wassertruedingen Israelit 08031865.jpg (49845 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. März 1865: "Unterzeichneter sucht sofort einen Hauslehrer, welcher mit strenger Religiosität tüchtige Kenntnisse in Talmud und Tanach (Bibel) verbindet und mindestens den gewöhnlichen Elementarunterricht zu erteilen versteht, wogegen bei freier Station guter Gehalt zugesichert wird.
Hierauf bezügliche Franko-Offerten beliebe man sogleich zu richten an 
Hänle S. Kohn in Wassertrüdingen in Bayern."

    
Nach der Emigration: Todesanzeige für Max Winter (1949)     

Anzeige in der Zeitschrift "Der Aufbau" vom 6. Januar 1950: 
"In unsagbarem Schmerz bringen wir die traurige Nachricht von dem unerwarteten Ableben, nach nur dreitägiger Krankheit, meines innigstgeliebten Mannes, unseres herzensguten Vaters, Schwiegervaters und Großvater 
 Max Winter (früher Wassertrüdingen, Mittelfranken) 
im Alter von 64 Jahren. In tiefstem Schmerz. 
Hedwig Winter geb. Schülein  
Henry Winter   
Hans und Ruth Löwenstein geb. Winter und Enkelkind Howard
.  3
0. Dezember 1949 - 29  41st Street, Irvington, N.J."   

   
   
   
Zur Geschichte der Synagoge        
      
Eine ältere Synagoge unbekannten Baujahres wurde im Herbst 1859 abgebrochen und an ihrer Stelle 1860 eine neue Synagoge erbaut. 

Wassertruedingen Synagoge 250.jpg (157415 Byte)Grundschrift zur Grundsteinlegung einer neu zu erbauende Synagoge dahier in Wassertrüdingen im Jahre der Welt 5620 (1859/60): 
hebräisch und deutsch: Ach Herr! zeige uns deine Gnade und schenke uns deine Hilfe! 
So feiern wir heute mit dem Willen Gottes in unserer Gemeinde Wassertrüdingen die Grundsteinlegung einer neuen Synagoge. Nach vielen Hindernissen und mehrjährigem Kampfe wurde durch das eifrige Streben des jetzigen Kultusvorstehers David Bär Gutmann, im Jahre der Welt 5619 in die hiesigen israelitischen Gemeinde, trotzdem dieselbe gegenwärtig nur aus 26 Familien besteht, zum Neubau unserer Synagoge geschritten, wobei zugleich nach dem Beirate (?) in der Person des David Kohn, David Neumeier und Jakob Emden einstimmig gewählt wurde und der Herr Landrichter am 6. März dahier hat sich bei diesem Unternehmen besonders hervorgetan- So hat hochderselbe sich gemüht die sämtlichen Gemeindeglieder zu verständigen, dass dieselben einstimmig ohne Ausnahme ihre Einwilligung zu diesem für unsere kleine Gemeinde so kostspieligen Bau gaben und nachdem dies geschehen hat sich hochderselbe mit Rat und Tat uns zur Seite gestellt, die nötigen Berichte an die Königliche Regierung von Mittelfranken zu Ansbach sowohl als an das hohe Ministerium zu München erstattet und wir erhielten auch sogleich die Genehmigung hierzu unter der glorreichen Regierung Seiner Majestät des Königs von Bayern, Max des II. - Er lebe hoch!
Durch einen schrecklichen Krieg Frankreichs und Sardinien einerseits, und Österreich andererseits, welcher in der Zwischenzeit ausbrach und durch  diesen Krieg ganz Deutschland bedeckt war, wurde der Neubau der Synagoge sechs Monate lang verschoben. Da sich aber darauf Gottes Hilfe diesen Krieg durch den Friedensabschluss von Villafranko zwischen Kaiser Napoleon von Frankreich, Vikor Emanuel König von Sardinien und Franz von Österreich schnell zum Guten wendete, so wurde im Monat September 1859 mit dem Abbruch der alten Synagoge begonnen. Der ganze Neubau der Synagoge wurde samt und sonders dem hiesigen Bürger und Maurermeister Heinrich Steingrüber, nachdem von der hiesigen Gemeinde das...
Zur Bestreitung der sämtlichen Ausgaben, welche sich ungefähr auf 8.000 Gulden berechnen, besitzt die hiesige Gemeinde ... nahezu 5.000 Gulden. Die noch fehlenden 3.000 Gulden wurden aus der städtischen Sparkasse zu 4 % Darlehensweise aufgenommen, zu welchem ... und der gegenwärtige Bürgermeister Herr Schlossermeister Geiger freundschaftliche Hilfe leistete. Der in unserer Gemeinde bestehende religiöse Sinn, ist uns seit Jahrhunderten durch fromme Rabbiner gelehrt und gepredigt worden und gedenken und hoffen wir diesen Sinn auch auf unsere Nachkommen zu vererben. So wurden auch durch Anleitung des erst vor acht Jahren verstorbenen Rabbiners Herrn Buttenwieser, seligen Andenkens, die Statuten des im Jahre 5511 dahier errichtete Vereins zu wohltätigen Zwecken Chewra Gemilut Chassodim verfasst und geordnet und durch dessen Lehren und Predigten bei diesem Verein ein frommer, gottesfürchtiger Sinn wach erhalten. Nach Jahren bildete sich ein zweiter Verein Chewra..., dessen edlen Zweck der Statuten in Ausübung zu bringen, sich der sehr geachtete und geschätzte Herr Hendli Cohn zur Aufgabe gesetzt hat und dessen religiöser Sinn die Zierde unserer Gemeinde bildet. Möge der Herr mit seiner Gnade unseren gegenwärtigen sehr frommen Rabbiner David Weisskopf noch lange am Leben erhalten und unseren Herrn Lehrer und Vorsänger Herr Mose Weisskopf samt unserer Gemeinde segnen, dass unser neues Gotteshaus auf ewige Zeiten eine Stätte des Dankes, der Freude und des Heils, aber auch ein Ort für zerbrochene Herzen, für trostbedürftige und zerschlagene Gemüter werde und bleibe. Wolle Gott! dass in diesem Hause jegliche Träne trockne und kein Klagegeschrei darinnen vernommen werde. Amen! Amen! Amen!   Möge der Herr mit uns sein, wie er mit unseren Vätern war, er verlasse und verstoße uns nicht!"  

Ein großes Ereignis für die jüdische Gemeinde stand am 7. November 1896 an. Eine neue Torarolle konnte in die Synagoge gebracht werden, was gewöhnlich durch eine feierliche Prozession vorgenommen wird. Nach dem folgenden Bericht war eine solche Prozession vom Haus des jüdischen Lehrers Herz zur Synagoge.

Wassertruedingen Israelit 18111896.JPG (99594 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. November 1896: "Wassertrüdingen, 15. November (1896). Am Schabat Paraschat Toledot (= Schabbat mit der Toralesung Toledot = 7. November 1896) wurde hier das seltene Fest der Einführung einer neuen Torarolle gefeiert. Unser verehrter Lehrer Herr Herz hat an diesem Tage dieselbe ihrer Bestimmung zugeführt.
Das Sefer (die Torarolle) wurde in feierlichster Weise aus der Behausung des Genannten abgeholt und bei seinem Erscheinen im Gotteshause mit Baruch Haba empfangen. Die Gesänge sowohl am Freitag Abend, als am Schabat beim Chinuch (Lehrstunde) wurden durch den Sohn unseres verehrten Herrn Lehrers, welcher zur Zeit in Prichsenstadt als Lehrer angestellt ist, vorgetragen. Der herrliche Tenor, über welchen der Vortragende in ausgiebigster Weise verfügt, seine Vortragsweise, welche eine gründliche, musikalische Ausbildung und die Beherrschung der lieblichen alten Melodien verrät, hat die Zuhörer wahrhaft entzückt. 
Nach Einheben der Sefer Tora (Torarolle) ergriff der junge Herr Herz das Wort zu einem kurzen Vortrag, in welchem er die Bedeutung eines Chinuch der Sefer Tora zum Ausdruck brachte, und weil gerade an diesem Tage ein ... mit der Feier verbunden wurde, so verstand es Redner, die Bedeutung dieser beiden freudigen Ereignisse in schönster Weise zu vereinigen. Derselbe bekundete durch seinen Vortrag, dass er auch als Talmudist und Redner Gründliches und Gediegenes zu leisten vermag. Ihm sei an dieser Stelle der öffentliche Dank ausgesprochen, und wünschen wir, dass der verehrlichen Familie Herz auch fernerhin nur Simchot (Freuden, freudige Ereignisse) bescheiden seien."  

Vermutlich wurden noch einige Zeit nach 1933 Gottesdienste in der Synagoge in Wassertrüdingen abgehalten, dann werden auf Grund der bald nicht mehr vorhandenen Zehnzahl der jüdischen Männer nicht mehr regelmäßige Gottesdienste möglich gewesen sein.
  
Beim Novemberpogrom 1938 wurden von Nationalsozialisten die Ritualien und das Inventar der Synagoge zerstört. Der Versuch, das Gebäude in die Luft zu sprengen, scheiterte am Widerstand der Nachbarn. 
  
Das Synagogengebäude wurde nach 1938 umgebaut. In den 1980er-Jahren befand sich eine Zweigstelle des Arbeitsamtes in dem Gebäude. Die Originalfenster- und Türbögen der ehemaligen Synagoge waren damals noch vorhanden, das Gebäude als Bausubstanz vollständig erhalten.
 
Bei einem erneuten Umbau des Gebäudes wurden die Originalfenster- und Türbögen beseitigt (begradigt). Eine Gedenktafel erinnert an die Geschichte des Gebäudes als frühere Synagoge. 
    

Adresse/Standort der Synagoge
Kappelgasse 38  
   

   
   
Fotos
(Historische Aufnahme in der oberen Zeile rechts von Theodor Harburger, mehrfach veröffentlicht, u.a. in: ders. Die Inventarisation jüdischer Kunst- und Kulturdenkmäler in Bayern. Hg. von den Central Archives Jerusalem und dem Jüdischen Museum Franken - Fürth & Schnaittach Bd. 3 S. 776; 
Farbfotos von 2005 von U. Metzner, Feuchtwangen; aus: www.synagogen.info

Historisches
(Foto rechts von Theodor Harburger 1928)
Wassertruedingen Synagoge 141.jpg (88496 Byte) Wassertruedingen Synagoge 140.jpg (79151 Byte)
  Toravorhang aus der 
Synagoge Wassertrüdingen
Kohanim-Waschgerät aus Zinn 
mit Schüssel und Krug
      
Das Gebäude der ehemaligen Synagoge 2005  
Wassertruedingen Synagoge 120.jpg (36380 Byte) Wassertruedingen Synagoge 123.jpg (37370 Byte) Wassertruedingen Synagoge 121.jpg (35877 Byte)
Die ehemalige Synagoge Auf Grund der engen Bebauung unterblieb
 beim Novemberpogrom 1938 eine
 Sprengung oder Inbrandsetzung
Alte Türe
   
   
     
Wassertruedingen Synagoge 124.jpg (31032 Byte) Wassertruedingen Synagoge 122.jpg (87322 Byte)
Hinweistafel mit Inschrift: "Ehemalige Synagoge - 1860 von der israelitischen
 Kultusgemeinde nach Plänen des Gunzenhausener Baubeamten Hauser erbaut. 
1938 im Zuge der Judenverfolgung als Gotteshaus geschlossen. Zerstörung unterblieb
 wegen Gefährdung angrenzender Wohnbebauung"

    
    

Links und Literatur

Links:  

bulletWebsite der Stadt Wassertrüdingen   

Literatur:  

bulletGermania Judaica II,2 S. 865; III,2 S. 1555-1556.
bulletBaruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979 S. 238-239. 
bulletIsrael Schwierz:  Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit. A 85. 1988 S. 186.
bulletPinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany - Bavaria. Hg. von Yad Vashem 1972 (hebräisch) S. 298-300. 
bulletBayern SynGedenkband II.jpg (63426 Byte)"Mehr als Steine...." Synagogen-Gedenkband Bayern. Band II: Mittelfranken. Erarbeitet von Barbara Eberhardt, Cornelia Berger-Dittscheid, Hans-Christof Haas und Angela Hager, unter Mitarbeit von Frank Purrmann und Axel Töllner. Hg. von Wolfgang Kraus, Berndt Hamm und Meier Schwarz. Reihe: Gedenkbuch der Synagogen in Deutschen. Begründet und herausgegeben von Meier Schwarz. Synagogue Memorial Jerusalem. Bd. 3: Bayern, Teilband 2: Mittelfranken. Lindenberg im Allgäu 2010. 
Kunstverlag Josef Fink Lindenberg im Allgäu

ISBN 978-3-89870-448-9.   Abschnitt zu Wassertrüdingen S. 712-723. 

    

bullet
Reese Lit 020.jpg (145046 Byte) Spuren jüdischen Lebens rund um den Hesselberg. Kleine Schriftenreihe Region Hesselberg Band 6. 
Hrsg. von Gunther Reese, Unterschwaningen 2011. ISBN 978-3-9808482-2-0  
Zur Spurensuche nach dem ehemaligen jüdischen Leben in der Region Hesselberg lädt der neue Band 6 der 'Kleinen Schriftenreihe Region Hesselberg' ein. In einer Gemeinschaftsarbeit von 14 Autoren aus der Region, die sich seit 4 Jahren zum 'Arbeitskreis Jüdisches Leben in der Region Hesselberg' zusammengefunden haben, informieren Ortsartikel über Bechhofen, Colmberg, Dennenlohe, Dinkelsbühl, Dürrwangen, Feuchtwangen, Hainsfarth, Heidenheim am Hahnenkamm, Jochsberg, Leutershausen, Mönchsroth, Muhr am See (Ortsteil Altenmuhr), Oettingen, Schopfloch, Steinhart, Wallerstein, Wassertrüdingen und Wittelshofen über die Geschichte der ehemaligen jüdischen Gemeinden. Am Ende der Beiträge finden sich Hinweise auf sichtbare Spuren in Form von Friedhöfen, Gebäuden und religiösen Gebrauchsgegenständen mit Adressangaben und Ansprechpartnern vor Ort. Ein einleitender Beitrag von Barbara Eberhardt bietet eine Einführung in die Grundlagen des jüdischen Glaubens. Eine Erklärung von Fachbegriffen, ein Literaturverzeichnis und Hinweise auf Museen in der Region runden den Band mit seinen zahlreichen Bildern ab. Das Buch ist zweisprachig erschienen, sodass damit auch das zunehmende Interesse an dem Thema aus dem englischsprachigen Bereich abgedeckt werden kann, wie Gunther Reese als Herausgeber und Sprecher des Arbeitskreises betont. Der Band mit einem Umfang von 120 Seiten ist zum Preis von 12,80 €- im Buchhandel oder im Evangelisch-Lutherischen Pfarramt Mönchsroth, Limesstraße 4, 91614 Mönchsroth, Tel.: 09853/1688 erhältlich E-Mail: pfarramt.moenchsroth[et]elkb.de.   

     

     
   


 

Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the Holocaust". 
First published in 2001 by NEW YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad Vashem Jerusalem, Israel.

Wassertruedingen  Middle Franconia. Jews were among the victims of the Rindfleisch massacres of 1298 and constituted an important community in the 17th and 18th centuries, furnishing religious judges (dayyanim) to the chief rabbinate of the principality. A new synagogue was constructed in 1860 and the Jewish population numbered 122 in 1867 (total 1,763). Thereafter it declined steadily, dropping to 29 in 1933. By 1938, six Jews had emigrated and 14 left for other German cities. The last eight Jews left after the vandalization of the synagogue and Jewish homes on Kristallnacht (9-10 November 1938).  
       
         

                   
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Stand: 30. Juni 2020