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in Worms
Weitere Textseiten zur jüdischen Geschichte in Worms
- Texte aus dem 19./20. Jahrhundert zur
mittelalterlichen und neuzeitlichen jüdischen Geschichte in Worms
- Texte zu den Rabbinern und Lehrern
der jüdischen Gemeinde vom Mittelalter bis zum 20. Jahrhundert
- Berichte aus dem jüdischen Gemeinde-
und Vereinsleben im 19,/20. Jahrhundert
- Berichte zu einzelnen Personen aus der
jüdischen Gemeinde im 19./20. Jahrhundert
- Zum alten jüdischen Friedhof in Worms ("Heiliger Sand")
(diese Seite)
- Zum neuen jüdischen Friedhof in
Worms-Hochheim
Worms
(Stadtkreis Worms,
Rheinland-Pfalz)
Der jüdische Friedhof "Heiliger Sand"
Übersicht:
Zur Geschichte des Friedhofes "Heiliger Sand"
Der
jüdische Friedhof in Worms ist der älteste erhaltene jüdische Friedhof in
Europa. Er entstand vermutlich in der Zeit, als die erste Synagoge 1034 erbaut
worden. Er wurde wahrscheinlich auf dem Gelände einer großen Sandgrube angelegt,
die beim Stadtmauerbau im 9. und 10. Jahrhundert ihre Oberflächenform erhalten
hat.
Der älteste vor Ort erhaltene Grabstein ist der
von Jakob ha-bachur und stammt aus dem Jahr 1076/77. Einige weitere Grabsteine aus
dem 11. Jahrhundert sind außerdem noch vorhanden. Man kann sie unschwer an
ihrer einfachen, rechteckigen Form, den "Schreiblinien" und der
Umrahmung des Schriftfeldes erkennen. Sehr ähnlich, doch ohne Linien und
Umrahmung, sehen die zahlreichen Grabsteine des 12. Jahrhunderts aus. Nicht nur
wegen seines hohen Alters ist der Friedhof so bedeutend. Auch zahlreiche namhafte jüdische
Gelehrte sind hier begraben. Die Ruhestätte ist auch deshalb für die
Friedhofskultur besonders interessant, weil keine christlichen Friedhöfe mit
aufrecht stehenden Grabsteinen aus romanischer Zeit erhalten sind. Nur wenige
Grabplatten und Sarkophagdeckel wurden in Kirchen bewahrt. 1260 wurde der
Friedhof durch den Vorsteher Jechiel ben Ephraim von einer stabilen Mauer
umgeben.
Im Vorhof des Friedhofs steht ein Brunnen für die
rituelle Reinigung der Hände nach dem Friedhofsbesuch. Neben dem hölzernen
Eingangstor ist das Totengebet als Sandsteintafel in die Mauer eingelassen. Eine
Wormser Eigenart ist, dass die Grabsteine alle nach Süden ausgerichtet sind. Unweit
vom Eingang befindet sich der Grabstein des Rabbi Meir von Rothenburg (1220 -
1293), der als großer Gelehrter und Märtyrer hochverehrt ist. Die Grabsteine
ab der Zeit der Gotik zeigen die typischen Stilmerkmale der jeweiligen Epoche.
1911 wurde der Friedhof "Heiliger Sand" geschlossen und beim
Hauptfriedhof Hochheimer Höhe ein
neuer jüdischer Friedhof
eingeweiht. Seither fanden auf dem alten Friedhof kaum noch Beerdigungen statt. Die Zeit der
NS-Diktatur hat der Heilige Sand weitgehend unbeschadet überstanden. Imposant
ist der so genannte "Martin-Buber-Blick" - über den Friedhof und die
Stadtmauer hinweg zum nahen Dom (siehe Text unten). Sie alle stammen aus der Zeit der Romanik und
bilden eine große Einheit, obwohl man sie mit Gewalt kulturell voneinander
trennen wollte. Die Friedhofsfläche umfasst 158,98 ar.
Beiträge über den Friedhof
in jüdischen Periodika des 19./20. Jahrhunderts
Bei den Erdarbeiten zur neuen Eisenbahnlinie wird ein
alter Grabstein entdeckt - Spendenverzeichnis für die Renovierung der
jüdischen Altertümer -
Vorbereitungen zur Renovierung der Raschikapelle - hoher Besuch der
jüdischen Altertümer (1853)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 24. Oktober 1853: "Worms, im Oktober (Privatmitteilung).
Bei den Erdarbeiten, welche der Bau der Ludwig-Hessischen Eisenbahn in der
unmittelbaren Nähe unserer Stadt nötig machte, wurde ein 20 Fuß tief
verschütteter Leichenstein aufgefunden, dessen Aufschrift lautet
(hebräisch): '...zu Häupten des Wohltäters R. Jehuda Bar
Jizchak ... gestorben in gutem Namen am Freitag 25. Siwan (50)77.
Seine Seele sei eingebunden im Bündel des Lebens ... im Garten Eden Amen
Sela' (sc. der Grabstein datierte auf ca. Juni 1317). - Der obere Teil
des Steines fehlt und der Raum zwischen dem ersten und dem zweiten Worte
ist eine unlesbar gewordene Lücke; der Stein enthält also eine
Aufschrift, die wenigstens 537 Jahre alt ist.
- Weitere Beiträge für die Renovierung der Altertümer sind
eingegangen: von Fraustadt 2 Thlr.; Gleiwitz 20 Thlr.; Freudenthal 14 Fl.;
Frankfurt a.d.O. 13 Thlr.; Rakel 11 Thlr.; Ichenhausen 24 Fl.; der
mattenbuden'schen Gemeinde zu Danzig 44 Thlr.; Sondershausen 7 Thlr.; Main
50 Fl. 18 Kr.; Meisenheim 5 Thlr. 11 Sgr. 7 Pf.; D. Crone 14 Thlr.; hierzu
den Betrag von 283 Fl. 15 Kr. laut Nr. 40 dieses Blattes. Summa 116 Thlr.
11 Sgr. 7 Pf. und 371 Fl. 33 Kr., zusammen 575 Fl. 13 Kr. -
Wir machen die ferne Mitteilung, dass in diesen Tagen zunächst durch
einen Baumeister der Plan der Raschikapelle aufgenommen
wurde. -
Vor einiger Zeit besuchten die hiesigen israelitischen Altertümer
die Söhne Seiner Durchlaucht des Fürsten von Thurn und Taxis, sowie vor
einigen Tagen Seine Exzellenz der königlich preußische Platzkommandant
zu Mainz nebst zwei Adjutanten; Seine Exzellenz besuchten auch den
israelitischen Friedhof. Wir geben uns der Hoffnung hin, dass die
Beiträge zahlreicher eingehen werden; aus dem Ausland hoffen wir in
Kurzem ein erfreuliches Resultat für unser Unternehmen mitteilen zu
können; doch sind unsere Blicke zunächst auf unsere deutschen Brüder
gerichtet. Das Komitee zur Renovierung der Denkmäler."
|
Über eine jüdische Beerdigung am Schabbat
(1872)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 28. August 1872: "Aus Worms erhalten wir die nachstehende
Zuschrift: 'Gestern am Schabbat Nachamu war ich Zeuge eines
Vorganges, der mich aufs Tiefste empörte - der ähnlich vielleicht in
ganz Europa noch niemals vorgekommen. Als ich Nachmittags um 5 Uhr durch
die Hauptstraße ging, führte mich mein Weg an ein Haus, wo viele Juden
standen und noch immer deren hinzukamen; nach der Ursache dieses
Versammelns mich erkundigend, erfuhr ich, dass Freitagmorgen ein
Spenglermeister gestorben sei, dessen Leichenbegängnis eben stattfinde.
Ich traute kaum meinen Ohren. Heute am Schabbat ein Leichenbegängnis? Ich
frug nochmals, ob dies wirklich Tatsache sei und siehe! da kam schon der
Herr Rabbiner in seinem Ornate - die Leiche wurde in den Wagen gebracht,
der Kondukt setzte sich in Bewegung, - zwei Mitglieder der Chewra
senkten die Leiche ins Grab, - worauf der Herr Rabbiner eine kurze Anrede
hielt, und das Trauerspiel war zu Ende.' (Wie wir vernehmen fand das
obenerwähnte Leichenbegängnis aus sanitätlichen Gründen am Sabbat
statt. Ob man nicht noch drei Stunden hätte warten können? In keinem
Falle hätte der Rabbiner am Grabe sprechen, hätten zwei Israeliten die
Leiche in die Gruft senken dürfen! - Red.)" |
Schändung des jüdischen Friedhofes durch Jugendliche
(1885)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 5. März 1885: "Worms, 2. März (1885). Ein
Bubenstück sondergleichen ist in der Nacht vom Samstag zum Sonntag auf
dem hiesigen israelitischen Friedhof verübt worden. 17 Grabsteine
älteren und neueren Ursprungs sind mit Aufwand aller den Tätern zu
Gebote gestandenen Kraft teils einfach umgestürzt, teils zertrümmert und
vom Platze an irgendwelchen entfernten Winkel des Friedhofs geschleift
worden. Unter den also devastierten Gräbern befinden sich unter anderem
die Ruhestätten von Leopold Cahn, Salomon Reichleser, Jakob Cahn, Ludwig
Laengsdorff, Sabine Brenner, Rosine Jakobi, Salomon Stiefel, Rebecka
Mayer, Lea Straß, Pauline Mayer und Sophie Mayer, Karoline Weiß, Bertha
Krempner und einige andere, deren Eigentümer wir im Augenblick nicht
konstatieren konnten. Fast die sämtlichen Gräber, welche von dem unerhörten
Frevel betroffen wurden, liegen auf der westlichen, dem
Bahngeleise zugekehrten Seite und in dem südlichsten spitz auslaufenden
Teile des Friedhofes, der von der Wärterwohnung am meisten abgelegen ist.
Die Schädigung mancher Gräber ist eine sehr beträchtliche und überaus
bedauerliche. Verübt wurde das Verbrechen vermutlich in den
Mitternachtsstunden vor Eintritt des starken Regens beziehungsweise
während desselben und zwar gelangten die Friedhofschänder mittelst
Übersteigens am großen Torweg zur Stätte ihres ruchlosen Vorhabens. An
dem eisernen Tor lassen sich noch die Schmutzspuren der auf die Klinke
aufgesetzten Tritte, desgleichen auf dem Friedhof die Fußstapfen im
aufgeweichten Boden wahrnehmen. Die niederträchtige Demolierung der
Gräber muss den Tätern im Anfang noch nicht ausreichend erschienen sein,
da sie offenbar auch den Versuch gemacht, einen der abgewälzten schweren
Steine über die Friedhofmauer auf das Bahngeleise hinunterzuschaffen. Zum
Glücke langten dazu die Kräfte nicht. Dass eine Person allein die
Schandtat vollbracht, halten wir für nicht gut möglich. Welche
Beweggründe zu dem bodenlosen Frevel geführt haben könnten, ist
jedermann ein Rätsel: ob Betrunkenheit, lediglich der Übermut, ob Judenhass
oder was sonst zu dem abscheulichen Beginnen anreizten, das lässt sich
für jetzt nicht entscheiden." |
|
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 17. März 1885: "In Worms sind in der Nacht vom Sonntag
auf Montag auf dem jüdischen Friedhofe viele Gräber geschändet und
Grabsteine zertrümmert worden". |
Josef Mannheimer gelingt die Übersetzung von vier
Grabinschriften (1889)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 27. Mai 1889: "Worms, 9. Mai (1889). Dem greisen Gelehrten
und verdienten Pfleger der Geschichte dieser altehrwürdigen Gemeinde,
Herrn Josef Mannheimer, ist es gelungen, vier Grabschriften unseres
Friedhofes von ihrer fast undurchdringlichen Mooshülle zu befreiten und
Inschriften bloßzulegen, die gleich sehr der Geschichte wie dem
pietätvollen Interesse einer über die Welt verbreiteten Familie
angehören. Als Prof. Kaufmann zum Behufe seiner Monographie über Samson
Wertheimer hier nach Epitaphien dieser Familie forschen ließ, musste ihm
die Antwort werden, dass hier keine Spur von solchen zu finden sei. Das
Moos, das jene von Herrn Mannheimer bloßgelegten vier mächtigen
Grabsteine überwucherte, hat das Andenken von vier Mitgliedern der
Familie Wertheimer bedeckt. Wir haben jetzt die Grabschriften von R.
Samson Wertheimer's Vater, dem im Alter von 87 Jahren heimgegangenen R.
Josef Josel, von R. Samsons Bruder, R. Meir, von dessen Frau und dessen
Tochter. Das Entzifferungswerk ist nahezu vollendet. Um die kostbaren
Denkmäler vor neuem Erlöschen zu schützen, werden dieselben auf Kosten
eines Abkömmlings und Namensträgers R. Samson Wertheimer's, des Herrn S.
Gomperz in Budapest, unter der Leitung des Herrn Moses Mannheimer mit
Ölfarbe überzogen. Möge die Pietät des Gelehrten wie des Verwandten
Nachahmung finden und das letzte Archiv unserer Geschichte, das
Inschriftenmaterial der jüdischen Friedhöfe, vor der Zerstörung und vor
dem Verfall gerettet werden." |
Ein Grabstein von 1142 wurde gefunden
(1890)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 7. August 1890: "Worms, 4. August (1890). Bei einer
kleinen Erdarbeit hinter dem Hause am israelitischen Friedhof wurde in
einer Tiefe von 1 1/2 Meter ein Grabstein mit hebräischer Inschrift aus
dem Jahre 1142 aufgefunden." |
Artikel über den jüdischen Friedhof von Lehrer Samson Rothschild (1891)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. August
1891: "Der israelitische Friedhof zu Worms.
Von S. Rothschild in Worms. (Mit Illustration). Worms gehört zu
den nicht zahlreichen Städten des Abendlandes, an welche die meisten und
bedeutsamsten Erinnerungen für die Geschichte und Literatur des Judentums
sich knüpfen; selbst unter den Städten der Rheinlande ist Worms nicht
nur der älteste, sondern auch der fruchtbarste Boden für das geistige
und religiöse Leben des abendländischen Israels gewesen und der hiesige
israelitische Friedhof ist daher auch derjenige, auf welchem nicht allein
die bisher älteste Grabschrift gefunden wurde, sondern auch
verhältnismäßig die meisten Heroen der jüdischen Wissenschaft und
Märtyrer des jüdischen Glaubens ruhen. Dieser alte Friedhof zeigt keine
sauberen Wege, nicht das Walten irgendeiner ordnenden Hand. Ein Gewirr von
Grabsteinen, uralten, grauen, moosbewachsenen, starrt uns in jedem Grade
des Verfalls und des Umsinkens aus Gras und Gestrüpp entgegen. Um eine
Anzahl derselben vor gänzlichem Versinken zu retten und um in die Lage
versetzt zu werden, die interessanten Inschriften so mancher Steine zu
entziffern, hat sich im |
Jahre
1853 ein Komitee gebildet, das sich zur Aufgabe machte, die nötigen
Mittel zu beschaffen, um eine ganze Anzahl sehr alter Grabsteine vor
gänzlichem Untergange zu retten. Die treibende Kraft des Komitees, dem
auch der selige Rabbiner Bamberger von hier angehörte, war jedoch der
damals hier angestellte, jetzt in Stockholm lebende Prediger Dr. Levysohn.
Er ließ viele Steine, die über die Hälfte versunken waren, heben, und
suchte mit großer Mühe die schon vielfach verwitterten Buchstaben an der
Hand von alten Manuskripten aus Büchern zu entziffern. Dieselben beginnen
aus dem Jahre 905 und gehen abwärts bis auf die neuere Zeit. Von den
vielen wertvollen Schriften wollen wir nur auf eine näher hier eingehen.
Links vom Wege zum neueren Teil des Friedhofs erhebt sich ein großer
Stein, es ist der des Rabbi Meier von Rothenburg, kurz genannt 'Maharam'.
Er war einer der hervorragendsten Gelehrten des 14. Jahrhunderts. Er
unternahm mit Frau und Kindern eine Reise über das Meer und gelangte nach
einer Stadt, die zwischen hohen Bergen, welche man das lombardische Gebirg
nannte, lag, und wollte daselbst so lange verweilen, bis alle Mitreisenden
bei ihm sich eingefunden haben würden. Da reiste durch jene Stadt der
böswillige Vogt von Basel, den ein Proselyt namens Knippe begleitete. Der
letztere erkannte den Rabbi, teilte dies dem Vogte mit und bewirkte, dass
ihn der Graf Meinhard von Görtz 1286 gefangen nahm und ihn dem Kaiser
Rudolf von Habsburg auslieferte, welcher ihn in einem Turme zu Ensisheim
(Elsass) gefangen hielt. Der Kaiser Rudolf forderte eine große Summe als
Lösegeld, welche zu entrichten auch mehrere Gemeinden sich bereit
erklärten. Es verhinderte dies jedoch der Rabbi selbst, indem er in
frommer Bescheidenheit den Preis um seine Freiheit für allzu hoch
erachtete. Während seiner Haft wurde jedoch Rabbi Meir in seinem Studium
nicht gestört und er verfasste vielmehr um diese Zeit mehrere Werke,
namentlich mehrere Rabbinatsgutachten. Er starb im Gefängnisse 1293, wo
seine sterblichen Überreste bis zum Jahre 1307 lagen. Süßkind
Wimpfen aus Frankfurt am Main, ein hochherziger Mann, löste dieselben
mit Aufopferung vielen Geldes aus und ließ sie hier beerdigen. Der
einzige Lohn, den Wimpfen für diese edle Tat beanspruchte, bestand in der
Gewährung seiner Bitte, einst an der Seite des frommen Rabbi ruhen zu
dürfen. Es dauerte nicht lange, und die Gemeinde zu Worms erhielt die
schmerzliche Gelegenheit, jene Bitte erfüllen zu müssen. (Näheres über
den israelitischen Friedhof gibt die Schrift von Dr. Levysohn: Sechzig
Epitaphien des israelitischen Friedhofes zu Worms.).
* Anmerkung der Redaktion: Herr Dr. Lehmann - das Andenken an den
Gerechten ist zum Segen - hat vor etwa acht Jahren in Mainz einen
Grabstein aufgefunden, auf welchem eine noch ältere Grabschrift steht als
die in Worms sich
befindliche."
|
Instandsetzungsarbeiten auf dem jüdischen Friedhof
(1892)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 24. November 1892: "Worms. Ich habe Ihnen schon früher
berichtet, wie sehr das Vorstandsmitglied, Herr Julius Goldschmidt, sich
um das Archiv der hiesigen jüdischen Gemeinde verdient gemacht hat. Nun
hat er den Vorstand veranlasst, alljährlich eine Summe zu bewilligen,
welche zum Aufrechtstellen der liegenden oder schiefstehenden Grabsteine
auf dem ältesten Teile des hiesigen Friedhofes verwendet werden solle.
Der Anfang wurde vor mehreren Wochen gemacht und es tut dem Auge des den
Friedhof Besuchenden wohl, zu sehen, wie an die Stelle früheren wirren
Durcheinanders eine wohltuende Ordnung getreten ist. Herr Goldschmidt hat
aber seine Arbeit darauf nicht beschränkt, sondern er hat auch eine
große Anzahl Steine, von denen nur ein Rand noch sichtbar war, und welche
man als letzte Reste eines abgehauenen Steines vermutete, heben lassen und
da ergab sich nun das Interessante, dass die ganzen Steine bis an den Rand
eingesunken waren und als sie gehoben waren, fand man die Schrift
vollständig erhalten. Ebenso wurden eine Anzahl Steine mit vollständig
erhaltener Schrift gehoben, von denen äußerlich gar nichts mehr sichtbar
war, als nur das Vorhandensein von vielen Moospflanzen. Bei günstiger
Witterung wird man sich mit der Entzifferung derselben befassen, und es
ist sicher anzunehmen, dass manches Interessante dadurch an das Tageslicht
gefördert werden wird. Selbstverständlich werde ich nicht ermangeln,
Ihnen alsdann solches baldigst mitzuteilen." |
Der alte Friedhof befindet sich in gutem Zustand
(1894)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 5. Februar 1894: "Worms. Wer heute unseren berühmten
israelitischen Friedhof besucht, besonders den alten Teil, wird erstaunt
sein, in welch geordnetem Zustande sich derselbe befindet. Viele
Grabsteine, welche auf dem Boden lagen, oder schief gestanden, sind
senkrecht gestellt worden, dabei wurden eine große Zahl, die in der Erde
lagen, gehoben und zwar sind die Inschriften, die ins 15. Jahrhundert
zurückreichen, vortrefflich erhalten. Mit Beginn des Frühjahrs sollen
die Arbeiten fortgesetzt werden." |
Der alte Friedhof wurde umfassend instandgesetzt
(1895)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 23. Mai 1895: "Worms. Ich habe Ihnen früher einmal
berichtet, dass der Vorstand der hiesigen Israelitischen Gemeinde
beschlossen hat, den alten Friedhof, welcher sich in einem sehr
vernachlässigten Zustande befand, in Ordnung zu bringen. Um gründlich zu
arbeiten, wurde das ausgedehnte Gräberfeld Parzellenweise vorgenommen und
die ganze Arbeit innerhalb eines Zeitraumes von 6 Jahren durchgeführt.
Eine große Anzahl umgefallener Grabsteine sind aufgerichtet, ganz oder
teilweise versunkene sind gehoben worden, außerdem sind außerdeutlich
viele ca. 30 cm horizontal unter dem Boden liegende Grabsteine entdeckt
und gleichfalls aufgestellt worden. - Der Boden, welche diese letzteren
nach und nach den Blicken der Menschen entzogen hatte, gewählte zugleich
den Inschriften der besten Schutz, denn diese sind, obgleich teilweise aus
dem 12. und 13. Jahrhundert herrührend, vortrefflich erhalten
geblieben." |
Über den jüdischen Friedhof in Worms (Artikel von
1909)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 11. März 1909: "Der jüdische Friedhof in Worms. Eine der
ältesten und kulturhistorisch interessantesten Begräbnisstätten
Deutschlands wird demnächst eingehen. Der hiesige jüdische Friedhof,
jener berühmte und malerische Fleck Erde soll geschlossen werden, nachdem
die jüdische Gemeinde auf der Höhe von Hochheim einen neuen Friedhof
erworben hat. Bekanntlich ist die Wormser Gemeinde mit ihrem Friedhof die
älteste jüdische Ansiedlung in Deutschland. Nach einer alten Chronik
sollen schon nach der ersten Tempelzerstörung viele Juden nach Worms
gezogen sein. Historisch nachgewiesen ist jedenfalls, dass ein jüdischer
Friedhof bereits im zweiten Jahrhundert nach üblicher Zeitrechnung
bestand. Es existiert nämlich ein altes Manuskript, das sogenannte
Minhagbuch, das im Jahre 1625 geschrieben ist und das von einem
Leichenstein spricht, der damals schon über 1500 Jahre alt war.
Jedenfalls gibt es wohl keinen zweiten jüdischen Friedhof, auf dem so
viele Heroen der jüdischen Wissenschaft und so viele Märtyrer ihres
Glaubens ruhen. Daher sind die interessantesten Epitaphien wiederholt in Monographien
gehandelt worden, so besonders von Lewysohn ('Sechzig Epitaphien auf dem
israelitischen Friedhofe in Worms'). Eine Reihe von Steinen stehen seit
dem 10. und 11. Jahrhundert." |
Schließung des alten und Eröffnung des neuen jüdischen
Friedhofes (1911)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. November
1911: "Worms, 20. November (1911). Der berühmte israelitische
Friedhof von Worms, der seit dem 11. Jahrhundert der
Begräbnisplatz der Wormser jüdischen Gemeinde war, ist mit dem heutigen
Tag geschlossen worden. Gleichzeitig fand in Anwesenheit der
Behörden die Einweihung des neuen, von der Stadt Worms gekauften
Friedhofes auf der Hochheimer Höhe statt. Einen ausführlichen Bericht
über den neuen Friedhof behalten wir uns für eine der nächsten Nummern
vor." |
Über den jüdischen Friedhof in Worms
(1911)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 20. Juli 1911: (Der älteste jüdische Friedhof in
Deutschland.) Im Herbst dieses Jahres wird die Wormser israelitische
Gemeinde einen neuen Friedhof auf der Hochheimer Höhe in Gebrauch nehmen,
und der alte ehrwürdige Friedhof an der Südanlage, der ihr fast durch
ein Jahrtausend als Begräbnisstätte gedient hat, wird nur noch in ganz vereinzelten
Fällen benutzt werden. Damit schließt die nahezu tausendjährige
Geschichte eines der interessantesten und jedenfalls ältesten deutschen
Judenfriedhofs. Der älteste Grabstein, der gefunden worden ist, stammt
aus dem Jahre 1030, sodass wir die Anlage des Friedhofes um das Jahr 1000
als sicher annehmen dürfen. Deutlich sind zu unterschieden, der älteste
tiefer gelegene Teil, dessen Grabsteine bis zum Jahre 1700 reichen, und
der höher gelegene neuere Teil, der in den beiden letzten Jahrhunderten
benutzt wurde. Noch vor wenigen Jahrzehnten glich der ältere Teil einem
Trümmerfeld. Die Grabsteine waren verwittert und zum Teil versunken. Da
bildete sich im Jahre 1853 ein Ausschuss mit dem damaligen Rabbiner, Rabbi
Secel Bamberger an der Spitze, der sich die Aufgabe stellte, die
gesunkenen Steine zu heben und die Inschriften entziffern zu lassen. Nach
vieler Mühe ist das Werk nun vollendet und ein besonderes Verdienst hat
sich hierbei der Wormser städtische Volksschullehrer, Herr Samson
Rothschild erworben, der ja auch auf dem übrigen Gebiete der Geschichte
der Wormser Juden schon vielfach literarisch hervorgetreten ist. Die
Grabsteine dieses alten Friedhofes werfen interessante Schlaglichter auf
die Geschichte der Wormser Judengemeinde, sie sind stumme und doch beredte
Zeugen von Verfolgungen und Leiden, die die Juden im Mittelalter
durchzumachen hatten. Der nächstälteste jüdische Friedhof im
Großherzogtum Hessen dürfte derjenige von Mainz sein. Wie der frühmittelalterliche
Mainzer Rabbiner Maharil in einem seiner Werke bemerkt, habe er
hier noch den Grabstein einer israelitischen Sklavin Schifcha Charofe
aus Jerusalem gefunden. Nach Mainz sollen die Juden schon mit den Römern
gekommen sein. Von alten jüdischen Gemeinden Hessens seien noch erwähnt:
Trebur mit Astheim, wo Juden zurzeit der
Kaiserlager der Hohenstaufen bereits ansässig waren, Bingen,
dessen jüdische Gemeinde im Jahre 1200 begründet wurde, Friedberg,
das das berühmte Judenbad aus dem Jahre 1260 besitzt und Oppenheim,
wo noch viele hebräische Inschriften an den Häusern bezeugen, dass dort
während des ganzen Mittelalters eine große israelitische Gemeinde
blühte. Endlich sei noch der Synagoge in Weisenau
bei Mainz gedacht, die 1497 erbaut wurde. Die israelitische Gemeinde
Darmstadt datiert ihre Gründung vom Jahre
1600." |
Publikation zur Geschichte der Wormser jüdischen
Friedhöfe (1911)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 15. Dezember 1911: "Zur Geschichte der Wormser jüdischen
Gemeinde, ihrer Friedhöfe und ihres Begräbniswesens. Gedenkschrift
zur Eröffnung des neuen Friedhofes.
Worms, im November 1911. In Kommission bei der H. Kreuterschen
Buchhandlung (Julius Stern). Die sehr hübsch ausgestattet, mit manchen
Kunstbeilagen geschmückte Schrift enthält drei Abhandlungen: Zur
Geschichte der Wormser jüdischen Gemeinde von ihren Anfängen bis zum
neunzehnten Jahrhundert von Max Levy; Der alte jüdische Friedhof und das
Begräbniswesen im 19. Jahrhundert. Der neue Friedhof von S. Rothschild;
Die neue Friedhofsanlage von Gg. Metzler, Großherzoglicher Beigeordneter.
Mich haben naturgemäß die beiden ersten mehr als die letzte
interessiert. Besonders wichtig ist die über die Grabsteine und deren
Wegnahme im Jahre 1519 (Dass unrugig = anrüchig ist, glaube ich nicht.).
Ob die hier mitgeteilten Urkunden bereits einmal gedruckt waren oder hier
zuerst veröffentlicht werden, wird nicht gesagt. Den Anfang der ersten
Abhandlung hätte ich anders gewünscht; da der älteste erhaltene
Grabstein aus dem Jahre 1055 stammt, so kann man das Bestehen der Gemeinde
schwerlich über das Jahr 1000 hinaussetzen. Es scheint mir nicht ganz
historisch, das Gerücht von einer vorchristlichen Ansiedlung der Juden in
Worms anzunehmen. L.G." |
|
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 22. Dezember 1911: "Zur Geschichte der Wormser jüdischen
Gemeinde, ihrer Friedhöfe und ihres Begräbniswesens. Gedenkschrift
zur Eröffnung des neuen Friedhofs. 4 Abbildungen in Lichtdruck. 52
Seiten. Worms, H. Kräuter'sche Buchhandlung (Julius Stern).
Der älteste Grabstein auf dem bisherigen Friedhofe trägt die Jahreszahl
1044. Die Geschichte dieses Friedhofes, der jetzt geschlossen wird, ist
also eng mit der Geschichte der uralten und einst an jüdischer
Gelehrsamkeit und Ansehen so reichen jüdischen Gemeinde verknüpft.
Das vorliegende Buch zeichnet in kurzen Strichen die interessante Geschichte
der Wormser Judenheit (Max Levy) und ihres Friedhofwesens (S. Rothschild)
und gibt aus der Feder des Beigeordneten Gg. Metzler einen Überblick
über die neue Friedhofsanlage." |
Publikation zum alten jüdischen
Friedhof (Kunstblätter, 1914)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 16. Oktober 1914: "Der alte israelitische Friedhof zu
Worms am Rhein. Zwölf Kunstblätter mit Vorwort von Max Levy. Verlag
von Christian Herbst, Hofphotograph, Worms. Preis: geb. 4,50 Mark.
Ein Kunstwerk vornehmsten Stils; für das, was es bietet, keineswegs
teuer. Den Inhalt gebe ich nach einem Artikel der 'Wormser Zeitung'
wieder. 'Die markantesten Grabdenkmäler sind die Erinnerungssteine an die
zwölf Märtyrer aus dem Jahre 1096, ferner werden in chronologischer
Folge die Grabmale eines Rabbi Baruch (gest. 1275), Vater des Rabbi Meir,
ferner des Rabbi Meir (Mahram) selbst und seines Freundes Wimpfen (gest.
1308), eines Mahril (gest. 1427), Elia Loanz (gest. 1636), Juspa Schames
(gest. 1678), Verfassers des Mose-Nisim-Buches und vieler anderer
Gelehrten: Moses Brod (gest. 1747), Naphtali Hirsch Spitz (gest. 1712(,
Mendel Menachem Rothschild aus dem Geschlechte der berühmten
Familie dieses Namens (gest. 1732), Hirsch Auerbach (gest. 1778) und Isaak
Adler (gest. 1823) vor Augen geführt. Auch der Rabbiner aus der Zeit des
Stadtbrandes von 1689, Rabbi Ch. Jair Bacherach, ist nicht vergessen. Aus
dem Geschlechte der berühmten Familie Oppenheim ist eine Reihe von
Steinen abgebildet, von denen der des Rabbi Moses (gest. 1675) durch
wundervolle Gestalt und Schönheit der Inschrift hervorragt. Auch einige
interessante Steine von Frauen, besonders derjenige der Sagira aus 1100 -
er galt lange als der älteste des Friedhofes, da man ihn fälschlich auf
900 datierte, sind wiedergegeben.
Nicht zum mindesten sind die Aufnahmen durch die Verschiedenheit der sich
in ihnen widerspiegelnden landschaftlichen Reize in den einzelnen
Jahreszeiten wirksam. Wie der Friedhof im Sommer bei üppiger Vegetation
sich ausnimmt, und wie er sich zeigt, wenn die Bäume kahl sind, tritt
deutlich zutage. Auch der alte Dom als eindrucksvoller Hintergrund
erscheint prächtig im Bilde, ebenso eine ungemein reichhaltige Gruppe von
alten Steinen, deren jeder durch schöne Form bemerkenswert ist.'
Damit ist gesagt, was man zum Lobe dieses Buches aussprechen muss. Nur den
einen Wunsch möchte ich noch hinzufügen, dass in einem eventuellen
Neudruck die photographischen Inschriften in einem hebräisch punktierten
Text und in deutscher Übersetzung wiedergegeben werden möchten, denn bei
dem manchmal stark verwitterten Zustand der Inschriften lässt sich der
Sinn der einzelnen Worte nicht immer feststellen. Es wäre sehr schön,
wenn auch in anderen Gemeinden sich Forscher entschließen würden,
ähnliche Werke herauszugeben. Unsere Grabschriftliteratur ist zwar nicht
arm, wer aber den großen Wert solcher Inschriften kennt, muss durchaus
die Vermehrung dieser Literatur fordern. L.G." |
Freilegung eines alten Ganges unter dem Friedhof und
Auffindung alter Grabsteine (1930)
Anmerkung: siehe unten die Presse-Artikel von der Wieder-Freilegung des
unterirdischen Ganges im Jahr 2010
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 26. September 1930: "Worms. In Worms wurde soeben ein
unter dem alten israelitischen Gemeindefriedhof liegender unterirdischer
Gang, 36 Meter lang, 11,50 Meter hoch und 0,80 Meter breit, freigelegt. In
dem Gang selbst wurden wertvolle Funde gemacht. Bisher wurden acht
Grabsteine gefunden, die teilweise aus dem 13. Jahrhundert stammen und
einen Einblick in die Geschichte des mittelalterlichen Judentums
geben." |
|
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 6. Oktober 1930: "(Die Ausgrabungen auf dem Wormser Jüdischen
Friedhof.) Wie bereits mitgeteilt, wurde unter dem israelitischen
Friedhof zu Worms ein unterirdischer, einst zur Wormser Stadtbefestigung
gehörender Gang aufgefunden. Dank der Initiative des Vorstandes der
israelitischen Religionsgemeinde in Worms ist der Zugang zu diesem
unterirdischen Wehrbau, der einst das Innere mit dem äußeren Andreastor
verband, freigelegt worden. Das Interessanteste dieses etwa aus dem 15.
bis 16. Jahrhundert stammenden Ganges ist ein Bodenbelag. Es sind
jüdische Grabsteine, teilweise sehr hohen Alters. Da sie mit der Schrift
nach unten lagen, ist diese verhältnismäßig gut erhalten. Einer der
ältesten Steine datiert von 1305 und ist deshalb von kulturhistorischer
Bedeutung, weil es der Grabstein des Rabbi Elieser ist. Er war, wie die
Inschrift erzählt, ein bedeutender Gelehrter. Ein Stein aus dem Jahre
1645 bringt in der innigen, bilderreichen Sprache seiner Inschrift
bemerkenswerte Einzelheiten aus dem Leben eines Zipore Gütlein, Frau des
Rabbiners Abraham Walch. Grabsteine von 1541, 1556 und 1562 kamen ans
Licht mit teilweise sehr schönen, reichverzierten Buchstaben und
Ornamenten. Dann wieder solche, deren Schriftcharakter in das 12. und 13.
Jahrhundert weist. Alle Steine werden sorgfältig in Stand gesetzt, und
auf dem alten Friedhof an gesonderter Stelle aufgestellt werden. Der
unterirdische Gang unter dem alten Friedhof wird wieder zugänglich
gemacht und mit einer Treppenanlage
versehen." |
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Artikel in der "Gemeindezeitung für die Israelitischen Gemeinden
Württembergs"
vom 1. November 1930: ähnlicher Bericht wie im
"Israelit", siehe oben. |
Lage des Friedhofes
Unmittelbar südwestlich der Altstadt (Andreasstraße /
Willy-Brandt-Ring)
Lage auf den Google-Maps:
Größere Kartenansicht
Hinweis der Stadtverwaltung Worms zu den Öffnungszeiten des Friedhofes |
Jüdische Friedhöfe sind an Feiertagen und am Sabbat geschlossen. Der Sabbat und die jüdischen Feiertage sind im Judentum Ruhetage, an denen nicht gearbeitet wird. Sie beginnen am Vorabend bei Sonnenuntergang und enden mit Einbruch der Dunkelheit am folgenden Tag. Die Jüdische Gemeinde Mainz/Worms und die Stadt Worms haben daher vereinbart, dass der Jüdische Friedhof ´Heiliger Sand´ ab 1.12.2015 an Feiertagen und am Sabbat geschlossen bleibt. Der Vorplatz zum Friedhof ist auch samstags geöffnet.
Das Gehölz, das bisher den Einblick von dort auf das Friedhofsgelände versperrt hatte, wurde entfernt, so dass die Besucherinnen und Besucher auch an Feiertagen und samstags einen Überblick über das Gelände gewinnen können. Mittelfristig ist geplant, das Informationsangebot im Bereich des Vorplatzes behindertengerecht auszubauen.
Die Schließzeiten an den Vorabenden zu den Feiertagen und zum Sabbat (=
Freitagnachmittag/-abend) sind:
Von November bis März um 16 Uhr; im April um 18 Uhr; von Mai bis August
um 20 Uhr, im September um 19 Uhr, im Oktober um 18 Uhr.
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Fotos
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 2.8.2005)
Historische
Ansichtskarte |
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Blick auf den
Eingang und die alte Leichenhalle von 1640; die Karte ist in höherer
Auflösung eingestellt |
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Der Friedhof im Sommer
2005 |
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Friedhofswärterhaus
am
Eingang |
Eingang und Taharahaus
(Leichenwaschhaus) |
Eingangstor |
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Hinweistafel |
Brunnen im Eingangsbereich |
Steintafel mit dem Totengebet |
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Grabsteine des Rabbi Meir von
Rothenburg und des Alexander ben Salomo
genannt Süßkind Wimpfen, 1293
und 1307 |
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Teilansichten |
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Im Rabbinental |
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Teilansichten |
Barocker Grabstein |
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Eingemauerte
Grabsteine (Grabsteinfunde in der Altstadt) |
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Grabstein des großen
Gelehrten MaHaRIL = Jakob ben Moses halevi: seit 1390 Rabbiner in Mainz,
gest. 1427 in Worms. Sein Grab sollte auf seinen Wunsch im Umkreis von 4
Ellen frei bleiben. |
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Im neueren Friedhofsteil |
Auffallende Grabdenkmäler:
Abgesägter Baum und Steinhaufen. |
Grabstein von Marie Schlösser
(1862-1884) |
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Blick zum Dom
(vgl. Text von Martin Buber) |
Grabsteinensemble: Gräber von
Angehörigen der Familie Mannheimer |
Grabstein links mit
"segnenden Händen" der Kohanim |
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Fotos von Anfang Dezember
2011
(Fotos: Klara Strompf) |
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Text von Martin Buber: "Aber gekündigt ist
mir nicht" (1933)
"Ich lebe nicht fern von der Stadt Worms, an die mich auch eine
Tradition meiner Ahnen bindet; und ich fahre von Zeit zu Zeit hinüber. Wenn ich
hinüberfahre, gehe ich immer zuerst zum Dom. Das ist eine sichtbar gewordene
Harmonie der Glieder, eine Ganzheit, in der kein Teil aus der Vollkommenheit
wankt. Ich umwandle schauend den Dom mit einer vollkommenen Freude. Dann gehe
ich zum jüdischen Friedhof hinüber. Der besteht aus schiefen, zerspellten,
formlosen, richtungslosen Steinen. Ich stelle mich darein, blicke von diesem
Friedhofgewirr zu der herrlichen Harmonie empor, und mir ist, als sähe ich von
Israel zur Kirche auf. Da unten hat man nicht ein Quentchen Gestalt; man hat nur
die Steine und die Asche unter den Steinen. Man hat die Asche, wenn sie sich
auch noch so verflüchtigt hat. .. Ich habe da gestanden, war verbunden mit der
Asche und quer durch sie mit den Urvätern. Das ist Erinnerung an das Geschehen
mit Gott, die allen Juden gegeben ist. Davon kann mich die Vollkommenheit des
christlichen Gottesraums nicht abbringen, nichts kann mich abbringen von der
Gotteszeit Israels. Ich habe da gestanden und habe alles selber erfahren, mir
ist all der Tod widerfahren: all die Asche, all die Zerspelltheit, all der
lautlose Jammer ist mein; aber der Bund ist mir nicht aufgekündigt worden. Ich
liege am Boden, hingestürzt wie diese Steine. Aber gekündigt ist mir nicht.
Der Dom ist, wie er ist. Der Friedhof ist, wie er ist. Aber gekündigt ist uns
nicht worden."
Nähere Informationen zu diesem Text von Martin Buber und Quellenangaben: hier
anklicken
Der "Blick Martin Bubers"
vom jüdischen
Friedhof zum Dom - auf zwei Ansichtskarten des 20. Jahrhunderts
(aus der Sammlung von Peter Karl Müller, Kirchheim /
Ries) |
Linke Karte aus der Zeit um
1960
(Verlag Gebr. Metz, Tübingen)
Rechte Karte um 1960-1970
(Photo-Betrieb Curt Güller, Worms) |
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Martin Buber:
"Ich stelle mich darein, blicke von diesem
Friedhofgewirr zu der herrlichen Harmonie empor,
und mir ist, als sähe ich von
Israel zur Kirche auf..." |
Neuere Presseartikel zum
Friedhof
Juni 2010:
Ein Tunnel unter dem Friedhof wurde
wiederentdeckt |
Artikel von Susanne Müller in der "Wormser Zeitung" vom 20.
Juni 2010 (Artikel):
"THW legt überraschend einen Teil der früheren Stadtbefestigung frei.
Auf dem "Heiligen Sand' in Worms wurde eine aufregende Wieder-Entdeckung gemacht: Unter dem jüdischen Friedhof verläuft an der Nordseite ein unterirdischer Gang. Das gemauerte Bauwerk mit Gewölbedecke stammt aus dem Jahr 1617, war über Jahrhunderte in Vergessenheit geraten, im Zweiten Weltkrieg als Luftschutz-Einrichtung genutzt worden - aus dieser Zeit stammt auch ein betonierter Eingang auf dem Gottesacker, der nun aufgebrochen wurde...."
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Artikel von Johannes Götzen in der "Wormser Zeitung" vom 25.
Juni 2010 (Artikel):
"Kulturgut und Bombenschutz - Erinnerung an Tunnel unter dem jüdischen Friedhof
WORMS. Er war über Jahrzehnte einfach in Vergessenheit geraten: Der Tunnel unter dem jüdischen Friedhof, der vor wenigen Tagen bei wissenschaftlichen Untersuchungen wieder entdeckt worden war (die WZ berichtete). Was dabei vermutet wurde, bestätigt sich jetzt: Der vermutlich bereits im Mittelalter angelegte Tunnel diente im Zweiten Weltkrieg als Schutzkeller. Herbert Neidlinger verbrachte hier als gerade einmal fünfjähriger Knabe mit der Mutter bange Stunden.
Eigentlich wohnte die Familie in der Eisbachstraße, doch die Tante lebte in einem Mehrfamilienhaus in der Bahnhofstraße, dort, wo heute der EWR-Parkplatz ist. Bei Fliegeralarm ging es meistens in den großen Luftschutzkeller unterm Haus
'Mainzer Rad' schräg gegenüber in der Andreasstraße, erinnert sich der heute 70-Jährige. Schon dessen Eingang sei vom jüdischen Friedhof aus zugänglich gewesen...."
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Artikel von Kurt F. de Swaaf im "SPIEGEL
ONLINE" vom 30. Juni 2010: "Gemeißelte
Geheimnisse - Forscher entziffern jüdische Grabinschriften"
(Link
zum Artikel) |
Dazu auch die epd-Pressemitteilung Anfang
August 2010 (Mitteilung):
"Forscher entziffern Grabinschriften auf jüdischem Friedhof in Worms
Duisburg/Worms (epd). Forscher der Universität Duisburg-Essen entziffern in einem Pilotprojekt die Grabinschriften auf dem jüdischen Friedhof in Worms. Der Friedhof "Heiliger Sand" sei der älteste erhaltene mittelalterliche jüdische Friedhof in Europa, teilte die Universität am Montag in Duisburg mit. Der älteste der insgesamt etwa 1.300 Grabsteine stamme aus dem Jahr 1076, hieß es....".
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Januar 2011:
Für die weitere Dokumentation des Friedhofes
werden finanzielle Mittel benötigt |
Artikel von Ulrike Schäfer in der
"Wormser Zeitung" vom 11. Januar 2011 (Artikel):
"WORMS - JÜDISCHER FRIEDHOF Wissenschaftler Prof. Dr. Michael Brocke bittet um Unterstützung
Prof. Dr. Michael Brocke vom Steinheim-Institut, der schon seit Jahren eine unschätzbare Arbeit bei der wissenschaftlichen Erforschung der Grabsteine auf dem jüdischen Friedhof in Worms leistet, schreibt in der neuesten Ausgabe der Zeitschrift
'Kalonymos' (13. Jahrgang, Heft 4, Seite 10 ff.) über die Bedeutung des jüdischen Friedhofs in Worms:
'So ist der älteste erhaltene jüdische Friedhof Europas eine heilige Stätte, wenn man sie nicht gar als die heiligste des aschkenasischen Judentums bezeichnen muss (…). Es grenzt an Wunder, dass die Stätte (…) insgesamt noch erhalten
ist.'..." |
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März 2011:
Dokumentation der Grabinschriften mit
3D-Technik |
Artikel von Ulrike Schäfer in der "Wormser Zeitung" vom 7.
März 2011 (Artikel):
"Grabinschriften auf jüdischem Friedhof in Worms mit 3D-Technik erhalten
WORMS. Vor einigen Jahren noch hätte man keine Chance gehabt, verwitterte Grabinschriften jemals wieder entziffern zu können. Das ist anders geworden, seit man das 3D-Scanverfahren kennt, das bessere Ergebnisse erbringt, als die übliche Schräglichtfotografie.
Das Interdisziplinäre Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen (IWR) der Universität Heidelberg, das die Methode seit anderthalb Jahren anwendet, scannt nun im Auftrag der Landesdenkmalpflege Rheinland-Pfalz auf dem jüdischen Friedhof
'Heiliger Sand' besonders erhaltenswerte Grabsteinoberflächen ein, um möglichst viele Inschriften dem endgültigen Vergessen zu entreißen..."
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November 2011:
Zur einer neuen Dokumentation
des Friedhofes |
Fast 1 000 Jahre in Stein gehauen (Wormser Zeitung, 02.11.2011) |
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August 2017:
Pflege des Friedhofes durch
ehrenamtliche Jugendliche |
Artikel im "Nibelungen-Kurier" vom 17.
August 2017: "Pflege des 'Heiligen Sand' durch internationalen Bauorden.
ADD-Präsident Linnertz und Oberbürgermeister Kissel besuchen ehrenamtliche
Jugendliche
'Die Arbeiten sind noch nicht beendet, aber über das Engagement und das sich
abzeichnende Ergebnis freuen wir uns schon jetzt', so die Teilnehmer der
offiziellen Begehung auf dem Jüdischen Friedhof Heiliger Sand in Worms.
ADD-Präsident Thomas Linnertz und Oberbürgermeister Michael Kissel sowie
Stella Schindler-Siegreich von der Jüdischen Kultusgemeinde Mainz
verschafften sich einen Überblick über die Arbeiten auf den jüdischen
Gräberfeldern. Sechs Jugendliche aus Kolumbien, Brasilien, Italien, Ukraine,
Russland und Deutschland des Internationalen Bauordens unter der Führung von
Peter Runck sowie vier Mitarbeiter des Integrations- und Friedhofsbetriebes
der Stadt Worms sind in der Zeit vom 13. bis 18. August im Einsatz. Auf
Initiative der Stadt Worms wurde in Absprache mit der Jüdischen
Kultusgemeinde Mainz und der landesweit für jüdische Friedhöfe in
Rheinland-Pfalz zuständigen Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD)
ein detailliertes Konzept aufgestellt, das nun mit Unterstützung von
ehrenamtlichen Helfern des Internationalen Bauordens den Zustand des
Friedhofs weiter verbessern soll. Im Wesentlichen sind Efeuvegetation
Brombeerhecken, Sträucher und Kleingehölze zu entfernen. Partiell sind
Gräberflächen mit Gras einzusäen.
Besonderes Augenmerk auf jüdisches Erbe. Die Stadt Worms kümmert sich
als Friedhofsträger um fünf jüdische Friedhöfe. Neben dem jüdischen Friedhof
auf dem städtischen Friedhof liegt das besondere Augenmerk der Stadt auf dem
'Heiligen Sand', wohl dem ältesten jüdischen Friedhof Europas. In Rheinland
– Pfalz gibt es über 300 sogenannte verwaiste jüdische Friedhöfe deren
Gräber ein ewiges Ruherecht haben und die dauerhaft gepflegt werden. 'Die
Betreuung der Friedhöfe nach jüdisch-religiöser Auffassung umfasst unter
ande-rem die Bewahrung der Totenruhe und die Erhaltung des Friedhofs. Dazu
gehört neben einer sicheren Einfriedung mit abschließbarem Tor auch die
ordnungsgemäße Unterhaltung der Zugangswege sowie das regelmäßige Grasmähen
und Beseitigen von Unkraut. Dies geht aus der entsprechenden, zuletzt im
Jahr 2000 modifizierten Verwaltungsvorschrift hervor und ist Ausfluss aus
der Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Jüdischen
Kultusgemeinde Deutschland vom Juni 1957 mit der Zielsetzung, dass der Staat
sich um die verwaisten Friedhöfe kümmert. Hiermit soll das religiös
festgelegte ewige Ruherecht gewahrt werden', erklären ADD-Präsident Linnertz
und OB Kissel.
Pflegestandards normiert. Für die gesetzlich normierten relativ
einfachen Pflegestandards erhält die Stadt jährlich für 27.472 qm
Friedhofsfläche 30.200 Euro hälftig von Bund und Land durch die ADD zur
Verfügung gestellt. In 2016 hat die Stadt Worms für notwendige
Grabmalsicherungsarbeiten auf dem 'Heiligen Sand' aus dem Sonderfonds der
ADD weitere 12.700 Euro erhalten. Die ADD hat sich auf Anfrage der Stadt
Worms bereiterklärt, das Arbeitscamp finanziell aus dem Hilfsfonds für
Instandsetzungsmaßnahmen zu unterstützen. Beim Besuchstermin hoben ADD-Chef
Thomas Linnertz und OB Michael Kissel das ehrenamtliche Engagement der
Freiwilligen besonders hervor und dankten ihnen, sich auf diesem Wege für
das gemeinschaftliche Miteinander und eine friedliche Zukunft einzusetzen.
Bauorden-Geschäftsführer Peter Runk unterstrich den Aspekt der
Völkerverständigung als weiteren wichtigen Teil dieses Baucamps."
Link zum Artikel |
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Januar 2018:
Der Wormser Altertumsverein setzt
sich für den Erhalt der Grabdenkmäler im jüdischen Friedhof ein
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Artikel von Ulrike Schäfer in der "Wormser
Zeitung" vom 13. Januar 2018: "Wormser Altertumsverein kämpft um Erhalt
der Grabdenkmäler auf dem Friedhof Heiliger Sand
Die Grabdenkmäler auf dem Friedhof Heiliger Sand verwittern. Doch mit der
Landesdenkmalpflege hat der Altertumsverein Probleme: Für den Umgang mit
einigen Grabsteinen fehlt bislang ein denkmalpflegerisches Konzept, das in
enger Abstimmung mit der Jüdischen Gemeinde Mainz festlegt, welches
Verfahren bei der Erhaltung und Restaurierung der Grabsteine angewendet
werden soll.
WORMS - Ohne das grüne Laub der Bäume sieht der Heilige Sand derzeit
melancholisch aus. Stumm ragen die Grabsteine aus der Erde, die meisten
schief, gebeugt, halb versunken, oft über und über mit Moos überzogen. Bei
einigen splittert der Sandstein in großen Stücken ab. Die ältesten Steine
des Friedhofs stammen noch aus der Gründungsphase der Gemeinde vor fast 1000
Jahren. In früheren Zeiten hat man immer wieder versucht, einzelne Steine
aufzurichten, abgebrochene Teile mit eisernen Dübeln zu verklammern oder mit
Zement auszubessern. Danach passierte über Jahrzehnte nichts, sieht man
einmal von den gärtnerischen Pflegearbeiten ab. Erst nachdem die Idee, die
Schum-Gemeinden als Welterbe vorzuschlagen, Gestalt annahm, geriet der
Friedhof verstärkt in den Blick, schließlich ist er eines der
überzeugendsten Argumente für die Anerkennung.
Mit der Schrift nach unten aufs Gras gefallen. Dr. Josef Mattes,
Vorsitzender des Altertumsvereins, der sich gemeinsam mit dem Verein
Warmaisa schon lange um den Erhalt des Friedhofs kümmert, weiß, dass der
Verfall nicht gänzlich aufzuhalten ist. Glücklicherweise sind die meisten
Inschriften des älteren Friedhofsteils dank der unermüdlichen Arbeit
Professor Dr. Michael Brockes und seines Teams mittlerweile erfasst,
übersetzt und in der Datenbank des Salomon-Ludwig-Steinheim-Instituts
verfügbar. Auch wurden einige Grabsteine bedeutender Gelehrter schon
fachmännisch durch die Bamberger Firma Bauer-Bornemann restauriert. Doch für
den Umgang mit den übrigen Grabsteinen fehlt bislang ein
denkmalpflegerisches Konzept, das in enger Abstimmung mit der Jüdischen
Gemeinde Mainz festlegt, welches Verfahren bei der Erhaltung und
Restaurierung der Grabsteine angewendet werden soll. Was geschieht mit halb
oder fast ganz versunkenen Steinen, was mit Steinen, die so weit nach hinten
geneigt sind, dass Inschriften und Ornamente vom Regen gänzlich ausgewaschen
werden? Soll und darf man sie anheben und aufrichten? Und was geschieht mit
umgefallenen Steinen, deren Verwitterungsprozess durch den feuchten
Grasboden beschleunigt wird? Im Mai letzten Jahres hat Josef Mattes fünf
solcher umgefallenen Steine, mit der Schriftseite nach unten, auf dem
Heiligen Sand entdeckt, vier auf dem mittelalterlichen Gelände, der fünfte
befindet sich auf dem neueren Teil des Friedhofs. Früher seien solche Steine
auf Betreiben der Unteren Denkmalbehörde von einem der ansässigen
Steinmetzbetriebe mit einem Fundament versehen und wieder an Ort und Stelle
eingegraben worden, erzählt Josef Mattes. Warum ist das nun nicht auch mit
diesen fünf Steinen passiert?
Josef Mattes seufzt. Laut Anweisung der Generaldirektion kulturelles Erbe
Rheinland-Pfalz dürfen Veränderungen auf dem Friedhof nur noch mit
Zustimmung der Landesdenkmalpflege, der Unteren Denkmalpflege und der
Jüdischen Gemeinde Mainz vorgenommen werden. Das habe natürlich seinen guten
Sinn, sieht Mattes ein. Er habe also Hanna Hubertus, der zuständigen
Denkmalpflegerin bei der Stadt, den Schaden mitgeteilt, und die habe ihn
auch weitergemeldet, doch geschehen sei nichts. Die Landesdenkmalpflege habe
sich nicht geäußert. In einem persönlichen Gespräch am Rande einer Tagung im
September sei er sogar sehr unwillig beschieden worden, sich in Geduld zu
fassen. 'Ich hatte den Eindruck, dass das Thema überhaupt nicht interessiert
und dass unser Engagement nicht erwünscht ist', sagt Mattes.
Einzigartiges jüdisches Erbe. Immerhin sei ein Treffen vor Ort mit
allen Beteiligten für Ende November vereinbart worden. Dabei habe er einen
Kostenvoranschlag des Wormser Steinmetz- und Bildhauerbetriebs Frank über
6900 Euro für die Aufrichtung der fünf Steine samt neuem Sockel vorgelegt
und zugesichert, dass die Kosten vom Altertumsverein und dem Verein Warmaisa
übernommen würden. Leider sei dieser Vorschlag von der Landesdenkmalpflege
abgelehnt worden mit der Begründung, das Angebot entspreche nicht den
qualitativ hohen Anforderungen, die dem einzigartigen jüdischen Erbe
angemessen seien. Josef Mattes ist frustriert, weil sich in mehr als sechs
Monaten absolut nichts getan hat. 'Wir wissen nicht einmal, welche
Vorstellungen die Denkmalpflege eigentlich hat, weil das schon lange
angekündigte Konzept bisher nicht vorliegt', klagt er. Die
Landesdenkmalpflege war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Jetzt hat
Mattes, einem Vorschlag Prof. Brockes folgend, dem Landesamt eine Variante
genannt. So könnte man den Standort mit Friedhofserde unterfüttern und
darauf die Steine ohne neuen Sockel einsetzen, auch wenn die Inschrift dann
nicht mehr ganz zu sehen ist. Das ist zwar nicht die stabilste Lösung, aber
sie hält den Verfallsprozess noch eine Zeitlang auf. Mattes hofft, dass
diese Idee akzeptiert wird. Der Altertumsverein hat bisher 63.000 Euro für
die Erstellung der Datenbank aufgebracht. Weitere 30.000 Euro hat die Stadt
dazu gegeben. 25.000 Euro hat der Verein für die Aufrichtung umgefallener
Grabsteine aufgewendet, zirka 2000 Euro hat Warmaisa zugeschossen. Für die
Restaurierung besonders wertvoller Steine haben Altertumsverein und Warmaisa
je 15.000 Euro eingestellt. Für die Dokumentation, die Professor Dr. Michael
Brocke derzeit über den Heiligen Sand anfertigt, hat der Altertumsverein
bereits 27.000 Euro gesammelt. Dieses Buch wird ein wesentlicher Bestandteil
des Welterbeantrags sein."
Link zum Artikel |
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Februar 2019:
Der Friedhof "Judensand" soll
Weltkulturerbe werden |
Artikel von Carina Schmidt in der
"Allgemeinen Zeitung" vom 11. Februar 2019: "Jüdischer Friedhof
'Judensand' soll Weltkulturerbe werden.
Ein Rahmenplan soll die Grundlage für die Anerkennung sein. 2021 könnte es
dann so weit sein. Das Besucherzentrum könnte in der Paul-Denis-Straße
gebaut werden.
MAINZ - 2021 könnte es soweit sein: die Anerkennung des jüdischen Erbes
der drei Städte Speyer, Worms und Mainz als Unesco-Weltkulturerbe. In der
Gutenbergstadt geht es dabei um den 'Friedhof Judensand' zwischen der
Mombacher Straße und der Fritz-Kohl-Straße. Als Voraussetzung und Grundlage
für die angestrebte Anerkennung hat nun der Bau- und Sanierungsausschuss dem
Rahmenplan 'Friedhof Judensand' zugestimmt. Im Stadtrat wird darüber am 13.
Februar entschieden.
Seit dem hohen Mittelalter sind die drei jüdischen Zentren am Rhein unter
dem Namen 'SchUM' bekannt. Das Kurzwort wird aus den Anfangsbuchstaben der
mittelalterlichen, auf Latein zurückgehenden hebräischen Städtenamen
zusammengesetzt. In der Beschlussvorlage heißt es, die Anerkennung als
Weltkulturerbe würde der jüdischen Bestattungskultur 'einen nachhaltigen und
dauerhaften Platz im Gedächtnis der Menschen sichern'. Der hohe religiöse
Wert und die im Judentum zentrale historische Bedeutung des Judensandes
werde auch dadurch deutlich, dass dort Memorsteine aufgestellt wurden, sich
Juden aus dem Umland begraben ließen und nach der Wiederansiedlung von Juden
in Mainz der Friedhof umgehend wieder genutzt wurde. Der älteste datierte
Stein ist heute im Landesmuseum Mainz ausgestellt. Er wurde für Jehuda ben
Senior errichtet, der 1049 starb. Zu den planerischen Rahmenbedingungen
zählt etwa die Frage, wo das Besucherzentrum platziert werden könnte –
voraussichtlich läuft es auf die Paul-Denis-Straße hinaus. Auch die
Anforderungen seitens der jüdischen Gemeinde an die Gestaltung und Nutzung
der eigentlichen Friedhofsfläche wurden gesammelt. Aufbauend auf den
Rahmenplan soll auch ein Wettbewerb für die Freiraumgestaltung durchgeführt
werden."
Link zum Artikel
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März 2019:
Vortrag über den jüdischen
Friedhof in Worms |
Artikel von Ulrike Schäfer in der
"Wormser Zeitung" vom 25. März 2019: "Die Strahlkraft eines Wormser 'Totenhofs'.
Der jüdische Friedhof 'Heiliger Sand' ist in Worms ein Ort von großer
religiöser und historischer Bedeutung – auch wenn er schon als Tierweide und
Wäschebleiche genutzt wurde.
WORMS - Unter dem Titel 'Und der Totenhof dieser Juden heißt der
Heilige Sand' berichtete die Judaistin Dr. Ursula Reuter am Freitag im
Rahmen der Wintervortragsreihe des Altertumsvereins über Geschichte und
Nutzung des bedeutenden alten jüdischen Friedhofs bis zu seiner Schließung
1911. Für ihren kenntnisreichen und spannenden Vortrag interessierten sich
viele Zuhörer, darunter auch Dr. Stefanie Hahn, Stabsstelle 'Unesco-Welterbeantrag
Schum-Stätten', und der ehemalige Landeskonservator Dr. Joachim Glatz.
Grabsteine befinden sich an ursprünglichem Ort. Angelegt wurde der 'Andersort'
(Michael Brocke) wohl kurz nach 1000, er ist etwas jünger als der Mainzer
Judensand, aber die Grabsteine befinden sich hier noch an ihrem
ursprünglichen Ort (in situ). Vermutlich habe Bischof Burchard den Juden den
Platz zur Nutzung überlassen. Die ältesten Steine sind im Rabbinental. Hier
waren die zwölf Parnassim (Gemeindevorsteher) begraben, die während des
Kreuzzugspogroms von 1096 Selbstmord (Kiddúsch ha-schém) begingen, um nicht
zur Taufe gezwungen zu werden. Der Chronist Liwa Kirchheim berichtet, dass
sie vom Turm Lug auf das Land in den Friedhof sprangen und dort von der Erde
verschluckt wurden. Ihre Gräber, so Reuter, waren der Nukleus, von dem aus
sich der Friedhof weiter ausdehnte. Schon lange gibt es die
Märtyrergrabsteine nicht mehr, aber eine Inschriftenplatte erinnert an die
Tragödie. In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts wurde der Friedhof nach
Norden erweitert. Er habe schon damals eine große Strahlkraft gehabt,
erzählte Reuter. Es war der Ruheort der Gerechten, ein heiliger Ort. Die
Quellen berichten von Pilgerfahrten, besonders am Fast- und Trauertag Tischa
beAv (Tempelzerstörung, Kreuzzugspogrom). Man betete an den Gräbern der
'Heiligen' und wollte auch gerne in ihrer Nähe (ad santos) beerdigt werden.
Ein berühmtes Beispiel dafür sind die Ruhestätten Rabbi Meirs von Rothenburg
und Alexanders ben Salomon Wimpfen. In der frühen Neuzeit wurde eine zweite
Befestigungsmauer im Westen der Stadt errichtet. Dabei wurde durch den
Heiligen Sand der noch erhaltene Tunnel von der inneren zur äußeren Mauer
gezogen. Die Grabsteine, die damals frevelhaft verbaut wurden, sind heute in
der Friedhofswand eingemauert. Der Synagogendiener Juspa Schammes (1604 bis
1687), der uns neben seinen Wundergeschichten auch ein Minhagbuch über die
Bräuche der Gemeinde hinterlassen hat, beklagt, dass 1620 eine
Verteidigungsschanze aufgeworfen worden sei, unter der die Gräber großer
Männer, wie auch das des Rokeach, verschwunden seien. Zwischen 1613 und 1616
kam es zu Bürgerunruhen; die Juden wurden mit Hass verfolgt und auf die
andere Rheinseite vertrieben. Erst dank des Eingreifens kurpfälzischer
Truppen konnten sie wieder nach Worms zurückkehren. Der Mob hatte derweil
die Synagoge zerstört und 1000 Grabsteine aus dem Boden gerissen. Erst 1620
war das Gotteshaus wiederaufgebaut. Reuter berichtete unter vielem anderen
auch über die teilweise recht profane Nutzung des Friedhofs als Tierweide
und Wäschebleiche, über Begräbnisse, Leichenzüge, das Taharahaus
(Leichenhaus), welches das älteste noch existierende in Deutschland ist, und
die Gründung der Beerdigungsbruderschaften (Chewra Kadischa), die ab 1609
nachzuweisen sind. Es gibt im Museum noch einen silbernen Beerdigungspokal
aus diesem Jahr, eines der ältesten Judaika-Objekte Deutschlands überhaupt.
Das Grüne Buch wurde von 1561 bis 1811 geführt. Ein Becher, der heute
in New York aufbewahrt wird, ist beschriftet mit den Namen von 137
Verstorbenen, beginnend mit Samson Wertheimer, dem kaiserlichen Hoffaktor
und Oberrabbiner aus Worms. Eine besonders ergiebige Quelle, sagte Reuter,
sei das Grüne Buch, das von 1561 bis 1811 geführt wurde und unter anderem
vollständige Totenlisten ab 1581 aufführt. Mit der Emanzipation im 19.
Jahrhundert ging die Auflösung der alten Gemeinde einher, auch die
Sepulkralkultur war davon betroffen. Um 1900 wurde der Heilige Sand zum 'lieu
de memoire', aber er wurde auch schon damals als Informationsquelle zur
Geschichte der Gemeinde genutzt."
Link zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Literatur (kleine Auswahl, ausführliche
Literaturübersicht siehe die online zugängliche Publikation von Klaus Cuno S.
423-455):
| Otto Böcher: Der alte Judenfriedhof zu Worms.
(Rheinische Kunststätten 148), 5. Aufl. Worms 1984. |
| Fritz Reuter: Warmaisa. 1000 Jahre Juden in Worms. 1987². |
| Fritz Reuter/Christa
Wiesner: Der Judenfriedhof zu Worms. In: Ein edler Stein sei sein
Baldachin. Jüdische Friedhöfe in Rheinland-Pfalz. Hg. v. Landesamt für
Denkmalpflege Rheinland-Pfalz 1996.
Klaus Cuno: Die ältesten jüdischen Grabsteine in den Rheinlanden
(bis ca. 1100): onomastische Aspekte und die Traditionen der
Epitaphgestaltung seit der Antike. Dissertation Trier 2010. Online
zugänglich über http://ubt.opus.hbz-nrw.de/volltexte/2012/745/
Zu den Grabinschriften in Mainz und Worms: S. 105-414. |
vorheriger Friedhof zum ersten
Friedhof nächster Friedhof
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