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zu den Synagogen in
Baden-Württemberg
Bonfeld (Stadt Bad Rappenau, Landkreis
Heilbronn)
Jüdische Geschichte / Betsaal/Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In dem bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts den Freiherren
von Gemmingen gehörenden Bonfeld bestand eine jüdische Gemeinde von der Zeit
des 16./18. Jahrhunderts bis 1939. Bereits 1598 wird in der Judenordnung
der Reichsstadt Wimpfen Bonfeld als Wohnstätte von Juden genannt. 1717 lebten
zwei Juden im Ort. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhundert nahm die Zahl jüdischer
Familien zu, 1795 waren es bereits 14 Familien.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen
Einwohner wie folgt: 1807 92 jüdische Einwohner, 1824 98 (7,6 % von insgesamt
1.290 Einwohnern), Höchstzahl um 1852 mit 131 Personen, 1872/73 44, 1900 44,
1910 43 (4,3 % von 979 Einwohnern).
Nach der Neueinteilung der
israelitischen Gemeinden 1832 war Bonfeld Filialgemeinde zur israelitischen
Gemeinde Massenbachhausen, bis diese Gemeinde 1865 aufgelöst wurde. Seitdem war
die jüdische Gemeinde in Bonfeld wieder selbständig. An Einrichtungen
hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine jüdische Schule (im 19.
Jahrhundert zeitweise Konfessionsschule, danach noch Religionsschule bzw.
jüdischer Religionsunterricht in der Volksschule des Ortes) und ein rituelles
Bad (Lage unbekannt). Die Toten der jüdischen Gemeinde wurden in Heinsheim
und Waibstadt beigesetzt. Die Gemeinde
gehörte zum Rabbinatsbezirk Lehrensteinsfeld, nach dessen Auflösung 1864 zum
Rabbinatsbezirk Heilbronn.
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Josef Zion (geb.
19.12.1893 in Bonfeld, gef. 3.10.1916). Seine
Name steht auf dem Bonfelder Kriegerdenkmal für die Gefallenen des Ersten
Weltkrieges.
Im wirtschaftlichen Leben
des Ortes nahmen die Juden bereits im 19. Jahrhundert
einen wichtigen Platz ein.
Um 1924, als noch 42 Personen zur jüdischen Gemeinde gehörten (4,2 %
von insgesamt etwa 1.000 Einwohnern), waren die Gemeindevorsteher Max Flehinger,
Leopold Schlesinger, Julius Zion und Sigmund Zion. Den Religionsunterricht der
damals fünf jüdischen Kindern der Gemeinde erteilte Lehrer Meyer aus Massenbach.
1932 war Gemeindevorsteher Max Flehinger. Die im Schuljahr 1931/32 sieben
schulpflichtigen jüdischen Kinder der Gemeinde wurden durch Religionsoberlehrer
Straus aus Talheim
unterrichtet.
An ehemaligen, bis nach 1933 bestehenden Handels- und Gewerbebetrieben
im Besitz jüdischer Familien sind bekannt: Manufakturwarenhandlung Max Flehinger
(Kirchhausener Straße 19), Vieh- und Fruchthandlung Ferdinand Hirsch (Fürfelder
Straße 9), Viehhandlung und Metzgerei Karl Ladenburger (Sonnenstraße 13), Fam. Elias Ottenheimer
(Kirchhausener Straße 3), Viehhandlung Ferdinand und Hermann Ottenheimer (Fürfelder
Straße 14), Landesproduktenhandlung und Schuhgeschäft Leopold Schlesinger (Rappenauer
Straße 13), Lebensmittelgeschäft Mathilde und Albert Schlesinger
(Martin-Luther-Straße 42), Kolonial- und Manufakturwarenladen Sophie und Moritz Schlesinger
(Kirchhausener Straße 18), Manufakturwarengeschäft Julius und Sigmund Zion (Rappenauer
Straße 27).
1933 wurden noch 40 jüdische Einwohner in Bonfeld gezählt. Auf Grund der
zunehmenden Repressalien und der Entrechtung sowie der Folgen des
wirtschaftlichen Boykotts sind in den folgenden Jahren mehrere von ihnen
ausgewandert oder in andere Orte gezogen. Unter dem Druck örtlicher
Parteifunktionäre wurde der Boykott immer schärfer durchgeführt. Beim Novemberpogrom
1938 wurde die Synagoge demoliert (s.u.), mehrere jüdische Personen schwer
misshandelt. An den Folgen der Misshandlungen starb Hugo Heinrich Hertz 1940 im
jüdischen Krankenhaus in Frankfurt. 1941/42 wurden die noch in Bonfeld lebenden
jüdischen Personen in die Vernichtungslager deportiert.
Von den in Bonfeld geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Erna Hertz geb.
Ottenheimer (1908), Friedrich Karl Hertz (1933), Hugo Heinrich Hertz (1898),
Inge Hertz (1932), Alfred Hirsch (1929), Elise Hirsch geb. Henle (1891),
Ferdinand Hirsch (1883), Margot Hirsch (1925), Karl Ladenburger (1879), Karoline
(Kathi) Ladenburger geb. Zion (1880), Johanna Marmorstein geb. Straßburger
(1864), Emma Metzger geb. Ottenheimer (1887), Ferdinand Ottenheimer (1883),
Frieda Ottenheimer geb. Wiesenbacher (1888), Richard Ottenheimer (1924), Joseph
Schlesinger (1870), Karoline Schlesinger geb. Marx (1873), Leopold Schlesinger
(1866), Mathilda Schlesinger (1877), Simon Schlesinger (1876), Heinz Zion
(1925), Julius Zion (Frontoffizier des Ersten Weltkrieges, 1885), Sofie
Zion geb. Ottenheimer
(1898).
Berichte
aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus dem jüdischen
Gemeinde- und Vereinsleben
Chanukkafeier mit Oberlehrer Dr. Helmut Straus
(1935/1936)
Artikel in der "Gemeinde-Zeitung für die israelitischen Gemeinden
Württembergs" vom 16. Januar 1936: "Bonfeld. Für
die kleine Gemeinde Bonfeld war es eine große Freude, dass Oberlehrer
Straus mit der Bonfelder Schuljugend eine Chanukkahfeier in der
Synagoge veranstaltete. Dr. Helmut Straus hielt einen fesselnden
Vortrag, der mit großem Beifall aufgenommen wurde. Max Flehinger
dankte als Vorsteher der Gemeinde für den genussreichen
Nachmittag". |
Berichte
zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde
80. Geburtstag von Vorsteher Elias Ottenheimer (1927)
Artikel in der "Gemeinde-Zeitung für die israelitischen Gemeinden
Württembergs" vom 1. Januar 1927: "Bonfeld.
In voller geistiger und körperlicher Frische feierte der um die hiesige
Gemeinde hochverdiente Vorsteher Elias Ottenheimer im Kreise seiner
Kinder und Kindeskinder seinen 80. Geburtstag. Der Jubilar ist bereits vor
30 Jahren in das Vorsteheramt gewählt worden und gehört zu den
beliebtesten und geachtetsten Mitbürger der Gemeinde." |
Stiftung zugunsten armer Kinder
an die bürgerliche Gemeinde von Albert Offenheimer (1929)
Artikel in der "Gemeinde-Zeitung für die israelitischen Gemeinden
Württembergs" vom 16. Oktober 1929: "Bonfeld. Der aus
unserer Gemeinde stammende Kaufmann Albert Ottenheimer, Köln, hat
anlässlich des 80. Geburtstages seines Vaters Bernhard Ottenheimer
der Stadtgemeinde Bonfeld RM 10.000.- mit der Bedingung gestiftet, dass
die Zinsen alljährlich an arme Kinder verteilt
werden." |
Zur Geschichte des Betsaals / der Synagoge
Vermutlich gab es bereits in der
Mitte des 18. Jahrhunderts einen Betraum. 1753 lebte ein Rabbi Jecoff
(Jakob) in Bonfeld. Nach der starken Zunahme jüdischer Familien in der zweiten
Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde um 1780 eine Synagoge erbaut.
Sie bestand aus zwei Räumen im ersten Stock eines Wohnhauses auf den heutigen
Grundstück Rappenauer Straße 4. 1790 starb ein Bonfelder "Judenschulmeister".
Er wurde in Heinsheim begraben. In den 1803 von der Herrschaft Gemmingen
erlassenen "Instruktionspapieren" für den damaligen "Judenschultheiß" Lazarus
Ruben wurde geregelt, dass er unter anderem auf eine gute Ordnung in der Schule
(Synagoge) achten solle. Er solle vor allem "keine Händel und Zänkereien in
derselben dulden, sondern solche nach der vorhandenen Judenordnung bestrafen. Da
die Schule lediglich dem Dienste Gottes geweiht ist, und es sich nicht geziemt,
dass Vergehungen darinnen gerügt werden, so hat er die Untersuchung und
Bestrafung derselben bloß in seinem Haus vorzunehmen..." In der zugleich
verabschiedeten Judenordnung wurden die jüdischen Gemeindeglieder erinnert,
ihre Fest- und Feiertage mit Würde und Anstand zu begehen und sich allen anstößigen
Lärmens und Geräusches auf der Straße zu enthalten.
In der Zeit, als die jüdische Gemeinde Bonfelds eine
Filialgemeinde zu Massenbachhausen bildete (1832 bis 1865), wurde dennoch ein
regelmäßiger Filialgottesdienst in der Bonfelder Synagoge genehmigt, da
Massenbachhausen zwei Stunden entfernt lag.
Über 150 Jahre diente die Synagoge Bonfeld als Zentrum des
gottesdienstlichen Lebens der jüdischen Gemeinde in Bonfeld. Beim Novemberpogrom
1938 wurde die Inneneinrichtung der Synagoge durch auswärtige SA-Leute
vollkommen zerstört. Einige jüdische
Männer wurden schwer misshandelt. Hugo Heinrich Hertz erlitt schwere innere
Verletzungen, an deren Folgen er zwei Jahre später starb. Wenige Wochen nach
den Ereignissen im November 1938 wurde das Synagogengebäude verkauft und
abgebrochen.
Die geplante Aufstellung eines Gedenksteines am Platz der
ehemaligen Synagoge konnte 1988 nicht verwirklicht werden.
Fotos / Pläne
Historische Fotos / Pläne
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Karten von Bonfeld
aus dem 19. Jahrhundert mit jeweils eingetragener Synagoge an
der
Rappenauer Straße (Quelle für Karten ohne Eintragung: Heimatbuch Bonfeld
2000
s. Lit. S. 205 und vor Rückumschlag) |
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Bonfeld um 1900: links vom
Rathaus
die Kelter und das Feuerwehrmagazin
(mit dem vorgebauten "Waghäusle"),
danach die Synagoge |
Ausschnitt aus dem Foto links:
die
ehemalige Synagoge in Bonfeld mit dem
Betsaal im ersten Stock;
vermutlich
gehörten die drei Fenster links zum
Männerabteil, die beiden
Fenster
rechts zum Frauenabteil |
Innenaufnahme der ehemaligen
Synagoge (Quelle: Jüdische
Gotteshäuser und
Friedhöfe in
Württemberg. 1932. S. 59) |
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Fotos nach 1945/Gegenwart:
Fotos um 1985:
(Foto: Hahn) |
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"Keine Spur geblieben": hinter dem
Zaun lag das
Grundstück der
ehemaligen Synagoge Bonfeld |
Textvorschlag für die seit
1988
nicht realisierte Gedenktafel
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Foto 2004:
(Foto: Hahn, Aufnahmedatum 16.7.2004) |
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Die Rappenauer Straße in
Bonfeld,
vgl. historische Ansicht oben |
Blick auf das
Synagogengrundstück (unbebaute Gartenanlage), das
linke Haus ist
identisch mit dem auf dem historischen Foto zu sehenden
Haus links der Synagoge |
Links und Literatur
Links:
Quellen:
Literatur:
| Paul Sauer: Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und
Hohenzollern. 1966. S. 136-137. |
| Wolfram Angerbauer/Hans Georg Frank: Jüdische Gemeinden in
Kreis und Stadt Heilbronn. S. 101-109. |
| Germania Judaica III,1 S. 136-137. |
| "Das Geheimnis der Erlösung heißt Erinnerung". Dokumentation
der Evangelischen Kirchengemeinde Bonfeld. November 1988. |
| Bonfeld. Heimatgeschichtliche Beitröge aus Vergangenheit und
Gegenwart eines ehemals reichsritterschaftlichen Dorfes. Hg. von der Stadt
Bad Rappenau (Redaktion: Rudolf Petzold, Anne und Helmut Schüßler). 2000.
Darin von R. Petzold und Werner Schneider: Die Bonfelder Judenschaft S.
446-460.
|
| Joseph Walk (Hrsg.): Württemberg - Hohenzollern -
Baden. Reihe: Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from
their foundation till after the Holocaust (hebräisch). Yad Vashem Jerusalem
1986. S. 63-64. |
| Joachim
Hahn / Jürgen Krüger: "Hier ist nichts anderes als
Gottes Haus...". Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte
und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen. Hg. von Rüdiger Schmidt,
Badische Landesbibliothek, Karlsruhe und Meier Schwarz, Synagogue Memorial,
Jerusalem. Stuttgart 2007. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Bonfeld Wuerttemberg. The permanent Jewish
settlement dates from the second half of the 18th century, reaching a peak
population of 129 in 1854. Jews played a leading role in Bonfeld's economy,
owning stores and engaging in the cattle trade. In the Nazi era businesses
closed down and the synagogue was destroyed in the Kristallnacht disturbances
(9-10 November 1938). Half the town's 40 Jews emigrated until 1941; the rest
were deported to the east and perished.
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