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zu den Synagogen in
Baden-Württemberg
Massenbachhausen (Landkreis Heilbronn)
Jüdische Geschichte / Betsaal/Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In dem bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts den Grafen von
Neipperg (Herrschaft Schwaigern) gehörenden Massenbachhausen bestand eine jüdische
Gemeinde bis 1865, zu der seit 1832 eine Zeitlang die Juden aus Massenbach
und Bonfeld gehörten. Die Entstehung der
Gemeinde geht in das 17. Jahrhundert zurück. Erstmals werden 1684/85 Juden am
Ort genannt (Jud Berlein, 1686/87 Berlein und David, 1687/88 Berlein, Löw und
Moses). 1737 waren sieben, 1796/1800 sechs jüdische Familien am Ort.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die
Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt: 1806 42 jüdische
Einwohner, 1822 34, 1826 46, 1838 Höchstzahl von 58 Personen, 1846 54,
1858 46, 1864 18, 1871 8, 1880 8, 1890 9, 1900 8. Demnach ging in der zweiten
Hälfte ging die Zahl durch Aus- und Abwanderung schnell zurück.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine
Religionsschule und ein rituelles Bad. Die Toten der Gemeinde wurden in den
jüdischen Friedhöfen in Heinsheim und Waibstadt,
nach 1819 auch in Eppingen beigesetzt. Zur
Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war zeitweise ein Religionslehrer
angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war. 1709 wird als
Vorsänger und Schulmeister eine "Rebe" (Rabbi) Marum genannt, 1769
Rabbi Abraham. Die Gemeinde gehörte seit 1832
zum Bezirksrabbinat Lehrensteinsfeld.
Bei der Annahme erblicher Familiennamen 1828 wurden folgende Namen
gewählt: Dreifuß, Ettlinger, Meckesheimer, Meinhold, Wertheimer und
Wollenberger. Die jüdischen Familien lebten damals (1828) überwiegend vom
Vieh- und Fruchthandel, dazu gab es zwei jüdische Metzger, zwei hatten neben
dem Handel eine Branntweinbrennerei. Ende des 19. Jahrhundert richtete der aus
Berwangen stammende Kaufmann Bernhard Hochherr eine Zigarrenfabrikation in
Maschenbachhausen ein. Hochherr selbst wohnte seit 1908 in Heilbronn.
Nach Auflösung der Gemeinde wurden die
hier noch lebenden Juden der Synagogengemeinde in Massenbach
zugeteilt. 1926 verstarb die letzte jüdische Einwohnerin in
Massenbachhausen (Karoline Dreyfuß geb. Wollenberger).
Von den in Massenbachhausen geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Leopold Dreifuss (1884), Bernhard Hochherr (der
oben genannte Zigarrenfabrikant, 1870).
Berichte
aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
In jüdischen Periodika des 19./20.
Jahrhunderts wurden noch keine Berichte zur jüdischen Geschichte in
Massenbachhausen gefunden. |
Zur Geschichte des Betsaales / der Synagoge
Eine Synagoge - vermutlich ein
Betsaal in einem jüdischen Privathaus - wird erstmals 1736 genannt. Für das
"synagogische exercitium" hatte die jüdische Gemeinde der
Ortsherrschaft sechs Gulden jährlich zu bezahlen. Auch in einem Bericht vom März
1807 ist von einer Synagoge in Massenbachhausen die Rede.
1826/27 wurde von der israelitischen Gemeinde eine neue
Synagoge mit Betsaal, Schule und Lehrer-/Vorsängerwohnung erbaut. Als 1828 die
jüdischen Gemeinden in Württemberg neu eingeteilt werden sollten, wurde
Massenbachhausen auf Grund dieser neu erstellten Synagoge zum Sitz einer
vereinigten Gemeinde der Judenschaften von Massenbachhausen, Massenbach und
Bonfeld. Den Behörden war das Argument wichtig, dass die neue Synagoge in
Massenbachhausen "in mehreren Jahren keine Reparatur nötig habe". In
Massenbach und Bonfeld konnten jedoch weiter Filialgottesdienste abgehalten
werden. Auf Grund der Abwanderung der Juden aus Massenbachhausen wurde seit den
1860er-Jahren jedoch Massenbach zum Sitz der Hauptgemeinde. Die Synagoge in
Massenbachhausen wurde bis 1865 als solche genutzt, dann geschlossen, 1872
verkauft und zu einem Wohnhaus mit Scheune umgebaut. Beim Umbau wurden
zahlreiche bauliche Veränderungen vorgenommen: Wände wurden versetzt, eine
Zwischendecke eingezogen, eine Stalltüre eingebrochen usw.
Für die kirchliche Gemeinde Massenbachhausen hat das
Synagogengebäude dadurch besonderen Erinnerungswert, da in ihm 1876 Josef
Wickenhäuser zur Welt kam, später Franziskaner in Düsseldorf (genannt das
"Herrgottsbrüderle von Düsseldorf", gest. 1939). Wickenhäuser wurde
1998 vom Papst zum verehrungswürdigen Bruder Firminus ernannt.
Das Synagogengebäude kam in den 1990er-Jahren in den Besitz
der Gemeinde Massenbachhausen. Im Auftrag des Regierungspräsidiums Stuttgart
(Ref. 25 Denkmalpflege) erfolgte im Juni 2007 eine bauhistorische Untersuchung.
Ziel der Untersuchung war es, Aufschluss über das ursprüngliche Aussehen der
Synagoge zu gewinnen sowie die späteren Veränderungen zu dokumentieren.
Ergebnisse der Untersuchung waren u.a.: die ehemalige Synagoge bestand aus einem
großen Saal mit Toraschrein und großzügigen hellen Fenstern in der Ostwand.
Sie war beheizbar über einen Ofen, der eventuell gleichzeitig als Kochstelle
der Lehrer- und Vorsängerwohnung im westlichen Erdgeschossbereich diente. Über
der kleinen Wohneinheit, die vermutlich aus Küche und Kammer bestand, könnte
die Frauenempore gewesen sein.
Eine Restaurierung des Gebäudes wurde 2009/2010 durchgeführt. Die Einweihung
des restaurierten Gebäudes war am 1. August 2010. Zur Nutzung des Gebäudes
(vor allem "Firminushaus" genannt) siehe Presseartikel unten.
Adresse / Standort der Synagoge:
Gartenstraße 3
Fotos
Historische Fotos/Pläne:
(Quelle: Jüdische Gotteshäuser und Friedhöfe in
Württemberg. 1932).
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Die ehemalige
Synagoge um 1930, als sie bereits fast 60 Jahre als Wohnhaus gedient
hatte.
Über der Eingangstür ist als hebräische Inschrift zu lesen (aus 5.
Mose 28,6):
"Gesegnet bist du bei deinem Eingang und bei deinem
Ausgang". |
Fotos nach 1945/Gegenwart:
Fotos 2003:
(Fotos: Hahn,
Aufnahmedatum 15.9.2003) |
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Zustand des ehemaligen
Synagogengebäudes |
Blick von
Südwesten |
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Blick von
Nordwesten |
Eingangstüre des schon lange
unbewohnten Gebäudes |
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Ergebnis der bauhistorischen
Untersuchung im Juni 2007
(Quelle: Website
strebewerk) |
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Die Karte zeigt vor allem zwei
Bauphasen:
blau: Phase I um 1826/27,
grün Phase II um 1872 |
Die
ehemalige Synagoge
vor Beginn der
Restaurierungsarbeiten |
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Renovierung und Umbau
des
ehemaligen Synagogengebäudes (2009)
(Quelle: wikimedia
commons) |
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Nach Abschluss der
Renovierung
im Herbst 2009 |
Einzelne Presseberichte
November
2009: Die Sanierung der ehemaligen Synagoge
ist abgeschlossen |
Artikel in der
"Heilbronner Stimme" vom 3. November 2009 (Artikel):
"Firminushaus saniert.
Massenbachhausen - Das Firminushaus in Massenbachhausen steht kurz vor der Vollendung. Eine Truppe Ehrenamtlicher hat das Haus umgebaut, über dessen Abriss bereits nachgedacht worden war. Der Förderverein Denk-Mal setzte alles daran, das Geburtshaus von Bruder Firminus, das auch mal Synagoge war, zu
erhalten. Papst Johannes Paul II. hatte den 1876 in Massenbachhausen
geborenen, späteren Franziskanermönch mit weltlichem Namen Josef Wickenhäuser 1998 wegen seines menschlichen und geistlichen Wirkens zum "Verehrungswürdigen Diener Gottes"
ernannt. Daher setzte sich auch das Bruder-Firminus-Werk in Düsseldorf für den Erhalt des Gebäudes ein. 200 000 Euro kostete die Sanierung trotzt vieler freiwilliger Stunden. Ein Großteil, auch Material, ist über Spenden finanziert, einen Teil schießt die Denkmalstiftung Baden-Württemberg zu, ein Teil rechnet die Gemeinde über das Landessanierungsprogramm ab. Im Frühjahr 2010 soll das Haus eingeweiht werden." |
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August
2010: Das restaurierte ehemalige
Synagogengebäude wird eingeweiht |
Artikel in der "Heilbronner
Stimme" vom 28. Juli 2010 (Artikel):
"Firminushaus wird am Sonntag eingeweiht.
Massenbachhausen - Seit Mai 2007 wurde am Massenbachhausener Firminushaus geschuftet und gewerkelt. Am kommenden Sonntag, 1. August, wird es eingeweiht. Unter der Regie von Horst Baumgärtner haben zahlreiche Helfer das damals baufällige Geburtshaus von Bruder Firminus Wickenhäuser zum Schmuckstück umgebaut. Insgesamt wurden dabei rund 4000 Stunden ehrenamtliche Arbeit geleistet." |
Interview
mit Bürgermeister Christoph Schulz: "4000 ehrenamtliche Stunden für ein Schmuckstück.
Seit Mai 2007 wurde am Massenbachhausener Firminushaus geschuftet und gewerkelt. Am kommenden Sonntag, 1. August, wird es eingeweiht. Unter der Regie von Horst Baumgärtner haben zahlreiche Helfer das damals baufällige Geburtshaus von Bruder Firminus Wickenhäuser zum Schmuckstück umgebaut. Gabi Muth sprach mit Bürgermeister Christoph Schulz über die außergewöhnliche Aktion.
Wie viele Stunden haben die Helfer eingebracht und wie groß war die Spendenbereitschaft?
Christoph Schulz: Insgesamt wurden rund 4000 Stunden ehrenamtliche Arbeit geleistet. Es sind Spenden von sage und schreibe über 83 000 Euro eingegangen.
Was sagen Sie zu dem Engagement der fleißigen Truppe − hätten Sie das vor drei Jahren gedacht, als mit den Arbeiten begonnen wurde?
Christoph Schulz: Das Engagement ist sicherlich über alle Maßen bemerkenswert. Gerade bei der Sanierung alter Gebäude ist man vor Überraschungen schließlich nicht gefeit. In der Regel gehen solche Überraschungen leider auch immer mit deutlichen Mehrkosten und einer Verlängerung der Bauzeit einher. Dass die Männer trotzdem bis zum Schluss bei der Stange geblieben sind, ist sicher dem unvorstellbaren Engagement von Horst Baumgärtner zu verdanken, der sich zu keiner Zeit von der Vollendung des Werkes abbringen ließ.
Am Sonntag ist Einweihung. Wie soll das Haus mit Leben gefüllt werden?
Christoph Schulz: Im Erdgeschoss befinden sich ein Andachts- und ein Ausstellungsraum, der natürlich dem dort Geborenen gewidmet wird. Künftig sollen Lesungen, Ausstellungen und interessante Vorträge stattfinden. Im Obergeschoss des Gebäudes befinden sich eine Küche, ein Esszimmer und eine Stube, im Dachgeschoss zwei Zimmer mit je zwei Betten und einer Dusche. Diese Übernachtungsmöglichkeiten können als Ferienwohnungen gebucht werden. Der Service steht allen offen, die beispielsweise im Rahmen von Familienfeiern oder als Radfahrer eine Unterkunft suchen. Was mich in dem Zusammenhang ganz besonders freut − und die Dauernörgler vielleicht oder hoffentlich ärgert − ist, dass derzeit beide Zimmer für mehrere
Wochen ausgebucht sind. Buchen kann man das Firminushaus über firminus@massenbachhausen.de.
Bleibt das Haus im Besitz der Gemeinde oder wird es an den Förderverein Denkmal übergehen?
Christoph Schulz: Die Gemeinde wird immer Eigentümer bleiben. Da ich die Annahme vertrete, dass an einen Verein honoriger gespendet wird, war vorgesehen, das Firminushaus symbolisch im Rahmen der Einweihung an den Verein zu übergeben. Hierzu bedarf es einer Satzungsänderung, die für die Sitzung im Herbst vorgesehen ist." |
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Artikel von Stefanie Pfäffle in der "Heilbronner Stimme" vom
3. August 2010 (Artikel): "Kleinod mit Hühnerschlupf.
Massenbachhausen - Nur 35 000 Euro, das sollte alles sein, was zur Renovierung des Geburtshauses von Firminus Wickenhäuser, Franziskanermönch und Bildhauer, noch fehlte. "Und da fiel im Rahmen einer Sitzung des Fördervereins Denk-Mal diese unvorstellbare und im ersten Moment sicher gar nicht greifbare Aussage von Horst Baumgärtner", erinnert sich Massenbachhausens Bürgermeister Christoph Schulz und zitiert: "Also daran kann es nicht scheitern. Ich werde umsonst arbeiten und örtliche Handwerker und Freunde finden, die mir helfen." Und er hat sie gefunden. Am vergangenen Sonntag feierte der Ort mit einem kleinen Fest die Einweihung des Firminushauses.
Zwischen den beiden Ereignissen liegen allerdings drei Jahre und 4000 Arbeitsstunden von 46 ehrenamtlichen Helfern. Bei einer 40-Stunden-Woche wären das fast zwei Jahre, und das nur für ein Dankeschön. "Da fehlen nicht nur mir die Worte", betont Schulz.
Vermodertes Holz Einsturzgefährdet war das alte Haus schon lange. Auf Bildern im Innern ist Architekt Hans-Peter Weinreich zu sehen, wie er fast ungläubig auf die vermoderten Balken der Zwischendecke blickt. Jahrelang hatte Nässe von oben und unten ihr Werk getan. Bausubstanz musste in Ordnung gebracht, vermodertes Holz ergänzt werden. Einfach rausreißen ging nicht, denn schließlich steht das 1736 erstmals urkundlich erwähnte Haus − eine ehemalige Synagoge − unter Denkmalschutz. Historisch Wertvolles wie ein Balken, der auf den Toraschrein der Synagoge hinweist, wurde erhalten. "Schön sind so kleine Details wie der Hühnerschlupf in der alten Treppe", findet Weinreich.
30 Gewerke waren insgesamt beteiligt, 17 davon konnten in Eigenleistung bewältigt werden. Horst Baumgärtner erinnert sich an zwei besonders schwierige Abschnitte. Die Grundmauern hatten kein Fundament, also mussten die Helfer einen Meter Erde abtragen, einen Meter stehen lassen und so weiter. Die Löcher wurden mit Beton gefüllt und dann noch mal umgekehrt. "Da dachten viele, die schaffen und schaffen und man sieht nichts."
Schulz freut sich sichtlich über das neue Kleinod seiner Gemeinde. "Als ich vor 16 Jahren im Wahlkampf unterwegs war, wurde mir beim Anblick des baufälligen Hauses entgegnet, da könnte man mal eine Feuerwehrübung machen." Jetzt hat sich viel getan. Das Haus bekam nicht nur ein Fundament, sondern auch Dachgauben, Duschen, einen Andachtsraum, einen Ausstellungsraum sowie ein zusätzliches Zimmer im Dachgeschoss.
Gästezimmer Zu Beginn beherbergt der Ausstellungsraum Informationen und Bilder über Bruder Firminus. Es soll aber auch andere Themen, Lesungen und Vorträge geben. Die beiden Gästezimmer sind bereits auf Wochen ausgebucht. Eine Dame aus Dresden hatte das Firminushaus im Internet gefunden und für zehn Wochen gebucht. "Sie hat aus ihrem Hotel noch einen anderen Gast abgeworben, der voraussichtlich mehrere Monate bleiben wird", erzählt der Bürgermeister bei der Eröffnung.
Das ist auch gut so, denn noch ist das Projekt nicht komplett finanziert. Die geschätzten 150 000 Euro Baukosten stiegen auf 230 000 Euro. 180 000 Euro sind durch das Land und durch Spenden (mehr als 83 000 Euro) abgedeckt. Der Förderverein wird etwa durch den Verkauf von Firminuströpfle und Firminuswein weiter Geld sammeln." |
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Juni 2019:
Forschungen zur Geschichte der
Zigarrenfabrik von Bernhard Hochherr
Anmerkung: Im Gebäude Sinsheimer Straße 18 eröffnete Bernhard
Hochherr 1898 eine seiner ersten Zigarrenfabriken. Durch ihn fanden rund
hundert Menschen am Ort Beschäftigung. Heute ist das Haus das
Asylbewerberwohnheim. |
Artikel von Gabi Muth in der
"Heilbronner Stimme" vom 7. Juni 2019: "In diesem Haus im Leintal wurden
einst Tabakblätter gewickelt
Massenbachhausen. 1898 gründete Bernhard Hochherr in Massenbachhausen
eine Zigarrenfabrik, die 100 Menschen Arbeit gab. In der NS-Zeit wurde der
jüdische Unternehmer enteignet und ins KZ gesteckt. In Heilbronn werden nun
Stolpersteine für ihn und seine Tochter verlegt.
Ein unbändiger Unternehmergeist zeichnete ihn aus. Er war innovativ und
zeigte bereits Ende des 19. Jahrhunderts seinen Arbeitnehmern gegenüber
soziale Verantwortung: Bernhard Hochherr eröffnete 1898 in Massenbachhausen
die ersten beiden Standorte einer florierenden Zigarrenfabrik. Er
expandierte und gründete mehrere Produktionsstätten. 1937 lag der Umsatz bei
stolzen 2,4 Millionen Reichsmark, was heute etwa 9,8 Millionen Euro
entspricht. Während der Zeit des Nationalsozialismus verlor Bernhard
Hochherr alles, starb am Ende als 71-Jähriger im Konzentrationslager
Theresienstadt. Am Montag, 1. Juli, werden für ihn und seine Tochter Grete
in Heilbronn zwei Stolpersteine verlegt.
Biografie über den Unternehmer verfasst. Das Gebäude in der
Sinsheimer Straße 18 ist jedem in Massenbachhausen bekannt. Viele Jahre
dienten die Räumlichkeiten als Kindergarten und als Jugendhaus. Heute
beherbergt es Asylbewerber. Doch kaum einer kennt die Historie des Hauses.
Karl-Heinz Vetter, der für den Förderverein Denkmal das Ortsfamilienbuch
erstellt hat, hat über den Unternehmer Hochherr eine interessante Biografie
verfasst. 1870 wurde Bernhard Hochherr als Sohn jüdischer Eltern in
Berwangen geboren. Die Gabe, ein guter
Geschäftsmann zu sein, bekam er wohl in die Wiege gelegt. Denn bereits der
Vater war Handelsmann. Mit 28 Jahren wagte Bernhard Hochherr den Schritt in
die Selbstständigkeit, zog nach Massenbachhausen und eröffnete in der
Sinsheimer Straße 18 und der Fürfelder Straße 39 seine ersten
Produktionsstätten. 'Die Zigarrenindustrie war aufstrebend, im ausgehenden
19. Jahrhundert hat die Zigarrenproduktion einen richtigen Boom erfahren',
weiß Karl-Heinz Vetter.
Eine Krankenkasse für die Mitarbeiter. 1900 heiratete Hochherr seine
Frau Maria, ein Jahr später kam Tochter Ilka zur Welt. Bereits 1905
beschäftigte der Geschäftsmann in Massenbachhausen 98 Männer und Frauen -
und gründete eine Fabrikkrankenkasse, der alle Beschäftigten angehörten und
aus der sie im Krankheitsfall einen Obolus erhielten. Das Zigarrengeschäft
florierte. Bald wurden auch in Fürfeld, in Rot, in Rettigheim, in Eichelberg
und in Walldorf Tabakblätter gewickelt und in Heidelberg ein neuer
Verwaltungssitz errichtet. Dabei war die Zigarrenherstellung eine kleine
Kunst. Denn die auf große Ballen aufgerollten getrockneten Blätter mussten
zunächst für einige Tage in die Anfeuchtkammer. Dort wurden sie weich und
geschmeidig. Es folgte das Ausrippen, das ist das Schneiden der Blätter vom
Stängel. Anschließend wurden sie walzenförmig aufgewickelt und in
Formbrettern getrocknet.
Stumpen für die kleinen Leute. 'Die Zigarre war teuer. Sie wurde von
der Mittel- und der Oberschicht geraucht', erzählt Karl-Heinz Vetter. Für
den kleinen Mann stellte Bernhard Hochherr deshalb aus den Resten der
Tabakblätter den so genannten Stumpen her. 1908 zog er nach Heilbronn, 1909
wurde dort die zweite Tochter Hilda geboren. Im selben Jahr verstarb seine
Frau Maria - für Hochherr ein schwerer Schicksalsschlag. Er nahm zur
Unterstützung seine Brüder Simon und Ferdinand mit in die Geschäftsleitung,
zog sich selbst aus dem Unternehmen zurück und gründete 1911 die 'Bernhard
Hochherr & Co. GmbH' in Walldorf. Die
Tochter des letzten jüdischen Lehrers in Massenbachhausen, Ida Reis, wurde
Bernhard Hochherrs zweite Ehefrau. Aus dieser Beziehung stammt Tochter
Grete. Sie emigrierte 1938 nach Port Elizabeth, ihre älteren Halbschwestern
in die USA. Im Zuge der Arisierung enteigneten die Nationalsozialisten
Bernhard Hochherr. Die Firma, seine Grundstücke und sein Vermögen fielen in
die Hände des damaligen Regimes. Am 22. August 1942 wurde er in das
Konzentrationslager Theresienstadt deportiert, wo er am 31. August starb.
Nachfahren kommen zur Stolpersteinaktion. Die Geschichte des
Unternehmers Bernhard Hochherr hat Karl-Heinz Vetter dazu bewogen, ihn und
seine Tochter Grete für die Stolpersteinaktion in Heilbronn vorzuschlagen.
Sein Anliegen hatte beim Runden Tisch Erfolg. Am Montag, 1. Juli, findet in
der Käthchenstadt die Verlegung von insgesamt 17 Stolpersteinen durch den
Künstler Gunter Demnig statt. Zwei davon sind Bernhard Hochherr und seiner
Tochter Grete gewidmet. Karl-Heinz Vetter ist es gelungen, 17 Nachfahren von
Bernhard Hochherr ausfindig zu machen, die für dieses denkwürdige Ereignis
aus den Niederlanden, aus Italien, Südafrika, Kanada und den USA anreisen.
Am Sonntag, 30. Juni, besuchen die Gäste um 13 Uhr die beiden ehemaligen
Fabrikstandorte in Massenbachhausen und verweilen bei Kaffee und Kuchen im
örtlichen Firminushaus."
Link zum Artikel |
Siehe auch Artikel von Gabi Muth
in der "Rhein-Neckar-Zeitung" vom 24. Juni 2019: "Das ist die bewegte
Geschichte der Zigarrenfabrik von Bernhard Hochherr"
Link zum Artikell
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Artikel von Brigitte Fritz-Kador
in der "Rhein-Neckar-Zeitung" vom Juli 2019 (ergänzende
Hinweise zu dem Artikel von Karl-Heinz Vetter):
"Massenbachhausen. Familie
Hochherr ist ihrer Geschichte auf der Spur
18 Nachfahren des jüdischen Unternehmers kamen nach Deutschland, um sich und
ihren Vorfahr kennenzulernen
Heilbronn. Zwischen Heilbronn, Heidelberg, Massenbachhausen und
Berwangen spielte sich im letzten
Jahrhundert eine besondere jüdische Familiengeschichte ab - heute setzt sie
sich zwischen drei Kontinenten fort: Europa, hier die Länder Italien,
England und Holland, Amerika, hier die USA und Kanada und Südafrika. Dank
Karl-Heinz Vetter kam ein denkwürdiges Familientreffen zustande. Bei der
Arbeit für das Ortsfamilienbuch des Massenbachhausener Fördervereins
'Denk-Mal' stieß er auf die Geschichte der Familie Hochherr. Gewiss konnte
er damals noch nicht ahnen, welche Konsequenzen daraus erwachsen würden. Von
ihr beeindruckt, begann er, sie in allen Details zu erforschen, in
mühevoller Recherche nach Familienmitglieder zu suchen und alles zu
dokumentieren. Am Ende haben er und Mitgliedern des Vereins die Reise, den
Aufenthalt, das Programm für die Hochherr-Nachfahren und die
Stolperstein-Verlegung für Bernhard Hochherr und seine Tochter Grete in
Heilbronn organisiert, mit vielfältiger Unterstützung auch von außerhalb des
Vereins, wie Vetter sagt.
Foto
links: Bernhard Hochherr mit seiner zweiten Frau Ida geb. Reiss aus
Massenbach (1910; Foto aus dem Besitz der Familie Kaufmann; erhalten über
Karl-Heinz Vetter).
18 Nachfahren des
jüdischen Zigarrenfabrikanten Bernhard Hochherr und seiner Brüder Simon und
Ferdinand (von der 'Heidelberger Linie') sind gekommen. Dass sie von den
Hochherrs abstammen, denen noch die Flucht aus Nazi-Deutschland gelang,
wussten alle, viele sprechen auch noch gut Deutsch. Nicht aber, dass und wie
viele Verwandte sie noch in anderen Ländern haben, welche Schicksale auch
dahinter stehen. Das Smartphone wird fleißig genutzt, es werden Fotos
gemacht von den Lebensstationen ihrer Vorfahren, Tonaufnahmen und Videos,
auch von den Geschichten, die man sich untereinander zu erzählen hat, auf
Deutsch oder auf Englisch. In Heilbronn haben sie einen Film gesehen, der
auf dem Tagebuch der Flucht von Franz Joseph, verheiratet mit Erika,
geborene Hochherr, einer Tochter von Ferdinand, beruht. Was Avital Toren
sagt, unterstreichen auch einige aus der Gruppe: Es wurde nichts oder zu
wenig von dieser fürchterlichen Zeit erzählt, ein nicht wieder gut zu
machendes Versäumnis und vielleicht auch einer der Gründe dafür, an der
Reise teilzunehmen. Avital Toren bestätigt auch den Eindruck, den man schon
bei der ersten Begegnung gewinnt: Niemand von ihnen ist ablehnend, von
Vorurteilen oder Vorbehalten geprägt, alle sind neugierig und
aufgeschlossen. Nach dem Empfang im Amtszimmer von Oberbürgermeister Harry
Mergel bedankte sich Paul Joseph und sagte: 'Wenn es die Jahre zwischen 1933
und 1945 nicht gegeben hätte, dann wären wir jetzt alle ihre Mitbürger.'
Zuvor hatte Mergel von den Bemühungen der Stadt berichtet, von dem Unheil,
an dem auch Heilbronner beteiligt waren und dem 'Tag der Schande', als bei
der Reichspogromnacht vom 9. November 1938 auch die
Heilbronner Synagoge niederbrannte und
dass dies unvergessen bleiben wird.
Foto:
Grete geb. Hochherr mit ihrem Mann Bruno Kaufmann; die Kinder links und
rechts sind Mike und Isabel Kaufmann, die bei der Stolpersteinverlegung
anwesend waren (1949; Foto aus dem Besitz der Familie Kaufmann; erhalten
über Karl-Heinz Vetter)
Im Gedächtnis der Stadt werden nun auch
Bernhard Hochherr und seine Tochter Grete bleiben, für die in der
Frankfurter Straße 39 zwei Stolpersteine gelegt wurden. Auch der Künstler
Gunter Demnig, der sie seit 1992 verlegt um den Opfern einen Namen zu geben
- inzwischen sind es etwa 70.000 Steine - hat selten so viele ihrer
Nachfahren bei diesem Anlass erlebt. Vor dem unscheinbaren Nachkriegsbau
steht eine Staffelei mit zwei Familienbildern, darunter eine Vase mit gelben
Rosen. Herbert Hess (sc. Enkel von Bernhard Hochherr, Sohn seiner zweiten
Tochter Hilda Hochherr; Hilda ist mit ihrer Schwester ihren Männern und den
Kindern 1938 von Karlsruhe in die USA emigriert) liest aus der Familienchronik von Vetter vor, Pfarrer
Günter Spengler vom 'Runden Tisch Stolpersteine' in Heilbronn steht, bittet
um eine Gedenkminute. Und dann gibt es diesen besonderen Moment, in dem
Geschichte und Schicksal unmittelbar greifbar werden, als weitere
Familienmitglieder vortreten und auch um ein Gedenken an ihre weiteren
Verwandten und Opfer bitten. Die Gruppe besuchte auch den
Jüdischen Friedhof in Heilbronn. An
zwei Familiengräbern wird das Kaddisch, das jüdische Totengebet, für die
hier Begrabenen gesprochen und auf die Grabsteine Marmorkiesel gelegt, dem
jüdischen Brauch entsprechend. Das Mahnmal in der Mitte des Friedhofs, auf
dem alle Namen der ermordeten Heilbronner Juden stehen, beeindruckt die
kleine Gruppe zutiefst. Am Ende sagt Paul Joseph, der aus Holland kommt und
mit seinen 81 Jahren zusammen mit (Herbert) Hess zu den ältesten zählt, dass seine
Familie dann, wenn dem gegenwärtigen Antisemitismus in Holland nicht Einhalt
geboten werde, überlege, wieder nach Deutschland zurückzukehren. Hier habe
man sich mit der Vergangenheit auseinandergesetzt. Seine Mutter aber habe es
nicht fertig gebracht, nach dem Krieg noch einmal von Holland nach
Deutschland zurückzukehren."
Link zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Paul Sauer: Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und
Hohenzollern. 1966. S. 126. |
| Wolfram Angerbauer/Hans Georg Frank: Jüdische Gemeinden in
Kreis und Stadt Heilbronn. 1986. S. 160-163. |
| Gabi
und Rolf Muth: Chronik der Gemeinde Massenbachhausen. Hg. Gemeinde
Massenbachhausen. Weinsberg 1999, hierin Abschnitt von Eberhard Schnotz:
"Juden in Massenbachhausen" S. 53-58. |
Zu dem im Synagogengebäude geborenen Bruder Firminius Wickenhäuser:
Wikipedia-Artikel
zu Firminius Wickenhäuser
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