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Burgsinn (Main-Spessart-Kreis)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Burgsinn bestand eine jüdische Gemeinde bis 1938/39.
Ihre Entstehung geht mindestens in die Zeit des 18. Jahrhunderts zurück. Die
Ortsherrschaft der Freiherren von Thüngen hatten die ersten jüdischen Familien
aufgenommen.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1816 81 jüdische Einwohner (7,2 % von insgesamt 1.131), 1867 87 (6,0 %
von 1.450), 1880 70 (4,2 % von 1.668), 1892 70, 1893 81, 1897 55, 1900 63 (3,9 % von 1.618).
Bei der Erstellung der Matrikellisten 1817 wurden 14 Matrikelplätze für
Burgsinn festgelegt. Dabei werden die folgenden Familienvorstände genannt (mit
neuem Familiennamen und Erwerbszweig): Wolf Feist Heidelmeyer (Viehhändler),
Wolf Löw Neumann (Viehhändler), Mardochai (Matochia) Buchsbaum (Alteisenhandel
und Botengehen), Abraham Lämle Stern (Ellenwarenhandel), Wolf Geis Weinstock
(Lumpenhändler), Abraham Lippmann Stein (Viehhändler), Joseph Mayer Straus
(Mäkler), Beßle, Witwe von Samuel Hirsch Blum (Kleinwarenhändler [Scheren,
Messer, Gabeln]), Witwe von Jüdlein Mayer Lilienthal (), Salomon Jonas
Schafheimer (Spezerei- und Lumpenhändler), Abraham Nesen Schiff
(Ellenwarenhändler) Jakob Juda Hamburger (Ellenwarenhändler), Nathan Abraham
Schaff (Ellenwarenhändler), Nathan Lippmann Stein (Viehhändler), Jüdlein Wolf
Heidelmeyer (Feldbau, seit 1819), ohne Matrikelstelle Lehrer Simson Markus (war
zugleich als Buchbinder tätig).
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine
Synagoge (s.u.), ein Schulhaus mit Lehrerwohnung (Am Lindenberg 17) und ein rituelles Bad
(Schmiedegasse). Die Toten der Gemeinde
wurden auf dem jüdischen Bezirksfriedhof in Altengronau
beigesetzt. Zur Besorgung von religiösen Aufgaben der Gemeinde war
ein Religionslehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schächter tätig
war. 1817 wird als Lehrer Simson Markus genannt. Seit dem Tod des letzten Lehrers in Rieneck
1872 stellten die in Burgsinn und Rieneck wohnhaften jüdischen Familien einen
gemeinsamen Lehrer an, der zugleich als Vorbeter und Schochet in den beiden
Gemeinden tätig war (vgl. Ausschreibungstexte unten). Rieneck war seitdem Filialgemeinde zu Burgsinn.
Unter den Lehrer Ende des 19. Jahrhunderts waren Lehrer Weinstock (um 1870),
Siegfried Freudenberger (1880er-Jahre), H. Heinemann (um 1889), Salomo Stern (bis 1891), M.
Rosenberger (um 1892(1896), S. Blumenthal (um 1897), Jonathan Uhlfelder (1899/1903,
siehe Texte unten). 1892 besuchten die Religionsschule 18 Kinder, um 1896/1899
zehn Kinder. 1901 wurden auch die jüdischen Kinder in
Oberthulba durch Lehrer J. Uhlfelder
unterrichtet.
Von den Gemeindevorstehern werden genannt: um 1873 J.B. Heidelberger, um 1889/1898 Aron Heidelberger,
um 1907/1908 S. Hamburger, später Siegmund Heinemann. um 1924/32 Oskar Hamburger
und Emanuel Stein (s.u.).
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde Adolf Hamburger
(geb. 12.1.1888 in Burgsinn, gest. 14.9.1914 in Gefangenschaft), Abraham
Stein (geb. 12.4.1874 in Burgsinn, gef. 30.7.1917), Simon Stiefel (geb.
13.7.1875 in Hochhausen, gef. 19.10.1918). Die Namen stehen auf dem Kriegerdenkmal für die Gefallenen beider Weltkriege aus
Burgsinn auf dem Gelände der Grünanlage an der Wasserburg unweit der
"Tourist-Information".
An jüdischen Vereinen bestand ein 1897
gegründeten Wohltätigkeitsverein, um 1924 unter Leitung von Siegmund Heinemann.
Um 1924, als 43 jüdische Gemeindeglieder gezählt wurden (2,15 % von
insgesamt etwa 2.000 Einwohnern), waren die Vorsteher der Gemeinde Oskar
Hamburger und Emanuel Stein (einige frühere Vorsteher sind unten in den
Ausschreibungstexten der Lehrerstellen genannt). Als Vorbeter war Adolf Heinemann tätig, als Lehrer
kam Raphael Adler aus Mittelsinn (bis zu
seinem Weggang nach München 1924) regelmäßig in den Ort. Er übernahm auch das
Schächten. Die Gemeinde gehörte zum Rabbinatsbezirk Bad
Kissingen. 1932
waren die Gemeindevorsteher weiterhin Oskar Hamburger und Emanuel Stein. Als
Schatzmeister ist Adolf Fleischhacker eingetragen. Er übernahm gemeinsam mit
Adolf Heinemann den Vorbeterdienst. Religionsunterricht erhielten damals noch
sechs jüdische Kinder, weiterhin durch den Lehrer aus
Mittelsinn (inzwischen Siegfried Strauß).
1933 lebten noch 49 jüdische Personen in Burgsinn (2,5 % von
insgesamt etwa 2.000). Zunächst konnte das jüdische Gemeindeleben ohne
größere Probleme fortgeführt werden, sodass bis 1936 nur fünf jüdische
Einwohner den Ort verließen; bis November 1938 waren es auf Grund der auch in
Burgsinn immer stärkeren Repressalien und der Folgen des wirtschaftlichen
Boykotts jedoch bereits 24 Personen. Als Gemeindevorsteher wird 1937 (bei der
Beisetzung von Lotte Stiefel s.u.) Adolf Heinemann genannt. Zu Beginn des Schuljahres 1936/37 wurde den
jüdischen Kindern der Besuch der Volksschule am Ort verboten; seitdem besuchten
sie die jüdische Volksschule in Mittelsinn. Im März 1938 wurden in
einigen jüdischen Häusern die Fenster eingeschlagen. Von Seiten der
nichtjüdischen Bevölkerung zeigten sich dennoch immer wieder auch Zeichen der
Sympathie für die jüdischen Einwohner. Im November 1938 waren noch 20
jüdische Personen am Ort, 16 von ihnen verließen Burgsinn bis Mitte 1939. 1940
lebten nur noch drei jüdische Personen in Burgsinn. Sie wurden am 27. November
1941 über Würzburg in Vernichtungslager des Ostens deportiert.
Von den in Burgsinn geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"), ergänzt durch einzelne Angaben aus Strätz,
Biographisches
Handbuch der Würzburger Juden): Adolf (Aron) Fleischhacker (1898), Max Fleischhacker (1888),
Karoline (Lina) Fleischhacker geb. Neumann (1882), Recha Fleischhacker geb.
Neumann (1886), Malchen Goldschmidt geb. Heidelberger (1881), Meta Hamburger
(1889), Richard Hamburger (1931, ermordet in der Tötungsanstalt Schloss
Hartheim ["Euthanasie"]), Adolf Heinemann (1873), Emma Heinemann
geb. Schuster (1880), Heinrich Heinemann (1908), Sophie Münz geb. Heidelberger
(1878), Albert (Abraham) Neumann (1875), Meta (Melly,
Milita) Neumann (1890), Meta Reich geb. Stein (1888), Ruth Reich (1922), Samuel
Schiff (1856), Babette Sommer geb. Neumann (1855), Amalie Stein geb. Blum
(1868), Moses Strauss (1868), Bertha Veilchenblau geb. Heinemann (1868), Hertha
Weingarten geb. Stiefel (1900).
An die jüdische Gemeinde erinnert eine Gedenktafel im Rathaus (Burgweg
1) mit der Inschrift: "In Burgsinn bestand bis 1940 eine Jüdische
Kultusgemeinde, Synagoge Fellener Straße 14, die in der Pogromnacht 1938
geschändet wurde. Der Markt Burgsinn gedenkt seiner ehemaligen jüdischen
Mitbürger.".
Berichte aus der
Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Lehrers / Vorbeters / Schochet 1872 / 1889 / 1891
/ 1898 / 1907 / 1908
Die Stelle war relativ häufig neu zu besetzen, wie Ausschreibungen in
der Zeitschrift "Der Israelit" zeigen. Nachstehend finden sich
Ausschreibungen aus den Jahren 1873, 1889, 1898, 1907 und 1908. Als Namen der
unterzeichnenden Gemeindevorsteher (Kultusvorstand) werden genannt: 1873
J.B. Heidelberger, 1889 und 1898 Aron Heidelberger, 1907 und 1908 S. Hamburger.
In den 1920er-Jahren hatte die Gemeinde Burgsinn keinen eigenen Lehrer mehr. Der
Lehrer aus Mittelsinn übernahm den Unterricht der jüdischen Kinder.
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. Januar 1873:
"Die Israelitischen Kultusgemeinden Burgsinn und Rieneck wollen
gemeinschaftlich einen Religionslehrer aufnehmen, der seinen Sitz in Burgsinn, auch daselbst den Vorsängerdienst zu versehen, die
Schächterfunktion aber in beiden auszuüben hat, welche jetzt durch die
Bahn sehr nahe beisammen sind. Der Gehalt des Lehrers beträgt 300 Gulden
Fixum, freie Wohnung, 2 Klafter Holz, 100 Wellen; die Schächterfunktion
in beiden Orten trägt mindestens 150 Gulden. Es ist wöchentlich 3mal
Unterricht in Rieneck zu erteilen. Bewerber wollen sich gefälligst an den
Unterzeichneten wenden.
Burgsinn, 5. Januar 1873. J.B. Heidelberger, Kultusvorstand." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der
Israelit" vom 5. September 1889: "Die hiesige
Religionslehrerstelle und Schächterfunktion mit Filiale nächste
Bahnstation Rieneck ist frei und soll dieselbe bis 1. Oktober wieder
besetzt sein. Dieselbe gewährt ein jährliches Einkommen von 1.200 Mark.
Es erhält jedoch zur Probeleistung nur solcher Reisevergütung, welcher
die hiesige Stelle erhält. Bewerber wollen sich sofort unter Beifügung
ihrer Zeugnisse an den Unterzeichnete wenden.
Burgsinn, 27. August (1889). Aron Heidelberger, Kultus-Vorstand." |
|
Bis 1891 war Salomo Stern Lehrer. Er
wechselte in dieser Jahr nach Miltenberg.
Nach seinem Weggang erschien die folgende Anzeige: |
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. Juli 1891: Die
Religionslehrer-, Vorbeter- und Schächterstelle dahier, verbunden mit
Filiale, nächste Bahnstation Rieneck, ist vakant und soll bis längstens
15. August wieder besetzt sein. Gehalt beträgt Fixum 600 Mark, sowie
Nebeneinkünfte und sehr schöne freie Wohnung und Beheizung. Bewerber
wollen sich sofort mit Vorlage ihrer Zeugnisse an den Unterzeichneten
wenden, welcher sich zu allen näheren Aufschlüssen bereit erklärt.
Reise-Entschädigung wird jedoch nur dem Gewählten vergütet. Aron
Heidelberger, Kultusvorstand. Burgsinn, 16. Juli 1891." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der
Israelit" vom 23. Juni 1898:
"Die hiesige Religionslehrer-,
Vorbeter- und Schächterstelle mit Filiale Rieneck, ist vakant und alsbald
zu besetzen. Fixes Gehalt 600 Mk. Nebeneinkommen incl. der Schechita ca.
50 Mk., nebst schöner Dienstwohnung und Garten, sowie freier Beheizung.
Reisespesen werden nur dem Gewählten vergütet. Bewerber wollen ihre
Gesuche nebst beglaubigten Zeugnisabschriften senden an
Aron Heidelberger,
Kultus-Vorstand, Burgsinn, Unterfr." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der
Israelit" vom 27. Juni 1907:
"Die Religionslehrer-, Vorbeter und
Schächterstelle
bei der Kultusgemeinde Burgsinn, verbunden mit Rieneck,
soll baldigst wieder besetzt werden. Das fixe Einkommen beträgt bei
freier Wohnung mit Garten 600 Mark, die Nebeneinkünfte mit
Schächterfunktion ca. 400-400 Mk. Bewerber wollen sich baldigst melden an
S. Hamburger, Kultusvorstand, Burgsinn." |
1908 fällt auf, dass Rieneck in der
Ausschreibung nicht mehr genannt ist: |
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. September 1908.
"Die Religionslehrer-, Vorbeter und Schächterstelle
in Burgsinn mit
einem Ertrag von Mark 1.200 ist baldigst zu besetzen. Diese Stelle ist
sehr geeignet für verheirateten Herrn, da schöne große Wohnung und
Garten dabei ist. Offerten an S. Hamburger, Kultusvorstand, Burgsinn." |
Zum Tod von Lehrer Siegfried Freudenberger
(vermutlich bis 1889, d.h. vor Salomo Stern Lehrer in Burgsinn, Artikel von 1936)
Artikel
in der "Bayrischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15. April
1936: "Siegfried Freudenberger s.A. (seligen Andenkens).
Würzburg. Kaum hat sich der Grabhügel gewölbt über die
Gebeine unseres geliebten Kollegen Simon Freudenberger dahier, noch vor
Ablauf der Schloschim (30 Trauertage) mussten wir dessen Bruder,
Oberlehrer Siegfried Freudenberger, zur ewigen Ruhe betten. Wer hätte das
gedacht, wer konnte solches ahnen bei dem stets vorzüglichen
Gesundheitszustand des Siebzigjährigen? Rasch tritt der Tod den Menschen
an! Nach kurzer, mehrtägiger Erkrankung wurde uns der liebe Freund und
Kollege entrissen. Die Beerdigung am Montag, den 2. März, gab Zeugnis von
dem schweren Verluste, den die Familie, die Lehrerschaft, die Gemeinde,
das Judentum erlitten. In beredten Worten beleuchtete Herr Rabbiner Dr.
Hanover den Lebensgang des Verblichenen, sein Wirken und Streben als
Lehrer und Erzieher in den Gemeinden Burgsinn, Memmelsdorf,
Reckendorf und Thüngen,
von welchen Orten zahlreiche Teilnehmer an der Trauer herbeigeeilt waren, vielfach
ehemalige, dankbare Schüler. Das Glück harmonischen Familienlebens
verschönte das Dasein des Dahingegangenen. Zwei Schwiegersöhne gehören
selbst dem Lehrberufe an, ein Sohn ist Arzt. Von den Behörden wurden das
Streben und die Erfolge des tüchtigen Lehrers stets vollauf gewürdigt.
So konnte der in den Ruhestand Getretene seinen Lebensabend seelisch
befriedigt in Würzburg im Kreise vieler anderer Pensionisten verbringen.
An den 'Lernkonferenzen' nahm er stets regen Anteil und suchte auch sonst
sich im Gemeindeleben nützlich zu erweisen. Daher die innige Teilnahme
aller. Mannheimer - Dettelbach sprach als Jugendfreund, der in gleichem
Schritt und Tritt neben dem Heimgegangenen alle Stationen des Lebenslaufes
und Lehrberufes absolvierte, warme Worte der Erinnerung. Simon Blumenthal
- Würzburg brachte namens des jüdischen Lehrervereins in Bayern den
Schmerz der Kollegen zum Ausdruck und rundete das Bild des lieben
Menschen, guten Lehrers und treuen Vereinsmitgliedes zu einem
geschlossenen Ganzen. Lehrer Heß - Miltenberg gab in bewegten Worten dem
Schmerze der Familie und des nahen und weiteren Verwandtenkreises
Ausdruck. Dann rollten die Schollen stumpf hernieder. 'Süß ist der
Schlaf des Arbeiters.' Seine Seele sei eingebunden in den Bund des
Lebens." |
Abschied von Lehrer Jonathan Uhlfelder (1903)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 4. September
1903: "Burgsinn (Bayern). Dieser Woche scheidet von hier Herr
Lehrer Jonathan Uhlfelder, um sich in der Gemeinde Pfaffenhofen ansässig
zu machen. Herr Uhlfelder wirkte zur allgemeinen Zufriedenheit lange Jahre
in unserer Gemeinde und sieht man ihn nur mit größtem Bedauern von dem
Felde seiner fruchtbringenden Tätigkeit
scheiden." |
Zum Tod von Lehrer Jonathan Uhlfelder (1928 in Nürnberg)
Anmerkung: die beiden Beiträge sind auch in englischer Übersetzung (Roger
Lustig: Two
Obituaries for Jonathan Uhlfelder) eingestellt.
Artikel
in der Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung vom 15. Dezember 1928:
"Jonathan Uhlfelder. Nürnberg. Wer den erschütternden Eindruck
wiedergeben will, den der plötzliche Tod von Jonathan Uhlfelder seligen
Andenkens hinterließ, kann es nicht bezeichnender tun als mit den Worten
der Heiligen Schrift: 'Die Stadt war verstört!' Nach einem leichten
Unwohlsein, ohne Ahnung von dem, was ihm bevorstand, aber auch ohne
Schmerz, mitten aus seinem Schaffen und Planen heraus wurde er seiner
Familie, seiner Schule, dem Kreise der Kollegen und Freunde
entrissen.
Jonathan Uhlfelder gehörte zu den stillen, gütigen Menschen, die aus
einem reichen Innenleben schöpfend, in treuer Pflichterfüllung ihre Welt
sehen. Sein Leben war ausgefüllt von der zärtlichsten Fürsorge für die
Seinen und von dem unablässigen Bemühen, das Wohl der ihm Anvertrauten
zu fördern und sicher zu stellen. Daneben war er voll des regesten
Interesses für die materielle und geistige Hebung seines Standes, für
das Wohl und Wehe seiner Kollegen, für das Glück seiner Freunde. Mit
Recht rühmte ihm der 2. Vorstand des Vereins an der Bahre nach, wie er in
der für die Religionslehrer schlimmsten Zeit, in den traurigen Jahren
ihrer Rechtlosigkeit und einer völlig ungesicherten Existenz seinen
Kollegen die Treue hielt, obwohl er selbst als staatlich angestellter Volksschullehrer
dieser Sorgen enthoben war.
Uhlfelders berufliches Wirken führte ihn von Burgsinn
und Bechhofen, wo er als
Religionslehrer Anstellung gefunden hatte, an die Präparandenschule nach
Burgpreppach und nach einer erfolgreichen Tätigkeit an derselben in den Volksschuldienst
nach Heidenheim (Mittelfranken). Vor fünf Jahren wurde er an die
Volksschule der Adaß Israel in Nürnberg berufen.
Schon als junger Lehrer hatte er die ernste, verantwortungsvolle Arbeit
des Volksschullehrers erstrebt. Seine Tätigkeit im Dienste der
Lehrerausbildung wie später an der Volksschule zeugten von seinem
rastlosen Streben nach eigener Vervollkommnung, wie von seinem reinen
Bemühen, die ihm anvertraute Jugend zu fördern. Es lag in seiner
einfachen, selbstlosen, jedem Wichtigtun abholden Art, wenn dieses Streben
nicht immer nach seiner ganzen Weite erkannt wurde.
Herr Rabbiner Dr. Klein widmete dem allzu früh Vollendeten einen tief
empfundenen Nachruf, indem er, an ein Wort des Midrasch anknüpfend, rühmte,
wie Uhlfelder stets der Mahnung der Weisen gerecht wurde, sein Gewand zu
jeder Zeit weiß zu erhalten, das Gewand der Lauterkeit im Wandel und der
Treue zu Gott. Mit Wärme schilderte er dann den Verblichenen als Gatte,
Vater und Bruder. Für den bayerischen Volkschullehrerverein und für den
Verein israelitischer Lehrer in Bayern überbrachte Herr Hauptlehrer Dr.
Bamberger letzte Grüße und das Gelöbnis unverbrüchlicher tatbreiter
Treue; namens des Lehrerkollegiums der israelitischen Volksschule der
Adaß nahm Herr Oberlehrer Heß schmerzbewegten Abschied; ferner widmete
Herr Oberstudienrat Dr. Tachauer als Vertreter der Adaß Israel, Herr Rechtsanwalt
Feilchenfeld für die Maimonides Loge und Herr Dr. Löb im Namen der
Elternschaft der jüdischen Volksschule der Verewigten Worte des Gedenkens
und des Dankes.
Ein zahlreiches Trauergefolge, darunter auch Herr Stadtschulrat Eder,
begleiteten Uhlfelder zur letzten Ruhe. Viele Amtsbrüder waren zum Teil -
trotz des Freitags - weither gekommen, um ihre Anteilnahme zu bezeugen.
Ein Unglück, das so jähr hereinbrechend ein trautes Familienglück
zerstört, wird immer erschütternd wirken, doch darüber hinaus werden
alle, die den bescheidenen, jedermann gut gesinnten und allem
Äußerlichen widerstrebenden Manne näher kannten, seinen Heimgang als
einen schweren Verluste beklagen. J. Blum (Nürnberg). |
|
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. Dezember 1928: "Nürnberg,
30. November (1928). Am 21. dieses Monats verschied nach kurzer Krankheit
unerwartet Hauptlehrer Jonathan Uhlfelder. Sein Tod erweckte in weiten
Kreisen der hiesigen Gemeinde tiefste Teilnahme. Uhlfelder stammte aus
einer Familie, in der der Lehrerberuf traditionell ist. Nach erfolgreicher
Tätigkeit in Burgsinn, an der Präparandenschule in Burgpreppach und an
der Volksschule in Heidenheim wurde er an die hiesige jüdische
Volksschule berufen, an der er 6 1/2 Jahre wirkte.
Uhlfelders stilles bescheidenes Wesen liebte es nicht, in der
Öffentlichkeit sich bemerkbar zu machen. Aber alle, die in engeren
Verkehr zu ihm traten, wussten seine Geradheit und Schlichtheit, sein
reges Interesse an Berufs- und anderen Fragen, sein pädagogisches Wissen
und Geschick zu schätzen. Die Bestattung fand am 23. dieses Monats unter
großer Beteiligung statt. Am Grabe rühmte Herr Rabbiner Dr. Klein des
Heimgegangenen Persönlichkeit als Familienvater und Erzieher, Herr Prof.
Dr. Tachauer sprach den Dank der Adaß Israel für seine ersprießliche
Tätigkeit an der Schule aus, Herr Oberlehrer Heß nahm im Namen des
Lehrerkollegiums Abschied von dem treuen Freund und Kollegen, Herr
Hauptlehrer Dr. Bamberger, der im Auftrag des bayrischen und jüdischen
Lehrervereins sprach, hob seine Treue zu den Berufsorganisationen hervor,
Herr Dr. Feilchenfeld dankte für die Maimonides-Loge und Herr Dr. Löb im
Namen der Eltern. Möge der Allgütige der schwer geprüften Familie
beistehen. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
Aus dem jüdischen Gemeindeleben
Auseinandersetzung mit
Nationalsozialisten, die im "Völkischen Beobachter" verlogen darstellt wird (Mai
1928)
Artikel
in der "CV-Zeitung" (Zeitung des "Central-Vereins") vom Juni 1928: "Die
Helden von Burgsinn. Der Bericht des 'Völkischen Beobachters' - und die
wahre Begebenheit.
Der 'Völkische Beobachter' vom 20./21. Mai brachte eine fett gedruckte Notiz
über einen 'blutigen Straßenkampf in der Judenhochburg Burgsinn (Ufr.)'. Es
heißt da unter anderem:
'Beim Eintreffen des Redners kam es gegen die mit Totschlägern, blanken
Messern und schweren Holzprügeln bewaffnete Menge zu kurzem, aber für unsere
tapfere S.A. (Sturm 6, Würzburg) erfolgreichen Handgemenge. Die S.A. ging
unter weitgehender Schonung der deutschblütigen Volksgenossen vor, rückte
jedoch den mit Totschlägern angreifenden jüdischen Hetzern zu Leibe, sodass
nach kurzem, energischem Faustkampf die zehnfache Übermacht den Kampf
einstellte und wir unbesiegt, in festem Schritt vom Kampfplatz abmarschieren
konnten. - Parteigenosse Reinecke stand hier mit seinen braven Jungen im
Brennpunkt des blutigen, aber erfolgreichen Kampfes und deckte persönlich
den Abmarsch.'
Unser Landesverband Bayern hat an Ort und Stelle genaue Erkundigungen über
diesen blutigen Kampf eingezogen, und diese Erkundigungen ergaben denn auch
schnell den richtigen Tatbestand.
Die 'Judenhochburg Burgsinn', in welcher neben 2000 Einwohnern zwölf
jüdische Familien im besten Einvernehmen mit der übrigen Bevölkerung leben,
sah am 17. Mai gegen 1/2 8 Uhr abends einen kleinen Auflauf. Etwa 30
Personen, darunter sieben junge jüdische Leute, betrachteten neun
Hitler-Leute in Uniform, die in Burgsinn zur Abhaltung einer Versammlung
angekommen waren.
Es kam zu einem Wortwechsel zwischen einem Arbeiter und den
Hakenkreuzlern. Als im Auto noch fünf weitere uniformierte Hakenkreuzler
eintrafen, bekamen die Hakenkreuzler Schneid, und einige von ihnen gingen
auf den Arbeiter los. Ein junger jüdischer Mann stellte sich schützend
vor den Angegriffenen, einen älteren Mann, und erhielt daher den ersten
Schlag. Damit begann eine allgemeine Schlägerei. Die Hakenkreuzler wurden
tüchtig verprügelt. Ihr Führer Reinecke hat schließlich einen älteren
jüdischen Herrn (unser Mitglied Adolf Heinemann), der dabei stand, er möge
die Burgsinner beschwichtigen und dafür sorgen, dass seine Schar unbehelligt
das Dorf verlassen können. Das ist die Form gewesen, in welcher der
Parteigenosse Reinecke 'den Abmarsch persönlich gedeckt hat'. Auf Zureden
des älteren jüdischen Herrn ließen die Burgsinner schließlich von ihren
Opfern ab, ließen es sich aber in ihre Empörung nicht nehmen, die
uniformierten Jünglinge, die den Streit provoziert hatten, in nicht gerade
zarter Manier bis zum Dorfausgang zu begleiten.
Der 'Vlkische Beobachter' stellt die Sache so hin, als ob die Schlägerei
durch jüdische Hetze und Verabreichung von Alkohol vorbereitet worden sei.
Es steht fest dass nichts dergleichen tatsächlich geschehen ist.
Nachdem die provozierenden Hakenkreuzler aber nur durch das Eingreifen und
durch den Edelmut eines Juden vor schlimmerem körperlichen Schaden bewahrt
worden sind, ist es nur ein weiterer Beweis von Niedrigkeit ihrer Methoden,
dass sie diese großherzige Tat eines Juden mit solcher Lüge lohnen. L. F.
(München)." |
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde
Max Heinemann wird für seine lebensrettende Tat
ausgezeichnet (1912)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 2. Oktober 1912: "Dem 10-jährigen Max Heinemann in Burgsinn, welcher diesen Sommer ein dreijähriges Kind vom Tode des
Ertrinkens rettete, wurde für seine mutvolle Tat von der Königlichen
Regierung von Unterfranken eine lobenswerte Anerkennung
zugesprochen." |
|
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 11. Oktober 1912: "Burgsinn (Bayern). Der 10-jährige
Max Heinemann, der ein dreijähriges Kind vom Ertrinken rettete, erhielt
von der Regierung eine lobenswerte
Anerkennung". |
Zum Tod der aus Burgsinn stammenden Babette Sohn
geb. Hamburger (1934)
Anmerkung: Babette Sohn geb. Hamburger (geb. 22. März 1859 in
Burgsinn als Tochter von Juda Hamburger und der Fanny geb. Nußbaum) war
verheiratet mit Hermann Sohn (geb. 29. November 1859 in Thüngen,
gest. 18. September 1910 in Würzburg). Das Ehepaar hatte fünf Kinder:
Frieda (Franka; geb. 1886 in Thüngen, später Krankenschwester in München,
ermordet nach der Deportation 1943 in Auschwitz), Sally (Seligmann, geb. 1889 in
Würzburg, Kaufmann, verzog 1919 nach Karlsruhe, ermordet nach der Deportation
1941 in das Ghetto Kowno), Jakob (geb. 1890 in Würzburg, später
Gymnasiallehrer, emigrierte in der NS-Zeit nach England); Leo (Leon, geb. 1892
in Würzburg, Kaufmann, verzog 1918 nach Halberstadt, heiratete 1927 eine
Schwester des Komponisten Kurz Weill, 1931 nach Berlin, emigrierte in der
NS-Zeit), Rosa (geb. 1894 in Würzburg, verheiratete mit Arthur Lesser,
Viehhändler in Schönlanke bei Posen). Angaben nach R. Strätz, Biographisches
Handbuch Würzburger Juden Bd. II S. 564-565 und dem Bundesarchiv
Berlin.
Babette Sohn führte nach dem Tod ihres Mannes dessen Trödlergeschäft
(Antiquitäten- und Altmöbelhandel) in Würzburg bis um 1930 weiter; 1932 zog
sie nach Nürnberg.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. Februar 1934: "Nürnberg,
16. Januar (1934). In der frühen Morgenstunde des 22. Tewet (=
9.Januar 1934) ist Frau Babette Sohn geb. Hamburger, nach kurzer
Krankheit von dieser Welt gegangen. Einem altfränkischen Geschlecht der
Gemeinde Burgsinn entstammend, hat sie zeit ihres Lebens die
Grundsätze echt jüdischer Lebensführung hochgehalten und in ihrem
eigenen Leben verwirklicht. Die Obliegenheiten der jüdischen Frau und
Mutter hat sie mit ergreifender Innigkeit und dem strengen Ernst eines
verantwortungsvollen Pflichtbewusstseins erfüllt. In den 45 Jahren ihrer
Ansässigkeit in Würzburg stand sie unablässig im Dienst von Krankenbesuch
(Bikkur Cholim) und Wohltätigkeit, keine Tages- und Nachtstunde
scheuend, das heilige Amt auszuüben. Ein klarer Wirklichkeitssinn und die
überlegene Art, die Dinge der Welt zu beurteilen und dem jüdischen
Bewusstseinsinhalt einzufügen, ließen sie groß und verehrungswürdig
erscheinen. Dabei war sie bescheiden und anspruchslos, eine Frau, die
still durchs Leben zog und auch in den Jahren der Ruhe ein stilles
Leuchten verbreitete. Sie hat das Leben gemeistert; sie trug die starke Wahrheit
herüber von einem innerlich gefestigten Zeitalter in die Zeit, in der wir
so vieles fest Geglaubte dahinschwinden sehen. Ihr Verdienst sei
und sei uns ein Helfer vor dem Allmächtigen. Ihre Seele sei
eingebunden in den Bund des Lebens." |
Zum Tod von Lotte Stiefel (1937)
Artikel
in der Zeitschrift
"Der Israelit " vom 18. Februar 1937: "Burgsinn (Ufr.), 9.
Februar (1937). Am Donnerstag, den 4. Februar, verstarb hier ganz plötzlich
unsere allseits verehrte und geliebte Frau Lotte Stiefel im kaum vollendeten 66.
Lebensjahre. Wer diese fromme, edle und selten bescheidene Frau kannte, weiß
den Schmerz zu würdigen, den die Familie und unsere kleine Gemeinde erlitten
hat. Einer frommen Familie entstammend, was ihr strenge Erfüllung des
G'ttesgesetzes zeitlebens oberste Richtschnur. Am Trauerhause sprach der
Schwiegersohn, Herr Lehrer Weingarten, Hanau, die Dankbarkeit betonend, die die
Familie der teuren Verblichenen schulde. Herr Lehrer Strauß,
Mittelsinn,
schilderte die wahrhafte Frömmigkeit, Gastfreundschaft und große
Wohltätigkeit der Heimgegangenen, in deren heim Arme und Bedürftige stets
Beistand und Hilfe fanden. Auf dem Friedhof in Altengronau, wo die Beisetzung am
Freitag stattfand, sprach der Vorsteher der Gemeinde Burgsinn, Herr Adolf
Heinemann, warm empfundene Worte des Gedenkens. Ihre Seele sei eingebunden in den
Bund des Lebens." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Einzelpersonen
Anzeige des Manufaktur- und Eisenwarengeschäftes S. Hamburger (1902)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 31. Juli 1902: "Commis
zum baldigen Eintritt für mein Manufaktur- und Eisenwaren-Geschäft gesucht.
Samstags geschlossen.
S. Hamburger, Burgsinn (Bayern)." |
Anzeige des Manufakturwarengeschäftes von Sigmund Heinemann (1903)
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in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. November 1901:
"Suche zum alsbaldigen Eintritt für mein am Samstag, wie
Feiertage geschlossenes Manufaktur- und Wollwarengeschäft einen
Lehrling
mit guter Schulbildung, aus besserer Familie.
Sigmund Heinemann, Burgsinn
(Bayern)." |
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in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. April 1903: "Suche
für mein am Samstag und Feiertagen geschlossenes
Manufakturwaren-Geschäft per baldigst einen Lehrling aus achtbarer
Familie.
Sigmund Heinemann, Burgsinn (Unterfranken)." |
Verlobungs- und Heiratsmitteilung (1922)
Todesanzeige für Marta Heinemann
(1927)
Anmerkung: Adolf Heinemann (geb. 1873 in Burgsinn, umgekommen/ermordet 1941
im Ghetto Kowno;
Biographische Datenbank Unterfranken mit Foto) war als Kaufmann in
Burgsinn tätig. Er war verheiratet mit Emma geb. Schuster (geb. 1879 in
Sterbfritz, umgekommen/ermordet 1941 im
Ghetto Kowno;
Biographische Datenbank Unterfranken mit Foto). Außer der Tochter Martha
hatte das Ehepaar einen Sohn Heinrich (Arzt am jüdischen Krankenhaus Frankfurt;
Biographische Datenbank Unterfranken mit Foto. Alle drei verzogen Ende 1938
nach Frankfurt am Main, von wo sie am 22. November 1941 nach Kowno deportiert
und nach der Ankunft ermordet wurden.
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in der "CV-Zeitung" (Zeitung des "Central-Vereins") vom 4. Februar 1927:
"Dem Allmächtigen hat es gefallen, unsere einzige, innigst geliebte Tochter,
Schwester und Nichte
Fräulein Martha Heinemann
im Blütenalter von 23 Jahren nach kurzer Krankheit abzurufen.
Im Namen aller tieftrauernden Hinterbliebenen:
Adolf Heinemann. Burgsinn (Unterfranken). " |
Todesanzeige für Siegmund Heinemann
(1933)
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in der "CV-Zeitung" (Zeitung des "Central-Vereins") vom 19. Oktober 1933:
"Im 61. Lebensjahr entschlief heute nach langem schweren Leiden mein lieber
Mann, unser guter Vater, Schwiegervater, Großvater, Bruder, Schwager und
Onkel,
Herr Siegmund Heinemann
Kaufmann
Die in tiefer Trauer Hinterbliebenen.
Herr Heinemann war Vertrauensmann des C. V. und langjähriger Kultusvorstand
der Gemeinde Burgsinn.
Burgsinn, Gemünden am Main, den 9. Oktober 1933." |
Zur Geschichte der Synagoge
Eine Synagoge wurde 1780 erbaut. Ein Dokument hielt
hierzu fest: "Die Grundfläche 1780 vom Jüdle Katz geschenkt erhalten und
im nämlichen Jahre die Synagoge errichtet." Das Gebäude wurde in
den folgenden 150 Jahren mehrfach
renoviert, unter anderem 1863 (siehe Anzeigen im Kreis-Amtsblatt unten)
und letztmals 1928. Bei der Synagoge handelte es sich um einen auf
einem Sandsteinfundament errichtete Fachwerkbau mit Halb- und
Vollrundbogenfenstern. Das flache Muldengewölbe im Inneren war mit Ornamenten
in Grau und Rot bemalt.
Kollekte zur Einrichtung einer Religionsschule
und zur Reparatur der Synagoge in Burgsinn (1863)
Anzeige im "Königlich Bayerischen Kreis-Amtsblatt von Unterfranken
und Aschaffenburg" Nr. 149 vom 20. Januar 1863:
"Im Namen Seiner Majestät des Königs.
Seine Majestät der König haben entsprechend der von der israelitischen
Kultusgemeinde Burgsinn gestellten alleruntertänigsten Bitte zum Zwecke
der Herstellung eines geeigneten Lokales für die Religionsschule zu
Burgsinn, sowie zum Zwecke der Reparatur der dortigen Synagoge die
Vornahme einer Kollekte in den Synagogen der Regierungsbezirke diesseits
des Rheines allerhuldvollst zu bewilligen geruht.
In Folge Entschließung des königlichen Staatsministeriums des Innern
für Kirchen- und Schulangelegenheiten vom 30. Dezember vorigen Jahres
erhalten die Distriktspolizeibehörden den Auftrag, die Rabbiner und
Kultusvorsteher ihrer Bezirke sofort zur beschleunigten
Vornahme dieser Synagogenkollekte und Vorlage des Ertrages anzuweisen und
den letzteren an das königliche Bezirksamt Gemünden zu übersenden,
zugleich aber binnen längstens vier Wochen Anzeige hierüber an
die unterfertigte Stelle zu erstatten.
Würzburg, den 15. Januar 1863. Königliche Regierung von Unterfranken und
Aschaffenburg, Kammer des Innern.
Bei Verhinderung des königlichen Regierungspräsidenten. Der königliche
Regierungsdirektor: von Gresser. Mees." |
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Anzeige im "Königlich Bayerischen Kreis-Amtsblatt von Unterfranken
und Aschaffenburg" Nr. 149 vom 14. Juli 1863:
Die Kollekte aus den Gemeinden des Regierungsbezirkes von Unterfranken
und Aschaffenburg ergab den Betrag von 286 fl. 45 Kr. |
Das jüdische Gemeindeleben konnte nach 1933 zunächst
aufrechterhalten werden. Im August 1935 wurde sogar eine nochmalige
Renovierung der Synagoge beraten. Im März 1938 wurden die Fenster in der
Synagoge eingeschlagen. Bereits 1937 war es schwierig geworden, auf Grund des kaum mehr
zustande kommenden Minjan (Zehnzahl der jüdischen Männer beim
Gottesdienst)
regelmäßig Gottesdienste abzuhalten. Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge
aufgebrochen, das Mobiliar zerstört, fünf Torarollen zerrissen und die
übrigen Ritualien angezündet. Der örtliche Feuerwehrhauptmann, der wegen
seiner korrekten Haltung den Juden gegenüber bekannt war, verhinderte das
Niederbrennen der Synagoge. Er ließ löschen und erklärte, er könne sonst
nicht garantieren, dass das Feuer auf die benachbarten Gebäude in Gefahr
bringen würde. Wenig später wurde das Synagogengebäude zum Grundstückswert
an einen Ortsbewohner verkauft. Bis Anfang der 1990er-Jahre war ein Teil der
Inneneinrichtung noch vorhanden, u.a. die Brüstung der ehemaligen Frauenempore.
Dann wurde das Gebäude zu einem Wohnhaus umgebaut. Dabei wurde die bauliche
Substanz vor allem im Innenbereich so verändert, dass kaum noch Spuren der
ehemaligen Nutzung als Synagoge vorhanden sind.
Neben der ehemaligen Synagoge stand das ehemalige Wohnhaus des Metzgers und
Viehhändlers Emanuel Stein (Fellener Straße 14). Über der Eingangstor
befindet sich bis heute eine hebräische Inschrift mit den hebräischen
Buchstaben A B A (vielleicht Abraham Ben Abraham oder ähnliches) und der
Jahreszahl (5)576 = 1815/16.
Von der Synagoge in Burgsinn sind noch die Gebotstafeln erhalten. Sie
werden im Dokumentationszentrum des Stadtarchivs Würzburg aufbewahrt.
Adresse/Standort der Synagoge: beim Gebäude Fellener Straße 14
(frühere Anschrift: Gebäude Nr. 124 in der Hauptstraße)
Fotos
Historische Fotos /
Darstellungen
(zur Verfügung gestellt durch
Bruno Schneider,
Kreisheimatpflege Landkreis Main-Spessart,
Gemünden) |
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Umbaupläne zur
Vergrößerung der Synagoge 1864 |
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Uraufnahmeblatt
der Marktgemeinde Burgsinn von 1845 (Ausschnitt). Nach dem
'Neuen Grund- und Lagerbuch der Steuergemeinde Burgsinn' wurde das
Grundstück mit der Plannummer 220 im Jahre 1780 von der jüdischen
Gemeinde vom 'Judle Kutz' geschenkt und im gleichen Jahre das Gebäude mit
der Hausnummer 125 (schwarz eingezeichnet) darauf errichtet. Die
Judentauche befand sich auf dem Grundstück mit der Plannummer 174 und lag
oberhalb des Mühlgrabens in der Schmiedegasse. Es wurde 1836 von Georg
Schmitt um 33 Gulden als Garten gekauft. |
Skizze der
Synagoge |
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Ältere Fotos nach
1945
(Quelle: Verwaltungsgemeinschaft
Burgsinn;
Fotos zur Verfügung gestellt durch
Bruno Schneider, Kreisheimatpflege Landkreis Main-Spessart, Gemünden) |
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Die ehemalige Synagoge |
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Die ehemalige Synagoge vor dem
Umbau zu einem Wohnhaus in den 1990er-Jahren |
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Die Synagoge 1990 |
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Decke der
ehemaligen Synagoge vor und während der Restaurierung |
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Das Synagogengebäude 2004
(Foto: Jürgen Hanke, Kronach) |
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Die ehemalige Synagoge
in
Burgsinn |
Die Gebotstafeln aus der
ehemaligen
Synagoge, heute im Stadtarchiv Würzburg |
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Die ehemalige jüdische
Schule / Lehrerwohnung |
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Das Gebäude der
ehemaligen jüdischen Schule Am Lindenberg 17 vor 1990 |
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Die
Judengasse (1990) |
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Jüdische Häuser in
Burgsinn |
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Haus und Metzgerei
der Familie Julius Stein Fellener Strasse 12 |
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Das Gebäude Fellener Straße
14 neben der ehemaligen Synagoge (früher Metzger und Viehhändler Emanuel
Stein) mit
Inschrift über dem Eingang, darin hebräische Jahreszahl für 1815/16;
links ältere, Mitte jüngere Aufnahme des Gebäudes |
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Haus Hauptstraße 5 und 5a |
Haus Hauptstraße 43
vor 1990 |
Spur einer früheren Mesusa
am
Haus Hauptstraße 43 |
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Gebäude Marktplatz 3 |
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Andernorts
entdeckt |
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Grabstein mit segnenden
Händen der Kohanim und Schofar auf dem jüdischen Friedhof
in Burgpreppach; es handelt sich um das Grab des Schimon
Bar Eljakum Neumann HaKohen, d.i. Wolf Neumann (geb. 1832 in Burgsinn,
seit 1876 Lehrer an der Talmud-Tora-Schule
in Burgpreppach; gest. 1908; hatte vierzehn Kinder); Angaben von der
Urenkelin Fredel Fruhman, deren Großvater Lehrer Salomon Neumann - das
dritte Kind von Wolf Neumann - später u.a. in Gochsheim
(siehe Informationen und Fotos auf der dortigen Seite) und Kassel als
Lehrer tätig war. |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die
jüdischen Gemeinden in Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979
S. 278-280. |
| Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in
Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische
Bildungsarbeit. A 85. 1988 S. 46. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany -
Bavaria. Hg. von Yad Vashem 1972 (hebräisch) S. 426-427. |
| Leonhard Scherg: Jüdisches
Leben im Main-Spessart-Kreis. Reihe: Orte, Schauplätze, Spuren. Verlag
Medien und Dialog. Haigerloch 2000 (mit weiterer Literatur). S. 13-14. |
| Dirk Rosenstock: Die unterfränkischen
Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche
Quelle. Reihe: Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg Band 13.
Würzburg 2008. S. 122-123. |
| "Mehr als
Steine...." Synagogen-Gedenkband Bayern. Teilband
III: Unterfranken, Teil 1.
Erarbeitet von Axel Töllner, Cornelia Berger-Dittscheid,
Hans-Christof Haas und Hans Schlumberger. Hg.
von Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid und Gury Schneider-Ludorff
in Verbindung mit Meier Schwarz. Synagogue Memorial Jerusalem. Bd. 3:
Bayern. 1. Auflage 2015. Kunstverlag Josef Fink Lindenberg im
Allgäu (mit umfassenden Quellen- und
Literaturangaben)
ISBN 978-3-89870-449-6.
Hinweis: die Forschungsergebnisse dieser Publikation wurden in dieser Seite
von "Alemannia Judaica" noch nicht eingearbeitet.
Abschnitt zu Burgsinn S. 155-166.
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Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Burgsinn Lower Franconia.
Jews numbered 87 in 1867 and 49 in 1933 (total 2.000). Jews were attacked in
march 1938 after the Austrian Anschluss. On Kristallnacht (9-10
November 1938), the synagogue and Jewish homes were vandalized. Of the 41 Jews
who left Burgsinn in the Nazi period, 23 moved to other German cities and 18
emigrate, 13 of them to the United States. The last Jews were deported in 1942.
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
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