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Zu den "Synagogen in der
Schweiz"
Lengnau (Kanton Aargau,
Schweiz)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Die Synagoge Lengnau im Film:
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In den beiden Dörfern Endingen und Lengnau im Surbtal
bestanden vom 17. bis 19. Jahrhundert die einzigen jüdischen Gemeinde im
heutigen Gebiet der Schweiz, wo in dieser Zeit eine dauerhafte Niederlassung
möglich war. Bis um 1800 gehörten diese Dörfer zur Markgrafschaft Baden,
danach zum Kanton Aargau. In Lengnau werden Juden zum ersten Mal 1622, in
Endingen 1678 genannt. Der Erwerb von Boden und das Handwerk war den Juden auch
hier bis zum 19. Jahrhundert verschlossen. So lebten sie vom Hausier-, Vieh- und
Liegenschaftshandel.
1844 gab es alleine in Endingen 44 Viehhändler, in Lengnau
15. 1850 lebten noch 1515 Juden in den beiden Dörfern.
In der 2. Hälfte des
19. Jahrhunderts ging die Zahl der jüdischen Einwohner durch Wegzug in die Städte stark zurück.
1920
wurden noch 263 Juden in den beiden Dörfern gezählt, 1980 waren es insgesamt
nur noch drei jüdische Familien. 2013 leben in Lengnau und Endingen
(ohne das israelitische Altersheim) etwa 20 jüdische Personen.
Bis zur Gegenwart besteht in Lengnau ein jüdisches Altersheim ("Schweizerisches
Israelitisches Alters- und Pflegeheim Margoa"; frühere Bezeichnung:
"schweizerisch-israelitisches Altersasyl"). Das Heim ist über 100
Jahre alt (gegründet 1903) und geht auf eine Spende der Surbtaler Familie
Guggenheim zurück. Das streng rituell geführte Heim steht (Stand 2013) unter
Leitung von Esther und David Krammer-Bloch. Im Heim selbst leben etwa 60
Bewohner, davon sind jedoch nur wenige (Ende 2013 acht) jüdischer
Konfessionszugehörigkeit. Der Saal des Heimes wird am Schabbat zum Betraum -
auch für jüdische Personen, die in der Umgebung wohnen, da in den Synagogen
von Lengnau und Endingen nur noch selten Gottesdienste abgehalten
werden.
Berichte zur Gründung des Heimes und aus den ersten Jahren seines Bestehens
siehe auf einer Textseite
zu jüdischen Geschichte in Lengnau.
Vgl. auch den Artikel von Marcel Amrein in der "Neuen Zürcher
Zeitung" vom 21. Dezember 2013: "Aargauer
'Judendörfer'- Schtetl im Dornröschenschlaf..."
Zur Geschichte der Synagoge
Zunächst wurden die Gottesdienste der Gemeinde in
Betsälen abgehalten, die man in gemieteten Häusern eingerichtet hatte.
1750/51
konnte eine erste Synagoge erbaut und eingeweiht werden. Nach der von Johann Caspar
Ulrich erhaltenen Zeichnung (s.u.) war es ein einfacher, rechteckiger,
überwiegend hölzerner Bau mit
einem leicht konkaven Walmdach. Die Synagoge hatte einen Portalvorbau, durch den
man zu den Türen des Männer- und des Frauenbereichs gelangte.
1845 bis 1847 wurde
eine neue Synagoge erbaut, die von Ferdinand Stadler entworfen wurde.
Dieser hatte in Darmstadt und Karlsruhe studiert und war ein Schüler von
Friedrich Eisenlohr. Der Neubau kostete 44.000 Franken. Das Gebäude wurde auf
einer leicht erhöhten Plattform erbaut und war von der Straße zurückversetzt.
Die dreiteilige Außenfassade entspricht dem Haupt- und den Seitenschiffen im
Innern. Das hohe Mittelfeld endet in einem 21 Meter hohen Giebel. Die Details
des Baus tragen neoromanische und neoklassizistische Merkmale. Die Einweihung
der Synagoge war am 6. August 1847 unter großer Anteilnahme der jüdischen
wie nichtjüdischen Bevölkerung sowie Vertreter von Landes-, Bezirks- und
Schulbehörden:
Die Einweihung der Synagoge in Lengnau am 6. August
1847
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 10. Januar
1848: "Lengnau, im Dezember (1847)...
Der sechste August war es, der einen großen teil der Bevölkerung
hiesiger Umgegend in Bewegung brachte, um einem noch nie gesehenen Feste
anzuwohnen, nämlich der Einweihung der hiesigen neuerbauten Synagoge.
Wenn es wahr ist, dass die Israeliten aller Orten gewähnt sind, zur
Erhaltung und Befestigung ihrer religiösen Institutionen ungewöhnliche
Opfer zu bringen, so lässt sich diese Wahrheit auch auf die Israeliten in
der Schweiz anwenden. Die hiesige Gemeinde besoldet einen Rabbinen, zwei
Lehrer, eine Lehrerin für weibliche Arbeiten, einen Vorsänger, sie
unterstützt mit enormen Summen ihre Armen, und doch hat sie sich, wenn
auch keineswegs zu den reichen Gemeinden gehörig, entschlossen, ihre im
Jahre 5511 (1750/51) erbaute hölzerne Synagoge in Anbetracht ihrer
wachsenden Baufälligkeit durch ein neues massives Gebäude zu ersetzen.
Am 6. August wurde dieses feierlich eingeweiht. Die Teilnahme der
höchsten Landes-, der Bezirks- und Schulbehörde an diesem Feste war in
der Tat bemerkenswert. Dr. Schaufenbuhl und Dr. Berner erschienen als Repräsentanten
des Kantons Aargau, aus den benachbarten Kantonen, selbst aus Zürich, aus
dem Kurorte Baden waren Notabilitäten zugegen. Bei der Einweihung wurden
außer Mah towu und dem 111. Psalm deutsche Choräle vorgetragen.
Bei dem Festmahle brachten die Abgeordneten, sowie der Seminardirektor
Keller, der gefeierte Redner, Toaste aus und sprachen von den schönen
Hoffnungen, die für die Zukunft Israels aufgegangen. Bernheim,
Oberlehrer." |
Vgl. Wikipedia-Artikel
Synagoge (Lengnau)
Die Synagoge wurde mehrfach restauriert (1948, 1983/84 Außenrestaurierung,
1995/97 Innenrestaurierung) und ist bis zur Gegenwart erhalten. Sie wird vor
allem für kulturelle Veranstaltungen und Trauungen genutzt. Das Gebäude ist
als Kulturgut von nationaler Bedeutung eingestift.
Darstellungen / Fotos
Historische Darstellungen:
Die 1750 erbaute alte Synagoge |
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Quelle oben:
Zeitschrift
"Der Israelit" vom 9. Juni 1932 |
Außen- und
Innenansicht der Lengnauer Synagoge -
Zeichnungen von Johann Caspar Ulrich |
Fotos:
Weitere Fotos der Synagoge (externer Link): hier
anklicken
Die Synagoge Lengnau im Film:
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne
Berichte
Mai
2009: Jüdischer
Kulturweg eröffnet |
Artikel von Silvan Merki in der "Aargauer Zeitung" vom 23.5.2009
(Artikel als pdf-Datei):
"Synagoge, Mikwe, Matzenbäckerei. Mit dem jüdischen Kulturweg
wird die Geschichte der Endinger und Lengnauer Juden sichtbar.
'Es ist ein Weg in die Zukunft, nicht in die Vergangenheit', ruft Ruth Dreifuss den Gästen am Donnerstagnachmittag vor der Lengnauer Synagoge zu. Zusammen mit den Gemeindeammännern Lengnaus und Endingens
- Kurt Schmid und Lukas Keller - enthüllt sie nach ihrer Rede die Tafeln im lauschigen kleinen Park in der Mitte des Platzes. Nicht ohne vorher der Musikgesellschaft für das Spielen des Ruth-Dreifuss-Marschs zu danken.
Die Alt-Bundesrätin ließ aber auch den Onkel Melnitz zu Wort kommen, den Mahner aus Charles Lewinskys Roman, der sie daran erinnere, dass die Juden eher geduldet waren als integriert:
'Sie waren dankbar, dass sie in Lengnau und Endingen leben durften. Richtig Wurzeln geschlagen haben viele jedoch nicht.' Dreifuss wies darauf hin, dass die meisten jüdischen Familien abwanderten, als sie 1866 von der Schweiz Niederlassungsfreiheit zugesprochen erhielten.
Tolerantes Nebeneinander. Die Synagoge und die Mikwe, das rituelle jüdische Tauchbad, beides ist noch in Endingen und Lengnau zu sehen. Die ehemals jüdischen Schulhäuser ebenfalls. Eine Matzenbäckerei, etliche Wohnhäuser mit den religionsgetrennten Eingängen und ein altes Schlachthaus zeigen, dass jüdisches Leben nicht im Verborgenen stattgefunden hat, sondern als tolerantes Nebeneinander auch in der Öffentlichkeit des dörflichen Lebens.
Viele bauliche Zeitzeugen erinnern heute daran, dass die jüdische Gemeinde in Endingen um 1850 mit 990 Menschen sogar eine Mehrheit der Wohnbevölkerung stellte, die 525 Lengnauer Juden machten immerhin 30 Prozent aus. Der neu geschaffene jüdische Kulturweg macht dieses kulturelle Erbe jetzt zugänglich. Er führt, ausgehend von den Synagogen Lengnaus und Endingens, zu den wichtigsten Bauwerken der beiden Dörfer und führt vorbei am dazwischenliegenden jüdischen Friedhof.
Basis für künftigen Dialog. 'Es ist bei dieser Einweihung eine Premiere, dass der Lengnauer und Endinger Gemeindeammann zusammen auftreten.' Mit diesen launigen Worten und gleichfarbiger Krawatte demonstrierten Schmid und Keller, dass für sie die Verbindung ihrer Dörfer über den Kulturweg nicht nur eine historische ist, sondern in die Zukunft weist:
'Wir wollen die schweiz-, ja weltweite Bedeutung des jüdischen Kulturguts in unseren Gemeinden als Basis für den künftigen, lokalen Dialog nehmen', schlugen sie den Bogen zur Kommunalpolitik.
Zwei Jahre lang hat eine Arbeitsgruppe unter Franz Bertschi die 21 Stelen gestaltet und produziert. Die Historiker Andreas Steigmeier und Franz Laube recherchierten die Fakten und schrieben die kurzen, prägnanten Texte. Fotograf Frank Reiser machte die Bilder. Der kantonale und nationale Heimatschutz ist Herausgeber des Prospekts. Bertschi
vergaß aber nicht, die Ideengeberin zu erwähnen: Den entscheidenden Impuls habe nämlich die Lengnauerin Erika Müller vor zweieinhalb Jahren gegeben.
JÜDISCHER KULTURWEG. Ausgangspunkt sind die Synagogen von Endingen und Lengnau. Dort liegen die Prospekte auf. Führungen durch fachkundige Personen sind auf Voranmeldung möglich. Informationen sind zu finden unter
www.juedischerkulturweg.ch
.
'Hier liegen die Wurzeln meiner Familie'. Ruth Dreifuss freuts, dass die jüdische Kulturgeschichte noch mehr präsent
ist.
Was bedeutet der neue Kulturweg für Sie persönlich?
Ruth Dreifuss: Es ist ein Weg, mit dem die Geschichte nicht vergessen geht. Wo es neben Toleranz auch Feindseligkeiten gab, ziehen wir aus allem, was passiert ist, die richtigen Schlüsse für eine friedlichere Zukunft. Die öffentlich sichtbaren Bauten betonen für mich die Verständigung › meine Anliegen und meine Geschichte treffen sich.
Sie haben eine starke emotionale Bindung zum Surbtal? Ja, ich bin Endingerin und als kleines Mädchen war ich immer wieder zu Besuch bei den
Großeltern im jüdischen Altersheim von Lengnau. Hier liegen die Wurzeln meiner Familie.
Die meisten Juden sind abgewandert, was bleibt?
Mich freut es, dass die gemeinsame jüdisch-christliche Vergangenheit hier noch mehr ins Bewusstsein der Menschen gerückt ist. Bei meinem ersten Besuch in Endingen war da eine Tafel mit den Ortsgeschlechtern. Jüdische Nachnamen standen nicht darauf. Heute, auf den Tafeln des Kulturwegs, sind die Wylers, Guggenheims und Dreifuss’ nicht mehr weggelassen.
(sme) |
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Fotos
(erhalten von
Martina Bucher-Nevirovic, Waldshut-Tiengen) |
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Die Lengnauer
Synagoge |
Alt-Bundesrätin
Ruth Dreifuss bei der Eröffnung der Veranstaltung:
auf dem linken Foto
zusammen mit dem Mitinitiator des
"Jüdischen Kulturweges" Roy
Oppenheim |
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Artikel
von Uthe Martin im "Südkurier"
vom 28. Mai 2009: "Weg zur jüdischen Kultur
Ein neuer jüdischer Kulturweg, der die Geschichte der Juden im Schweizer Surbtal sichtbar macht, wurde dieser Tage eröffnet. Der Freundeskreis Jüdisches Leben in
Tiengen hofft, ihn eines Tages bis in die Doppelstadt weiterführen zu können.
Waldshut-Tiengen/Endingen - 'Es ist ein Weg in die Zukunft, nicht in die
Vergangenheit', so die ehemalige Schweizer Bundesrätin Ruth Dreifuss bei der Eröffnung des jüdischen Kulturweges im Schweizer
Surbtal, zwischen Endingen und Lengnau. Aus Waldshut-Tiengen waren Vertreter des Jüdischen Freundeskreises und der Stadt angereist, um das Ereignis mit den Nachbarn zu feiern.
Der Freundeskreis, der im Tiengener Schloss einen Raum eingerichtet hat, der an das Leben der Juden in der Stadt erinnert, wünscht sich eine Weiterführung des Schweizer Weges bis in die Doppelstadt.
Allen Schweizern sind die Namen der beiden Dörfer ein Begriff. Nur dort war es Juden bis Mitte des 19. Jahrhunderts erlaubt, sich niederzulassen. Um 1850 war die jüdische Gemeinde im Surbtal stark angewachsen, machte etwa die Hälfte der Bevölkerung aus. Erst 1866 wurde den Schweizer Juden Niederlassungsfreiheit zugesprochen. Die meisten wanderten daraufhin in andere Schweizer Städte ab oder zogen weiter ins Ausland. Ihre Toten beerdigten sie bis 1750 auf einer Rheininsel zwischen Waldshut und Koblenz, da sie bis dahin in ihren Dörfern kein Land erwerben durften.
Erste jüdische Siedlungen im Surbtal gab es schon vor 400 Jahren. Stationen am jüdischen Kulturweg machen ihre wechselvolle Geschichte jetzt erlebbar. Ausgangspunkt am Eröffnungstag war der Platz vor der Synagoge in Lengnau. Ruth Dreifuss, die in Lengnau lebt, durchtrennte die Bänder zur Eröffnung des Weges, die beiden Gemeindeammänner waren gekommen. Der Kulturweg führt an 21 Stelen vorbei, unter anderem wird an zwei Synagogen, das jüdische Schul- und Gemeindehaus, das Schlachthaus und das Frauenbad erinnert. Zwei Jahre lang hat eine Arbeitsgruppe unter der Leitung von Franz Bertschi daran gearbeitet. Den Impuls gab vor zweieinhalb Jahren die Lengnauerin Erika Müller.
Roy Oppenheim, in Lengnau zu Hause, begrüßte die Gäste aus Waldshut-Tiengen, darunter Hans Studinger als Vertreter des Oberbürgermeisters, und stellte den Jüdischen Freundeskreis vor. Mitglieder des Freundeskreises nahmen sich vor der Rückfahrt die Zeit, den alten jüdischen Friedhof zu besuchen.
'Eine wunderbare Stimmung', berichtet Maryann Kalt, 'uralte Grabsteine, zum Teil in die alten Bäume
eingewachsen.' Nach jüdischem Glauben ruhen dort die Toten bis zur Auferstehung." |
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Frühjahr
2013: In Lengnau könnte ein
Jüdisches Museum eingerichtet werden |
Artikel von Pirmin
Kramer in der "Aargauer Zeitung" vom 19. April 2013: "Wer
soll bezahlen: Streit um die Finanzierung des jüdischen Museums.
In Endingen und Lengnau wird intensiv darüber diskutiert, ob die
christlich-jüdische Geschichte besser dokumentiert und ein Museum
errichtet werden solle. Solche Bestrebungen gab es bereits in den
1990er-Jahren..."
Artikel
eingestellt als pdf-Datei |
Artikel von Pirmin
Kramer in der "Aargauer Zeitung" vom 14. Mai 2013: "Ruth
Dreifuss wünscht sich Museum über jüdische Vergangenheit. Im
Surbtal wird diskutiert, ob ein Museum errichtet werden soll, das die
jüdische Vergangenheit Endingens und Lengnaus besser abbildet. Jetzt hat
sich auch alt Bundesrätin Ruth Dreifuss zur Debatte
geäußert..."
Artikel
eingestellt als pdf-Datei |
2014/15:
Ein Konzept zum Erhalt des jüdisch-christlichen
Kulturerbes wird ausgearbeitet |
Artikel in suedostschweiz.ch
vom 4. Juli 2014: "
Aargau will Erbe der 'Judendörfer' erhalten.
Das jüdisch-christliche Kulturerbe in den 'Judendörfern' Endingen und Lengnau im Kanton Aargau soll der Öffentlichkeit näher gebracht werden. Der Kanton, die Einwohnergemeinden und jüdische Organisationen wollen bis 2015 ein entsprechendes Konzept ausarbeiten."
Link
zum Artikel |
Artikel in der "Neuen
Zürcher Zeitung" vom 29. Juli 2014: "Judendörfer im Aargau.
Jüdisch-christliches Erbe wird wiederentdeckt..."
Link
zum Artikel |
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September
2016: Auf den Spuren der jüdischen
Geschichte am Europäischen Tag der Jüdischen Kultur |
Artikel von Hubert Keller in
der "Aargauer Zeitung" vom 4. September 2016: "Lengnau.
Ein Ausflug in die jüdische Geschichte
Roy Oppenheim erzählte am Tag der jüdischen Kultur vom Leben der Surbtaler Juden.
Dass Menschen verschiedener Religionen und Kulturen friedlich miteinander leben können, bewiesen die beiden Judendörfer im Surbtal, Endingen und Lengnau. Eine halbe Hundertschaft aufmerksamer Zuhörerinnen und Zuhörer liess sich am gestrigen Tag jüdischer Kultur davon überzeugen..."
Link
zum Artikel |
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2016/17:
Das Projekt "Doppeltür" wird gestartet
Anmerkung: In den Aargauer Dörfern Endingen und Lengnau, nördlich von
Baden CH, lebten Juden und Christen auf Anordnung der eidgenössischen
Orte während rund 200 Jahren auf engem Raum zusammen. Gemäß einer
Bestimmung mussten sie 'abgesondert und nicht beieinander wohnen'. Die
Überlieferung besagt, dass sie dieses Gebot umgingen, indem sie
gemeinsame Wohnhäuser mit zwei identischen, nebeneinander liegenden
Eingängen, je einen für jüdische und christliche Bewohner ausstatteten.
Mit dem Projekt Doppeltür wird die einzigartige Geschichte dieser
Schicksalsgemeinschaft zum packenden Erlebnis am Schauplatz.
Am 18. Januar 2017 wurde der Verein DOPPELTÜR
gegründet. |
Website des Vereins
Doppeltür: www.doppeltuer.ch
Flyer zum
Projekt Doppeltür (eingestellt als pdf-Datei)
Artikel von Louis Probst in der "Aargauer Zeitung" vom 10.
Dezember 2016: "'Doppeltür
ist von nationaler Bedeutung'. Region. Das Projekt jüdisch-christlichen
Zusammenlebens tritt in die nächste Phase..."
Artikel von Hans Christof Wagner in der "Aargauer Zeitung" vom
20. Dezember 2016: "Kritische
Töne an den Bundesrat. Surbtal. Zum Abschluss des Jubiläums 150
Jahre Emanzipation von Schweizer Juden, übte SIG-Präsident Herbert
Winter in Lengnau Kritik an der
Landesregierung..." |
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April 2017:
Auf Spurensuche in der eigenen
Familiengeschichte |
Artikel von Peter Bollag in der
"Jüdischen Allgemeinen" vom April 2017: "Zürich. Pessachgrüße von
vorgestern. Ein Ehepaar entdeckt Dokumente aus einer Mazzenbäckerei seiner
Vorfahren..." (sc. Samuel Daniel Guggenheim, Mazzenbäcker in
Lengnau)
Link zum Artikel |
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Mai 2019:
Das Projekt "Doppeltüre" wird in
die Liste des Bundesamtes für Kultur aufgenommen
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Artikel von Louis Probst in der
"Aargauer Zeitung" (Badener Tagblatt) vom 5. Mai 2019: "Surbtal.
Bundesamt für Kultur nimmt Projekt 'Doppeltür' in seine Liste auf
Doppelte Freude für das Projekt 'Doppeltür: Der Verein, der sich für die
Vermittlung der jüdisch-christlichen Geschichte im Surbtal starkmacht,
erhält vom Bund das Gütesiegel und von der NAB finanzielle Unterstützung.
Das Projekt Doppeltür ist in die Liste der lebendigen Traditionen des
Bundesamtes für Kultur aufgenommen worden', sagt Lukas Keller, der Präsident
des Vereins Doppeltür. 'Wir sind stolz, dass der Verein jetzt dieses
Gütesiegel tragen darf.' Beim Verein Doppeltür, der sich die Vermittlung der
jüdisch-christlichen Geschichte von Endingen und Lengnau zum Ziel gemacht
hat, gibt es aber gleich mehrfachen Grund zur Freude: Im Rahmen der
Zurzibieter Kulturnacht fand am Samstag der erste Anlass im künftigen
Begegnungszentrum in Lengnau statt: Der Jüdische Kulturweg Endingen Lengnau
zeigte den Film 'Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse',
nach dem gleichnamigen Roman von Thomas Meyer. Zudem konnte der Verein
Doppeltür einen Check aus dem NAB-Kulturfonds in Empfang nehmen. 'Das
Zusammenleben der jüdischen und der christlichen Bevölkerung in den beiden
Surbtaler Dörfern ist wahrscheinlich nicht immer einfach gewesen', stellte
Lukas Keller vor geladenen Gästen in der Synagoge Lengnau fest. 'Die
Doppeltür zeigt aber, dass jüdische und christliche Menschen unter einem
Dach – Tür an Tür – gelebt haben.' Die Erkenntnis, dass ein solches
Nebeneinander und Miteinander möglich ist, hinauszutragen, sei eines der
wichtigsten Anliegen des Vereins Doppeltür. 'Das Projekt Doppeltür soll
nachhaltig sein und es wird nachhaltig sein', betonte Roy Oppenheim vom
Vorstand des Vereins, in einem spannenden Exkurs in die jüdisch-christliche
Kulturgeschichte. 'Doppeltür ist aus den Erfahrungen und Erkenntnissen des
Jüdischen Kulturwegs Endingen-Lengnau entstanden, der eigentlich kein
jüdischer, sondern ein jüdisch-christlicher Kulturweg ist. Doppeltür
versucht, den Bildungsschatz zu vermitteln, den wir hier mit der Geschichte
und den Kulturgütern haben. Wir sind überzeugt, dass wir auf gutem Wege
sind.'
Beitrag aus dem NAB-Kulturfonds. Eine grosse Hilfe auf diesem Wege
ist zweifellos der Check über 75 000 Franken aus dem NAB-Kulturfonds, den
Lukas Keller und Doppeltür-Vizepräsidentin Esther Girsberger im künftigen
Begegnungszentrum aus den Händen von Rolf Wolfensberger, Regionenleiter
Brugg-Zurzach der NAB, entgegennehmen durften. 'Das Vermittlungsprojekt
Doppeltür hat uns von Anfang an angesprochen', erklärte Rolf Wolfensberger.
'Mit dem Kauf des historischen Hauses und seinem Ausbau zum
Begegnungszentrum entsteht ein einzigartiger Ort, der das Zusammenleben
jüdischer und christlicher Menschen dokumentiert. Mit ihrer Kulturstiftung,
die jährlich Beiträge in der Gesamthöhe von 350 000 Franken ausrichtet,
engagiert sich die NAB für Leuchtturmprojekte mit nationaler Ausstrahlung.'
Lukas Keller revanchierte sich bei Rolf Wolfensberger mit Mazzen, dem
traditionellen jüdischen Gebäck, das an den Auszug der Juden aus Ägypten
erinnert. Als besonderen Gast konnte Susanne Holthuizen vom Jüdischen
Kulturweg Endingen Lengnau Thomas Meyer, den Autor des Erfolgsromans
'Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse', nicht nur
persönlich vorstellen, sondern ihm auch interessante Aussagen entlocken.
Unter anderen die höchst erfreuliche, dass die Geschichte des Mordechai
Wolkenbruch offenbar nicht in den Armen einer Schickse endet."
Link zum Artikel |
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Juni 2019:
10 Jahre "Jüdischer Kulturweg"
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Artikel von Samuel Knecht in
der "Aargauer Zeitung" vom Juni 2019: "Lengnau. Der jüdische Kulturweg
ist nach zehn Jahren Existenz bedeutender denn je
Der jüdische Kulturweg wurde 2009 ins Leben gerufen, um das kulturelle Erbe
für die Allgemeinheit zugänglich zu machen.
Der Postenlauf beginnt bei der Synagoge in Endingen, führt am ältesten
jüdischen Friedhof der Schweiz zwischen den beiden Gemeinden sowie an
diversen Bauten der jüdischen Kultur vorbei und endet ein Dorf weiter bei
der Synagoge in Lengnau. Nun feiern die Organisatoren das zehnjährige
Bestehen des jüdischen Kulturwegs. Überwältigend, findet Susanne Holthuizen,
Präsidentin des Projektes: 'Wir rechneten nicht damit, dass der Kulturweg
solch ein Erfolg wird. Bis jetzt schritten über 30 000 Menschen auf den
Spuren der Juden zwischen Endingen und Lengnau.' Die bisherigen
Besucherzahlen seien ein Beleg für das weitreichende Interesse: 'Die
Besucher pilgern nicht nur aus der Schweiz hierher, sondern auch aus dem
Ausland.' Der jüdische Kulturweg wurde 2009 ins Leben gerufen, um das
kulturelle Erbe für die Allgemeinheit zugänglich zu machen. Rund anderthalb
Stunden dauert der Postenlauf, der über die Website des jüdischen Kulturwegs
gebucht werden kann.
Das Judentum erleben. Neben dem jüdischen Kulturweg, den man auf
eigene Faust erkunden kann, bieten sich Interessierten weitere Formate, um
sich auf die Spuren der Juden im Surbtal zu begeben, so Holthuizen: 'Wir
vermitteln auch Hintergründe zum Judentum an Oberstufenschüler ab 13 Jahren
in Form eines Schulmoduls.' Zudem könne man im Format 'Zusammenleben'
erfahren, wie Juden und Christen nebeneinander durch den Alltag schritten.
Weiter werden auch Kochkurse angeboten, in denen Teilnehmer koscher kochen
lernen, das nennt sich 'Rituale'. Geplant sei, den jüdischen Kulturweg einst
mit dem Projekt 'Doppeltür' zusammenzuführen, so Holthuizen. 'Ein erster
Schritt dazu war der Kauf des dreistöckigen Gebäudes am Dorfplatz in Lengnau
durch den Verein ‹Doppeltür›.' Bis vor rund zwei Jahren befand sich im Haus,
das gleich neben der Synagoge am Dorfplatz in Lengnau liegt, eine
Spar-Filiale. Seit Oktober des letzten Jahres ist die Liegenschaft nun in
den Händen des Vereins 'Doppeltür'. Im Haus soll ein Besucherzentrum
entstehen, welches das christlich-jüdische Zusammenleben aus früheren Zeiten
erlebbar mache, so Lukas Keller, Präsident des Vereins 'Doppeltür'. Das Haus
ist wie andere Liegenschaften des Vereins ein historisches Doppeltürhaus. Es
befand sich bis 1895 in jüdischem Besitz. Mit zwei Hauseingängen wurde
früher eine Bestimmung umgangen, wonach Juden und Christen nicht beieinander
wohnen sollten. Zwei Haustüren ermöglichten ein friedliches Nebeneinander.
Lengnau und Endingen waren Ende des 18. Jahrhunderts die einzigen
Ortschaften in der Schweiz, in denen sich Juden dauerhaft niederlassen und
eigene Gemeinden gründen durften. Erst 1866 erhielten sie vom Bund die
Freiheit, sich in der ganzen Schweiz niederzulassen. In den Jahrzehnten
danach zogen die meisten weg, etwa nach Baden, Zürich oder ins Ausland. Seit
400 Jahren leben in beiden Dörfern Juden, die hohe Dichte an jüdischer
Baukultur ist schweizweit unvergleichbar. So befindet sich in Lengnau mit
dem 'Margoa' zudem ein jüdisches Alters- und Pflegezentrum.
Festakt Jüdischer Kulturweg: Sonntag, ab 10:45 Uhr mit musikalischem
Auftakt, Dorfplatz Lengnau"
Link zum Artikel |
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Februar 2020:
Über das Projekt "Doppeltür" in
Lengnau und Endingen |
Artikel von Roy Oppenheim in
der "Aargauer Zeitung" vom 7. Februar 2020: "Endingen
und Lengnau. Doppeltür: Wie das Zusammenleben von Juden und Christen
glückte – und was wir heute daraus lernen können
Gastbeitrag: Der 79-jährige Publizist Roy Oppenheim ist Initiator des
Projekts Doppeltür und Mitglied des Vereinsvorstands.
Zwei Berichte in der AZ lassen aufhorchen: jener über die Kontroverse über
die christlich-jüdischen Doppeltürhäuser im Surbtal und die Reportage über
den Umgang mit Jenischen, Sinti und Roma im Berner Dorf Wileroltigen. In
Endingen und Lengnau sollen die Vorstellungen über die Entstehung der seit
dem 17. Jahrhundert bestehenden Häuser mit zwei Eingängen nach neuesten
Forschungen mehr Mythos als Tatsache sein. So die Aussagen der
Kunsthistorikerin Edith Hunziker. Und im Bernischen 370-Einwohner-Dorf
Wileroltigen wehrt sich ein Teil der Bevölkerung massiv gegen einen
geplanten Transitplatz an der Autobahn Bern–Murten: Ein 2 Meter hoher Zaun
soll die örtliche Bevölkerung vor den Fremden, den durchreisenden Sinti,
Jenischen und Roma, schützen. Was haben beide Fälle miteinander zu tun? Im
17. Jahrhundert ging es um 'fremde Fötsel', um Juden, die man schon seit dem
Mittelalter aus unseren Dörfern und Städten verbannen wollte. Damals
errichtete man sogar Gettos: Man wies den Juden durch den Bau einer
'Judengasse' mit einem Judentor einen besonderen, meist eher schäbigen Dorf-
oder Stadtteil als Lebensraum zu. Mit dem Ziel, die Juden auf Distanz zu
halten. An solch vergangene Tage werden wir erinnert, wenn man von der
Umzäunung des Transitplatzes für Fahrende im Kanton Bern hört.
Keine Abschottung der Juden im Surbtal. Wie es anders gehen kann,
beweisen die 'Judendörfer' Endingen und Lengnau, wo zurzeit das
Zukunftsprojekt Doppeltür entsteht. Entgegen der allgemeinen Tendenz gab es
in diesen Dörfern weder Judengasse noch Zäune zur Abschottung. Die Juden
durften ihre Synagogen im Dorfkern erstellen, eigene Schulhäuser,
Gaststätten, Badehäuser und ein Schlachthaus bauen. Nur einmal, im Jahr
1802, fand der Versuch statt, die Juden zu vertreiben. Zwei mutige
Pfarrherren verhinderten im letzten Moment ein Pogrom. Im Übrigen lebten die
Menschen friedlich neben-, oft gar miteinander. Ein besonderes Merkmal der
beiden 'Judendörfer' Endingen und Lengnau sind Dutzende von Häusern mit zwei
aneinander liegenden, separaten, identischen Eingängen. Noch heute können
wir solche 'Doppeltürhäuser', wie sie im Volksmund heissen, besichtigen. Das
ist keine Legende und kein Mythos, sondern sichtbare Realität. Schon im 19.
Jahrhundert befragte man die christlichen und jüdischen Ortsbürger in den
beiden Dörfern, wie diese besonderen Doppeltürhäuser entstanden seien. Ich
selbst führte in den 60er- und 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts noch
Gespräche mit Ortsbürgerinnen und Ortsbürgern in Endingen und Lengnau. Auch
die bekannte Historikerin Florence Guggenheim-Grünberg schon um 1930, der
Historiker Franz Laube sowie der bekannte Arzt und Historiker Karl Weibel
aus Endingen führten Mitte des 20. Jahrhunderts Untersuchungen vor Ort
durch. Alle kamen zum gleichen Ergebnis: Die Doppeltürhäuser waren Ausdruck
gelebter Lebenswirklichkeit und keine Erfindung oder Mythen.
Zu den historischen Hintergründen: Nachgewiesen ist, dass sich erste
jüdische Familien um 1630, während des Dreißigjährigen Krieges, in Endingen
niederließen. Ab 1639 mussten die Juden alle 16 Jahre einen neuen
Schutzbrief erwerben. Um 1750 beschloss die Tagsatzung von Baden mit
Unterstützung des Landvogtes zu Baden, die Juden der Alten Eidgenossenschaft
in Endingen und Lengnau – in der Mitte zwischen Zurzach (Messeort) und Baden
(Badeort) – anzusiedeln, weil man die Juden bezichtigte, den Dreißigjährigen
Krieg ausgelöst zu haben. Am 5. August 1776 wurde das Judenmandat abgefasst.
Darin wurde festgehalten, dass trotz der neu zugewanderten Juden die Häuser
nicht erweitert und deren Zahl nicht erhöht werden dürfe. Zudem wurde im
Schirmbrief vorgeschrieben, dass 'Juden und Christen nicht unter einem Dach'
zu wohnen haben. Allerdings wurde die 'Konvivenz', das Zusammenleben im
gleichen Haus, im Schirmbrief von 1792 mit Einwilligung des Landvogteiamtes
gestattet.
Doppeltür: Pragmatische Lösung für die Platznot. Dennoch waren die
generellen Restriktionen gravierend, auch im neuen 'Judengesetz' von 1809:
Juden durften weder Land noch Häuser besitzen oder eigene Häuser bauen;
weder als Handwerker noch als Knechte und Bauern tätig werden. Die
christliche Bevölkerung der beiden Surbtaler Dörfern musste mit dieser Bürde
fertig werden – damals gab es noch keine demokratisch legitimierten
Befragungen und Abstimmungen. Pragmatische Lösungen waren gefragt. Fast die
Hälfte der Einwohner war bald jüdisch. Wie und wo sollten sie wohnen?Das
Erstaunliche: Im Unterschied zu anderen Orten und Ländern wurden im Surbtal
keine 'Judengassen' mit Zäunen und Toren errichtet. Man suchte innovativ
einen anderen Weg, um die Zugezogenen unterzubringen: Die einheimische
Bevölkerung gestattete den Juden, sich in ihren Häusern einzumieten. Damals
war es unmöglich, sich ein Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher
Konfession oder Religion im gleichen Haus vorzustellen. Die einzige Lösung:
Die (christlichen) Hausbesitzer bauten ihre Häuser um oder erweiterten sie
im Laufe der Jahrzehnte. Daraus sind Wohnungen für Christen und Wohnungen
für Juden entstanden, Doppeltürhäuser eben, Seite an Seite, jede Familie mit
einer geschützten Privatsphäre. Da wir bis heute nur Angaben über die
Besitz-, nicht aber über die Mietverhältnisse haben, sind kaum Informationen
über die Religionszugehörigkeit der Mieter und Mieterinnen zu finden. Die
beiden Historikerinnen Alexandra Binnenkade und Edith Hunziker leiten ihre
provokativen Thesen zu den Doppeltürhäusern aus Angaben über die
Hausbesitzer, nicht aber aus Zahlen über die Mieter ab. Die meisten
jüdischen Bewohner waren schon aus rechtlichen und finanziellen Gründen in
der Frühzeit nicht in der Lage, einen eigenen Hausteil zu erwerben. Sie
konnten nur eine Wohnung mieten. Dies änderte sich erst in der zweiten
Hälfte des Jahrhunderts, als sich ab 1866 langsam die Emanzipation
abzeichnete. Doppeltürhäuser ergaben somit durchaus Sinn. Wer die
zahlreichen Untersuchungen, etwa jene von Florence Guggenheim-Grünberg,
Augusta Weldler-Steinberg, Ralph Weingarten, Karl Weibel, Franz Laube oder
Jacques Picard sorgfältig analysiert, kommt zum eindeutigen Schluss: Die
Konvivenz, das jüdisch-christliche Miteinander, war keine Legende oder
Mythos, sondern Tatsache.
Ohne Zweifel sind Doppeltürhäuser, bewohnt von Christen und Juden, in der
jüdisch-christlichen Geschichte im Surbtal einzigartig. Sie sind ein
positives Beispiel geglückter Segregation und eine pragmatische Lösung in
einer schwierigen Zeit. Die Doppeltüren sind zu einer Metapher für das
erfolgreiche Miteinander verschiedener Ethnien und Religionen geworden und
beeindrucken Menschen weit über die Grenzen unseres Landes hinaus. Es wäre
angebracht, die positiven Aspekte dieser Geschichte in den Vordergrund zu
stellen, in einer Zeit, in der wir immer wieder schmerzlich an die
tragischen Aspekte der jüdisch-christlichen Symbiose in der europäischen
Geschichte erinnert werden. Machen wir dieses Kapitel nicht schlechter, als
es war. Das entstehende Vermittlungsprojekt 'Doppeltür' lebt, hat Zukunft
und könnte auch dem Bürgerkomitee von Wileroltigen helfen, für die Jenischen
und Sinti eine menschliche Lösung zu finden, die von Toleranz und Respekt
getragen wird und auf Ausgrenzung verzichtet.
Auch Legenden können die Welt verändern. Hinterfragen wir zum Schluss
die These der Legende. Jeder weiß, dass auch Legenden und Mythen zu einem
Teil der Wirklichkeit werden können und oft die Welt verändert haben. Ich
erinnere mich an Prof. Marcel Beck, Ordinarius für mittelalterliche
Geschichte an der Universität Zürich. Er rüttelte an den zwei stabilsten
Stützen des schweizerischen Staatsgedankens, als er – 'wissenschaftlich
untermauert' – darlegte, dass der historische Rütli-Schwur der
schweizerischen Urkantone am Urner See im Jahre 1291 keineswegs die Gründung
der Eidgenossenschaft belege und der legendäre Freiheitskämpfer Wilhelm Tell
mit Sicherheit nie gelebt habe. Auch Friedrich Schiller, dem wir die das
Drama von Wilhelm Tell verdanken, hat nie die Schweiz besucht und vor Ort
Geschichtsforschung betrieben. Dennoch prägt er das helvetische
Selbstverständnis bis heute nachhaltig."
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
|
Ernst Guggenheim: Restauration der Synagogen
Endingen und Lengnau. Zürich 1976. |
| Thomas Armbruster: Die jüdischen Dörfer von Lengnau und Endingen.
In: Landjudentum im süddeutschen- und Bodenseeraum (= Forschungen zur
Geschichte Vorarlbergs. Hg. vom Vorarlberger Landesarchiv Bd. 11). 1992 S.
38-86. |
|
Carol Herselle Krinsky: Europas Synagogen.
Architektur, Geschichte und Bedeutung. Stuttgart 1988. Zu Endingen und
Lengnau: S. 272-278. |
|
Anna Rapp
Buri: Jüdisches Kulturgut in und aus Endingen und Lengnau.
Der hier angezeigte erste Band des Vereins für die Erhaltung der Synagogen und des Friedhofes Endingen – Lengnau stellt einen ausführlichen Katalog des noch erhaltenen Kulturgutes der beiden jüdischen Landgemeinden dar. Besprochen werden Objekte aus Museumsbesitz sowie Gegenstände, die noch in den Synagogen, im Altersheim und bei Privatpersonen beider Judendörfer aufbewahrt werden. Darunter befinden sich farbenfrohe Textilien und traditionelles Kultgerät als auch Dinge häuslichen Gebrauchs, die die jüdischen Sitten und das einfache Leben auf dem Land veranschaulichen. Endingen und Lengnau nahmen eine Sonderstellung in der alten Eidgenossenschaft ein – so gehörten sie doch zu den wenigen Gemeinden, in denen Juden sich niederlassen konnten und die sich weitgehend autonom durch einen eigenen Gemeindevorstand verwalteten. Als Ergänzung des Kataloges folgt in Kürze der zweite Band über Lebendiges und untergegangenes Brauchtum.
Hrsg. vom Verein für die Erhaltung der Synagogen und des Friedhofes Endingen -
Lengnau, Bd. 1. Kontakt
324 S. mit 334 farb. Abb., quadrat. Format, fester Einband. 2008. ISBN: 978-3-89735-493-7.
€ 30,00
Erschienen im Verlag
Regionalkultur Direkt
zum Titel |
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Peter Stein: Lebendiges und untergegangenes jüdisches Brauchtum.
Brauch gestern und heute, Brauch hier und dort mit besonderer
Berücksichtigung der schweizerischen Judendörfer Endingen und
Lengnau.
Die in Zentraleuropa lebenden Juden haben neben den durch das Religionsgesetz vorgegebenen Ritualen eine Vielzahl von Bräuchen hervorgebracht.
Ziel dieser Publikation ist es, die Verschiedenartigkeit der Ausgestaltung dieses Brauchtums zu beleuchten. Inwiefern sind früher geübte Bräuche noch lebendig oder in Vergessenheit geraten? Welche regionalen Unterschiede sind auszumachen ?
Eine beachtliche Zahl alter Stiche illustriert den Text. Die in vielen Einzelpublikationen zerstreuten Beschreibungen von Ortsbräuchen werden zu einer Synthese zusammengefasst und miteinander in Beziehung gesetzt.
Das seinerzeit durch Umfragen ermittelte Brauchtum wurde mit einer neu veranlassten Enquête verglichen und so die Entwicklung im Lauf der Zeit beleuchtet.
Als Anhang wird der Öffentlichkeit die Sammlung des Schweizerischen Instituts für Volkskunde von Schnurren, Liedern, Gedichten und schweizerisch-jüdischen Redensarten vorgestellt.
Hrsg. vom Verein für die Erhaltung der Synagogen und Friedhofes
Endingen-Lengnau. Kontakt
132 Seiten mit 68 z.Z. farbigen Abb.; quadrat. Format, fester Einband, mit beigelegter CD.
2008. ISBN 978-3-89735-551-4. € 20,00
Erschienen im Verlag
Regionalkultur Direkt
zum Titel |
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Helmut Fidler: Jüdisches Leben am Bodensee.
Verlag Huber Frauenfeld - Stuttgart - Wien 2011. 320 S. zahlreiche
Abbildungen. Verlag: www.verlaghuber.ch
mit Infoseite
zum Buch. ISBN 978-3-7193-1392-0. 29,90 € 39,90
CHF
Wenn aus Fremden Nachbarn werden. Zwei Generationen nach dem Zweiten
Weltkrieg und dem Ende des Holocaust geht Helmut Fidler einen
ungewöhnlichen Weg, um achthundert Jahre jüdische Geschichte in der
Bodenseeregion zu beschreiben. Er sucht die Orte auf, an denen jüdisches
Leben heute noch sichtbar, nach-erlebbar und begreifbar ist, erzählt von
Personen, die hier gelebt haben, und von Ereignissen, die in Erinnerung
geblieben sind.
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