Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Lingolsheim (Dep. Bas-Rhin / Alsace / Unterelsass) 
Jüdische Geschichte  /  Synagogue / Synagoge

Übersicht:

bulletZur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Berichte aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben  
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde   
bulletZur Geschichte der Synagoge   
bulletFotos / Darstellungen   
bulletLinks und Literatur   

   

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english version)         
     
In Lingolsheim bestand eine jüdische Gemeinde bis in die 1930er-Jahre (und wiederum nach 1945). Ihre Entstehung geht in die Zeit des 18. Jahrhunderts zurück. 1766 wurden bereits 15 jüdische Familien am Ort gezählt, 1784 waren es 18 Familien mit zusammen 84 Personen.   

Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt:  1807 90 jüdische Einwohner, 1849 140, 1861 158, 1870 159, 1910 127.  

An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine jüdische Schule (zeitweise jüdische Elementarschule/Volksschule) und ein rituelles Bad. Die Toten der Gemeinde wurden auf dem jüdischen Friedhof in Rosenwiller / Rosenweiler beigesetzt (vgl. noch die Beisetzung von Rab Nathanel Wolf 1900, Bericht unten). Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war. Als Lehrer werden genannt: um 1887/1896 Lehrer Nerson (Nersum), um 1898/99 Lehrer Wolf (unterrichtete 1899 32 Kinder der Gemeinde), um 1913/14 Lehrer Camille Metzger. Die Gemeinde gehörte zum Rabbinat von Strasbourg. An jüdischen Vereinen bestanden: eine "Israelitische Unterstützungsgesellschaft" (Chewra Gemilut Chassodim; um 1888/1898 unter Leitung von R. Weill und J. Kahn, 1905 R. Weill), ein Israelitischer Frauenverein (um 1905 unter Leitung von Frau Metzger). eine Ortsgruppe des "Verbandes der Sabbatsfreude" (seit 1908 siehe Berichte unten) sowie ein "Jugendbund" (vgl. Berichte unten).       
    
1936 lebten noch 66 jüdische Personen in Lingolsheim. Diejenigen, die in den folgenden Jahren den Ort nicht verlassen konnten, wurden unter der deutschen Besatzung 1940 nach Südfrankreich deportiert
.
   
Von den in Lingolsheim geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Rene Goldenberg (1914), Gustave Heumann (1874), Andre Heymann (), Marie Heymann (1908), Moise Heymann (1866), Sara Hofmann geb. Wolf (1883), Berthe Kahn geb. Wolff (1889), Marylise Kahn (1925), Fernande Levy geb. Weill (1913), Benjamin Metzger (1868), Florette Metzger (1878), Marie Metzger (1878), Melanie Metzger (1866), Marguerite Meyer geb. Heymann (1897), Mathieu Meyer (1890), Jeanette Nerson (1862), Marcel Nerson (1894), Joseph Presmann (1891), Rebecca Wartensleben geb. Metzger (1876), Alice Weil (1920), Fanny Weill (1876), Madeleine Weill (1922), Marthe Weill geb. Meyer (1891), Albert Wolff (1889), Daniel Wolff (1887), Emma Wolff geb. Caron (1882), Ernest Wolff (1889), Gustave Wolff (1891), Jeanne Wolff (1898), Lucie Wolff (), Lucien Wolff (1907), Marcel Wolf (1903), Marie Wolff geb. Heymann (), Raphael Wolf (1890).         
   
   
   
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde      
Berichte aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben   
 
Über zwei jüdische Gefallene aus Lingolsheim im Krieg 1870/71      

Aus einem Artikel vom 13. Februar 1872: "Französische Soldaten jüdischer Religion. (Fortsetzung.)
In Nummer 49 vorigen Jahres haben wir nach den Archives israélites die Liste der französischen Soldaten jüdischer Religion während des Krieges 1870/71 aus Lothringen gegeben. Zu den dort aufgeführten 22 mögen jetzt noch folgende hinzugefügt werden:
Wolf, aus Lingolsheim, starb einige Zeit nach seiner Rückkehr aus der Gefangenschaft.
Heyman, aus Lingolsheim, starb einige Tage nach seiner Rückkehr aus der Gefangenschaft. "       

  
Gründung einer Ortsgruppe des "Verbandes der Sabbathfreunde" (1908)     

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. Februar 1908: "Straßburg im Elsass, 11. Februar. Am Mittwoch, 4. Februar wurde von einem Mitglied der Frankfurter Ortsgruppe des 'Verbandes der Sabbatfreunde' in Lingolsheim bei Straßburg eine Ortsgruppe gegründet, der 22 Mitglieder, fast die ganze Gemeinde, beitraten." 
 
Artikel in der Zeitschrift "Der Sabbath" vom März 1908 S. 10:  Lingolsheim, 6. Februar. Hier wurde gestern Abend eine Ortsgruppe des Verbandes der Sabbathfreunde gegründet. Herr Kahn, Mitglied der Ortsgruppe Frankfurt, hielt im Schulsaale, der bis auf den letzten Platz von Damen und Herren dicht besetzt war, einen Vortrag über die Bedeutung des Sabbath, zu dem Herr Lehrer Metzger eingeladen hatte. Herr Kahn sprach in klarer, lichtvoller Weise über die hohe Bedeutung des Sabbat, dieses kostbaren Guts, das die Völker immer mehr vermissen, sodass die Regierungen sich dazu verstehen müssen, die Sonntagsruhe, den einen freien Wochentag, einzuführen -  eine Einrichtung, die das jüdische Gesetz schon seit mehr als 3000 Jahren kennt. So gehen allmählich den Völkern die Augen auf über die Gebote, die das göttliche Gesetz uns von vornherein zu unserem eigenen Vorteil gegeben hat. Nun ist der Sabbat das Grundgesetz des Judentums, mit dem das Judentum steht und fällt. Es ist leider nicht zu leugnen, dass gerade der Sabbat in den letzten Zeiten durch den Gang der Gesetzgebung und den Gang der Geschäfte vielfach gestört worden ist. Da tritt nun der Verband der Sabbathfreunde ein, der in dieser Beziehung schon viel Gutes bewirkt hat, trotz seines kurzen Bestehens. So hat es der Verband der Sabbathfreunde durchgesetzt, dass in drei Städten unter ganz verschiedenen Umständen, nämlich in München, in Posen und in Köln, für diejenigen Geschäfte, welche am Samstag geschlossen halten, die Vergünstigung eingeführt worden ist, am Sonntag einen Teil des Tages zu arbeiten. Dadurch haben die Prinzipale keinen so großen Verlust, und die Angestellten keinen unnötigen doppelten Ruhetag, der Ihnen selbst lästig fällt. Für diejenigen jungen Leute, die einmal nach auswärts kommen wollen, die aus kleinen Plätzen in die Stadt oder in größere Städte ziehen wollen, wie nach Frankfurt, Berlin, München und so weiter, bietet der Verband der Sabbathfreunde die Stellenvermittlung, so dass sie sich nur an den Verein zu wenden haben und sofort eine geeignete Stelle, die ihnen den Sabbat freigibt, erhalten. Den Prinzipalen gewährt der Verband der Sabbathfreunde den Vorteil eines Kreditinstituts, dass Ihnen Gelder zur Neubegründung beziehungsweise zur Vergrößerung ihres Geschäftes oder Unternehmens gegen geringe Sicherheit vorstreckt. Ferner wirkt der Verband durch sein Organ 'Der Sabbath', das neben einer Fülle von interessantem Lesestoff viel Anregung und Belehrung bietet und die beste Ergänzung zu einer guten, jüdischen Lokalzeitung bildet. Weiter ist der Verband bestrebt, an allen Orten, wo kein 'Lernen' besteht, ein solches einzurichten, geeignete Redner kostenlos zur Verfügung zu stellen, und so den jüdischen Bewohnern interessante Abende zu bieten, die sie bekannt machen mit den großartigen Geistesschätzen unseres Judentums. Nachdem noch Herr Lehrer Metzger in geistreicher Weise dargelegt hatte, wie wohltätige ein derartiger Verein gerade für Lingolsheim wirken könnte, wurde so gleich eine Ortsgruppe gegründet, der von der Gemeinde Lingolsheim, die nur 25 Familien zählt, sogleich 22 Herren beitraten. Als praktische Folge ergab sich die Gründung eines Schulchan-Aruch-Lernens, dass allwöchentlich in Lingolsheim abgehalten und den Teilnehmern Gelegenheit bieten wird, das, was sie in ihrem Glauben ausführen, auch zu verstehen. Da der Verband der Sabbathfreunde nur zwei Mark Jahresbeitrag erhebt, gibt er einem jeden Gelegenheit, an dem reichen Segen, den er bringt, teilzunehmen."  

    
Vortrag von Rabbiner Dr. Marx aus Straßburg im "Jugendbund" (1913)   
Anmerkung: Bei dem genannten
Rabbiner Dr. Marx handelte es sich um Rabbiner Dr. Victor Marx (geb. 1872 in Homburg v.d.H., gest. 1944 in Périgueux): war 1899 bis 1909 Rabbiner in Westhoffen, 1910 Rabbinatsassessor mit Filialgemeinde in Straßburg; 1937 übernahm er zusätzlich das Rabbinat in Lingolsheim, außerdem war er Hospitalseelsorger in Straßburg. 1939 zog er sich mit einem großen Teil der Straßburger Gemeinde nach Périgueux in der Dordogne zurück und betreut die dortigen jüdischen Flüchtlinge.   

Artikel in "Das jüdische Blatt" vom 10. Januar 1913: "Lingolsheim. Jugendbund Lingolsheim. Vergangenen Samstagabend sprach Herr Rabbiner Dr. Marx - Straßburg im hiesigen Jugendbunde über Moses Maimonides (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Maimonides). Etwa 30 Herren, der Mehrzahl nach junge Leute, waren erschienen und folgten mit großem Interesse den Ausführungen des Redners. Zunächst gab er einen kurzen geschichtlichen Rückblick von der Zeit Hillels (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Hillel) bis zur Zeit Moses Maimons, um dann über diesen großen Gelehrten das Wesentliche vorzutragen. Sein Vortrag hatte praktischen Wert, denn das Interesse an der jüdischen Geschichte ist geweckt. Herr Felix Bloch aus Straßburg, welcher einer Einladung an den Jugendbund Straßburg im Auftrag desselben gefolgt war, zeigte sich in der Diskussion als gewandter Redner, sodass ein zahlreicher Besuch für den zweiten Vortragsabend gesichert ist, an dem Herr Bloch über die jüdischen Gebete referieren wird. Der erste Leseabend (Freitagabend) war verhältnismäßig gut besucht und wird voraussichtlich unsere Jugend zur eigenen Arbeit anregen."    

   
Vortrags von Felix Bloch aus Straßburg im "Jugendbund" (1913)     

Artikel in "Das jüdische Blatt" vom 14. Februar 1913: "Lingolsheim. Vortragsabend im jüdischen Jugendbund. Letzten Samstagabend sprach im hiesigen Jugendbund Herr Felix Bloch aus Straßburg über die jüdischen Gebete. Von den 40 Mitgliedern waren 30 erschienen. Angenehm berührte ist, dass zum ersten Male Damen anwesend waren. Möge dies Beispiel Nachahmung finden. Der Referent verstand es, in gemeinverständlicher Art und Weise die Erschienenen für das Gebet zu erwärmen. Er hatte die Zweiteilung der Gebete in biblische und talmudische, seinem Vortrage zu Grunde gelegt. Bot der Vortrag schon an und für sich viel des Interessanten, so vertiefte eine äußerst angeregte Diskussion noch den Wert desselben. Das Konsistorialmitglied, Herr Lederfabrikant Otto Adler, hat unserem jungen Verein 100 DM gestiftet, so dass wir in der Lage sind, schon jetzt etliche Bücher anzuschaffen. Herzlichen Dank dem edlen Geber! Möge uns sein Wohlwollen auch weiterhin verbleiben!"    

    
Purimfeier und Vortrag von Referendar Dr. Jony Schneider aus Straßburg im "Jugendbund" (1913)     

Artikel in "Das jüdische Blatt" vom 14. März 1913: "Lingolsheim. Purimfeier. Am Purimabend, den 22. März, abends 9:00 Uhr, wird der Jugendbund bei freiem Eintritt eine größere Purim Feier im Saale zum roten Löwen hier abhalten,. Auswärtige Gäste, Damen und Herren, sind herzlich willkommen!
  
Lingolsheim. Samstagabend hielt Herr Referendar Dr. Jony Schneider - Straßburg im hiesigen Jugendbund einen sehr interessanten Vortrag über deutsches Zeitungswesen. Ausgehend von den allerersten Anfängen der Nachrichtenübermittlung führte der sehr gewandte Redner seine aufmerksamen Zuhörer schrittweise durch die verschiedenen Phasen der Entwicklung des Zeitungswesens nicht allein bis heute, sondern er malte sogar ein Zukunftsbild aus, zu dem die ersten Ansätze bereits heute sich fühlbar machen. In mehr als einstündiger Rede zeigte uns der Referent seine reiche Erfahrung auf dem Gebiet des Zeitungswesens überhaupt und des deutschen insbesondere, und es war ein Vergnügen, zu beobachten, wie der Redner nur so aus dem Vollen schöpfte. Zum Schluss führte er die Versammlung an der Hand eines trefflichen Veranschaulichungsmittels (aufgeklebte Zeitungsköpfe) durch den deutschen Blätterwald und skizzierte mit markigen Strichen die verschiedenartige Färbung. Reicher Beifall belohnte den Herrn Dr. für seinen Vortrag, und der Vorsitzende wusste seinen Beifall und Dank nicht besser zum Ausdruck zu bringen als dass er die bitte aussprach, der Herr Referent möge den hiesigen Jugendbund im nächsten Jahre wieder mit einem Vortrage erfreuen. Die Beteiligung (Damen und Herren) war recht zahlreich. Dank gebührt auch H. F. Bloch (= Herrn Felix Bloch, s.o.) aus Straßburg, welcher den Referenten für uns gewonnen hatte."   

    
Purimfeier des "Jugendbundes" (1913)   
Anmerkung: beim "Elsasslied" von Wiltberger handelt es sich um das Lied von Heinrich Wiltberger "Kennt das Land ihr wohl?". Zu Heinrich Wiltberger (geb. 1841 in Sobernheim, tätig als Musiklehrer u.a. in Schlettstadt und Kolmar, ab 1894 mit dem Titel Kaiserlicher Musikdirektor, gest. 1916 in Kolmar) vgl. http://www.digizeitschriften.de/dms/resolveppn/?PID=PPN84623971X_033%7CLOG_0171)  

Artikel in "Das jüdische Blatt" vom 4. April 1913: "Lingolsheim. Purimfeier des Jugendbundes. Am Purimabend veranstaltet der hiesige Jugendbund eine in allen Teilen wohl gelungene Purimfeier. Der große Saal zum Löwen war gut besetzt, und trotz des strömenden Regens waren auch auswärtige Gäste, besonders aus Straßburg, erschienen. Mit dem schönen und gut vorgetragen Chore 'Gott grüße dich' begann die Feier. Hierauf begrüßte der jüngste jüdische Jugendbund, je ein Knabe und ein Mädchen von sechs Jahren, die Erschienenen. Ein junges Mädchen sprach einen sinnigen Prolog, worauf der erste Vorsitzende, Lehrer C. Metzger, das Wort zur Festrede ergriff. In kurzen, markigen Worten sprach er über die Bedeutung des Tages, über Zweck und Ziel der Jugendvereine, die nicht in Veranstaltung von Unterhaltungsabenden bestehen, sondern in ernster, stiller Arbeit an den Vortrags- und Leseabenden. Nach ihm sprach der erste Vorsitzende des Jugendbundes Straßburg, Herr Referendar Ed. Weil, in formvollendeter, inhaltsreicher Weise. Reicher Beifall belohnte beide Redner. Ein sehr gut gegebenes Purimfestspiel 'Der Weg der Treue (Judentum, irrendes Kind, Mode, Treue)' beschloss den ernsten ersten Teil. - Mit dem Vortrage des Miserere aus Il Trovatore von Verdi (2 Knaben, Söhne des Vorsitzenden) begann der unterhaltende Teil. Im Chore 'Elsasslied' von Wiltberger hatte man Gelegenheit, die schöne Tenorstimme eines hiesigen jungen Kaufmannes zu hören. Hierauf führten 16 Schulkinder ein vorzügliches Purimspiel mit Reigen auf, betitelt 'Schulhumor an Purim'. Jedermann hatte seine Freude an den exakten Bewegungen, frischen Jugendstimmen und der guten Sprache. Herr Konzert- und Opernsänger, L. Loeb aus Straßburg, erfreute durch den Vortrag dreier Lieder Von ewiger Liebe, von ihm selbst komponiert, Mädchen mit dem roten Mündchen, von R. Franz und Liebeslied aus der Walküre von Wagner. Es herrschte nur ein Lob über den begabten Sänger. Ebenso gefiel Herr Josef Bloch aus Straßburg mit seinen humoristischen Vorträgen. Zum Schluss gaben junge Mitglieder unseres Vereins den Prozessmichel, Lustspiel in einem Aufzug in elsässischer Mundart von Louis Meyer in einer so vorzüglichen Weise, dass niemand glauben wollte, dass sie zum ersten Male sich auf den Brettern bewegten. Der Jugendbund Lingolsheim kann mit Stolz auf sein erstes Fest schauen. Wie viel Mühe und Arbeit es gekostet hatte, bis alles eingeübt war, mag wohl nur der Leiter des Ganzen, Lehrer Metzger wissen, dem sein Erfolg an diesem Abend reiche Entlohnung sein wird. Bis zum frühen Morgen blieb eine fröhliche Gesellschaft bei den heiteren Klängen der Tanzmusik zusammen."      

    
Ausflug des "Jugendbundes" (1913)    

Artikel in "Das jüdische Blatt" vom 6. Juni 1913: "Lingolsheim. Jugendbund Lingolsheim. Am Sonntag den 1. Juni unternahm der Jugendbund Lingolsheim einen Ausflug nach Urmatt - Nideck - Schneeberg - Wangenburg - Romansweiler. Trotz der morgens noch ungünstigen Wetterverhältnisse schlossen sich 16 Mitglieder der Führung an, fünf wanderten von Romansweiler nach Wangenburg, sodass über die Hälfte der Mitglieder sich an der Wanderung beteiligt hatte. Bereits am 1. Mai hatte ein Ausflug von circa 25 km in die Umgebung stattgefunden, und beide Male hat sich die hiesige Jugend als gute Wanderer bewährt. Im Laufe des Jahres werden noch verschiedene Wanderungen statthaben."  

   
Vortragsabend mit Prof. Dreyfuß aus Straßburg im "Jugendbund" (1913)  

Artikel in "Das jüdische Blatt"  vom 10. Oktober 1913: "Lingolsheim. Vom Jugendbund. Vergangenen Samstagabend sprach im Vereinslokal Herr Professor Dreyfuß aus Straßburg über die Rassenkrankheiten der Juden. In mehr als einstündiger Rede verstand er es, viel Anregendes den etwa 40 Zuhörern (auch einige Damen) zu bieten, und manch' Fingerzeig wird beherzigt werden. Vor allem legte er der Jugend ans Herz, durch Sport ihren Körper zu stählen, was hier umso leichter möglich ist, da sportliche Vereine vorhanden sind. Nächsten Sukkoth (Laubhüttenfest) werden auch die Leseabende (Freitags) wieder ihren Anfang nehmen, so dass wir dann in voller Arbeit stehen. Hoffentlich nimmt das Interesse diesen Winter noch zu."   

  
Zum Tod von Lucien Wolff, Sohn von Moise Wolff und Vortragsabend von Referendar Dr. Jony Schneider (1914)   

Artikel in "Das jüdische Blatt" vom 30. Januar 1914: "Lingolsheim. In tiefer Trauer wurde die hiesige Familie Moise Wolff durch den tragischen Tod ihres 20-jährigen Sohnes versetzt, der in Nancy als Konditorgeselle in Stellung war und mit seinem Arbeitsgenossen durch Ersticken seinen Tod fand. Wie der mit der Untersuchung beauftragte Polizeibeamte feststellte, waren durch einen Riss im Kamin, welches durch das Schlafzimmer geht. giftige Kohlengase entwichen, welche den Tod der beiden jungen Leute verursacht hatten. Lucien Wolff war Schüler der israelitischen Gewerbeschule in Straßburg und hat auch dort bis vor zwei Jahren gearbeitet. Überall war er als tüchtiger und fleißiger Arbeiter gerne gesehen und auch bei der Kundschaft gut gelitten. Am Dienstag wurde der Unglückliche in Nancy beerdigt. Möge der Allmächtige die trauernden Eltern und Geschwister in ihrem großen Schmerz trösten!
  
Vom Jugendbund. Im hiesigen Jugendbund sprach letzten Samstag Herr Referendar Dr. Jony Schneider aus Straßburg über "Napoleon und die Juden" in sehr interessanter Weise. Trotz der ungünstigen Witterung war der größte Teil unserer Mitglieder erschienen, um den tüchtigen Herrn Referenten zu hören. Das Thema ist für die elsässischem Juden doppelt interessant, weil gerade unser Land zu jener Zeit französisch war. Eine so großzügig angelegte Natur auch Napoleon war, so war er persönlich den Juden nicht freundlich gesinnt, führte der Redner aus, weil er zu wankelmütig war und dem Klerus einen zu starken Einfluss auf sich einräumte. Auch den Vorstellungen eines Bürgermeisters von Straßburg, der Bauern aus dem Elsass, welche gegen die Gleichberechtigung der Juden waren, lieh er sein Ohr. Aber so ohne weiteres wollte er deren Rechte nicht einschränken, und so berief er bedeutende Juden aus den verschiedenen französischen Gebieten nach Paris. Die hauptsächlichsten Redner waren Furtado (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Abraham_Furtado) und David Sinsheim (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/David_Sinzheim) aus Bischheim. Dass die Kultusausgaben der Juden vom Staat übernommen wurden, ist Napoleon hoch anzurechnen. Volle Gleichstellung der Juden in Frankreich, also auch im Elsass, führte Ludwig XVIII. durch. Zum Schlusse gab der Redner noch interessante Ausführungen über die Entstehung der jüdischen Familiennamen, welche jeder annehmen musste, besonders der Namen der hiesigen Bürger. Reicher Beifall lohnte den Redner. Noch manches Wissenswerte wurde in der Diskussion erörtert."   

       
Verschiebung eines Konzertes (1914)         

Mitteilung in "Das jüdische Blatt" vom 24. April 1914: "Lingolsheim. Das vom jüdischen Jugendbund auf Samstag, den 14. März anberaumte Konzert mit nachfolgendem Ball, findet in Folge eingetretenen Trauerfalls erst nächsten Samstag, den 25. dieses Monats, abends 9 Uhr im Saale zum roten Löwen statt."  

       
      
 
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde       
 
Mehrfach wird in den nachfolgenden Berichte die Lederfabrik Adler & Oppenheimer genannt (links Briefkopf mit Darstellung der Lederfabrik). Gründer dieser Firma waren Isaak Adler (geb. 1837 in Obergimpern) und sein Schwager Ferdinand Oppenheimer (geb. 1846 in Kleinhausen an der Bergstraße), die sich seit 1871 mit ihren Familien in Straßburg niederließen und dort 1872 die Adler & Oppenheimer OHG Ledergroßhandlung gründeten sowie eine Lederfabrik eröffneten. 1889 bauten zwei Kinder der Gründer, Friedrich Léon Adler und Julius Oppenheimer, eine neue Gerberei in Lingolsheim. Die Familie Adler und Oppenheimer gehörten bald zu den erfolgreichsten und führenden Industriellen-Familien in Elsaß-Lothringen. 1912/13 gründete das Unternehmen die Adler & Oppenheimer Wohlfahrtsgesellschaft m.b.H., die die Lingolsheimer Sozialeinrichtungen von A & O unterhielt. Das Lingolsheimer Werk umfasste eine Werkskasino, eine Badeanstalt und ein Geschäft. Für die Arbeiter und deren Familien gab es eine Bibliothek und Klassenräume. Schon 1906 hatte das Unternehmen der Stadt Lingolsheim 10.000 Mark für Schulzwecke gestiftet und jährliche weitere Zahlungen abgekündigt.
Weiteres zu diesem Unternehmen, zeitweise der größte Konzern in der europäischen Lederindustrie:  https://de.wikipedia.org/wiki/Adler_%26_Oppenheimer  sowie Pressebericht in  http://webopac.hwwa.de/PresseMappe20E/Digiview_MID.cfm?mid=F041419   
Genealogie zu Familie Ferdinand Oppenheimer, Einstieg über https://www.geni.com/people/Ferdinand-Oppenheimer/6000000033969186957.  

 
Spende von Rosa Adler, Witwe von Isaak Adler, für die jüdische und christliche Arme in Lingolsheim (1898)       

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom  9. Mai 1898: "Zur Erinnerung an ihren am 29. April verstorbenen Gatten, Herrn Isaak Adler, Mitglied des israelitischen Konsistoriums im Unter Elsass, hat Frau Witwe Rosa Adler dem hiesigen Bürgermeister Amt die Summe von 1000 DM übergeben und den Armen in den nahe liegenden Dorfe: Lingolsheim, wo die Lederfabrik des Verstorbenen, unter der Firma: 'Adler und Oppenheimer' sich befindet, 500 Mark gespendet und zwar 300 den christlichen und 200 Mark den jüdischen Armen."             

          
Zum Tod von Reb Nathanael Wolf (1900)  

Lingolsheim Israelit 22111900.jpg (113319 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. November 1900: "Lingolsheim, bei Straßburg im Elsass. Am 9. dieses Monats ist im Alter von 76 Jahren plötzliche in Mann unserer Gemeinde aus dem Leben geschieden, der es verdient und würdig ist, in Ihrem geschätzten Blatte erwähnt zu werden: Reb Nathanael Wolf. Durch seinen Tod hat unsere Gemeinde, deren Zierde er war, einen herben Verlust erlitten. Von frühester Jugend widmete er jede freie Stunde dem Studium der Gotteslehre und saß jahrelang zu den Füßen des seligen Gelehrten Rabbi Moscheh Uttenheim in Straßburg. Im späteren Alter war das Talmudstudium seine einzige Beschäftigung. Er war ein frommer Mann im wahren sinne des Wortes, der den Traditionen des alten jüdischen Glaubens mit ganzer Seele anhing. 
Im Trauerhause entrollte Herr Rabbiner Glaser aus Straßburg in einer halbstündigen, meisterhaften Trauerrede ein Bild des entschlafenen Freundes; es blieb kein Auge tränenleer bei dieser beredten und zutreffenden Schilderung der hohen Tugenden und des großen allgemeinen Verlustes des teuren Verewigten. 
Die Leiche wurde nach Rosenweiler überführt und auf dem alten, berühmten Friedhofe beerdigt. Der überaus imposante Leichenzug und die zahlreiche Beteiligung auch von Nichtisraeliten bei seiner Beerdigung legten beredtes Zeugnis ab, wie geachtet und geschätzt der Dahingeschiedene in allen Kreisen gewesen war. Möge Gott die trauernde 86-jährige Witwe und Familie trösten. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."      

  
Zum Tod von Ferdinand Oppenheimer (1905)   
Anmerkung: Ferdinand Oppenheimer stammte aus Kleinhausen.       

Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 14. April 1905: "Straßburg im Elsass. Hier starb Herr Ferdinand Oppenheimer, der Begründer und Vorsitzende des Aufsichtsrates der Firma Adler und Oppenheimer, Lederfabrik-Aktiengesellschaft in Straßburg, Lingolsheim, Berlin, Graulhet und Walwijk"        

  
Eine "Ferdinand-Oppenheimer-Stiftung" wird gegründet (1906)       

Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 6. April 1906: Lingolsheim im Elsass. Stiftung. Die Hinterbliebenen des vor Jahresfrist verstorbenen Seniorchefs der Firma Adler und Oppenheimer, Ferdinand Oppenheimer haben in Vollstreckung des letzten Willens des verstorbenen an seinem Todestage Mark 70.000 zu einer Ferdinand Oppenheimer-Stiftung bestimmt, deren Zinsen bei Krankheiten, Unfällen usw. zu Gute kommen."  

    
Spende der Lederfabrik Adler und Oppenheimer an die Stadt (1906)    

Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 19. Januar 1906: "Lingolsheim i. Elsaß. Die hiesige Lederfabrik Adler und Oppenheimer stellte der Stadt Mark 10.000, sowie eine jährliche Unterstützung von Mark 500 für Schulzwecke zur Verfügung."   

     
Holzhändler Lazarus Oppenheimer wurde in den Gemeinderat gewählt (1908)      

Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 3. Juli 1908: "Lingolsheim. Holzhändler Lazarus Oppenheimer ist in den Gemeinderat gewählt worden."          

  
Hauptversammlung des Brautausstattungsvereins in Lorsch und Spende von Lazarus Oppenheimer aus Lindolsheim (1910)  
Anmerkung: Lazarus Oppenheimers Vorfahren stammten aus Kleinhausen bei Lorsch. Die in Kleinhausen lebenden jüdischen Familien gehörten zur Lorscher Gemeinde.      

Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 28. Januar 1910: "Lorsch (Hessen). Am Erew Rausch-Chaudesch Sch'wat (= Vorabend zum 1. Schwat) wurde die alljährliche Hauptversammlung des hiesigen Brautausstattungsvereins (Chewro kaddischoh 'Hachnoßas Kalloh') abgehalten. Der seitherige Vorstand, dessen Vorsitzender der Gemeindevorsteher Herr Simon Lorch ist, wurde durch Zuruf wiedergewählt und wegen des alljährlichen Vereinsessens der Jahresbeitrag von 10 M. auf 12 M. erhöht. Nach Schluss der Versammlung fand in der Synagoge zu Lorsch der übliche Jaum-Kippur-koton-Gottesdienst statt, in dem das Vereinsmitglied, Herr Lehrer B. Rohrheimer - Biblis, das Amt des Vorbeters versah. Anschließend an den Gottesdienst fand in den Räumlichkeiten des Vereinsvorsitzenden ein Festessen statt, bei dem sich die Mitglieder von nah und fern für einige Stunden geselligen Zusammenseins gern ein Stelldichein gaben. Herr Lehrer Jaffé von Lorsch gab diesem Bewusststein gemeinsamer Arbeit Ausdruck in seinen Worten, mit denen er an die Gründung der ersten jüdischen Chewroh erinnerte - an die Geburt des jüdischen Volkes in der Erlösungsnacht. Lehrer Rohrheimer knüpfte seine Worte an das Tefillingebot an und stellte so das Judentum als eine Religion der Tat hin, die zur Ausübung sittliche Handlungsweise, Mitzwaus, verpflichtet und dadurch das Glauben und das Aufstellen von Glaubenslehren stark in den Hintergrund stellt. Wie das Gesamtjudentum im Großen, so hat unsere 'Kippe' im Kleinen die sittliche Tat zum Vereinszweck und in ihrer Tätigkeit schon viele Saaten des Segens und der Liebe ausgestreut. Herr Dr. Mainzer - Alzey pries den Erew-Rausch-Chaudesch Sch'wat als das Einigungsband der 'Jungen' und der 'Alten'. Im Jahre 1912 beabsichtigt der Verein sein 100-jähriges Bestehen in einem größeren Stiftungsfest zu feiern. Wie im letzten Jahre, so wurden auch in diesem namhafte Beiträge von Seiten aller Mitglieder zu diesem Zweck gezeichnet. Herr Lazarus Oppenheimer aus Lingolsheim spendete für die Firma Adler und Oppenheimer in Straßburg 100 M. Das Tischgebet wurde nun versteigert und dann trennte man sich mit dem Wunsche eines fröhlichen Wiedersehens bei der 'Jahrhundertfeier'."      

 
  
  
Zur Geschichte der Synagoge         
    
Eine erste Synagoge wurde 1762 erstellt. 1864 wurde sie durch eine neue Synagoge ersetzt. 1912/13 wurde die Synagoge restauriert.  
   
Hochzeitsfeier in der Synagoge (1913)  

Artikel in "Das jüdische Blatt" vom 30. Mai 1913: "Lingolsheim. Am diesjährigen Lag Beomer fand in der hiesigen Synagoge zum ersten Mal seit einem Vierteljahrhundert wieder eine Hochzeit statt, diejenige von Fräulein Dreyfus in Straßburg mit Herrn Meyer von hier. Das ganze Dorf, Juden und Nichtjuden, beteiligten sich an der Feier. Die Firma Adler und Oppenheimer hatte für Ausschmückung unserer schönen restaurierten Synagoge Sorge getragen."    

In der Zeit des Zweiten Weltkrieges, als Lingolsheim mehrfach Bombenanschläge erlitt, wurde die Synagoge zerstört. 
  
Nach 1945 wurde - in den 1960er-Jahren - eine neue Synagoge erstellt.  
  
  
Adresse/Standort der Synagoge:       Neue Synagoge:    9A, rue des Juifs, 67380 Lingolsheim            
   
   
Fotos     

Die Synagoge in Lingolsheim 
(Quelle: Franz. Informationsseite 
siehe Link) 
Lingolsheim Synagogue 121.jpg (37140 Byte)  
      
      
Die zerstörte Synagoge 
(Quelle: Rothè/Warschawski s.Lit. S. 92)  
Lingolsheim Synagogue 120.jpg (105194 Byte)   
      
      
Die in den 1960er-Jahren
 erbaute Synagoge 
(Quelle: Rothè/Warschawski s.Lit. S. 92)  
Lingolsheim Synagogue 125.jpg (56211 Byte)   
      

   
    

Links und Literatur   

Links:  

bulletWebsite der politischen Gemeinde Lingolsheim    
bulletFranzösische Informationsseite zur Synagoge in Lingolsheim 
bulletWeitere französische Informationsseite mit Fotos     

Literatur:  

bullet

Alsace Lit 010.jpg (67412 Byte)Michel Rothé / Max Warschawski: Les Synagogues d'Alsace et leur Histoire. Ed. 'Chalom Bisamme' Jerusalem 1992.  S. 39.92.  

    
     


 

Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the Holocaust". 
First published in 2001 by NEW YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad Vashem Jerusalem, Israel.

Lingolsheim Bas-Rhin dis. The Jewish community in Lingolsheim, today a suburb of Strasbourg, dates from the 18th century. In 1766, there were 15 families in Lingolsheim. In 1784 the community comprised 18 families (84 persons). The synagogue was inaugurated in 1864. In 1936, there were 66 Jews listed in Lingolsheim. During Worldwar II they were expelled by the Germans to the south of France, along with the rest of Alsace-Lorraine Jews. Twenty were deported. The local synagogue was vandalized and looted.   
   
     

                   
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Stand: 30. Juni 2020