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Westhoffen (Westhofen)
(Dep. Bas Rhin /Alsace / Unterelsass)
Jüdische Geschichte / Synagoge / Synagogue
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In dem 1332 zur Stadt erhobenen Westhoffen lebten Juden bereits im
Mittelalter. 1334 wird Abraham von
Westhofen in Straßburg genannt. Der Friedhof wurde vermutlich bereits im
15.
Jahrhundert angelegt.
Um 1702 werden jüdische Pferdehändler aus Westhoffen genannt, die für die Armee
Pferde liefern konnten und aus diesem Grund sich auch einige Zeit in Straßburg
niederlassen durften.
Bei der Zählung am 14. Februar 1785 wurden in Westhoffen
58 jüdische Familien mit zusammen 282 Personen gezählt.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie folgt: 1807 208 jüdische Einwohner, 1846 196, 1861 180, 1870 195, 1903 184
(in 40 Haushaltungen, von insgesamt 1714 Einwohnern), 1910 147.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine
jüdische Schule (seit 1836 israelitische Elementarschule/jüdische Volksschule), ein rituelles Bad und einen Friedhof.
Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer und ein
Kantor angestellt. Letzterer war zugleich als Schochet tätig (siehe
Ausschreibungen der Stelle von 1905 und 1914 unten). Von den Lehrern werden
genannt: um 1887/1892 A. Scheye, um 1893/1903 A. Kauffmann (dazu um 1903
Lehrerin Frl. Rosa Debré), um 1904 Henri Weill (zuvor in
Dambach; Artikel zum Tod seiner Frau 1914
siehe unten), 1905 bis 1917 Gustav Kron (vgl. Seite zu
Fritzlar). Als
Kantoren werden genannt: um 1887/1903 Herr Weil, um 1906/1909 Herr
Kauffmann. Als Schochet wird genannt: um 1886/1903 H. Cahn, als Mohel (Beschneider)
um 1913 Théophile Kahn.
Westhofen war bis 1919 Sitz eines Rabbinates, zu dem auch die Gemeinden
Balbronn,
Odratzheim,
Scharrachbergheim,
Traenheim gehörten. Unter den Rabbinern
sind zu nennen:
- Aron-Moses-Ezechiel Lemberger (gest. 1712), war als Rabbiner in
Trier
und Westhoffen tätig;
- Issachar Bär (Bernhard) Wiener (gest. 1732): war seit 1709 Rabbiner in
Metz, dann in Westhoffen, 1730 in Mainz.
- Abraham Isaak Luntenschütz
(Eisik Luntschütz, aus Romanswiller, gest. 1818 in
Endingen), war von 1808 bis 1813 Rabbiner in
Westhoffen, danach in Endingen und
Lengnau;
- Marc Cahn (auch Reb Mortché,
Marx Cahn, Mordechai Cahn; geb. 1777 oder 1778 in
Saverne), war von 1815 bis zu seinem Tod
1872 Rabbiner in Westhoffen;
- Zacharie Lazarus (geb. 1829 in Schirrhofen),
war von 1872 bis zu seinem Tod 1897 Rabbiner in Westhoffen;
- Dr. Victor Marx (s.u.) von 1899 bis 1909;
- Max Guggenheim (s.u.) von 1910 bis
1919. War verheiratet mit Martha geb. Meyer (eine 1913 geborene Tochter: "Das
jüdische Blatt" vom 21.2.1913).
Von den Gemeindevorstehern sind bekannt: um 1876 Abraham Levy, um 1887
Anselm Debré; um 1903 Anselm Debré, M. Weil, J. Schwarz, S. May, V. Klein, um
1914 Michel Weill.
1936 lebten noch 79, 1939 noch 63 jüdische Einwohner in der
Stadt. Die meisten von ihnen wurden 1940 nach Südfrankreich deportiert. Mindestens
16 jüdische Personen aus Westhoffen wurden in Vernichtungslagern ermordet.
Von den in Westhoffen geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem; die Angaben sind teilweise schwierig auszuwerten, da es
zu Verwechslungen mit dem deutschen Westhofen
kommt, auch die nachfolgenden Nennungen sind teilweise unsicher): (Kantor in Schmieheim)
Abraham Bloch (1861), Maurice Cahen (1874), Jules Cahn (1891), Philipp Cahn
(1887), Eugenie Debré (), Pauline Dreher geb. Debré (1875), Blanche Dreyfuss
geb. Schwarz (1884), Beate Gumpertz (1884), Helene Gumpertz (1920), Florette
(Flora) Jacob geb. Cahn (1883), Fanny Kachen geb. Koenigsbourg (1897), Jeanne
Marx (1881), Felix May (1898), Marie Rueff (1893), Leopold Schwartz (1882),
Clemence Wolff geb. Debré (1887), Pauline Dreher geb. Debré
(1875).
Nach 1945 kehrte ein Teil der überlebenden früheren jüdischen
Einwohner zurück. 1965
wurden 19 jüdische Einwohner gezählt.
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus dem jüdischen Gemeindeleben
1702 können sich mehrere jüdische
Pferdehändler aus Westhofen in Strassburg niederlassen (Artikel von 1899)
Aus einem Artikel in "Der Israelit" vom 7. Dezember 1899: "Im
Jahre 1702 wurde mehreren Juden aus Westhofen, welche Pferde für die
königliche Armee lieferten, ausnahmsweise der Aufenthalt in Straßburg
gestartet, der sich dann bis nach Beendigung des spanischen Erbfolgekrieges
ausdehnte. Ebenso erhielt der Armeelieferant Mose Blien aus
Hoenheim mit Genossen 1743 die
Erlaubnis in Straßburg zu wohnen, wo er bis 1748 verblieb." |
Aus der Geschichte des Rabbinates
Über Rabbiner Isachar Bär
(Bernhard) Wiener (bis 1730 Rabbiner in Westhoffen; Beitrag von 1905)
Anmerkung: nach anderen Angaben war Issachar Baer Wiener von 1712 bis 1730
Landesrabbiner in Bouxwiller, bevor er
nach Mainz berufen wurde.
Artikel in "Jahrbuch der Jüdisch-literarischen Gesellschaft" III 1905 S.
228: "Isachar Bär (Bernhard) Wiener (1730-1732), Sohn des
Gabriel Wiener von Prag, war ein bevorzugter Schüler des R. Abraham
Brod, der als Schulrektor die Jeschiba (Talmudschule) in Prag leitete und
diesen seinen Lieblingsschüler zum Schwiegersohn erkor. R. Bär Wiener folgte
seinem Schwiegervater 1709 bei dessen Berufung nach Metz und wurde
von da als Rabbiner nach Westhofen (im Elsass) und 1730 nach Mainz
berufen. Seine Wirksamkeit in Mainz war jedoch nur von kurzer Dauer. Nach
zweieinhalb Jahren starb er am 4. Tebet (22. Dezember) 1732. Als
Rabbiner in Westhofen geriet er 1722 in einen Kompetenzkonflikt mit
dem Rabbiner Elias Schwab in Metz. Mit seinem Verwandten, dem R. Jakob Kohn
Poppers, der sich über R. Bär Wiener in sehr schmeichelhaften Worten
ausspricht, hatte er einen interessanten Briefwechsel in einer
Scheidungsangelegenheit (vgl. hebr. Werksangabe II Nr. 14 und 15).
Ebenso stand er mit seinem Verwandten R. Jakob Reischer in Briefwechsel (vgl.
hebr. Werksangabe II Nr. 585)." |
Die Grabinschrift für Rabbiner
Abraham Isaak Luntenschütz (Awrohom Jizchok Lunteschitz) im jüdischen Friedhof
Endingen-Lengnau (Rabbiner in Westhoffen von 1808 bis 1813; Beitrag von 1924)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. September 1924: "Das
Grab des Rabbi Abraham Luntenschütz.
Endingen und
Lengnau - die beiden Stamm- und Muttergemeinden der
schweizerischen Judenheit besitzen seit nahezu 200 Jahren einen
gemeinschaftlichen Friedhof (Beit HaKewarot), welches dem heutigen
Besucher wie eine Totenstadt mit über zweitausend Bewohnern vorkommt.
Dieser alte, ehrwürdige Friedhof (Beit Olam) ist der
schweizerischen Juden schönstes Kulturdenkmal, das ihnen - aber auch uns
Fernstehenden - Vieles und Interessantes aus vergangenen Zeiten
erzählt.
Manche Großen des Geschlechtes liegen da begraben, unter denen
auch der berühmte Rabbi Luntenschütz - das Andenken an den Gerechten
ist zum Segen -, über welchen der in Frankfurt in bester Erinnerung
stehende Herr Lehrer Michael Neuberger in Lengnau im 'Jüdischen
Wochenblatt' der Schweiz einiges mitteilt: Die Grabstein-Inschrift des vor
106 Jahren heimgegangenen großen Gelehrten Reb Awrohom Jizchok
Luntenschütz, Rabbiner von Endingen-Lengnau in den Jahren 1813-1819,
lautet wörtlich: ...
Hierzu noch einige Bemerkungen: Auffällig und besonders gekennzeichnet
ist obige Inschrift schon durch das erste Wort, das hübsch umrandete Hajom
('heute'). Man fühlt gleichsam, wie wenn der Tod dieses
Geistesfürsten (hebräisch und deutsch) eine schützende Sühne
für alle seine Zeitgenossen war. Fast alle 2.000 Grabsteine
auf diesem ehrwürdigen Friedhof tragen obenan die üblichen
Buchstaben respektive Wortabkürzungen 'Hier ruht' oder auch wie
auf den ganz alten Steinen 'Hier wurde begraben', oder 'Hier
liegt aufbewahrt'. Der biblische Ausdruck (hebräisch und deutsch), 'Wagen
Jisroels und seine Reiter', den der Prophet Elischa seinem in
Himmelshöhen scheidenden Lehrer Elia nachrief, wird heute noch vielfach
in den Nekrologen für verstorbene Rabbiner angewandt. Dies soll uns
belehren, dass zu jeder Zeit unsere Geisteshelden ihrem Volke soviel
Schutz und Waffe waren, wie eine ganze Heeresmacht mit Roß und Reitern.
Wenn die Memor-Bücher der elsässischen Gemeinden
Balbronn und
Westhofen
nur einen Eisik Lundeschütz rühmlichst erwähnen, so ist dies doch der
Obgenannte. Sehr häufig bezeichnen die Grabsteine auf diesem Friedhof
(hebräisch und deutsch) Isaak genannt Eisik. Den Vornamen Awrohom
erhielt Luntenschütz beim Gebet anlässlich seiner schweren Krankheit,
die er glücklich überstand. - Der angegebene Wirkungskreis durch das
Wort Medinateinu ('unsere Länder') in der Pluralform lässt die
Möglichkeit zu, dass Luntenschütz etwelche rabbinische Funktionen auch
noch von Endingen-Lengnau aus im benachbarten Elsass ausübte. Zum
Schlusse sei noch erwähnt, dass man der Geistesgröße Luntenschütz auch
in der Wahl seiner Grabesstätte gerecht wurde. In 18. Reihe rechts die
unvergesslichen Rabbiner Raphael und dessen Sohn Abraham Ris; links Reb
Jehuda Arie, Sohn des Judele Wyler; dazwischen liegt Luntenschütz
begraben - sein Verdienst komme uns zugute." |
Beitrag über Rabbiner Abraham Isaak
Luntenschütz (Awrohom Jizchok Lunteschitz; Artikel von 1927)
Hinweis: im nachfolgenden Abschnitt sind die Westhoffen nicht betreffenden
Abschnitte klein gesetzt.
Artikel
in "Der Israelit" vom 15. Dezember 1927: "Awrohom Jizchol
Lunteschitz. Ein Schweizer Gaon von J. Fröhlich in
Baden (Schweiz).
Das Prophetenwort (Hosea 14,6): 'Ich werde wie der Tau sein für Israel, es
wird blühen wie die Rose, und Wurzeln schlagen wie der Libanon', kommentiert
Malbim wie folgt: Zu den naturgeschichtlichen Phänomenen gehört die
Jerichorose. Sie wurzelt nicht fest im Boden, der Wind trägt sie in die
entferntesten Länder, durch Wüsten und Steppen, aber überall belebt sie der
Tau des Himmels und lässt sie in Pracht und Schönheit wieder erblühen. Ist
dies nicht ein Symbol für Israel? So sehr auch bei seiner Wanderung durch
die Länder und Völker Sturm und Wetter ihm entgegenbrausten, Golus-(Diapora-)Elend,
Druck und finsteres Leid es niederdrückten, es blüht doch wieder in
Schönheit auf, weil der Allgütige es ist, der seine Erhaltung will und zur
Lösung seiner Aufgabe drängt.
In allen Ländern der jüdischen Diaspora hat diese Sturm-Israelrose ihre
geistigen Blüten entfaltet, auch in dem Lande, wo man sie heute weniger
sucht, wo man viel eher in wilder Sportlust nach der Alpenrose sucht, sie
schmückend an den Hut steckt, um sagen zu können, dass man im schönsten
Tempel der Natur verweilt hat, in der Schweiz. Der Tourist, der sie heute
besucht, um ihre himmelragenden Berge, ihre blauen Seen zu bewundern und im
Genusse ihrer balsamischen Höhenluft gesundheitlich zu erstarken, er ahnt
nicht, dass es Zeiten gegeben hat, wo auch in diesem Lande Israels
köstlichstes Kleinod, die heilige Tora eine Heim- und Pflanzstätte ihn
geradezu klassischem Ausmaße gehabt hat. Aber nicht im Lärm der Großstadt
durfte man sie suchen, dort wohnen heute die Epigonen jener Geistespioniere,
die kaum die Erinnerung an die Glanz- und Blütezeit bewahrt haben.
Wenn man auf einer der verkehrsreichsten Linien der schweizerischen
Bundesbahnen, auf der Strecke Basel-Zürich, im Limmatstädtchen Baden,
dass durch seine heilenden Thermalquellen einen Ruf hat, aussteigt, kann man
mit dem Auto in einer schwachen halben Stunde die Ortschaften in Endingen
und Lengnau, die Stammgemeinden der Schweizer Juden erreichen. Dort
pulsierte noch vor einem halben Jahrhundert warmes jüdisches Leben und in
der abgelegenen Stille des schweizerischen Subtals widerhallten die Wände
des Beshamidrasch von den Disputationen des Abajeh und Rowoh wo so laut und
feurig, dass die letzte Hütte in den Dörfern wie von der elektrischen
Zentrale eines Großstadtwerks erhellt wurde. Nicht von ungefähr entzündeten
sich die Tora-Liebesflammen. Führer, ausgerüstet mit einem immensen Wissen,
beispielgebend in Lehre und Leben sorgten dafür, dass Jugend und Alter auf
den Höhen des Judentums blieben. Davon lesen wir nichts im Ulrich,
Geschichte der Schweizer Juden, der heute leider fast einzigen Quelle der
Geschichte unserer Schweizer Stammesgenossen. Aber es fehlt doch nicht an
Urkunden, dass lernbeflissene und toradurstige Jünglinge in die damaligen
Hochburg Fürth, Westhofen, Buchsweiler unter den damals
obwaltenden schwierigen Reiseverhältnissen sich begaben, um den Segen über
die Heimatgemeinde zu ergießen. Wir lesen im Neuda Bijehudoh von
Korrespondenzen mit schweizerischen Toragelehrten und wir wissen auch, dass
bei einer das jüdische Gemeindeleben tief aufwühlenden Affäre ein Chasam
Sofer als entscheidende Instanz angerufen wurde, dass der Kehillo in nicht
misszuverstehender Deutlichkeit die hohe Würdigkeit ihres geistigen Führers
ins Bewusstsein rief.
Heute gehen die alten schweizerischen Muttergemeinden den Leidensweg aller
Landgemeinden in tragischer Erfüllung des Talmudwortes: ... Aber unbewusst
zittert doch ein Heimweh durch die jüdische Seele und wir erleben etwas, was
in seiner Art nicht allzu häufig ist in der Geschichte der jüdischen
Gegenwart. Vor kurzem hat sich ein Komitee konstituiert zur Erhaltung des
jüdischen Friedhofs in
Endingen-Lengnau. Die Initiative ist ausgegangen von Männern, die dem
praktischen Judentum großenteils entfremdet sind; sie nennen es Pietät,
Liebe zu Heimat, die sie zu ihren dankenswerter Bestrebungen veranlasst hat.
In Wirklichkeit ist es, ohne dass die Initiatoren sich dessen bewusst sind,
ein Stück Psychoanalyse. Ein Seelenfunke beginnt im Gedanken an die
Väterzeit zu glimmen und in kurzer Zeit sind erkleckliche Summen
beieinander, um den geweihten Boden, auf dem die Väter ruhen, durch
Schutzmaßnahmen der Zukunft zu erhalten. So ist seit einem Jahre die vom
Zahn der Zeit zerbröckelte Mauer, die die alte Totenstätte umgibt, durch
eine neue, sturm- und wetterharte ersetzt worden. Die Grabdenkmäler, von
Moos und wildem Gestrüpp bis zur Unkenntlichkeit entstellt, wurden
aufgefrischt und die verblassten und verwitterten Schriftzüge treten in
neuer Vergoldung leichtleserlich zu Tage.
Bei einem dieser neugewandeten Grabsteine bleiben wir stehen, ein Baum hält
davor Wache, weil der, der hier gebettet ist, auch ein Baum gewesen ist,
Blüten und Früchte zu gleicher Zeit tragend. Die Blüten sein reiches Wissen
und edles Leben, die Früchte die Einpflanzung seiner hohen Ideen in Gemeinde
und Schule. Lesen wir einmal die Inschrift dieses schlichten Denkmals: 'Am
heutigen Tage (24. Elul 5575) haben Wolken, den Himmel umdüstert und zu
unserem tiefen Schmerze einen Fürsten aus unserer Mitte hinweggetragen, den
Gaon, Qagen Israels und seinee Reiter, den scharfsinnigen, weit über die
Grenzen unseres Landes berühmten Gelehrten Abraham Isak Lunteschitz. Aw bes
Din .... Trotz aller liebenden Fürsorge, den Stein zu erhalten, (er wird
noch eine Generation sich erhalten vielleicht noch eine), ob am Ende nicht
doch die Schärfe des Zeitenzahnes ihn zermalmen wird.
Aber auch dies schadet nicht. Sowie nach einem Jahrhundert das Andenken
dieses Großen in Israel plötzlich wieder in uns lebendig geworden, so
werden, ohne dass Menschenhände daran sich mühen, die unsterblichen Werke
von Rabbi Lunteschitz uns vor Augen halten, dass die Zaddikim im Tode noch
größer sind als im Leben.
Über den Geburts- und Heimatort des Gelehrten konnten wir einweilen Näheres
nicht erfahren. Wir sind bei den biografischen Daten auf gelegentliche
Notizen und zerstreute Urkunden in den Gemeinden angewiesen. Aber gerade
dieses Fehlen der lebensgeschichtlichen Daten ist im Ruhmeskranze dieser
Männer die feinste Blume. Es ist nichts Seltenes, dass die Persönlichkeit
großer Männer hinter ihren Werken zurücktritt. Man erkennt darin ihre Demut
und Bescheidenheit, sie fühlen sich klein in Anbetracht der Größe ihrer
Lebensaufgabe.
Im Memorbuch der Gemeinde Westhofen (ich verdanke diese Mitteilung
Herrn Rabbiner Guggenheim in Buchsweiler) lesen wir, dass Rabbi Lunteschitz
ein Schüler von Rabbi Wolf in Buchsweiler
gewesen ist (er spricht von seinem Lehrer in den rühmlichsten Worten und
führt gelegentlich seine Entscheidungen an), hervorragend in Tora- und
profanem Wissen, dass er Verfasser einer Anzahl von tiefgründigen Werken
ist, zum Beispiel Chiduschim über die Traktate Babah, Meziah und Brochaus
(damals noch im Manuskript vorhanden) und in Westhofen eine große
Jeschiwoh geleitet hat. In einem anderen Werke des Verfassers gedruckt bei
W. Heidenheim, 1813 Uhr ist in der umfangreichen Vorrede auch manches von
den wechselnden Lebensschicksalen des Verfassers berichtet. Voll Dankbarkeit
für Gottes unerschöpflichen Güte überblickt er die einzelnen Phasen seines
Daseins. Die Rettung von schwerer Krankheit im jugendlichen Alter haben die
Änderung seines ursprünglichen Namens beziehungsweise eine Hinzufügung
veranlasst. Eine Feuersbrunst bringt ihn in Lebensgefahr. Auf ganz
wunderbare Weise wird ihm die göttliche Hilfe zuteil, als er nach
Verschlucken einer großen eisernen Nadel nur noch eine dünne Wand zwischen
sich und dem Tode sieht. Aber noch war das Maß der Prüfungen nicht voll.
Rabbi Lunteschitz musste noch den schrecklichsten der Schrecken erleben, als
der Mensch in seinem Wahn sich ihm näherte. Bis in die stille Klause des Bes
Hamidrasch zu Westhofen drang das Wetterleuchten der französischen
Revolution. Unter ihrem Tosen und Klirren verstummen die Musen der heiligen
Tora. Was kümmert einen Napoleon das Bes Hamidrasch zu Westhofen?
Eine Atmosphäre der Todesangst überall. Unser Lunteschitz, bei dem Tora
uGedolah vereinigt waren (er spricht von dem Reichtum seines Hauses)
verliert Hab und Gut; aber das hindert ihn nicht, seiner heiligen Aufgabe zu
leben. Eines Tages finden wir ihn, wie er selbst sagt, ... in den Mauern des
Gefängnis, weil er selbst im Moment der Gefahr die heilige Tora liebend in
seine Arme geschlossen und als sorgsamer Wächter seiner Gemeinde auf seinem
Posten verharrte. Vom 26. Tamus 5554 bis 9. Aw schmachte er im dunklen
Gelasse. Er fühlte sich nicht allein. 'Wäre nicht deine Tora mein Gespräch,
so ruft er rührend; ich wäre vergangen in meinem Elend. Noch war die Gefahr
nicht beschworen, als er wieder in Freiheit gesetzt wurde. Die Ausübung der
göttlichen Gebote war unmöglich. Toralernen und Gebet, das Anlegen der
Tefillin und Zizzis, die Beobachtung von Schabbos und Festtagen, alles war
unter Androhung von Todesstrafe verboten. Es ist ergreifend, zu vernehmen,
wie Lunteschitz die unfreiwillige Muse verwendet hat. Ohne jedes Hilfsbuch,
lediglich auf sein Gedächtnis angewiesen, denkt er im Gefängnisse nicht nur
über Tora nach, er verarbeitet die schwierigsten Materien und ordnet sie in
ein System, dessen Tiefe und Gehalt wir nachher im Druck bewundernd lesen.
Was ist unser heutiges Gott-dienen, so fragen wir billig, gegenüber diesen
Märtyrer in der heiligen Tora?
Welche Materie war es nun, die Lunteschitz in Gefängnismauern beschäftigt
hat? Sie war durch die Zeit und ihre Schrecken gegeben. In den Wirren der
Revolution waren gar viele gezwungen worden, den heiligen Schabbos zu
entweihen. Sie wurden zu Haus- und Feldarbeiten herangezogen, aber jeder
Schaufelwurf und Spatenstich war eine schmerzhafte Verwundung ihrer
jüdischen Seele. Man wusste damals noch, was der Schabbos bedeutete; er, die
Krone der Schöpfung, Zierde des Judentums, mit dem es steht und fällt.
Nachdem der Sturm der französischen Revolution in seiner furchtbaren
Heftigkeit verrauscht war, war Tag und Nacht Besuch bei den Rabbinern. Nach
Buße schrie die heilige Seele, man suchte Unterweisung, wie die schwere
Sünde der Sabbatentheiligung, obzwar man dazu gezwungen worden war, gwtilgt
werden könne. Unter Heranziehung von Talmud und Decisoren, Rischaunim und
Acharaunim prüfte nun Rabbi Lunteschitz die Frage, wie unter den obwaltenden
Umständen vom Standpunkte des Gesetzes die Sabbatentweihung zu bewerten sei
und die Erörterung dieses Themas in dem Werke ... gehört zu dem
tiefsten des ganzen Buches. Ein Hauch der Tossafisten-Schule ist darin zu
verspüren, unter dessen Nachwirkungen noch heutigen Tages viel gutes
Ackerland für das Judentum und seine Forderungen im Elsass zurückgeblieben
ist, dass nur weiser Anpflanzung bedarf. Jedenfalls sind die besonderen
Umstände, aus denen die Erörterung der Frage erwachsen ist, dem Historiker
ein " |
Gradmesser
für jüdisches und religiöses Leben der Juden in Frankreich um die Mitte des
18. Jahrhunderts. Ein Vergleich mit der Gegenwart, wo skrupellose
Sabbatentweihung leider das alltägliche ist, ist für uns beschämend.
Noch anderes Ziel unterschied es in den Kreis der Besprechung, was schon
wegen seiner ewigen Aktualität nicht unterdrückt werden darf.
Es gibt heute so viele, die die Tora, dass Gottesbuch nur insoweit
anerkennen, als es ihrem persönlichen Geschmack entspricht. Nur den
Edelstein brechen sie aus der Krone der Tora, der mit beruhigendem Glanz
ihnen ins Leben leuchtet. Daran ist die Unwissenheit schuld, die nicht von
Schuld befreit. In überzeugender Beweisführung redet Ihnen Lunteschitz zu
Herzen, sie mögen auch dass ihnen unbedeutend Scheinende als hochwichtig
bewerten und nicht und daran denken dass es die Lehre Gottes ist, die in
allen Teilen ihren Lebensweg zu erhellen geeignet ist. So berichtet der
Talmud in ... Ein Heide, der um Aufnahme ins Judentum bittet, unter der
Voraussetzung, ein einziges Gebot unerfüllt zu lassen, wird zurückgewiesen.
Auf denjenigen, der ausspricht, das ganze Gesetz sei göttlichen Ursprungs,
außer einer einzigen Bestimmung, ist der Schriftvers angewandt: 'das Wort
Gottes hat er verworfen' (Traktat Sanhedrin). Auch die so genannte
Geseraus Hakosuv, derjenige Teil des Gottesgesetzes, der in seiner letzten
Zweckbestimmung dem Sterblichen ein Rätsel bleiben wird, ist in der
praktischen Erfüllung ein Mittel der seelischen Läuterung und Heiligung. Die
Gesetze der Völker wechseln, weil äußere Momente, dass
Utilitätsprinzip für das einzelne Volk und Land, sie geschaffen haben. Im
jüdischen Gesetz hat auch die soziale Abteilung Ewigkeitswert, weil der
himmlische Schöpfer sie mit höheren inneren Motiven ausgestattet hat.
Es gibt für uns keine voraussetzungslose Wissenschaft. Wer den Glauben an
die Tradition aufgegeben hat, soll die Schwelle des Toraheiligtums nicht
betreten. Große Denker mögen eine mathematische Aufgabe spielend lösen, Sinn
und Anmut der Tora wird nur demjenigen bewundernd aufgehen, dem die
Überzeugung von der Wahrheit der Überlieferung tief im Herzen verankert ist,
und er mit einer nie versagenden Mühe und Anstrengung sie täglich sich
erringen muss.
Und hier kommt er mit einem flammenden Appell, mit lohendem Feuer auf einen
Missstand zu sprechen, der heute gewiss nicht minder verderblich ist.
Bequemlichkeit, dass Scheuen von Mühe und Anstrengung im Felde der höchsten
Erdenpflicht, die unselige Absplitterung der Lernenden an Stelle fruchtbarer
Gesamtdiskussion, vor allem aber die Meinung, die süße Torafrucht müsste auf
dem Präsentierteller gerecht werden, alle diese Faktoren sind schuld an der
religiösen Gleichgültigkeit und den mageren Erfolgen. 'Dabei bringen es
manche fertig, in missverstandener Auslegung der Werke von Großen in Israel
dem Pilpul das Todesurteil zu sprechen. Sie verweisen auf das Werk
meines berühmten Großvaters (Ollelos Ephrajim) und auf den Sheloh, die
angeblich den Pilpul verpönt hätten. Nur oberflächliche Leser können dies
behaupten. Die Methoden gewisser Pilpulisten, die von der Fahrstraße des ...
abweichen und deswegen zu falschen Schlüssen gelangen, werden mit Recht
gegeißelt. Sie haben aber nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, dass nur
das Toralernen ... Früchte trägt.'
Wer in viele Lernstuben der jüdischen Gegenwart hineinblickt, wo die
schwierigsten Talmudpartien in unverstandener Hast, wie eine Maschine
abgehaspelt werden, als wären es tote Buchstaben und nicht Worte des
lebendigen Gottes, der fühlt die Berechtigung des zornigen Aufflammens, mit
dem Rabbi Lunteschitz unter Hinweis auf Talmud Sabbat, Fol. 31 an unser
Gewissen rührt.
Wir sehen, Abraham Jizchok Lunteschitz hat auch unserer Zeit noch
Manches zu sagen, was Beachtung verdient. Das Komitee für die Erhaltung des
Friedhofs in Endingen-Lengnau hat sich ein Verdienst erworben, dass es den
Grabstein dieses Großen einer Renovation unterzogen hat. Wenn es bewirken
sollte, dass die goldenen Worte von Rabbi Lunteschitz unser Herz zu
jüdischer Tat begeistern, dann dürfen wir an einem Ferientag auch diese
weltvergessene Stelle des Schweizerlandes in Dankbarkeit betreten. Die
Wirkung für unsere Innenleben wäre vielleicht nicht minder bereichernd und
wohltuend wie das Alpenglühen im ewigen Schneegebirge."
|
90. Geburtstag von Sara Ach geb.
Kohn, Tochter von Rabbiner Mordechai HaCohen (statt Hacobein) (1905)
Anmerkung: Rabbiner Mortche Marx Loebel Cahn ist 1778 in
Saverne (Zabern) geboren und 1872 in
Westhoffen gestorben. Er war verheiratet mit Dorothee Treitel geb. Wurmser,
die 1786 in Mutzig als Tochter von Rabbiner
Moses David Wurmser und der Chaya/Eva geboren ist. Die beiden hatten Kinder:
Leopold (geb. 1809 in Bischheim, gest.
1887 in Hatten
https://www.geni.com/people/L%C3%A9opold-Reb-Leib-Cahn/6000000004212567967),
Nanette (geb. in Westhoffen. gest. 1899 in Paris,
https://www.geni.com/people/Nanette-Cahn/6000000006194863408 ), Sara
(geb. 1815 in Westhoffen, gest. 1905 in
Mackenheim, war verheiratet mit Hermann Ach
https://www.geni.com/people/Sara-Ach/6000000026616281433), Blandine
(geb. 1817 in Westhoffen, gest. 1885 in Westhoffen, verh. mit Anschel Jaques
Debré
https://www.geni.com/people/Blandine-Depr%C3%A9/6000000006194863430),
Raphael (geb. 1819 in Westhoffen, gest. 1923 in Westhoffen,
https://www.geni.com/people/Rapha%C3%ABl-Cahn/6000000005951260439),
Judith (geb. 1822 in Westhoffen, gest. 1858
https://www.geni.com/people/Judith-CAHN/6000000136765596004) und Nanette
(geb. 1835 in Westhoffen, gest. 1899,
https://www.geni.com/people/Nanette-CAHN/6000000136765596010).
Artikel
in "Frankfurter Israelitisches Familienblatt" vom 3. Februar 1905: "Mackenheim
im Elsass. Am 16. Januar beging Frau Ach, geb. Kohn ihren 90.
Geburtstag. Die Jubilarin, Tochter des Westhofener Rabbiners Mordechai HaCohen
s.A., besitzt staunenswerte Kenntnisse in Bibel und Talmud. Ihr
Gesundheitszustand ist noch ein derart vorzüglicher, dass sie noch
regelmäßig das Gotteshaus besucht. " |
Zum 90. Geburtstag von Raphael Kahn, Sohn von Rabbiner
Kahn (1909)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. März 1909: "Westhofen
(Elsaß), 1. März (1909). Demnächst wird der älteste Mann der Umgebung,
der allseits geachtete Herr Raphael Kahn, in aller Stille seinen
90. Geburtstag feiern. Herr Kahn zählt zu denjenigen, die treu zu unserer
heiligen Wahrheit halten. Sein ganzes Leben und Streben ist für
den Dienst an Gott, in des Wortes wahrster Bedeutung. Er ist der Sohn
des wegen seiner großen Gelehrsamkeit berühmten Rabbiners Mordechai
HaCohen - das Andenken an den Gerechten ist zum Segen, welcher über
70 Jahre segensreich hier gewirkt hatte. Möge der rüstige Greis mit
seiner würdigen Gattin noch einen frohen Lebensabend genießen. (Alles
Gute) bis 120 Jahre." |
Raphael Kahn, der Sohn
von Rabbiner Mordechai Kahn wird 104 Jahre alt (1923)
Anmerkung: es handelt sich um Raphael Kahn (er ist noch im selben
Jahr 1923 verstorben, siehe oben).
Artikel in "Wiener Morgenzeitung" vom 23. März 1923: "104-jähriger
Jude. Die elsässischen Zeitungen beschäftigten sich mit dem Sohn des
früheren Rabbiners der kleinen elsässischen Gemeinde Westhofen, Kahn,
der
sich anschickt, in voller geistiger und körperlicher Frische das 104.
Lebensjahr anzutreten. Ein Zweifel an der Echtheit des Geburtsdatums kann
nicht bestehen, denn die Papiere sind in voller Ordnung. Kahn lebt mit
seiner Frau, die die Neunzig schon überschritten hat, in bester Ehe. Sein
Vater wurde ebenfalls fast hundert Jahre alt. Papa Kahn hofft, 113 Jahre alt zu
werden. Das ist die Zahl, die er im Jahre 1840 als Rekrut beim Auslosen
zog. Als vor einiger Zeit der Präsident der Republik, Millerand (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Alexandre_Millerand), durch ein
mehrere Kilometer entferntes Städtchen kam, wanderte der Greis gemütlich zu
Fuß dorthin, um ihn zu begrüßen." |
Rabbiner Lazarus bewirbt sich
(vergeblich) auf das Rabbinat Brumath (1891)
Artikel
in der "Israelitischen Wochenschrift" vom 15. Januar 1891: "Elsass.
Zu dem erledigten Rabbinat in Brumath
haben sich die Rabbiner Roller - Dambach,
Dreyfus - Fegersheim, Mayer -
Lauterburg und Lazarus -
Westhofen gemeldet." |
Beisetzung von Rabbiner Zacharie Lazarus (1897)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 17. Dezember 1897: "Westhofen im Elsass, am 6. Dezember
(1897). Bei dem am 1. dieses Monats stattgefundenen Leichenbegängnis des
ehrwürdigen Rabbiners Lazarus strömte von Nah und Fern eine
zahlreiche, gerührte Menge, Männer aller Konfessionen herbei, um dem
höchst geachteten Geistlichen das letzte Geleit zu geben. Tief empfundene
Abschieds- und Trauerreden wurden gehalten: in dem Sterbehause durch den
ältesten der anwesenden Kollegen, Herrn Rabbiner Roller von
Barr; in der
Synagoge durch Herrn Ober-Rabbiner Weil von Straßburg; auf dem Friedhofe
durch Herrn Rabbiner Blum aus Pfalzburg, ehemaliger Amtsnachfolger des
Heimgegangenen in Schirrhofen; durch Herrn
Pfarrer Kiefer aus Ballbronn;
durch Herrn Arthur Moch, Mitglied des Konsistoriums, Namens des
Konsistoriums; Herr Lehrer Kaufmann, im Namen der Gemeinde, sagte das
letzte Lebewohl. Der edle protestantische Pfarrer Kiefer gab seinen
Gefühlen folgenden Ausdruck: 'Noch ein Wort lasset mich, bevor diese
Gruft sich schließt, dem lieben Verstorbenen nachrufen, ein warmes Wort
der Dankbarkeit, wie es der Heimgegangene verdient. Rabbiner Lazarus war
vor mehr denn 35 Jahren mein erster Lehrer im Hebräischen, er stand
damals in Schirrhofen, zu seinem Rabbinat gehörte
Bischweiler, wo mein
seliger Vater protestantischer Pfarrer war. Mein Vater schätzte hoch die
große Herzensgüte, die tiefen theologischen Kenntnisse des Verewigten.
In einer langen Reihe von Jahren war ich mit ihm durch innige Freundschaft
verbunden. Ein Mann, so schlicht in seiner äußeren Erscheinung, so
einfach, so bescheiden, aber so voll von Biedersinn, von Begeisterung für
alles, was wahr, was gerecht, was edel, ein treuer Anhänger seiner
Religion, aber doch mit einem Herzen voll von Duldung, von Verständnis
auch für fremde Ansichten. Die Religion galt ihm als die Führerin zur
Gottesliebe und Nächstenliebe, d.h. zur allgemeinen Menschenliebe. Nicht
trennen sollen die Religionen, dass die Menschen sich hassen und
zerfleischen, sondern einigen und verbrüdern. Sein Bestreben war nur
darauf gerichtet, durch Leben, Beispiel, Aufmunterung und Lehre die
Erkenntnis der ewigen Wahrheiten, welche für das Reich Gottes geschickt
machen, zu wecken und zu fördern. So hat er unter Euch gewirkt, das war
ein Segen, womit ihn Gott geschmückt hatte. Von dem Arbeitsfeld hat ihn
jetzt der Herr der Ernte abgerufen. Von der Welt unscheinbar, von dem
gnadenreichen Vergelter aber nach dem Worte belohnt: Die Lehrer werden
leuchten wie der Himmelsglanz, und die Viele zur Gerechtigkeit gewiesen
gaben, wie die Sterne immer und ewiglich. Er ruhe in
Frieden!'". |
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Artikel in der Zeitschrift "Im Deutschen Reich" vom Januar 1898
S. 47: "Westhofen im Elsaß, 1. Januar (1898). Bei dem vor
einigen Wochen hier stattgefundenen Leichenbegängnis des Rabbiners
Lazarus widmete an der offenen Gruft der protestantische Pfarrer Kiefer
dem Heimgegangenen einen ehrenden Nachruf, indem er sagte: 'Rabbiner
Lazarus war vor mehr denn 35 Jahren mein erster Lehrer im Hebräischen. Zu
seinem Rabbinat in Schirrhofen gehörte
Bischweiler, wo mein seliger Vater
protestantischer Pfarrer war. Mein Vater schätzte die große
Herzensgüte, die tiefen theologischen Kenntnisse des Verewigten. Die
Religion galt ihm als die Führerin zur Gottesliebe und Nächstenliebe,
d.h. zur allgemeinen Menschenliebe. Nicht trennen sollen die Religionen,
dass die Menschen sich hassen und zerfleischen, sondern einigen und
verbrüdern'." |
Beitrag von Rabbiner Dr. Victor
Marx in Westhoffen über "Kasualreden" (1904)
Artikel
in "Allgemeine Zeitung des Judentums" vom 19. August 1904:
Zum Lesen bitte Textabbildungen anklicken |
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Beitrag über den Großrabbiner von
Paris Zadok Kahn von Rabbiner Dr. Viktor Marx in Westhoffen (1906)
Artikel in "Allgemeine Zeitung des Judentums" vom 20. April 1906: |
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Rabbiner Dr. Victor Marx verlässt Westhofen und wird nach
Straßburg versetzt (1910)
Anmerkung: im oberen Artikel wird fälschlich von Rabbiner Dr.
Bloch gesprochen; es muss Dr. Marx heißen.
Dr. Victor Marx (geb. 1872 in Bad Homburg v.d.H.,
aufgewachsen in Oberbronn, gest. 1944 in Périgueux):
Studium in Breslau; 1899 bis 1909 Rabbiner in Westhoffen, 1910 Rabbinatsassessor
mit Filialgemeinde in Straßburg; 1937 übernahm er zusätzlich das Rabbinat
von Lingolsheim und war außerdem Hospitalseelsorger in Straßburg; 1939 zog er
sich mit einem großen Teil der Straßburger Gemeinde nach Périgueux in der
Dordogne zurück.
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 24. März
1910: "Straßburg im Elsass. Das Israelitische Konsistorium versetzte
Rabbiner Dr. Bloch aus Westhofen
auf 1. April nach Straßburg, wo er jetzt schon als Stellvertreter des
leidenden Herrn Oberrabbiner Uri tätig ist." |
|
Mitteilung
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 4. Februar 1910:
"Das israelitische Konsistorium des Unterelsass hatte sich in seiner
Sitzung vom 16. Januar mit der Wahl eines zweiten Rabbiners für die
israelitische Kultusgemeinde Straßburg zu befassen. Gewählt wurde
Rabbiner Dr. Marx - Westhofen." |
Rabbiner Dr. Victor Marx wird nach
Darmstadt berufen (1919)
Artikel in "Ost und West" vom Mai 1919 S. 340: "Westhofen
im Elsass. Herr Rabbiner Dr. Viktor Marx ist nach Darmstadt
berufen worden. Herr Dr. Marx hat in seinem bisherigen Wirkungskreis die
Alliance Israélite Universelle mit erfolgreichem Eifer vertreten, wofür
wir ihm an dieser Stelle herzlichen Dank sagen. Unsere besten Wünsche
begleiten ihn in sein neues Amt. Herrn S. Mai, der die Freundlichkeit hatte,
die Führung der Geschäfte der Alliance in Westhofen zu übernehmen
begrüßen wir mit freundlichem Willkommen."
|
Veränderungen in den Besetzungen der Rabbinate - Rabbiner Max Guggenheim kommt
nach Westhofen (1910)
Anmerkung: Rabbiner Max
Guggenheim (geb. 1877 in Seppois-le-Bas = Niedersept, gest. 1968 in Paris):
studierte am Rabbinerseminar in Colmar, 1898-1901 am Rabbinerseminar und an der
Universität in Berlin. Seit 1902 war er Rabbiner in Quatzenheim,
zuständig auch für Wintzenheim und Kuttolsheim. 1910 wechselte er nach Westhofen
(s.u.), 1919/20 nach Bouxwiller (Buchsweiler, Unterelsass); die Besatzungszeit
überlebte er in Paris, 1942 bis 1944 in Vichy; nach 1945 kehrte er nach Bouxwiller zurück. Seit 1956/57 Rabbiner in Saverne
(Zabern).
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 27. Mai 1905:
"Straßburg. Die von dem israelitischen Bezirkskonsistorium zu
Straßburg vorgenommenen Ernennungen des Rabbiners Dr. Bloch (bisher in
Dambach) zum Rabbiner in Barr, des Rabbiners Dr. Lehmann (bisher in
Schirrhofen) zum Rabbiner in Bischweiler, des Rabbiners Gugenheim (bisher
in Quatzenheim) zum Rabbiner in Westhofen und des Rabbiner Dr. Marx in Westhofen
zum beigeordneten Rabbiner in Straßburg, ferner die von dem
Bezirkskonsistorium zu Colmar vorgenommene Ernennung des Rabbiners Bloch
in Sulz unter Wald zum Rabbiner in
Dornach, sowie die von dem
Bezirkskonsistorium zu Metz vorgenommenen Ernennungen des Rabbiners
(Heinrich) Dreyfuß (bisher in Dürmenach) zum Rabbiner in Mörchingen (sc.
Morhange, Lothringen) und des
Rabbiners Levy (bisher in Pfalzburg) zum Rabbiner in Saarburg, sind von
dem Ministerium in Elsaß-Lothringen bestätigt
worden." |
Aus der
Geschichte der jüdischen Lehrer und Kantoren und der Schule
Seit 1836 hat Westhofen eine
israelitische Elementarschule/jüdische Volksschule (Artikel von 1842)
Artikel in "Der Orient" vom 25. Oktober 1842: "Die Christen im Elsass
scheinen sich oft durch ihren Hass allein leiten zu lassen, der dann das
Unglück nur vermehrt und die Möglichkeit der Abhilfe nur weiter hinausschiebt. Die Juden sind das Unglück der Christen, weil der alte Geist des
Unrechts noch in ihnen fortwirkt, diesen aber kann nur Aufklärung und
Erkenntnis besiegen. Nun stehen aber fast überall die Bauerngemeinden diesem
Ziele im Wege, indem sie überall Schwierigkeiten machen, so oft von noch so
geringen Beiträgen für Israelitenschulen die Rede ist. Das Arrondissement
von Schlettstadt sprach sich 1834 direkt gegen jeden Zuschuss zu einem
solchen Zwecke aus und stützte sich auf den Grund, dass die Juden
bereits anfingen, ihre Kinder in die christlichen Schulen zu schicken. Der
Generalrat des Departments erklärte dagegen, dass der Versuch, die Judenkinder in den Gemeinden, in denen nicht die Juden genug zu einer besonderen
Schule sind, in die christlichen Schulen zu schicken, fast überall an dem
Widerstreben der Väter israelitischer Familien und den Vorurteilen der
übrigen Bewohner gescheitert sei. Jüdische Schulen gab es nur in
Mutzig, Tegersheim (?),
Duttlenheim und
Marmoutier und seit
1836 auch eine in Westhofen. Deswegen setzte der Generalrat 1834 800
Fr.
aus, um den christlichen Lehrern es zu erleichtern, den Judenkindern
besondere Unterrichtsstunden zu gestatten. 1834 verstanden sich dazu 18
Gemeindelehrer, deren Zahl 1836, da die Summe auf 1500 Fr. erhoben wurde,
auf 22 stieg. Im Jahre 1839 wurde diese Summe wieder auf 1000 Fr.
herabgesetzt und weil ein paar Inspecteurs-Adoints des écoles du département
anzustellen waren. Ob dieser notwendiger
als der Unterricht der Juden, weiß ich nicht, durch begreife ich's sehr.
Jene
22 Gemeinden und jene fünf Judenschulen sind also die einzigen, in denen in
größerem Umfang für den ersten Unterricht der Juden gesorgt wird. In allen
anderen Gemeinden, deren Zahl sich auf 100 und mehr beläuft, ist derselbe
total vernachlässigt und diese Vernachlässigung selbst ist dann wieder
Ursache, dass der Jude des Elsass es wie der Bauer hinter seiner Zeit zurücksteht. Wie notwendig aber hier für
Beide Abhilfe, nach den obigen
Tatsachen noch näher darzustellen, hieße an dem gesunden Menschenverstand
derer, die da Augen zum Sehen und Ohren zum Hören haben, verzweifeln." |
Ausschreibung der Stelle des
Kantors und Schochet (1905)
Auf die Ausschreibung der Stelle bewarb sich Gustav Kron (1878 - ermordet
1942), zu ihm siehe
https://de.wikipedia.org/wiki/Gustav_Kron. Gustav Kron blieb bis 1917 in
Westhoffen, zuletzt war er von 1914 bis zu einer Erkrankung 1916 als Soldat im
Ersten Weltkrieg. Ausführlich
http://www.judaisme-alsalor.fr/histoire/rabbins/hazanim/kron.htm
Anzeige in "Israelitische Wochenschrift" vom 19. Mai 1905: "Kantor
und Schochet in Westhofen im Elsass, per 1. Juli Gehalt 1000 M und 4-500 M
Nebeneinkommen. Meldungen an den Vorsteher Herrn A. Debre. " |
Zum Tod der Frau des Lehrers Henri
Weill (1914)
Artikel in "Das jüdische Blatt" vom 3. April 1914: "Colmar.
Ein unendlicher Leichenzug gab Sonntag, den 22. März, einer in der Blüte der
Jahre dahingerafften frommen Frau das letzte Geleite. An den Folgen einer
Operation ist Frau Henry Weill, geb. Stern im Alter von nur 36 Jahren
gestorben. Die Dahingeschiedene, die in Jerusalem geboren war, hat sich
durch ihre freundliches und bescheidenes Wesen an allen Orten der
Wirksamkeit ihres Gatten, der früher Lehrer in
Dambach und Westhofen war,
nur Freunde zu gewinnen gewusst. Ihrem Gatten war sie eine treubesorgte
Gefährtin, ihrem einzigen Sohne die zärtlichste und hingebungsvollste
Mutter. Dem tiefen Schmerz um ihren frühen Heimgang gab Herr Oberrabbiner
Weill im Sterbehaus beredten Ausdruck; am Grabe rief ihr Rabbiner Dr.
Bloch aus Barr, als Freund der Familie, noch ein Wort liebevollen Gedenkens
nach. Die Anteile an der Trauer der Familie ist allgemein,
möge darin ein Trost für sie liegen!" |
Ausschreibung der Stelle des
Kantors und Schochet (1914)
Anzeige in "Das jüdische Blatt" vom 24. Juli 1914: "Die
Kantor und Schochetstelle
in Westhofen (Elsass) ist sofort zu besetzen. Einkommen circa 1500 Mk.
Bewerber wollen sich wenden an Michel Weill, Vorsteher der
israelitischen Gemeinde. " |
Über das Schicksal des Lehrers und Kantors Gustav Kron
und seiner Frau Selma geb. Blumenkrohn (Anmerkung zu einem Artikel von
1922)
(Fotos und Informationen aus einem Artikel zu Gustav Kron von
Rolf Hocke, Waldkappel, Quelle)
Lehrer
Gustav Kron (links Hochzeitsfoto während der Zeit in
Harmuthsachsen 1921) ist 1878 in Wolfhagen geboren. Er ließ sich 1900
bis 1904 am Lehrerseminar in Kassel zum Lehrer und Kantor ausbilden.
Während seines Militärdienstes in Arolsen war er zeitweise in der
Gemeinde Mengeringhausen tätig, von 1905 bis 1914 war er Lehrer in Westhoffen
im Elsass. 1914-1916 nahm er am Krieg teil. Auf Grund einer schweren
Erkrankung kam er 1916/17 nach Westhoffen zurück, seit 1917 nach Balbronn.
Im Februar 1919 kehrte er nach Hessen zurück. Kurzzeitig war er Lehrer im
Momberg, danach von 1919 bis 1924 in
Harmuthsachsen, seit 1924 Lehrer und Kantor in Fritzlar.
Er war seit Januar 1921 verheiratet mit Selma geb. Blumenkrohn, Sohn des
jüdischen Lehrers und Kantors Viktor Blumenkrohn in Spangenberg.
Im Bericht zu dessen Beerdigung 1922 wird Gustav Kron
genannt: |
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. März 1922: "Spangenberg,
22. Februar (1922). Nach fast 40-jähriger segensreicher Wirksamkeit in
unserer Gemeinde ist uns Lehrer Blumenkrohn nach kurzem Krankenlager durch
den Tod entrissen worden. Das Scheiden dieses trefflichen Mannes, der in
vorbildlicher Pflichttreue seines Amtes als Lehrer und Vorbeter waltete
und dessen Lebensführung mustergültig gewesen, löste in allen Kreisen
der hiesigen Stadt aufrichtige Trauer aus. Die ehrenden Nachrufe, die ihm
die Synagogenältesten, der Bürgermeister, der Schulvorstand, der
Lehrerverein widmen, zeugen von der Würdigung des allgemein beliebten und
verehrten Mannes. Am 19. Februar wurde unter zahlreicher Beteiligung die
sterbliche Hülle der Erde überantwortet. Herr Landrabbiner Dr. Walter,
Kassel, schilderte in längerer Rede das Wirken des Verblichenen in Schule
und Gemeinde, Herr Lehrer Rosenstein, Rotenburg,
sprach als Berufsgenosse und Freund; Herr Lehrer Heilbrun, Kassel, entbot
als Schüler dem teuren Lehrer den Dank der Schüler, in deren Herzen der
Verklärt sich ein Denkmal gesetzt, dauernder als in Stein gehauen und als
letzter Redner nahm der Schwiegersohn, Herr Lehrer Kron, Harmuthsachsen,
mit tränenerstickter Stimme Abschied von dem geliebten Schwiegervater,
dessen Andenken nie erlöschen wird. In später Stunde schloss sich das
Grab, das der Besten einen birgt. Wir sagen mit dem Dichter 'Ach, sie
haben einen guten Mann begraben, uns war er mehr'. Seine Seele sei
eingebunden in den Bund des Lebens." |
Weitere Geschichte: Gustav Kron
und seine Frau Selma geb. Blumenkrohn bemühten sich in der NS-Zeit
vergeblich um eine Auswanderung. Die Familie mit dem 1922 in
Harmuthsachsen geborenen Sohn Walter verzog spätestens 1938 nach Hamburg;
dabei war auch die in hohem Alter befindliche Mutter von Gustav Kron. Nach
dem Novemberpogrom 1938 wurde Gustav Kron einige Zeit im KZ Oranienburg
festgehalten. Am 25. Oktober 1941 wurden Gustav und Selma Kron in das
Ghetto Litzmannstadt deportiert; im Mai 1942 in das Vernichtungslager
Kulmhof (Chelmno), wo sie ermordet wurden. |
|
Links: Gustav Kron
während der Zeit
als Lehrer in Harmuthsachsen |
|
Berichte zu einzelnen
Personen aus der Gemeinde
Sigmund Levi aus Westhoffen lässt
sich 1913 in Celle taufen (Artikel von 1934)
Anmerkung: Der Beitrag ist von Prof. Heinrich Loewe über "Namensänderungen".
Aus einem Artikel über die Namen konvertierter jüdischer Personen in
"Bayerische israelitische Gemeindezeitung" vom 15. Juli 1934: "Oscher
aus Treuchtlingen, der sich mit
zwei Söhnen und zwei Töchtern (31. Mai 1711) in
Schwabach taufen ließ, erhielt die
Vornamen Wilhelm Christian, ein Sohn den Vornamen Christian, eine Tochter
den Vornamen Christiana. Familienname wurde Gottlieb. Gegen Ende des
17. Jahrhunderts gab es in Hamburg einen bekehrten Juden Christian Georg
Gottlieb, der 1693 eine Schrift zur Erläuterung der jüdischen Irrtümer
drucken ließ. Löw David, der Sohn eines Schamasch in Prag, der von klein auf
Waisenkind gewesen war, wurde (20. April 1738) in
Schwabach auf den Namen George Daniel
Marcus Daniel Gotttreu getauft. Moses Herschel aus Loschwitz in
Mähren verwandelte sich (3. Januar 1770) in Görlitz in einen Christian
Nathanael Gottwalt oder Gottwaldt. Siegmund Levy aus
Westhofen im Elsass, der in Celle (26. September 1713) als
übergetretener Jude erscheint, führt nunmehr den Namen Christian
Fürchtegott." |
Ein jüdischer Soldat aus Westhoffen
ist im Krieg 1870/71 gefallen (1872)
Artikel
in "Allgemeine Zeitung des Judentums" vom 13. Februar 1872: "Französische
Soldaten jüdischer Religion. (Fortsetzung).
In Nummer 49 vorigen Jahres haben wir nach den Archives israélites
die Liste der französischen Soldaten jüdischer Religion während des Krieges
1870/71 aus Lothringen gegeben. Zu den dort aufgeführten 22 mögen jetzt noch
folgende hinzugefügt werden:
Weil, aus Westhofen, fiel auf den Wällen von Straßburg." |
Zum Tod des aus Westhofen stammenden Leopold Cahn
(1887)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. Juni 1887: "Aus
dem Elsaß. Am 27. Siwan (Sonntag) wurde Herr Leopold Cahn in Hatten
im Alter von 76 Jahren zur letzten Ruhe bestattet. Unter dem Namen: 'Reb
Leb' war derselbe im ganzen Elsass als ein Mann von großer Gelehrsamkeit
und von ausgezeichneten Tugenden bekannt.
In Westhofen geboren, widmete er sich dem Rabbinerstande und
erheilt auch als solcher sein Diplom zur Anstellung für Frankreich. Er
nahm aber keine Stelle an, indem er als 23-jähriger Mann von einem sehr
reichen Mann in Hatten - wegen seiner Gelehrsamkeit - als
Schwiegersohn eingesetzt wurde, Seine Wohltätigkeit erstreckte sich besonders
aus Erez Jisroel.
Fünf Rabbiner feierten das Andenken des großen Toten. Seine Seele sei
eingebunden in der Bund des Lebens." |
Zum Tod von Postagent Jakob Römer -
antijüdischer Einstellung des protestantischen Pfarrers (1904)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 26. Februar 1904:
"Westhofen im Elsass, 7. Februar (1904). Die Straßburger
Bürger-Zeitung meldet von hier: 'Donnerstag Nachmittag wurde der Postagent Jakob Römer unter großer Beteiligung der Bevölkerung des
Krieger- und Gesangvereins begraben. Der Bezirksoffizier von Molsheim
pries am Grabe den Verblichenen in einer markigen Rede. Der Gesangverein
verliert in Römer eines seiner besten tätigsten und rührigsten
Mitglieder. Diesem Ausdruck zu geben, sowie dem Schmerz aller
Mitglieder des Vereins, wollte der Präsident desselben, Herr Michel
Weill, am Grabe eine kleine Rede halten. Es wäre so schön gewesen...
Aber eine halbe Stunde vorher wurde vom protestantischen Pfarrhause dem
Israeliten Weill dringend bedeutet, doch davon absehen zu wollen. Was für
ein Geist hier im Pfarrhause herrscht, ist klar! Aber auch nur dort. Als
vor einigen Jahren der Schwiegervater des Herrn Weill, Rabbiner Lazarus,
starb, da hielt Herr Pfarrer Kiefer - Balbronn die erste und größte
Grabrede (sc. vgl. unten Artikel von 1897). Andere 'Männer', andere
Sitten.' - Der Berichterstatter ist kein Jude. In jüdischen Kreisen schließt
man sich sehr gern der Ansicht an, dass der orthodoxe Geistliche die
Beerdigungsfeierlichkeiten überhaupt auf die kirchlichen Zeremonien
beschränken solle. Auch der Offizier habe seine Rede nur gehalten, weil er
eben nicht erst lange vorher um Erlaubnis gefragt habe. Wie dem auch sei, es
ist jedenfalls ein schöner Beweis des konfessionellen Friedens, wenn von
christlicher Seite in dieser Weise sofort gegen eine möglicherweise nur
scheinbare antisemitische Handlungsweise protestiert wird." |
|
Artikel
in "Der Gemeindebote" vom 26. Februar 1904: derselbe Bericht wie in der
"Allgemeinen Zeitung des Judentums" siehe oben.
|
Feissel Cahn wird für die
Begründung einer Bes-Hamidrasch (Talmud-Schule) in Westhoffen ausgezeichnet
(1913)
Artikel
in "Das jüdische Blatt" vom 3. Januar 1913: "Straßburg.
Das israelitische Konsistorium hat von den diesjährigen Preisen der Michel
und Fanny Weil-Stiftung eine Summe von 450 Mk. Herrn Feissel Cahn von
Westhofen für das von ihm gegründete Bes Hamidrasch gebilligt. Wir
gratulieren von Herzen dieser Institution für diese ehrende Anerkennung
ihres nützlichen Wirkens. Außerdem erhielten noch Zuwendungen der Jugendbund
und die israelitische Gewerbeschule zu Straßburg." |
Oskar Wolff war für ein Jahr als
Notar in Westhoffen tätig (1913)
Artikel
in "Das jüdische Blatt" vom 7. November 1913: "Saarburg.
Der Sohn unseres Gemeindemitgliedes Herr Oskar Wolff hat vom 1.
Oktober das Notariat in Saarburg erhalten; nachdem er bereits ein Jahr als
Notar in Westhofen tätig gewesen. " |
Zum Tod von Amelie Debré geb. Cahn,
Frau des langjährigen Gemeindevorstehers Anselm Debré (1914)
Artikel in "Das jüdische Blatt" vom 20. März 1914: "Rosheim.
Der Fasttag des Taanis-Esther stand für uns im Zeichen doppelter Trauer:
nach nur zweijährigem Aufenthalt in hiesiger Gemeinde, wohin sie nach dem
Tode ihres Gatten, des unvergesslichen Anselm Debré zu einer Tochter
gezogen war, ist uns Frau Amelie Debré seligen Andenkens,
geborene Cahn, im Alter von 64 Jahren durch den Tod entrissen worden und
wurde an diesem Tage zu Grabe getragen. Aus bestem Hause entstammt, eine
Tochter des durch seine Frömmigkeit bekannten Rebb Leib aus
Hatten, hat sie auch im eigenen Heim
eine Hütte recht jüdischer Frömmigkeit errichtet, die weithin gekannt und
gerühmt war, hat sie hinwiederum ihre Kinder in gleichen Geiste erzogen und
das Glück gehabt, sie ihr darin folgen zu sehen. Schlicht und einfach,
ausgestattet mit seltener Lebensklugheit und reicher Erfahrung, wusste sie
die Menschen in ihren Bann zu ziehen, und war sie glücklich, Ihnen mit Rat
und Tat helfen zu können. So wirkte sie in ihrer alten Heimat Westhofen
an der Seite ihres edlen Gatten seligen Andenkens über ein
Menschenalter. So hatte sie sich aber auch schon hier bewährt während der
kurzen Zeitspanne, die ihr noch bei uns vergönnt war. Die Herzen vieler
schlugen ihr zu, die Sympathien aller waren ihr gewonnen. Dies war nur ein
schwacher Ausdruck der allgemeinen Kundgebung der Trauer bei ihrer
Bestattung. Unter den zahlreichen Teilnehmern sehen wir auch mehrere
Rabbiner: neben ihrem Sohn (dem Rabbiner von
Saarunion) und ihren Schwiegersöhnen
(von Winzenheim und
Barr) die Rabbiner von
Oberehnheim,
Buchsweiler,
Sankt Ludwig und
Bollweiler. Eine Schilderung ihres
frommen beispielgebenden Lebens entwarf zunächst der Rabbiner von
Oberehnheim. Dann nahm der Sohn auch
namens seiner Geschwistern bewegten Herzens Abschied von der teuren Mutter;
worauf noch der Schwiegersohn von
Winzenheim, anknüpfend an die vergangene Sidra (Wochenabschnitt aus
der Tora), ihr Haus als ein Heiligtum zeichnete, in welchem sie wie eine
Priesterin (Kohenet) in Reinheit gewaltet habe. Die Bahre wurde nach
Westhofen gebracht, um auf dem
Friedhof dort an der Seite ihres Gatten zur Ruhe gebetet zu werden. Auch
hier war die Gemeinde - Männer und Frauen - vollzählig erschienen, um der
Verstorbenen den letzten Zoll der Liebe und Verehrung zu weihen. Am offenen
Grabe gab Rabbiner Guggenheim den Gefühlen des Schmerzes und der
Trauer beredten Ausdruck, wie sie ihr Hinscheiden hier am Orte ihres
langjährigen segensreichen Wirkens geweckt hatte. Noch ein letztes
herzliches Abschiedswort seitens ihres Schwiegersohn von
Barr, und Scholle rollte auf Scholle hinab
auf den Sarg einer Edlen und Guten, einer Treuen und Frommen. Ihre Seele
sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
Über den aus Westhoffen stammenden Rabbiner Dr. Moïse Debré
(1882-1919)
Rabbiner Dr. Debré ist 1882 in
Westhoffen als Sohn des Anselme Debré und der Amélie geb. Cahn geboren.
Er studierte 1903 bis 1909 an der Universität und am Rabbinerseminar in
Berlin und wurde an der Universität Würzburg promoviert. Nach einer Zeit
als Rabbinatskandidat in Augsburg war er von 1912 bis zu seinem frühen
Tod am 26. Januar 1919 (er starb an der Spanischen Grippe) Rabbiner in Sarre-Union.
Er wurde in seinem Heimatort Westhoffen beigesetzt. Er war verheiratet mit
Yvonne geb. Blum, mit der er eine Tochter hatte. Vgl. Artikel in
der Seite zu Saarunion |
Meldung
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 19. September
1912: "Saarunion. Zum Nachfolger unseres pensionierten
Rabbiners Guggenheim ist Rabbinatskandidat Debré - Augsburg ernannt
worden." |
Rabbinatskandidat Dr. Anselm Debré
aus Westhoffen wird Rabbiner in Rappoltsweiler (1915)
Artikel
in "Der Gemeindebote" vom 13. August 1915: "Die von dem
israelitischen Bezirkskonsistorium zu Colmar
vorgenommene Ernennung des Rabbineramtskandidaten Dr. Anselm Debré
aus Westhofen zum Rabbiner in
Rappoltsweiler ist durch das Ministerium bestätigt worden. " |
Zum Tod des aus Westhoffen stammenden Rabbiner Dr. Benjamin May (1929)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. Juni 1929: "Rabbiner
Dr. Benjamin May - das Andenken an den Gerechten ist zum Segen.
Tiefe Trauer und besonders lebhaftes Mitgefühl hat in den Kreisen der
hiesigen jüdischen Gemeinschaft der allzu frühe Heimgang der im besten
Mannesalter stehenden markigen Persönlichkeit des Rabbiners und
Religionslehrers Dr. Benjamin May hervorgerufen. Aus Westhofen im
Elsass stammend, hatte der Hingeschiedene am Berliner Rabbinerseminar
seine Studien absolviert und war hier seit zwei Jahrzehnten als Religionslehrer
an den höheren Schulen in hervorragender Stellung tätig. Was ihn vor
vielen Berufsgenossen auszeichnete, war nicht nur sein in rastloser
Studienarbeit immer mehr vervollkommmetes reiches Wissen, sondern vor
allem die temperamentvolle Energie, mit der er seines Amtes waltete. Was
für die oft aus halb oder ganz entfremdeten Kreisen stammenden Schüler
und Schülerinnen der höheren Schulen das gefährlichste Gift in der
Religionsstunde ist, die Langeweile, war in den Lehrstunden Benjamin Mays
eine unbekannte Erscheinung - er war durchglüht von innerer Wärme, die
alle Herzen entflammte. Er hat zweifellos Hunderte von jungen Seelen für
die tiefen Wahrheiten der Überlieferung und für die gewaltige Größe
des Gotteswortes und des Prophetenwortes erwärmt und zahlreiche
Saatkörner ausgestreut, die segensreich aufblühen werden. Bei der
Bestattung, die am letzten Freitag stattfand, kam die Liebe und Verehrung,
deren sich der Heimgegangene erfreute, zu erschütterndem Ausdruck. Seine
Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeige für koscheren Wein aus der
Kellerei Westhofen (1902)
Anzeige in "Der Israelit" vom 27. März 1902: "Reiner
Elsässer Koscher-Wein
offeriert von Mark 28.- an per Hektoliter ab Kellerei Westhofen
Simon Kahn, Straßburg im Elsass, Bahnhofsplatz 14.
Seiner Ehrwürden Rabbiner Buttenwiesen hier, ist bereit, Referenz in Bezug
auf Kaschrut zu erteilen."
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Krankenpflegerin sucht eine Stelle
(1914)
Anzeige in "Das jüdische Blatt" vom 13. März 1914: "Eine
langjährig tätige
staatlich diplomierte Krankenpflegerin
mit sehr schönen ärztlichen Zeugnissen, wünscht Stelle in einem
Krankenhaus, oder als Gemeindepflegerin, eventuell auch in einem Sanatorium
oder Altersversorgungshaus. Offerten erbeten an
Rabbiner Guggenheim, Westhofen." |
Anzeige der Weinhandlung Th. Kahn Söhne
(1915)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. Januar 1915:
"Offeriere selbstgekelterte Weiß- und Rotweine im Fass,
sowie auch in Falsch - Koscher zu Pessach.
Th. Kahn Söhne, Westhofen im Elsass.
In Bezug auf die Kaschrut kann die Koscherbescheinigung
erteilt werden. Frühzeitige Bestellungen
erwünscht." |
Zur Geschichte der Synagoge
1876 wurde eine neue
Synagoge erbaut und eingeweiht. Sie stand vermutlich am Platz einer älteren
Synagoge, weswegen in nachfolgender Meldung nur von der
"Restaurierung" der Synagoge in Westhoffen die Rede ist.
Meldung
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. September 1876:
"In Westhoffen (Elsass) wurde vor Kurzem die neu restaurierte
Synagoge (die Herstellungskosten betrugen 50.000 Franc) unter den
üblichen Gebräuchen eingeweiht." |
Die
Synagoge wurde während der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg geplündert.
Das Gebäude blieb jedoch erhalten.
Adresse/Standort der Synagoge: Place de la Synagogue, Westhoffen
Fotos
(Fotos obere Fotozeile: Rothé / Warschawski s. Lit. S. 144;
untere Zeilen: Hahn, Aufnahmedatum 28.5.2004)
3d-Animation der Synagoge Westhoffen
- erstellt von Dipl-Ing. Jürgen Eckhardt
Eingestellt als Video bei YouTube (animago AWARD: 2004; Platz 1 in Home /
Animation Architektur)
Links und Literatur
Links:
Literatur:
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
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