In Neustadt an der Aisch bestand bereits im Mittelalter eine ansehnliche
jüdische Gemeinde. Die Gemeinde wurde bei der sogenannten "Rintfleisch"-Verfolgung
am 23. Juni 1298 vernichtet. An diesem Tag wurden 71 Juden verbrannt. Nicht
bekannt ist, wann sich wiederum jüdische Familien in der Stadt niederlassen
konnten. In Nürnberg werden in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts immer wieder Juden aus Neustadt
genannt beziehungsweise hatten sich niederlassen können: Symon, Pucher, Jona
b. Mose, Mardochay,Jale und Gutlein (Erwähnungen in der
Jahren 1324, 1326, 1328, 1338, 1347, 1349). Doch lebten auch in Neustadt selbst
in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts einige Juden, zumal bei der Verfolgung in der Pestzeit
1348/49 auch in Neustadt Juden ermordet wurden. Noch vor 1374 lebten
wiederum Juden in der Stadt, doch blieb ihre Zahl bis auf weiteres sehr klein. 1421
kam es zu einem Pogrom in der Stadt durch ein gegen die Hussiten ziehendes Heer
aus Flandern und Hennegau. Mehrere Juden seien dabei zwangsgetauft worden.
In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts besserten sich unter dem Markgrafen
Albrecht Achilles Markgraf Albrecht Achilles (reg. 1440-1483) die
Lebensbedingungen. Dieser hatte den Juden
einen "Freibrief" ausgestellt., in dem ihnen gegen Zahlung
entsprechender Schutzgelder zahlreiche Rechte zugestanden wurden. Die jüdischen
Familien wohnten auf dem "Gänshügel" ("Gänsberg"), der
unweit der Burg im Schutz der erweiterten
Stadtmauer lag. 1499 wurden einige aus Nürnberg vertriebene Juden in Neustadt
aufgenommen. 1515 vertrieb der Markgraf von Brandenburg-Kulmbach
allerdings die Juden seines Landes und damit auch diejenigen in Neustadt.
In Ipsheim wohnten zwischen dem 15. und dem 19. Jahrhundert zeitweise
jüdische Personen beziehungsweise Familien, jedoch kam es vermutlich zu keiner
Zeit zur Bildung einer Gemeinde mit eigenen Einrichtungen. Im 15. Jahrhundert
war mindestens eine jüdische Familie am Ort. Im 18. und Anfang des 19.
Jahrhunderts sind einige jüdische Hausbesitzer fassbar: u.a. hatte 1726 Josef
Levi aus Neustadt a.d. Aisch den Komplex der May'schen Schlosshöfe (Marktplatz
15) erworben und ihn 1728 an den Bäcker Philipp Riedel weiterverkauft. 1806
verkaufte Mendel Löw aus Lenkersheim das untere Stockwerk des May'schen
Schlössleins (Kirchplatz 1).
Zwischen 1536 und 1767 lebten in Neustadt einzelne jüdische
Personen beziehungsweise Familien, ohne dass es zur Bildung einer jüdischen
Gemeinde kam. 1709 waren es drei, 1728 zwei, 1763 wiederum drei jüdische
Familien in der Stadt.
Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfolgte ein
erneuter Zuzug jüdischer Familien aus umliegenden Landgemeinden wie Diespeck,
Pahres u.a.m. Die Zahl der jüdischen
Einwohner entwickelte sich wie folgt: 1867 39 jüdische Einwohner (1,1 % von
insgesamt 3.583 Einwohnern), 1871 57 (1,5 % von 3.709), 1880 147 (3,6 % von
4.114), 1890 170 (4,5 % von 3.748), 1900 210 (5,4 % von 3.870), 1910 146
(3,2 % von 4.494).
Große Verdienste um den Aufbau der Gemeinde sowie um den Synagogenbau u.a.m.
hatte Elias Stahl, der bis zu seinem Tod 1927 40 Jahre lang
Gemeindevorsteher war. 22 Jahre lang gehörte er auch der Stadtverwaltung an
(siehe Bericht zu seinem Tod unten).
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge, eine Religionsschule mit
Lehrerwohnung sowie ein rituelles Bad. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein
Religionslehrer angestellt,
der zugleich als Vorsänger und Schächter tätig war (vgl. Ausschreibungen der
Stelle unten). 1883ff wurde der
Unterricht noch vom Lehrer aus Diespeck
erteilt (vgl. unten Stellenausschreibung). Ab 1892 war ein eigener Lehrer
für Neustadt tätig; als Lehrer werden genannt: Leser Hecht (stammte aus
Homburg am Main; seit 1892 Lehrer in
Neustadt; in Diespeck war er noch als Schächter tätig; gestorben 5. Mai 1920
und im jüdischen Friedhof Diespeck beigesetzt); Hechts Nachfolger war von 1921
bis 1923 Nathan Eschwege (geb. 1888 in Thüngen,
war Anfang der 1930er-Jahre Lehrer in Rockenhausen); 1923 bis 1934 Lehrer Simon Blumenthal. Die Toten der Gemeinde wurden
auf dem jüdischen Friedhof in Diespeck beigesetzt.
Im
Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde: Unteroffizier Adolf
Dingfelder (geb. 24.8.1887 in Ühlfeld, gef. 10.10.1914), Sanitäts-Gefreiter Justin
Dingfelder (geb. 23.12.1889 in Ühlfeld, gef. 11.8.1918), Gefreiter Norbert
Hecht (geb. 22.6.1893 in Neustadt, gef. 16.5.1916), Gefreiter Wilhelm Friedrich
Kraus (geb. 18.3.1889, gef. 11.6.1917), Simon Hecht (), Unteroffizier Theodor
Sämann (geb. 29.6.1893 in Neustadt, vor 1914 in Nürnberg wohnhaft, gef.
20.9.1917), Siegfried (Fritz) Sternau (geb. 30.1.1896 in Diespeck, gef.
15.12.1916), Lnt. Ludwig Stahl (geb. 22.9.1887 in Neustadt, vor 1914 in
Nürnberg wohnhaft, gef. 8.8.1918), Hermann Wollenreich (geb. 24.9.1893 in
Kaubenheim, gef. 27.8.1918), Sgt. Leo Wollenreich (geb. 24.5.1891 in Kaubenheim,
gef. 14.10.1918). Leo Wollenreich war noch mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet worden (Bericht im Frankfurter
Israelitischen Familienblatt vom 6. November 1914). Die Namen der jüdischen
Gefallenen stehen auf dem Kriegerdenkmal für die Gefallenen des Ersten
Weltkrieges vor dem städtischen Friedhof an der Ortseinfahrt aus Richtung
Würzburg (B 8) auf den linken Seite der Riedfelder Straße. Das Denkmal wurde
1933 eingeweiht mit dem Text: "Die dankbare Heimat Neustadt an der Aisch
1933 ihren im Weltkriege gefallenen Söhnen. Euer Tod war unser Leben. Wach in
uns ist eure Kraft". Die (meisten der genannten) Namen stehen auch auf dem Gefallenendenkmal im
jüdischen Friedhof in Diespeck.
Um 1924, als zur jüdischen Gemeinde (damals noch "Israelitische
Kultusgemeinde Neustadt-Diespeck") noch 102 jüdische Personen
gehörten (2,22 % der Gesamtbevölkerung, davon drei in Diespeck),
waren die Vorsteher der Gemeinde: Julius Lehmann, Gustav Dingfelder, Martin
Schwab, Simon Sämann, Leopold Schwab, S. Junker, Norbert Sternau, Elias Stahl. Als
Kultusbeamter und Lehrer wirkte der bereits genannte Simon Blumenthal. Er gab an
öffentlichen Schulen damals zwei jüdischen Kindern Religionsunterricht. Die
Gemeinde gehörte zum Distriktsrabbinat in Fürth. 1932 wurden 111
jüdische Einwohner gezählt, dazu gehörten auch die fünf noch in Diespeck
wohnenden jüdischen Personen. Erster Vorsteher der Gemeinde war weiterhin Julius
Lehmann, der zweite Vorsteher Gustav Dingfelder. Lehrer Simon Blumenthal ist
auch als Schriftführer der Gemeinde genannt. An jüdischen Vereinen
bestanden: der Israelitische Frauenverein (gegründet 1876, 1932 unter
Leitung von Babette Sternau; Arbeitsgebiet: Unterstützung Hilfsbedürftiger und
Kranker) und der Wohltätigkeits- und Bestattungsverein Gemilus
Chasodim-Chewra für Männer (gegründet 1876; 1932 unter Leitung von J.
Lehmann; 25 Mitglieder). Außerdem bestand eine Ortsgruppe des Central-Vereins
(unter Leitung von Norbert Sternau). Jüdischen Religionsunterricht durch den
Lehrer Blumenthal erhielten im Schuljahr 1932/33 zehn jüdische Kinder.
1933 lebten noch 74 jüdische Personen in Neustadt. Durch die Folgen des
wirtschaftlichen Boykotts und der schnell zunehmenden Repressalien sind in den
folgenden Jahren alle jüdischen Einwohner aus Neustadt verzogen. Es wurden gezählt:
1.1.1934 61 jüdische Einwohner, 1.1.1935 38, 1.1.1938 35, 9.11.1938 22,
13.11.1938 1, 16.12.1938 kein jüdischer Einwohner mehr.
Über die antijüdischen Maßnahmen in Neustadt liegen zusammengefasst
folgende Informationen vor (Zitat aus Ophir/Wiesemann s.Lit.): "Neustadt
war eine Hochburg der NSDAP; schon 1931 erzielte sie bei den Stadtratswahlen die
absolute Mehrheit... Um den wirtschaftlichen Boykott der Juden voranzutreiben,
unterhielt die NSDAP in Neustadt einen umfangreichen Propagandastab. 1934 hielt
dieser ca. 60 Versammlungen ab, in denen diejenigen öffentlich angeprangert
wurden, die noch bei Juden kauften. Ein Propagandawagen fuhr wiederholt durch
die Stadt und warnte durch Lautsprecher davor, bei Juden einzukaufen. Ein nichtjüdischer
Arbeiter, der in einem jüdischen Laden einen Regenmantel erstanden hatte, wurde
durch die Straßen geschleift und von Kindern bespuckt. Die jüdischen Geschäftsleute
wurden gezwungen, an ihren Läden Schildern mit dem Text 'Streicher hat recht -
die Juden sind unser Unglück' anzubringen. Im April 1934 wurde den jüdischen
Ladeninhabern verboten, Brot zu verkaufen, während gleichzeitig die nichtjüdischen
Läden angewiesen wurden, Juden nicht mit Brot zu beliefern..."
Von den jüdischen Einwohnern konnten drei in die USA auswandern, die übrigen
verzogen in andere Städte (Würzburg, Fürth, Bamberg, Berlin, Bad Kissingen,
Frankfurt am Main) und konnten teilweise von dort emigrieren. Am 8. November
1938 wurden die letzten 22 jüdischen Einwohner angewiesen, die Stadt innerhalb
von acht Tagen zu verlassen. Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge
völlig zerstört, ein vierjähriges Kind durch brutale Misshandlungen schwer
verletzt.
Von den in Neustadt a.d. Aisch geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben
nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem
und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"):
Hedwig Bendel geb. Kraus (1891), Emma (Erna) Eckmann geb. Sulzbacher (1878),
Julius Eschwege (1922), Anna Zilla Flach (1878), Betty Gutmann geb. Kühn
(1873), Ernst Ludwig Kempe (1926), Felix Kraus (1893), Selma Kraus (1887),
Bernhard Kühn (1884), Gutta (Gitta) Laub geb. Erlanger (1873), Flora Liebmann
geb. Steinacher (1872, "Stolperstein" in
Eichstätt, Marktplatz 2), Alice Luchs (1931), Sophie Luchs (1933), Annelies (Anne)
Roos (1924), Emma Rosenblatt geb. Hellmann (1913), Albert Sämann (1895), Hedwig
Schlesinger geb. Sulzbacher (1880), Iwan Schwab (1889), Mathilde Schülein geb.
Birgstein (1862), Benno Schönthal (1888), Lothar Schönthal (1886), Iwan Schwab
(1889, Stolperstein
in Würzburg), Emma
Sternau (1878), Pauline Uhlfelder geb. Freimann (1883).
Anmerkung: Eine Liste auf Grund der Angaben bei Yad VaShem ist nicht zu
erstellen, da mehrere Orte "Neustadt" erfasst werden und aus den
Angaben bei Yad Vashem bei einem großen Teil der angegebenen Personen nicht zu
erkennen ist, welches Neustadt gemeint ist; die nachstehenden Namen erfolgten
auf Grund der Eingabe von "Neustadt +Aisch" im Verzeichnis des
"Gedenkbuches", danach Auswahl aus dieser Liste, da auch die im Kreis
Neustadt a.d. Aisch umgekommenen Personen aufgeführt werden.
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1883
(noch von Diespeck aus!) /
1892 / 1907 / 1921 / 1923
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 20. November 1883: "Die Stelle eines Schächters und Vorbeters in dem zur hiesigen
Kultusgemeinde ressortierenden Neustadt a. Aisch soll mit einem
Jahreseinkommen von circa Mark 1200 bis Mark 1400 baldmöglichst besetzt
werden. Hierauf Reflektierende wollen ihre Meldungen nebst den
erforderlichen Zeugnissen innerhalb 4 Wochen an den Unterfertigten
einsenden. Reisekosten werden nur dem Gewählten erstattet. Diespeck in
Mittelfranken, 28. Oktober 1883.
Der israelitische Kultusvorstand. L.
Schönwasser."
1892 wurde die Stelle als
"Religionslehrer-, Vorsänger- und Schächterstelle"
ausgeschrieben:
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. Januar 1892:
"Erledigte Stelle. In Neustadt a.A., welches zur hiesigen
Kultusgemeinde ressortiert, ist die Religionslehrer-, Vorsänger- und
Schächterstelle mit einem jährlichen Gesamteinkommen von ca. Mark 1600
erledigt und soll bis 1. April diesen Jahres wieder besetzt werden.
Hierauf reflektierende inländische Bewerber mit seminaristischer Bildung
wollen ihre Gesuche und Zeugnisse bis längstens 20. Januar diesen Jahres
an den unterfertigten Kultusvorstand einsenden. Unverheiratete Kandidaten
erhalten den Vorzug.
Diespeck (in Bayern), 3. Januar 1892. Der Israelitische Kultusvorstand:
L.
Schönwasser."
1907 wurde für die
hohen Feiertag ein Hilfsvorbeter gesucht:
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. August 1907: "Für
Rosch Haschana (Neujahrsfest) und Jom Tow (Versöhnungstag) wird ein
durchaus befähigter Hilfsvorbeter gesucht.
Synagogen-Vorstand E. Stahl.
Neustadt a.d. Aisch".
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. Mai 1921:
"Die durch Todesfall erledigte Stelle eines Kantors,
Religionslehrers und Schochet ist neu zu besetzen. Das Einkommen
beläuft sich auf annähernd 12.000 Mark. Bewerber wollen ihre Offerte mit
genauen Angaben über Lebenslauf, Bildungsgang, Alter und Familienstand,
spätestens bis 15. Juni an unterfertigte Stelle richten. Israelitische Kultusgemeinde Neustadt a. Aisch, Elias Stahl, 1.
Vorstand."
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. März 1923: "Die
israelitische Kultusgemeinde Neustadt an der Aisch (Mittelfranken) sucht
per 1. April oder 1. Mai einen Vorbeter, Schächter und
Religionslehrer.
Gehalt nach Gruppe VI der Bayerischen Beamten-Besoldung. Dienstwohnung
vorhanden. An Bayrischen Seminaren ausgebildete Herren bevorzugt.
Bewerbungen mit Zeugnissen an den Kultusvorstand Julius
Lehmann."
Über Lehrer Simon Blumenthal (1923 bis 1934 Lehrer in
Neustadt) Anmerkung (ein Bericht wurde noch nicht gefunden): Lehrer Simon Blumenthal
ist 1872 - vermutlich in Heidingsfeld - geboren. Er erhielt seine Ausbildung an
der Israelitischen Lehrerbildungsanstalt in Würzburg (Examen 1891). Später
(kurz vor 1900) war er als Lehrer in Aub tätig,
seit 1923 in Neustadt an der Aisch. Hier lebte er mit Frau, Kind und der
Schwiegermutter (gest. 1925) im Haus Nürnberger Straße 13. 1934 ist er nach
Würzburg gezogen (hier genannt als Lehrer a.D., wohnhaft Röntgenring 6). Er emigrierte
im Juli 1939 mit seiner Ehefrau (Klara geb. Oppenheimer) in die USA (Chicago).
Sein Sohn Dr. jur. Max Blumenthal ist 1900 in Aub geboren und war in Würzburg
seit 1930/31 als Rechtsanwalt tätig (1933 mit Ehefrau Sidonie geb. Rindsberger
in die USA emigriert).
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. April 1903:
"Eine Ritualmordbeschuldigung vor 100 Jahren. Zu den Vorurteilen,
welche wie eine unheilbare Krankheit sich forterben von Geschlecht zu
Geschlecht, ohne dass es der fortschreitenden Aufklärung bis jetzt
wenigstens gelingen will, ihre Fortpflanzung und Ausbreitung zu verhüten
und zu verhindern, gehört in erster Reihe auch das Vorurteil des
‚Ritualmordes’ oder die Beschuldigung, dass die Juden oder eine Sekte
derselben zu rituellen Zwecken, besonders bei Gelegenheit ihres
Osterfestes, Christenblut gebrauchen. Ehemals zwar, im 2. und 3.
Jahrhundert gewöhnlicher Zeitrechnung, da waren es die Kirchenväter,
welche ihre Religion verteidigen mussten gegenüber der Beschuldigung des
Ritualmordes, die von heidnischer Seite gegen das Christentum erhoben
wurden. Seit dem 13. Jahrhundert wurde nun diese wahnwitzige Verleumdung
bald hier und bald dort in irgendeinem Winkel der Erde gegen die Juden
gerichtet, und dadurch unsägliches Elend über sie gebracht. Heinrich
Heines fragmentarische Dichtung ‚Der Rabbi von Bacharach’ gibt ein
ergreifendes Bild von den panischen Schrecken, welche um die Osterzeit
durch das Märchen vom Ritualmord in den Judengassen des Mittelalters
verbreitet wurden. Dass aber auch noch in unseren Tagen, im Zeitalter des
elektrischen Lichtes, das Gespenst des krassesten Aberglaubens in weiten
Kreisen des Volkes umgeht, und die Massen wahnbetört, das beweisen die
noch nicht vergessenen Affären von Xanten und Konitz.
In einer solchen Zeit dürfte es leider nicht unzeitgemäß sein, aus
staubbedeckten Akten eine ‚Affäre’ auszugraben, die sich jetzt vor
genau hundert Jahren auf dem damals unter preußischer Landeshoheit
stehenden Gebiete von Bayreuth zugetragen, um an diesem Beispiel zu zeigen
und zu beweisen, wie durch das rasche und energische Einschreiten von Behörden
das Aufkommen von solchen verhängnisvollen Anklagen und Beschuldigungen
im Keime unterdrückt werden können. Die ‚Affäre’ ist kurz erzählt
folgende.
‚Im März 1803 verschwand in der Nähe von Neustadt a. Aisch ein
christliches Kind im Alter von zwei Jahren. Nach 12 bis 13 Tagen wurde
dasselbe auf einem Acker tot aufgefunden. Nach Aussage des über die
stattgehabte Sektion aufgenommenen Protokolls war das Kind einfach
erfroren. Das verhinderte aber nicht das Entstehen des Gerüchtes, dass
das Kind das Opfer eines ‚Ritualmordes’ geworden. Wie ein Lauffeuer
verbreitete sich die Schauermär in der ganzen Gegend. Vergebens war die
Intervention der lokalen Behörden, vergebens waren die aufklärenden
Vorträge der Prediger auf den Kanzeln. Das Volk ließ sich den einmal
gefassten Glauben nicht nehmen. Aufreizende Pasquille wurden gegen die
Juden verbreitet und kein Jude, der sich auf den Straßen zeigte, war mehr
seines Lebens sicher, bis endlich die Kultusgemeinde von Bayreuth im
Interesse ihrer bedrohten Glaubensgenossen mit einer dringlichen
Bittschrift an die Majestät des Königs von Preußen sich wandte, und
dadurch die Provinzialbehörde zur Ergreifung energischer Maßregeln
veranlasste. Von diesen Maßregeln verdient das folgende Publikandum, das
wie ein kalter Strahl auf den entstandenen Brand der Leidenschaften
wirkte, zur Kenntnis der Mitwelt gebracht zu werden.
‚Es ist der unterzeichneten Landes-Polizei-Stelle zur Kenntnis gekommen,
dass zwischen den christlichen Untertanen und jüdischen Eingesessenen zu Ullstadt
und Sugenheim im Neustädter-Kreise
darüber Misshelligkeiten entstanden sind, dass man den Gedanken gefasst,
es sei der im letzt abgewichenen Monat März vermisst und nach einigen
Tagen auf einem Acker tot gefunden wordenen 2jährigen Knabe des von
Frankensteinl. Pächters Matthäus Makel auf dem Buchhof unweit Ullstadt
von Juden behufs der Feier ihres Osterfestes ermordet worden.
‚Je törichter dieses längst widerlegte Vorurteil einer intoleranten
Vorzeit’ schon an sich ist, und so wenig dessen Fortpflanzung dem gegenwärtigen
helleren Zeitalter zur Ehre gereicht, desto weniger hätte man in dem
vorliegenden Fall, wo durch eine gerichtliche Untersuchung des Kindes die
Überzeugung gegeben wurde, dass dasselbe auf dem Felde erfroren ist,
erwarten sollen, dass jemand auf diese unvernünftige Vermutung verfallen
und sich in solcher soweit verlieren und zu solchen Ausschweifungen
verleiten lassen könne, wodurch sogar die öffentliche persönliche
Sicherheit der jüdischen Bewohner jener Gegend in Gefahr zu kommen
scheint.
Es kann diese veranlasste Ruhestörung wohl nur allein das Werk einzelner
boshafter Menschen sein, die vom Hass gegen einzelne jüdische
Glaubensgenossen angetrieben, Rache üben und dazu andere leichtgläubige
Menschen missbrauchen und irre führen wollen, ohne zu überlegen, welches
Ungemach sie sich selbst und anderen dadurch bereiten.
Die Ausmittelung dieser Ruhestörer wird indessen den Polizei-, vereinigt
mit den Justizbehörden, nach den bereits gegen sie vorliegenden Anzeigen
nicht schwer, und es wird eines jeden Teilnahme an der Sache nach dem
Grade seines Verschuldens mit aller Strenge des Gesetzes geahndet werden,
welche Strafen umso empfindlicher werden müssen, als dabei Vergehungen
auf Vergehungen gehäuft worden sind.
Indem dieses hierdurch zu jedermanns Wissenschaft bekannt gemacht und
zugleich jeder dortige christliche Einwohner ernstlich gewarnt wird, sich
nicht die mindesten weiteren Kränkungen gegen die jüdischen
Eingesessenen zu erlauben; so verhofft die königliche Kriegs- und
Domainen-Kammer, dass dieser Warnung Gehör gegeben und durch ein
entgegengesetztes Benehmen, welches überdies eine Widergesetzlichkeit
gegen obrigkeitliche Verfügungen bezeichnen und den Grad der Strafbarkeit
erhöhen würde, nicht die Notwendigkeit werde veranlasst werden, dass
die, den Unterbehörden des Kreises wegen ihres weiteren Verfahrens
gegebenen ernsten Instruktionen zum Vollzug gebracht werden müssen.’
Gegeben Bayreuth, den 25. April 1803. Königliche Preußische Kriegs- und
Domainen-Kammer.
Das vorstehende Publikandum verdanken wir Herrn Antiquar B. Seligmann in
Bayreuth, der uns außerdem die Mitteilung macht, dass in Bayreuth noch
weitere Aktenstücke in dieser Angelegenheit vorhanden sind."
Forschungsstand zur jüdischen Geschichte der Stadt auf
Grund verloren gegangener Quellen in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 3.
September 1842: "In Neustadt an der Aisch sind nach mitgeteilten
Akten erst nach dem 30-jährigen Kriege Juden gewesen. Siehe Geschichte der
Stadt Neustadt an der Aisch von G. L. Lehres 1834. Bei der wiederholten
Zerstörung dieser Stadt sind ältere Nachrichten zu Grunde
gegangen."
Meldung aus der Zeit des Ersten Weltkrieges
Meldung im Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 6. November
1914: "Neustadt a. Aisch. Leo Wollenreich von hier hat das Eiserne
Kreuz erhalten."
Die Absetzung des Bürgermeisters 1935 wird auch in der Zeitschrift "Der
Israelit" bekannt gegeben:
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Juli 1935:
"Neustadt (Bayern), 3. Juli. Die 'Fränkische Tageszeitung' meldet
aus Neustadt an der Aisch: 'Auf Grund einer Verfügung vom 24. Juni 1935
hat das Staatsministerium des Innern auf Antrag der Kreisleitung der NSDAP
Neustadt a.A. die Bestätigung des Bürgermeisters Gräbern von Schellert
widerrufen. Der genannte Bürgermeister hat im vergangenen Jahre
Geschäfte mit Juden gemacht. Er hat sich damit nicht nur das Ansehen in
der Gemeinde, sondern in erster Linie auch das Vertrauen der politischen
Leitung, die ihn im Jahre 1933 bestätigt hat, verscherzt. Seine durch das
Staatsministerium verfügte Absetzung möge eine Warnung sein für alle,
die da glauben, den Zielen des Dritten Reiches entgegenarbeiten zu
können."
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 23. März 1900:
"München, 19. März (1900). In Bayreuth ist am Samstag der
stellvertretende Schwurgerichtspräsident Max Eismann, kurz nachdem er die
Schwurgerichtssitzung eröffnet hatte, am Richtertisch vom Schlage
gerührt worden und noch am gleichen Tage verstorben. Als Sohn eines
praktischen Arztes in Floß geboren, trug er ursprünglich den Namen Levy,
und ist der erste Jude gewesen, welcher berufsmäßig das Amt eines
Gerichtsschreibers in Bayern bekleidete; er hatte nämlich seine erste
Anstellung 1878 oder 1879 als königlicher Untergerichtsschreiber am
damaligen Bezirksgerichte Landshut erhalten, war später seit 1880
Amtsrichter in Neustadt an der Aisch und Nürnberg, und seit 1891
Landgerichtsrat in Bayreuth."
Zum Tod von Elias Stahl (1927) - 40 Jahre
Gemeindevorsteher in Neustadt
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. Juni 1927:
"Neustadt a.d. Aisch, 8. Juni (1927). Am 29. Mai verschied dahier im
83. Lebensjahre der in weiten Kreisen bekannte und angesehene Elias Stahl.
Mit dem Verblichenen verlor nicht nur die Familie den liebenden Gatten,
den treu besorgten Vater, Großvater, Urgroßvater und Bruder, sondern
beklagt auch die Kultusgemeinde den Verlust ihres Gründungsmitgliedes und
Ehrenvorstandes. Ein selten großer Leichenzug bewegte sich anlässlich
der Überführung zum Friedhofe in
Diespeck am 31. Mai vom Sterbehause zum Synagogenhofe, woselbst
angesichts der beleuchteten Synagoge, deren Errichtung hauptsächlich sein
Verdienst gewesen, deren Pflege wie auch die Ausgestaltung des
Gottesdienstes ihm Herzenssache war, die Trauerfeier stattfand. Herr
Bezirksrabbiner Dr. Behrens hielt die Trauerrede, den Lebensgang des
Verschiedenen schildernd, während Herr Lehrer Blumenthal im Namen der
Gemeinde ihm in einem ehrenvollen Nachruf Worte des Dankes widmete,
besonders betonend seine Verdienste um die Gemeinde, die er 40 Jahre lang
mit aufrichtiger Hingabe leitete. Auch seine Verdienste im Dienste der
Stadtverwaltung, der er 22 Jahre angehörte, sowie seines vieljährigen
Wirkens im Armenpflegschaftsrate wurden rühmend erwähnt. Seine Seele
sei eingebunden in den Bund des Lebens."
80. Geburtstag von Wolf Stahl (1927)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. November 1927:
"Neustadt a.A., 27. Oktober (1927). Am 23. Oktober feierte der in
weitesten Kreisen angesehene Herr Wolf Stahl dahier in körperlicher und
geistiger Frische seinen 80. Geburtstag. Aus diesem Anlasse wurde derselbe
in Anerkennung seiner vieljährigen, der Gemeinde insbesondere als Chasan
(Vorsänger) der hohen Festtage geleisteten Dienste zum Ehrenmitglieder
der Kultusgemeinde Neustadt a.A. - Diespeck ernannt. Herr Kultusvorstand
J. Lehmann überbrachte dem Jubilar die Glückwünsche der Gemeinde mit
Überreichung einer kunstvoll gearbeiteten Ehrenurkunde. Möge Herrn Stahl
noch ein langer Lebensabend von Gott bestimmt sein."
Bericht
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. Juli 1931:
"Neustadt an der Aisch, 1. Juli (1931). Am Donnerstag, den 10. Tamus
(25. Juni 1931), verschied nach mehrtägigem Krankenlager, ganz unerwartet
im 64. Lebensjahre David Wollenreich. Die außerordentlich große
Beteiligung bei der Beerdigung legte Zeugnis ab von der Verehrung, die er
im Kreise seiner großen Verwandtschaft besaß und von dem Ansehen, dessen
er sich bei der Gesamtbevölkerung der Stadt und Umgebung ohne Unterschied
der verschiedenen Konfessionen sich erfreute. - Treu dem Religionsgesetze,
aufrichtig G'tt und dem Glauben ergeben, führte der Verblichene mit
seiner Gattin ein echt jüdisches Haus, das stets gastlich Verwandten,
Freunden und auch den Armen geöffnet war. Rechtschaffen im Geschäfte,
bescheiden in seiner Lebensführung, Frieden liebend und Frieden
erstrebend, erwarb er sich die ungeteilte Achtung seiner Nebenmenschen. An
der Bahre zeichnete Herr (Lehrer Simon) Blumenthal ein Bild des Entschlafenen. Die Herren
Lehrer S. Sulzbacher, Biebrich und
Ludwig Schwarz, Nürnberg widmeten im Namen
der Familie dem Heimgegangenen tiefergreifende Worte."
Artikel in "Der Israelit" vom 20. April 1932:
'Neustadt a. Aisch
(Mittelfranken) 10. April. Noch vor Vollendung des Trauerjahres um ihren
Garten David Wollenreich - er ruhe in Frieden -, verstarb Frau
Minka Wollenreich geb. Schwarz aus
Egenhausen und wurde am 30. März unter außergewöhnlich großer
Beteiligung auch der nichtjüdischen Bevölkerung an der Seite ihres Gatten
bestattet. Das Ableben dieser edlen Frau bedeutet einen großen Verlust nicht
nur für deren Familienkreis, sondern auch für die hiesige Kultusgemeinde. In
ihrer seltenen Anspruchslosigkeit und Bescheidenheit hatte sich die
Verblichenen jegliches Lob am Grabe verbeten. In Berücksichtigung dieses
Wunsches konnte Lehrer S. Blumenthal ihr Leben und Wirken nur in kurzen
Worten streifen. In tiefer Ergriffenheit sprachen an ihrer Bahre Worte des
Abschiedes der Schwager der Verstorbenen, Lehrer S. Sulzbacher,
Biebrich, sowie ein Bruder, Ludwig
Schwarz, Nürnberg. Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."
Persönlichkeiten
Elia Levita (1469 in Ipsheim an der Aisch, aufgewachsen in
Neustadt an der Aisch - 1549 in Venedig)
Elia Levita (im jüdischen Sprachgebrauch Elia Bachur oder
Elia Ben Ascher Aschkenasi), geb. 1469 in Ipsheim an der Aisch, gest. 1549:
bedeutender jüdischer Humanist und Sprachwissenschaftler. Elia
Levita war der jüngste von neun Söhnen des Rabbi Ascher Levita. Die Familie des
Rabbiners zog jedoch nach wenigen Jahren (1473?) nach Neustadt a.d. Aisch, wo
Elia den größten Teil seiner Jugend verbracht. Auf Grund der Ausweisung von
Juden aus Neustadt wanderte Elia Levita nach Italien aus, wo er 1496 in Venedig,
1504 in Padua lebte. Hier wurde er alsbald ein bewunderter und gefragter Lehrer,
auch für christliche Wissenschaftler, die bei ihm das Hebräische erlernten.
Ein enger Kontakt bestand mit dem Tübinger Humanisten Reuchlin. Auch
Melanchthon hat die Werke Levitas gelesen und genutzt. Etwa ab 1504 lebte Levita
in Rom, wo er mit seiner Familie im Haus des Generaloberen des Augustinerordens
und späteren Kardinals Ägidius aufgenommen wurde. 1527 musste Levita auf Grund
der Plünderungen Roms durch die Landsknechte Kaiser Karls V. aus Rom fliehen.
Er verzog wiederum nach Venedig und genoss weiterhin höchstes Ansehen. 1541
reist Elia Levita nach Deutschland, wo er in Isny und Konstanz die Herausgabe
seiner Werke betreute und weitere in Isny vollendete. 1544 kehrte Levita nach
Venedig zurück, wo er 1549 verstarb.
(Abbildung oben: Titelblatt eines Werkes
von Elia Levita)
Elia Levita war bereits im 19. Jahrhundert
Gegenstand wissenschaftlicher Forschungen:
Buchbesprechung in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom
14. Juli 1889: "'Elia Levita und seine Leistungen als Grammatiker.
Von Dr. J. Levi. Breslau, Schottländer, 1888'. Der von jüdischen
Gelehrten kurz Rabbi Elia Bachur, von christlichen Elia Levita genannte
verdienstvolle Grammatiker, welcher der hebräischen Grammatik die bis
jetzt innegehaltene und in reichem Maße weiter geführte Gestalt gegeben
(geb. in Neustadt a.d. Aisch am 13. Februar 1469), ist Gegenstand der
vorliegenden Arbeit. Der Verfasser lässt sich zuerst über das Leben und
die Schriften Elia's aus, dann über dessen Bedeutung als Lehrer unter den
Juden und unter den Christen, dann über seine Bedeutung als Grammatiker
und über das grammatische System desselben. Hinzugefügt ist die
Einleitung zu Meturgeman, zum ersten Male ediert. Die Monographie
ist mit vielem Fleiße und richtiger Würdigung, sowie in klarer
Darstellung abgefasst. Bekanntlich hat man in neuerer Zeit sich kritisch
über die von Elia Levita ausgegangene Gestaltung der hebräischen
Grammatik tadelnd geäußert und findet sie zu sehr der Grammatik der
klassischen Sprachen angepasst, wodurch dem Charakter der hebräischen
Sprache Gewalt angetan werde. Diese Streitfrage befindet sich jetzt noch
im ersten Stadium und hat man weitere Erfolge abzuwarten."
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. Januar 1894:
"Neustadt a. A. (nicht: H.) Dieser Tage hielt sich Herr Isidore
Goldblum, Copist an der Bibliothèque Nationale in Paris, dahier auf, um
in den Schriftstücken im hiesigen Rathause Forschungen anzustellen über
den berühmten ... Rabbi Elias Lewita, welcher hier am 8. Februar 1477
geboren und 1509 bei einer von der Regierung von Ansbach veranlassten
Vertreibung der Juden mit seiner Familie auswandern musste. Herrn Goldblum
gelang es, das uralte Stammhaus des Rabbi Elias aufzufinden, woselbst
später ein Nachkomme desselben, der Hofjude Josel Levi, sein erstes
Geschäftshaus errichtet hat. Herr Goldblum schreibt gegenwärtig ein Buch
über die Geschichte des oben genannten Rabbi - seligen Andenkens -
und hat bereits einige Kapitel derselben in den hebräischen
Wochenschriften HaIwri und HaZifira veröffentlicht."
Beitrag von Rabbiner Dr. Abraham Schweizer in Horb und
"Eine hebräische Druckerei in Isny" bzw. über Elias Levita aus
Neustadt an der Aisch (1929)
Artikel in der "Gemeindezeitung für die Israelitischen Gemeinden
Württembergs" vom 1. Februar 1929: Zum Lesen bitte Textabbildungen anklicken
Direktor S. Kraus wirbt für seine
Handelsschule (1890)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. April 1890: "Vierkursige
Handelsschule,
Neustadt a.d. Aisch (mit Pensionat).
Rasche,
zweckmäßigste Vorbereitung für den gewerblichen und kaufmännischen
Beruf. Das Sommersemester beginnt am 15. April.
Anmeldungen können
jederzeit erfolgen.
Näheres durch S. Kraus, Direktor."
Kaßriel Gottlieb aus Jerusalem, Kantor in Neustadt an der
Aisch verkauft "Palästiner echte Medizin und Trink-Naturweine"
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. März 1890: "Wein
aus dem Heiligen Land - Koscher auch zu Pessach. Palästiner echte Medizin
und Trink-Naturweine, vom Oberrabbinat in Jerusalem beglaubigt, und von
bedeutenden Ärzten und Chemikern - darunter die Herren Professoren Dr.
Hilger - Erlangen, Dr. Kayser - Nürnberg - untersucht und bestens
empfohlen, sind in 10 Sorten - starke und süße, rote und weiße - von 6
Flaschen an, zu äußerst billigen Preisen zu beziehen von Kaßriel
Gottlieb aus Jerusalem, Kantor in Neustadt a.d. Aisch (Bayern).
Preiscourant auf Verlangen franco und gratis.
Auf Wunsch bezeuge ich, dass mir die Koscher-Bescheinigungen des
Herrn Oberrabbiner der aschkenasischen Gemeinden zu Jerusalem Rabbi Samuel
Salant, vorgelegt worden sind, und dass daher über das Kaschrut
der hier empfohlenen Weine kein Zweifel obwaltet.
Mainz, den 27. Februar 1890. Dr. Lehmann."
Seit Mitte der 1860er-Jahren war in Neustadt ein Betsaal vorhanden.
Teilweise wurden von den neu zugezogenen jüdischen Familien auch die Gottesdienste im benachbarten Diespeck
besucht. Den Betsaal in Neustadt hatte der 1865 zugezogene Hopfenhändler Isaak
Abraham Erlanger in seinem in der Nähe des Marktplatzes gelegenen Hauses
eingerichtet. Den Raum erreichte man "über zwei Stiegen auf dem
Bodenzimmer". Der damals für den Distrikt zuständige Rabbiner Hajum Chaim
Selz (Rabbiner des Distriktrabbinates Uehlfeld
von 1831 bis 1876) meinte, dass der Betsaal im Haus Erlanger für die jüdischen
Familien der Stadt "vollkommen geeignet" sei. Es sei ein
"würdiger Betsaal", in dem alles zum Gottesdienst Notwendige
vorhanden sei. Allerdings war der Raum relativ klein; an den hohen Feiertagen
fand alsbald nur noch ein Teil der Gemeindemitglieder einen Platz.
Nachdem die Zahl der jüdischen Familien in Neustadt in den 1870er-Jahren weiter
zunahm, bemühten sich die Familien um den Bau einer Synagoge. Ein geeignetes
Grundstück in der Gartenstraße (bisher Hopfengarten und Wiese) bot sich als
Synagogengrundstück an. Zum gemeinsamen Erwerb gründeten die damaligen
jüdischen Haushaltsvorstände 1876 eine "Synagogengesellschaft".
Da die schöne und noch bestens erhaltene Synagoge in Pahres
nach Wegzug der meisten dortigen jüdischen Familien nicht mehr gebraucht wurde,
ist das Gebäude in Pahres abgebrochen und auf dem Grundstück in der
Neustädter Gartenstraße wieder aufgebaut worden. Die Einweihung war am 31.
Mai 1878 und wurde nach einem zeitgenössischen Bericht als "ein
schönes Fest" für die ganze Stadt gefeiert. Nach einem
Abschiedsgottesdienst im bisherigen Betsaal begaben sich "die
Festteilnehmer in feierlichem Zuge über den Markt durch die beflaggten, dicht
besetzten Straßen zur Synagoge" (Anzeige-Blatt der Stadt Neustadt an
der Aisch Nr. 45 vom 5. Juni 1878).
Hinweis: das Einweihungsdatum 31. Mai 1880 (Gedenktafel) ist nicht korrekt;
zum Einweihungsdatum 31. Mai 1878 siehe als Quelle auch: Akten über die Bildung einer israelitischen Kultusgemeinde,
StA Nürnberg, BA Neustadt, Abgabe 1951 Nr. 273; Angabe von Ilse Vogel).
Fast 60 Jahre war die Synagoge in Neustadt Mittelpunkt des jüdischen
Gemeindelebens in der Stadt. Offenbar wurde sie in dieser Zeit kaum einmal
größer renoviert, kein Protokoll erwähnt den Zustand des Gebäudes. Zu gewaltsamen Aktionen gegen die Synagoge kam es bereits Ende
der 1920er-Jahre. 1929 wurden zweimal hintereinander die Fenster der Synagoge
zerschlagen.
In der NS-Zeit verließen nach 1933 viele der jüdischen Einwohner die
Stadt beziehungsweise wanderten aus (siehe oben). Gottesdienst konnten in der
Synagoge immer weniger stattfinden. Nach Auflösung der jüdischen Gemeinde
wurde das Synagogengebäude im September 1938 an den
Mineralwasserfabrikanten Fritz Hufnagel in Neustadt verkauft. Das Gebäude
befand sich damals offenbar in einem inzwischen schlechten Zustand. Vermutlich
waren die meisten Fenster eingeworfen oder wurden trotz des Besitzerwechsels
noch beim Novemberpogrom 1938 eingeworfen. Zu besonderen Aktionen gegen das
Synagogengebäude im November 1938 ist es jedoch nicht gekommen.
Im Juli 1939 wurde der Gebäudebesitzer Hufnagel von der Kreisleitung der
NSDAP aufgefordert, das ehemalige Synagogengebäude "nicht nur zu
renovieren, sondern baulich so verändern zu lassen, dass alle Merkmale bzw.
jede Erinnerung an eine Judenschule aufgehoben werden muss, andernfalls ein
Abbruch in Frage kommt." Hufnagel hat hierauf das Gebäude bis auf die
Grundmauern abgebrochen und einen Holzschuppen auf dem Grundstück errichten
lassen. 1959 wurde ein Wohnhaus mit Garagen auf dem Grundstück
errichtet. Dieses Gebäude ist bis zur Gegenwart
vorhanden.
Eine Gedenktafel wurde angebracht (Text s.u. mit falschem
Einweihungsdatum)
Fotografie
der nach Neustadt transferierten Pahreser Synagoge
(Foto entstanden um 1900)
Aus: Album von Neustadt a/d Aisch. Verlag der Engelhardtschen Buch- und
Musikalienhandlung in Neustadt a.d.
Aisch). (Scan erhalten über Erich Walz, Neustadt)
Das Synagogengrundstück
2007
mit der Gedenktafel (Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 16.9.2007)
Das an Stelle der
Synagoge 1959 erbaute Haus
Gedenktafel für
die ehemalige Synagoge mit dem Text: "(hebräisch und deutsch:) Zum
ewigen Gedenken an unsere jüdischen Mitbürger, die während der Jahre
1933 bis 1945 ihr Leben lassen mussten. (hebräisch und deutsch:) Ihre
Seelen mögen eingebunden sein im Bunde der Lebenden.
An dieser Stelle
stand die Synagoge der jüdischen Kultusgemeinde von Neustadt a.d. Aisch.
Eingeweiht am 31. Mai 1880, zerstört am 10. November 1938".
Andernorts
entdeckt: Grabstein für
Jeanette Liebreich aus Neustadt im
jüdischen Friedhof
Heidingsfeld
Grabstein für
Jeanette Liebreich
aus Neustadt a. Aisch
(geb. 23.9.1865, gest.
19.11.1936)
Februar 2008:
Das Buch "Vom Land in die Stadt" von
Ilse Vogel wird vorgestellt
Artikel
aus dem "Rathausboten" der Stadt Neustadt a.d. Aisch Ausgabe
3/2008 S. 14: "270 Jahre - Viel beachtete Buchpräsentation von
Ilse Vogel". Zum Lesen des Artikel bitte Textabbildung anklicken.
Oktober 2010:
In Neustadt sollen "Stolpersteine"
verlegt werden
Artikel in "nordbayern.de" vom 9.
Oktober 2010 (Artikel):
"Projekt 'Stolpersteine' sucht Mitwirkende
Aktive aus Würzburg stellte ihre Arbeit vor – 'Arbeitsgruppe' in Neustadt gebildet. NEUSTADT - Nach den sehr intensiven Diskussionen bei der ersten Veranstaltung über die
'Stolpersteine' in Neustadt, stand beim zweiten Treffen – in dieser Woche in der Bühne im Torhaus – bereits die praktische Umsetzung des Vorhabens im Vordergrund. Das Ziel, für alle von den Nationalsozialisten ermordeten Neustädter einen Stolperstein zu setzen, wurde dabei von den Teilnehmern nicht mehr in Frage gestellt.
Um sich ein Bild zu machen, wie ein solches Projekt erfolgreich realisiert werden kann, hatten Corinna Gräßel vom Bündnis gegen Rechts und Friedrich Weiß als Mitglied im Geschichts- und Heimatverein Vertreter der Projektgruppe
'Würzburger Stolpersteine' eingeladen, die auch einen (mit einem Schreibfehler gefertigten und daher nicht verlegten)
'Stolperstein' zur Ansicht mitbrachten. Benita und Michael Stolz sowie Helmut Försch erläuterten anhand einer Präsentation ihre praktische Arbeit, die Organisation des Würzburger Projektteams, die Zusammenarbeit mit der Stadt sowie die Kooperation mit zahlreichen weiteren Organisationen – von amnesty international über die Kirchen bis zur Volkshochschule.
Die Fragen der Neustädter gingen im Anschluss schon bis in die Details der Steinverlegung: die Terminabstimmung mit dem Künstler Gunter Demnig, der Umgang mit den Steinen bei Bauarbeiten auf dem Gehweg oder die Erstellung von Spendenquittungen wurden thematisiert. Die dritte Bürgermeisterin Ruth Billmann und Stadtrat Bernd Schnizlein interessierten sich besonders für die erforderlichen Genehmigungen seitens der Stadt zur Verlegung von Stolpersteinen im öffentlichen Raum. Hier erläuterten die Würzburger Gäste, dass nicht jeder Stein und jeder Ort explizit genehmigt werden müsse, sondern dass es üblich sei, einen Grundsatzbeschluss im Stadtrat zu fassen und dann die genaue Abstimmung der Lage eines Steins auf Verwaltungsebene zu klären. Bezirksrätin Gabi Schmidt schlug vor, für Begleitveranstaltungen zu Steinverlegungen, wie sie in Würzburg üblich sind, das jüdische Museum in Fürth mit einzubeziehen. Ilse Vogel regte an, für Schüler, die zwangsweise die Schule in Neustadt verlassen mussten, oder für Menschen, die sich unter dem Druck der zunehmenden Ausgrenzung das Leben nahmen, zusätzlich Gedenktafeln mit dem Lebenslauf oder einen entsprechenden Gedenkort zu
gestalten. Die Anregung wurde als Ergänzung mit aufgenommen.
Nach den Gesprächen mit den Würzburger Aktiven erklärten sich knapp ein Dutzend Neustädter bereit, aktiv an dem Projekt mitzuarbeiten. Die anschließende Projektstrukturierung auf der Pinnwand lehnte sich stark an die Projektgliederung aus Würzburg an – mit Arbeitspaketen von der praktischen Organisation der Verlegung über die Öffentlichkeitsinformation und die Datenrecherche bis zur Klärung der Zusammenarbeit mit der Stadt.
Die neue 'Arbeitsgruppe Stolpersteine' trifft sich zum ersten Arbeitstreffen, bei dem eine Projektbeschreibung und eine Konkretisierung der Arbeitspakete erstellt werden sollen, am Mittwoch, 3. November, um 19.30 Uhr im kleinen Sitzungssaal des Neustädter Rathauses. Weitere Mitarbeiter, die sich in die praktische Umsetzung der
'Stolperstein'- Idee einbringen möchten, sind willkommen."
Dezember 2010:
Zahlreiche Unterstützer für die Verlegung von
"Stolpersteinen" in Neustadt
Artikel
aus der "Neustädter Zeitung" vom 28. Dezember 2010 (Artikel
erhalten von Erich Walz, Neustadt): "Nach Katholiken auch
Protestanten für 'Stolpersteine'. Zahlreiche Unterstützter. Schulen
möchten sich beteiligen - Finanzierung gesichert.
Neustadt (pm). - Die 'Stolpersteine' in Neustadt finden immer mehr
Mitstreiter. Inzwischen hat sich nach der katholischen Pfarrei auch der
evangelische Kirchenvorstand mit großer Mehrheit dafür ausgesprochen,
das Projekt in Neustadt zu realisieren.
Die Schulen möchten sich ebenfalls in die Umsetzung einbringen. Auch eine
Projektbeschreibung für die Stadtratssitzung Anfang 2011 wurde inzwischen
erstellt. Dies macht deutlich, dass es sich bei den Stolpersteinen um
Erinnerungszeichen für alle Opfer des Nationalsozialismus handelt, nicht
nur für jüdische Ermordete...
Zahlreiche Bürgerinnen und Bürger haben bereits 'Steinpatenschaften'
angeboten. Die Finanzierung der ersten Verlegungen wäre somit bereits
mehr als gesichert. Ansprechpartner in der Region sind Friedrich Weiß
09161/665115 und Corinna Gräßel 0170/3104384." Hinweis: Zum Lesen des ganzen Artikels bitte Textabbildung
anklicken.
Januar 2011:
Prominente Unterstützung für die Aktion
"Stolpersteine" in der Stadt
Artikel in der "Windsheimer Zeitung" vom 30. Januar 2011 (Artikel):
"Lindenstraßen-Produzent unterstützt Stolperstein-Aktion
Der ehemalige Neustädter Hans W. Geißendörfer will die Patenschaft für einen Neustädter Gedenk-Stolperstein übernehmen-
NEUSTADT - In Neustadt tut sich was in Sachen Stolpersteine. Aktuell hat Film- und Fernseh-Produzent Hans W. Geißendörfer (Lindenstraße) als ehemaliger Neustädter erklärt:
'Ich bin gerne bereit, eine Patenschaft für einen Neustädter Stolperstein zu übernehmen.' Vor einigen Tagen waren trotz Schneefalls und Minusgraden beim Stadtrundgang zum Internationalen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus etwa 25 Teilnehmer in der Stadt unterwegs.
Aufgrund der Witterung hatte die Arbeitsgruppe Stolpersteine mit wesentlich geringerer Beteiligung gerechnet. Von der Unteren Waaggasse, wo sich früher eine Hopfenverarbeitung im Besitz der jüdischen Familie Sternau befand, begleitete Stadtführer Friedrich Weiß die Interessierten zur Wilhelmstraße, wo der Familie Stein gedacht wurde. Anschließend führte der Weg auf den Marktplatz vor das ehemalige Hotel Krone, das heutige Restaurant Bamboleo, das Iwan und Hilda Schwab gehört hatte; beide waren in der Shoah ermordet worden. In der angrenzenden Nürnberger Straße, wo einst die Familien Wollenreich und Luchs wohnten, denen in der Reichspogromnacht am 9. November 1938 die Wohnungen verwüstet worden waren und die daraufhin Neustadt als letzte Juden verlassen mussten, legten die Teilnehmer des Rundgangs - wie auch für die anderen NS-Opfer rote Rosen mit Namensbändern für die Ermordeten nieder. Gedenkansprache am Standort der Synagoge. Über den früheren Ludwigsplatz, heute Max-Döllner-Platz, wo Jenny und Hugo Sternschein wohnten, ging die Gruppe weiter in die Bamberger Straße zum Standort des ehemaligen Handelsgeschäfts der jüdischen Familie Lein sowie zum Geschäftshaus von Rudi und Martin Schwab, dessen Sohn Henry (Hans) Schwab den Holocaust überlebt hatte und heute in den USA lebt. Den Abschluss des Rundgangs zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus in Neustadt bildete eine Gedenkansprache am Standort der ehemaligen Synagoge in der Gartenstraße.
Vor der Krone und in der Nürnberger Straße möchte die Arbeitsgruppe Stolpersteine gerne die ersten Stolpersteine in Neustadt verlegen, da für die Familien Hilda und Iwan Schwab sowie Luchs die erforderlichen Daten bereits vollständig vorliegen. Die Arbeitsgruppe freut sich sehr über die Zusage, dass Geißendörfer in der Stadt seiner Jugend bei der Aktion mithilft. Seine Fernsehserie Lindenstraße hatte das Thema aufgegriffen. Der von den Vereinten Nationen zum internationalen Holocaust-Gedenktag ernannte 27. Januar erinnert an die Befreiung der Überlebenden des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar 1945 und gilt in Deutschland seit 1996 als offizieller Gedenktag."
Februar
2011:
Vorstellungen der Neubearbeitung der Publikation
von Ilse Vogel im Februar 2011
Ilse Vogel: Der
Judensäcker. Begräbnisstätte der Juden in der Diespecker Flur. 1785 – 1938. Neuauflage PH. C. W. Schmidt 2011. ISBN 978-3-87707-787-0.
Das Buch ist eine Dokumentation jüdischen Lebens im mittleren Aischgrund
und umfasst 240 Seiten. Es enthält viele Abbildungen und Erklärungen, Übertragung der hebräischen Inschriften und ausführliche Register. Es kostet € 32 und kann nach der Vorstellung erworben werden.
Nach langjährigen Vorarbeiten, u. a. über die jüdischen Gemeinden in Diespeck (2003), in Pahres und Neustadt (2008) bietet die Autorin nun eine
ausführliche Darstellung über 150 Jahre Belegung im Friedhof, über jüdische Bestattungskultur und zeitbedingte
Akkulturation. Ein schematisches Auflisten von Grabsteinen wurde vermieden, da diese den Familien zugeordnet sind.
Die im Abschnitt 'Eingeschrieben ins Buch des Lebens – hebräisch, wie
sonst?' abgebildeten Steine entsprechen heute kaum noch der Wirklichkeit vor Ort, denn der
'Zahn der Zeit' nagt unaufhaltsam am Material.
Die Buchvorstellung fand jeweils um 19 Uhr unter angepassten Themen und ausgewählten Fotos statt.
In Diespeck am Freitag, 4. Februar 2011 in der Schule:
Geboren in Diespeck – gestorben in Neustadt – ein stolzer Rest aber blieb.
150 Jahre diente das 'Haus des Lebens' der Bestattung ihrer Gemeindeglieder.
In Neustadt am Dienstag, 8. Februar 2011 im Gewölbe im Alten Schloss
Sie haben die Stadt aus dem Mittelalter geholt und den Judensäcker, das 'Haus des Lebens', in Diespeck, gleich dazu.
In Pahres am Mittwoch, 9. Februar 2011 in der Gaststätte Hofmann
Tote Steine zum Leben erweckt – 100 Jahre Belegung der Gemeinde in Pahres von 1786 – 1874.
Presseartikel
und Fotos von der Buchverstellung
(Fotos unten: Hahn)
Artikel
in der "Fränkischen Landeszeitung" (Neustadt/Aisch Stadt und
Land) vom 8. Februar 2011: "Ilse Vogel stellte ihr neues Buch 'Judensäcker'
beim Geschichts- und Heimatverein in Diespeck vor. Erinnerung für
Nachwelt wach halten. Grabsteine verraten viel über den Verstorbenen -
Weitere Lesungen in Neustadt und Pahres. Diespeck (cf). Spätestens nach der Schändung des Judenfriedhofes
in Diespeck vor ein paar Jahren kam der Zeitpunkt, an dem Ilse Vogel
beschloss, mit ihrer Dokumentation zu beginnen. Jetzt ist ihr Werk 'Der
Judensäcker', eine Begräbnisstätte der Juden in der Diespecker Flur,
von 1785 bis 1938 fertig. Sie konnte ihr Buch nun, wie berichtet, beim
Geschichts- und Heimatberein Diespeck erstmals der Öffentlichkeit
vorstellen..." Zum weiteren Lesen des Artikel bitte Textabbildung anklicken.
Im Gewölbe des alten
Schlosses
Während der
Präsentation des Buches
Ilse Vogel bei der
Autogrammstunde
Juni
2011: Auch in Neustadt soll der Opfer
des Nationalsozialismus stärker gedacht werden
Artikel vom 16. Juni 2011 in den
"Nürnberger Nachrichten" (nordbayern.de) (Artikel):
"Einstige NSDAP-Hochburg Neustadt will an Nazi-Opfer erinnern
Die Nerven liegen manchmal blank. NEUSTADT/Aisch - Erst jetzt soll in Neustadt/Aisch, einst Hochburg der NSDAP, der Opfer des Nationalsozialismus gedacht werden. Weil es schwer ist, das jahrzehntelange Schweigen zu durchbrechen, liegen gelegentlich die Nerven blank.
Über 22.000 Stolpersteine hat der Kölner Künstler Gunter Demnig in den letzten beiden Jahrzehnten auf Gehwegen verlegt. Es sind kleine Messingplatten, auf denen die Lebensdaten von Juden stehen, die während des Nationalsozialismus vertrieben oder ermordet wurden. Sie erinnern in ganz Europa an die Opfer vor den Häusern, in denen sie zuletzt gewohnt hatten.
Solche Stolpersteine sollte es auch in Neustadt/Aisch geben; wie zum Beispiel in Nürnberg, Baiersdorf oder im nahen Scheinfeld, so die Idee einer kleinen Arbeitsgruppe. Das Projekt schien auf offene Ohren zu stoßen: Bürgermeister Klaus Meier (SPD) signalisierte Sympathie, die evangelische Kirche fand das Vorhaben gut, und
'Lindenstraßen'-Erfinder Hans W. Geißendörfer, in der Kleinstadt Neustadt aufgewachsen, wollte sich an der Finanzierung beteiligen. Trotzdem ist das Vorhaben weit von einer Umsetzung entfernt: der Stadtrat blockiert es. Doch Corinna Gräßel von der Arbeitsgruppe verspricht:
'Wir werden eine Möglichkeit finden, an die Opfer zu erinnern.' Juden ausgewiesen. Der Nachholbedarf ist groß, denn die Stadt hat eine tiefbraune Vergangenheit: Bereits 1931, weit vor der Machtergreifung, hatte die NSDAP eine Mehrheit im Stadtrat. Ein Jahr später wurde Adolf Hitler Ehrenbürger. Bürgermeister der Stadt blieb Leonhard Bankel, eigentlich ein Nationalliberaler, der sich im Amt halten konnte, weil er mit der NSDAP kollaborierte und 1937 Parteimitglied wurde. Ein Jahr später wies er die letzten Juden aus der Stadt aus, nachdem NSDAP-Mitglieder deren Wohnungen verwüstet hatte. Um 1900 hatte die jüdische Gemeinde noch über 200 Mitglieder gezählt.
1948 wurde Bankel wieder zum Bürgermeister gewählt, drei Jahre später zum Ehrenbürger. Bis heute ist der Platz vor dem Feuerwehrhaus nach ihm benannt.
Sein Nachfolger wurde 1960 der Sozialdemokrat Karl Ströbel, der während des Dritten Reiches zur
'unwandelbaren Treue zum Führer Adolf Hitler' aufgerufen und gegen Juden gehetzt hatte: Die Entnazifizierung war also gründlich gescheitert.
Wolfgang Mück, promovierter Historiker, Lehrer und später Bürgermeister (1990-2002), trägt seit den siebziger Jahren diese Fakten über Neustadts Nazi-Vergangenheit zusammen und veröffentlicht sie, beispielsweise in den Schriften des
Geschichts- und Heimatvereins. Es war lange eine 'zarte Pflanze', sagt der 71-Jährige heute; eine breite Öffentlichkeit hat er viele Jahre nicht erreicht. Fazit seiner Recherchen: Gedenken kann schmerzhaft sein, aber es lohnt sich, das Schweigen zu durchbrechen.
Die Arbeitsgruppe Stolpersteine hat es ihren Gegnern unnötig leicht gemacht: Sie verlangte, dass die Gedenkplatten auch gegen den Willen der jetzigen Hauseigentümer verlegt werden sollten.
Viele der gut zwei Dutzend in Frage kommenden Häuser wurden arisiert, befinden sich in zweiter oder dritter Generation in Familienbesitz, andere wurden verkauft.
'Diese Besitzer können wirklich nichts dafür', sagt Bürgermeister Meier. Doch hätte der Rat, in dem weder CSU noch SPD eine Mehrheit haben, auch Einvernehmen mit dem Eigentümer zur Voraussetzung machen können. Das unterblieb. Mahnmal geplant. CSU-Fraktionschef Peter Holzmann fürchtet eine Diskriminierung von Besitzern, die Nein sagen, aber auch negative Reaktionen, wenn die Steine erst vor dem Haus liegen. Die Adressen sind jedoch großteils veröffentlicht. Mit einem Bürgerantrag brachten die Arbeitsgruppe das Thema in den Stadtrat – er wurde abgelehnt. Die Parteien einigten sich immerhin auf ein Mahnmal für alle NS-Opfer vor dem Rathaus am Marktplatz.
Doch dieser scheinbar elegante Ausweg führte sofort zur nächsten Auseinandersetzung: Die SPD wollte die jüdischen Mitbürger ausdrücklich erwähnen, die CSU stimmte dagegen.
'Es gab immens viele Opfer in der NS-Zeit', begründet CSU-Chef Holzmann. 'Wir wollen aller
gedenken.' Damit handelte er sich heftige Kritik von Altbürgermeister Mück ein: Das Unrecht an den Juden müsse angesprochen werden, als
'ein Stück nachträgliche Wiedergutmachung'.
Auf große Sympathien bei CSU wie SPD stößt nun die Idee, in der Ehrenhalle des Rathauses, nahe am Mahnmal, ein Buch aufzulegen, in dem die Schicksale der ehemaligen Neustädter jüdischen Glaubens dokumentiert werden. Die Stolpersteine werden in anderer Form wieder auf die Tagesordnung des Stadtrats kommen, kündigt SPD-Fraktionschef Norbert Kirsch an. Die Debatte hat erst begonnen — 66 Jahre nach Ende der NS-Zeit."
April
2013: Verlegung von
"Stolpersteinen" in Neustadt/Aisch
Vor dem Gebäude Comeniusstraße
4 (Schulzentrum) wurden am 25. April 2013 "Stolpersteine"
verlegt für Ludwig Stahl (1921), Marianne Stahl (1923), Hans Schwab
(1922), Irene Schloss (1921), Liesi Schwab (1920). Diese waren fünf
ehemalige SchülerInnen, die in den 1930er-Jahren aufgrund die damalige
Realschule verlassen mussten, weil sie jüdischer Abstammung
waren.
November 2013:
Schüler-Video zur Verlegung von
"Stolpersteinen" in Neustadt/Aisch Der Film der Videogruppe der Dietrich-Bonhoeffer-Realschule in
Kooperation mit der Fachschaft Geschichte hat den 1. Preis beim
Schulwettbewerb 2013 gewonnen, der unter dem Motto stand: "80 Jahre
Nationalsozialismus - Meine Stadt zu dieser Zeit".
Germania Judaica II,2 S. 582.583; III, 2 S. 959-962.
Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die
jüdischen Gemeinden in Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979
S. 201-202.
Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in
Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische
Bildungsarbeit. A 85. 1988 S. 167.
Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany -
Bavaria. Hg. von Yad Vashem 1972 (hebräisch) S. 317-319.
Ilse Vogel: Vom Land in die Stadt. 200 Jahre
Judenschaft zu Pahres - 70 Jahre jüdisches Leben in Neustadt an der Aisch.
2008. 290 Seiten. ISBN 978-3-87707-712-2.
"Mehr als
Steine...." Synagogen-Gedenkband Bayern.Band II:
Mittelfranken.
Erarbeitet von Barbara Eberhardt, Cornelia Berger-Dittscheid,
Hans-Christof Haas und Angela Hager, unter Mitarbeit von
Frank Purrmann und Axel Töllner. Hg.
von Wolfgang Kraus, Berndt Hamm und Meier Schwarz.
Reihe: Gedenkbuch der Synagogen in Deutschen. Begründet und
herausgegeben von Meier Schwarz. Synagogue Memorial Jerusalem. Bd. 3:
Bayern, Teilband 2: Mittelfranken. Lindenberg im Allgäu 2010.
Kunstverlag Josef Fink Lindenberg im
Allgäu.
ISBN 978-3-89870-448-9. Abschnitt zu Neustadt an der Aisch
S. 448-465.
Neustadt an der Aisch
Middle Franconia. In the Rindfleisch massacres of 1298, 71 Jews were murdered an
in the Black Death persecutions of 1348-49 the community was destroyed. In 1409,
Jews received a charter of privileges permitting them to engage in moneylending
and moneychanging. In 1499 refugees from the Nuremberg expulsion arrived and in
1515 the Jews of Neustadt were themselves expelled, some finding shelter in
Frankfurt and others in Prague. In 1803, the Jews were victims of a blood libel.
Only in the mid-19th century did Jews again settle in significant numbers. A
synagogue was built in 1883. The Jews numbered 210 (total 3.870) in 1900 and 74
in 1933. Neustadt was one of the hotbeds of Nazism in Bavaria. Christian stores
were forbidden to sell bread to Jews and Jewish stores were forbidded to sell
bread at all. By November 1938, 55 Jews hat left the town, most for other German
cities. The rest left immediately after the Kristallnacht riots (9-10 November
1938).
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