|
Eingangsseite
Aktuelle Informationen
Jahrestagungen von Alemannia Judaica
Die Mitglieder der
Arbeitsgemeinschaft
Jüdische Friedhöfe
(Frühere und bestehende) Synagogen
Übersicht: Jüdische Kulturdenkmale
in der Region
Bestehende jüdische Gemeinden
in der Region
Jüdische Museen
FORSCHUNGS-
PROJEKTE
Literatur und Presseartikel
Adressliste
Digitale Postkarten
Links
| |
Zurück zur Seite über die Jüdische Geschichte/Synagoge
in Andernach
Andernach (Kreis
Mayen-Koblenz, Rheinland-Pfalz)
Texte zur jüdischen Geschichte der Stadt
Die nachstehend wiedergegebenen Texte mit
Beiträgen zur jüdischen Geschichte in Andernach wurden in jüdischen Periodika
gefunden.
Bei Gelegenheit werden weitere Texte eingestellt.
Übersicht:
Allgemeine
Berichte zur jüdischen Geschichte in Andernach
Beitrag zur jüdischen Geschichte in Andernach vom Mittelalter bis in die
1880er-Jahre (1887)
Anmerkung: im nachfolgenden Beitrag geht es vor allem um die schwierige
Situation von einzelnen Juden in Andernach im 16. und 17. Jahrhundert,
die mehrmals nur vorübergehend in der Stadt leben konnten und wieder ausgewiesen
wurden. Am Schluss wird kurz auf die "gegenwärtige" Situation der jüdischen
Gemeinde eingegangen (1887).
Artikel in der Zeitschrift "Jüdisches Literaturblatt" vom 5.
August 1887: "Zur
Geschichte der Juden in Andernach.
Wann und warum die Juden unsere Stadt zuerst endgültig haben verlassen
müssen, ist uns leider nicht überliefert worden. Wir wissen aber, wie
allgemein der Judenhass im 15. und 16. Jahrhundert in Deutschland verbreitet
war und wie eine Stadt nach der andern die Juden ihres Wuchers wegen aus
ihrem Bereiche vertrieb (Anmerkung: Geschichte des deutschen Volkes von
Prof. Dr. J. Jaussen I. Bd. S. 383). Die oben schon berührten im
hiesigen Archiv beruhenden zahlreichen Schuldverschreibungen, der hohe
Zinsfuss und die regelmäßig wiederkehrende Bestimmung, nach Ablauf des
Zahltermins für jeden Gulden wöchentlich 2 Denare Wucher zu geben' lassen
vermuten, dass auch hier 'der Abscheu gegen den Wucher und die Wut der
ausgesogenen Schuldner' Veranlassung zur Vertreibung der Juden wurden.
Hiesiges Archiv bewahrt noch zwei Urfehdenbriefe vom 2. Oktober 1338, wonach
die Andernacher Bürger Thelo van Nurberg und Jacob Stoverok 'verzigen hain
un verzien uff alle uckesune un uff allen Zorn und has un nyt gen ymanne ove
uff ymanne als van myns hern Juden wegen van CoIne, die zu Andernach Irslagen
sint.'
1514 Donnerstag nach Valentini stellte die Gemeinde dem Rate vor, 'wie der
Rait Wissens das buissent Ire wissen oder willen ein Juede in die stat
gesetzt als sie des bericht, das unserm gnedigsten herrn nit za gefallen
gewest, auch sy in allen flecken des stiffts colne keine Juede gesessen, sy
auch Inn vergangen Jare vermitzt Rait und gemeyne samenderhaut eine Zale
Jueden des mals vur die 20 oder me zu Andernach gewest, vertrieben worden,
diesen nu zu liden wollen sie nit thun begeren, das man den Jueden
guitliohen dahin bringe, das er ziege unden einen andern herrn. Sie haben
sich verdragen, man solle Ime nuss nemen oder schaden thun; sie aber,
|
dass
er nit willens sie will ausszuzigen, so müsse er es mit Unwillen thun, dan
sie denken, Inn nit zu liden und wullen Inn nit liden, das man schaffe, das
er guitlich hinwegh kome, dan er musse sich hinweg fugen.'
Mit Austreibung der Juden forderte die Gemeinde zugleich Abbruch der am
Schlosse gegen ihren Willen wieder augerichteten 'vur zits aeffgeworfenen'
Brücke. Der Rat antwortete, er wolle Verordnete nach Köln schicken und dem
Domkapitel die Sachen vortragen; bis diese zurückkehrten, solle man mit den
Juden und der Brücke 'stille stan' und bedenken, 'was nutz vnd schadendar
von Instan möchte.' Darauf entgegnete der Vertreter der Gemeinde, Arnold
Ross, 'man dorffe mit redden nit also umgan dan die gemeyne habe geslossen
vnd sy auch eyndrechtig verdragen das sie sich nit von eyn ander scheiden
oder essen wolle, der Juede sin dan Zuvor vur der portzen vnd die bruck
aeffgeworffen, wulle der Rait nit vurgan, so wullen sie doch volfaren was In
dar vaen keme. Der Rat wiederholte die obige Antwort, verwies die Bürger auf
ihren Eid, 'dem Herrn Inn seine freiheit, oberkeit vnd herrlicheit nit zu
greiffen noch zu tasten mit Worten noch mit Werken, der Juede sitze In
geleide, habe auch der gemeinde mit geluiter glocken offentlich verkündiget
da er angenamen sy, sollich geleide sy Im nit uffgeseit.'
Am Donnerstag nach Viti und Modesti 1515 erschienen Abgesandte der
Gemeinde abermals vor dem Rat: der Jude habe ihnen liebevor zugesagt, er
wolle in 8 Tagen sich von dannen schaffen und obschon er 4 Fürsten habe,
doch der Gemeinde zuwider nicht sitzen. Dem Rat sei vom Grafen von
Virnenburg ein Schreiben zugesandt, in welchem angeregt sei: So der Jude
sich nicht hielte, solle er Strafe leiden. Nun sei vor Augen, dass derselbe
2 Kühe halte und 'der stroppersen so vill habe die allenthalben den Juden
das Ire nehmen.' Solle der Jude mehr Freiheit haben, als die Christen
gebrauchen? Sie wollten ihn wohl von hinnen schaffen, wenn es bei ihnen
stände. Sie gedächten ihn nicht zu leiden, auch dem Herrn keine Huldigung zu
tun, der Jude sei denn aus Andernach, denn es sei wider alle Billigkeit und
der Stadt Privilegien und Herkommen. Nun erklärt der Rat, er wisse in diesen
Dingen nicht zu handeln, denn der gnädige Herr habe ihm eine Schrift
zugesandt, die bisher verhalten sei, da der Rat keine Klage gehört und nicht
anders gemeint habe, denn die Gemeinde sei zufrieden. Jetzt aber solle die
Schrift vorlesen werden, auf dass man dem Herrn sein Geleite lasse. Habe der
Jude Zusage getan, so sei abzunehmen, dass er dazu gedrängt sei. Nach
Anhörung des kurfürstlichen Schreibens bemerkten die Abgeordneten, sie
könnten nicht anders ermessen, dann der Herr die Juden lieber habe als die
Gemeinde. Sodann berieten sie sich mit den Zünften und beschlossen, 'sich
der vurss puncten zu berueffen zu ussdrag vur die vier heufftstede vnd
gemeine landschafft des stifts Colne, doch wullen sie das an die gern eyn
worttbrengen, da mit sie den vndank nit alleyn haben.'. (Fortsetzung
folgt.) |
Artikel in der Zeitschrift "Jüdisches Literaturblatt" vom
19. August 1887: "Zur Geschichte der Juden in Andernach.
(Fortsetzung).
Inzwischen erkühnte sich ein gewisser Gottschalck der sunt, bei Nacht in
Gegenwart der 4 geschworenen Wächter den Juden zu vergewaltigen. Auf Befehl
des Bürgermeisters wurde Gottschalck auf Donnerstag nach St. Johannisberg
vor den Rat beschieden und weil er ausblieb, des Bürgerrechtes verlustig
erklärt. Bald darauf zogen die Zünfte noch einmal zum Rathause und sprachen
den Wunsch aus, Rat und Gemeinde möchten Zusammenhalten, wenn der Herr, wie
er beabsichtige, nächster Zeit in Andernach einreite, damit man dann nicht
'Zu Zweyen huiffen stände, sunder ein Man were.' Sie wurden mit dem Troste
entlassen, der Herr werde ohne Zweifel diese und andere Sachen vergleichen
und der Rat werde das Beste der Gemeinde, so viel möglich, zu tun beflissen
sein. Ob nun die Bürger damals betreffe des Juden ihre Forderung
durchgesetzt haben, das erfahren wir nicht.
In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts suchten aber die Juden
wieder in Andernach Aufnahme zu finden. In dieser Absicht wandte sich ein
gewisser Aaron an den Kölner Kurfürsten Salentin and erlangte die 'Vergleidung'
durch ein Angebot von 1000 Goldgulden. Am 25. Juli 1573 gab der Kurfürst dem
Magistrat hierüber in folgendem Schreiben:
Salentin von Gottes Gnaden Erwölter zu Erzbischofen zu Cöllen und Churfürst.
Lieben Getreuwen. Wir haben uff vielfaltigs empsigs ansuchen, auch groisser
leuth vorpitten und aus keiner sondern Andacht Aaron Juden sampt seinem
Sohne Meier gnediglioh vergleidet und Ime eine whonungh und haushaltung in
unser Stadt Andernach vergunt und zugelaissen, doch mit dem ausdrücklichen
Bedingh, dass sie mit keinem Burger oder Inwoner gerurter unser Stadt
Ichtzig wuchern sollen. Dieweil sie uns nhun ein groisses, nemblich 1000
goltgülden geben, euch und euren mitbürgern kein Schaden zufuegen sollen,
haben wir uns dazu erpitten laissen und euch zu christlicher Institution und
Erhaltung der Schulen solche 1000 goltgülden aus sondern gnaden geschenkt,
die ir auch hernegst aus unsers Schultissen und Zölners lieben getreuwen
Peter Steuss henden empfangen werdet. Und haben euch gnediger meinungh nit
mügen verhalten. Datum in unserm Schloss Kaiserswerdt am 25. Juli Anno 73.
Als dieses Schreiben am 30. Juli dem Rat präsentirt und vorgelesen wurde,
hat sich derselbe trotz des der Stadt zugedachten verlockenden Geschenkes
'zum höchsten beschwert von wegen solcher annehmungh' und beschlossen, ein
Schreiben an den Kurfürsten mit der dringenden Bitte zu richten, die
erteilte Erlaubniss zurückzunehmen. Die Ausführung des 'Beschlusses wurde
jedoch verschoben, 'dieweil kurz darnach unser Gnedigster Herr sich bei
etlichen vola Raidt zu Poppelstorff erclert, dass dieselb in erfahrungh
kommen, dass man mit den Juden nit zufriegen und ire Gnaden nit gemeint,
dieselb gegen des Raids wilen alhie zu vergleiden, So wolle er denselben das
gegeben gleidt wiederumb uffsagen.' Gleichwohl hören wir drei Jahre später,
das der Jude Meier in Andernach wohnt, denn am 8. November 1576 wurde nach
dem Ratsprotokollenbuch Schiffer Joh. v. Kesselhem zu einer Geldstrafe von
20 Thalern verurteilt, weil er 'dem Juden Meier nächtlicher weil uff sein
thuir geklopft und etlich glaissfinster mit Steinen ausgeworffen.' Ausser
Meier hatten sich aber noch andere Juden hierselbst niedergelassen, wie wir
aus einer Verhandlung vom Jahre 1579 erfahren, wonach einige Schröder den
Rath ersuchten, von den Juden 'duppel schradtgelt' erheben zu dürfen. Als
denselben das Gesuch bewilligt, beschwerden sich die Juden beim
Schultheissen, der denn auch im Namen des Kurfürsten die Aufhebung der
erlassenen Verordnung forderte. Jedoch der Rat erwiderte, er habe kraft der
Stadtpolizei das Recht, allen Arbeitslohn festzustellen und 'weil er aus der
Stadt gefell und waldt zu den seilen den schrederen steuern müsse, sollten
sich selbe nit zu beschweren haben.'
Welche Beschränkung im Handel die Juden sich gefallen lassen mussten,
darüber belehrt uns ein Protokoll vom 26. Oktober 1581: Die Metzger
beklagten sich, dass die Juden Ochsen gekauft, in Andernacher Marken und
anderswo auf die Weide getrieben und in und ausser der Stadt Fleisch
pfundweise gegen die Ordnung der Metzgerzunft verkauft hätten. Deshalb
befahl der Rath den Feldschützen, auf solche 'Judenochsen' zu achten und
etliche derselben in den Graben zu treiben. Noch am näm-
|
lichen
Tage jagten die Schützen vier Ochsen in den Stadtgraben. Da erschien der
Jude Meier vor dem Rat, erklärte, dass er seine Ochsen mit Wissen and Willen
Joh. Hoburgs in die von demselben gekaufte Weide getrieben und bat, weil die
Tiere keinen Schaden angerichtet, ihm dieselben freizugeben. Der Rat
gewährte die Bitte unter der Bedingung, dass der Jude ihm und den Schützen 4
Thaler erlege. Homburg musste, weil er gegen die Verfügung der Stadtpolizei
einem Fremden und Juden die Weide verkauft hatte, einen Thaler
Ordnungsstrafe zahlen. Desgleichen heißt es in der Ratsverordnung vom Jahre
1582: 'Es soll auch keiner mit den Juden einich gemeinschaft haben und mit
ihnen handelen, Fleiss oder anderes abkauffen.'
Zur Zeit des truchsessischen Krieges flüchteten sich die in den umliegenden
Dörfern wohnenden Juden in unsere Stadt, um vor den Drangsalen und Gefahren
geschützt zu sein. Kaum war derselbe beendigt, als man sich ihrer wieder zu
entledigen suchte. Darum wandte sich Jude Meier am 8. Juni 1589 an den
Magistrat mit der Bitte, ' ihm noch eine Zeitlang des gefährlichen
Kriegslaufs halber aus Gnade in der Stadt wohnen zu lassen.' Es wurde ihm
dazu auch bis zum nächsten Jacobi-Tage Erlaubnis gegeben. Diese Frist muss
indes immer wieder verlängert worden sein, denn wir hören, dass Meier noch
1590 sich in Andernach befindet. Am 4 . Januar 1590, so lesen wir nämlich im
Protokollenbuche, hat der Rat den Juden Meier gestraft und ihm 10 Gold-
gülden zu zahlen auferlegt, weil er wider des gnädigsten Herrn und der Stadt
Ordnung kein Verzeichnis der fremden Juden dem Bürgermeister eingereicht
hatte. Ein weiteres Protokoll vom 15. März 1590 lautet: 'Es erschienen vor
dem Rath die Accisspächter und Meier Jude wegen etlichen verkauften wollen
Acziess halber und legten die Fragh vor, ob der Jude als ein Bürger oder als
ein Fremder duppel geben soll. Ist der Abscheit, dass ein Jude als ein
Bürger duppel geben solle, nämlich ein Bürger soll geben 9 heller und ein
Jude duppel, also 18 heller.'" (Schluss folgt.). |
Artikel
in der Zeitschrift "Jüdisches Literaturblatt" vom 26. August 1887: "Zur
Geschichte der Juden in Andernach. (Schluss.)
Einige Jahre nachher beantragte der Rat die Ausweisung aller Juden, und
Kurfürst Ernst von Baiern erteilte am 1. Oktober 1596 der Stadt das
Privilegium, nach welchem fürder keine Juden mehr in Andernach, weder in
adeligen, noch bürgerlichen Häusern wohnen sollen. In der auf dem Schloss
Arnsberg ausgestellten Urkunde heißt es ausdrücklich: 'Wir wollen sie aus
sondern Gnaden mit Vergleitung der Juden in berührter Stadt, damit sie dann
vor langen undenklichen Jahren von weiland Unsern Vorfahren Löblicher
Gedächtniss wenig beschweret worden, erlassen, auch Abschaffung deren
allbereits darinnen gegenwärtigen mit Ernst befehlen.' Dieses Privilegium
wurde erst am 19. März 1597 in Gegenwart des Amtmannes Georg von der Leyen,
des Schultheissen Dr. Haus Adam Merls und des Zöllners Joh. Herzigh
sämtlichen Juden vorgelesen und denselben befohlen, innerhalb dreier Monate
die Stadt zu räumen. Darauf stellte Jude David im Namen der übrigen vor,
'die Juden gewosten sich nicht, dass der Rath sie bei dieser gefährlicher
Zeit, da sie auch so viel kinder haben und auf dem Lande unsicher zu wohnen
sei, austreiben solt, angesehen sie alhie kein Practik, uffruer, meuterei
oder verretterei geübet, sondern sich alzeit gehorsamblich verhalten. Zu
deme habe Ire churf. Gnaden noch jüngst im Februar 1597 ihr glaidt
bestettiget und sie dabei handzuhaben gnedigst zugesagt.' 'Dieweil aber', so
heißt es weiter in dem über die Ausweisung handelnden Protokoll, 'die Juden
sich jederzeit trutzig erzeigt, Jude Meyer sich auch vernehmen lassen, er
frage nicht nach Amptmann, Bürgermeister und Rat, auch jährlichs nichts an
holz oder anders hat geben wollen, wie auch die Juden sämtlich, insonderheit
Seckler, wider ir glaidt wucher von den Bürgern gefordert, dahero der Rat
verursacht worden, die Ausschaffung von Irer Churf. Gnaden zu erbitten und
lasse es der Rat bei dem erhaltenen Privilegio bewenden, deme sich die Juden
gemess zu verhalten wissen werden.' Es war auch den Juden befohlen, 'ihren
aufgehobenen Wein aus der Stadt zu schaffen und nicht hinder die bürger in
keller zu legen.' In Folge dessen weigerten sich die Juden, von den Bürgern
Wein zur Bezahlung anzunehmen. Als nun letztere sich beim Rath hier- über
beschwerten, willigte derselbe 'um der Bürger willen' ein, dass die Juden
ihren Wein in der Stadt aufheben und liegen lassen dürften, ohne aber
fremden Wein einzuführen.
Zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges hatten sich wegen der drohenden
Gefahren wieder einige Juden in Andernach niedergelassen. Am 11. März 1632
forderten die Achter Namens der Bürgerschaft die Austreibung des Juden Hirtz,
weil zu befürchten sei, dass derselbe vom Gesinde gestohlene Sachen ankaufe
und weil die Metzger durch ihn in ihrem Gewerbe beschädigt würden. Der Rat
jedoch antwortete: 'Zur Erhaltung der Stadtprivilegien würden wir zwar die
Abschaffung der Juden gerne sehen, halten es jedoch nicht für ratsam, den
Bogen zu hart zu spannen und den Hirtz, der in Ihrer Kurfürstlicher
Durchlaucht Schutz und Schirm stehe, bei dieser gefährlichen Kriegszeit zu
vertreiben, zumal derselbe vom Kurfürsten die Erlaubnis, hier zu bleiben,
leicht erlangen möchte. Wohl hätten die Metzger gegen den Juden geklagt,
aber bisher noch nichts Tatsächliches erwiesen; weshalb man sich des Juden
halber behutsam zu verhalten habe.' — In den folgenden Jahren erneuerten die
Achter wiederholt ihre Klagen, dass der Jude Hirtz zum Schaden der Bürger
Gestohlenes (Diebstell) annehme. 'Wir vermeinen', so lautet ihre Erklärung,
'dass Judd und Jüddin abgeschafft werden und finden des Ungeseiffers kein
endt zu sein.' Nun beschloss der Rath am 3. September 1637, die Juden sofort
durch die Stadtdiener auszuweisen und die Resolution durch Glockengeläute zu
publizieren. Der Beschluss wurde jedoch nicht ausgeführt, denn als am 10.
September die Achter anfragten, ob die Juden abzureisen willig seien,
erwiderte der Rath, er habe denselben vergönnt, in Kammern und Kellern zu
mieten und das Ihrige zu verwahren, doch sollten sie weder Feuer noch Flamme
haben. Ein Ratsbeschluss vom 15. Oktober 1637 lautet dahin, 'dass die Jüdin
Freuch (Veronika) ad tempus geduldet werden solle und Jude Isaak gegen
Leistung gebührender Accis seine Sachen hier in Sicherheit bringen dürfe,
ohne aber in kontinuierlicher Haushaltung zu verbleiben oder Platz zu
gewinnen, alles zur Erhaltung des Stadtrechtes und zu des Rathes gefälliger
Revokation.' Um die Mitte des 17. Jahrhunderts, als ein Jude, mit Namen
Daniel, in Andernach Wohnung genommen, wandte sich der Magistrat an den
Kurfürsten Maximilian Heinrich mit dem Ersuchen, die Stadt bei ihrem von
Alters hergebrachten Privilegium, keine Juden häuslich auf zunehmen,
schützen zu wollen. Die vom 22. Februar 1655 datierte Antwort erhielt die
Bestimmung, dass der Jude in den nächsten drei Monaten von Andernach
fortziehen und sich anders wohin verfügen sollte. Weil Daniel dem Befehle
nicht nachkam, gebot der Kurfürst auf Antrag des Rates demselben am 11. Mai
1656 abermals, sich mit seinem Hausgesind ohne fernere Widerrede innerhalb
14 Tage und zwar bei Vermeidung willkürlicher Strafen aus der Stadt
hinwegzubegeben. Seit dieser Zeit hielten sich die Juden von Andernach fern
bis zum Jahre 1860, wo der Kaufmann Herr Simon Gottschalk in unsere Stadt
übersiedelte. Versuche der Juden, sich hier niederzulassen, gelangen ihnen
nicht. Anno 1678 7. Juli, heißt es in den Ratsprotokollen, 'ist auf Anhalten
Ihro Durchlaucht. der Fürstinnen zu St. Gohart von einem Juden gesagtem Jud
die bewohnung hiesiger Statt ganz und zumal abschlagen worden. |
'Anno
1680 ist vom Rath befohlen, auch Sonntag keinen einigen Juden, welche
in Körben, Säcken oder Rantzen in die Statt fleisch eintragen, herein
passieren zu lassen.'
Gegenwärtig besteht die israelitische Gemeinde, welche einen eigenen
Religionslehrer hält, aus fünfzehn Familien. Der vor wenigen Jahren neu
angelegte Friedhof der Juden liegt vor dem Burgtore an der Koblenzer Strasse
oberhalb der 'drei Kreuze'". |
Texte zur jüdischen Geschichte im Mittelalter
Schiedsrichterlicher Spruch zwischen dem Erzbischof von Köln und der Stadt
Andernach wegen der in Andernach verfolgten Juden (Andernach 1287)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Orient" vom 4 1843 vom 14. November 1843: "Urkunden
zur Geschichte der Juden im Mittelalter.
Serie I. - Siebenzehnte Urkunde.
Schiedsrichterlicher Spruch zwischen dem Erzbischof von Köln und der
Stadt Andernach wegen der in Andernach verfolgten Juden.
Andernach. 1287. 3. August. |
| Nos de Eppenstein chorepiscopus
Trevirensis , W. scolasticus et Johannes de Renneberg canonici
Colonienses |
Wir von Eppenstein, Weihbischof von
Trier, W. Schulmeister, u. Johann von Renneberg, Canonici
|
in
quos a reverendo domino nostro archiepiscopo Coloniensi ex una parte,
et a scabinis ac universitate opidi Andernacensis ex altera parte,
tanquam in arbitros seu amicabiles compositores super expulsione judeorum et
confractione scole et domorum ac herereditatis domini nostri compromissum
existit, habito consilio proborum pronuntiamus et dicimus: quod milites,
scabini, majores et Universitas Andernacensis jurabunt, quod judeos
Andernacenses defendent toto posse suo et nullam injuriam vel violentiam
irrogabunt eisdem, nec ab aliquo fieri permittent, sed ipsos fovebunt et
nanutenebunt, dolo et fraude in premissis exculsis. Quod si aliquis vel
aliqui judeos predictos vel aliquem ex ipsis, ipso rum culpa non exigente,
offenderit, leserit, seu manus in personas et res eorundem injecerit,
vulneraverit vel occiderit, corpus et res illius, qui hoc fecerit erit in
potestate domini nostri archiepiscopi; et scultetus et scabini Andernacenses
illum capient et tenebunt ita quod idem dominus noster de corpore et de
rebus illius suani facere potent voluntatem. Si vero aliquis de militibus,
seabinis, majori bus seu de universitate Andernacensi volens judeos
defendere et bona ipsorum, aliquem vel aliquos imientes in judeos seu bona
ipsorum violaverit, leserit, percusserit vel occiderit, vel aliquid aliud
mali intulerit, dictus defensor hoc faciet sine pena, nec dominus noster,
scultetus suus, vel scabini aliquod judicium facient vel sument de eodem, ut
unusquisque paratior et promptior sit pro judeis defendendis. Item milites,
scabini, majores et unusquisque opidanus Andernacensis dives et pauper
familie sue domestice prohibebit, ne aliquos insultus, contumelias vel
offensas facient in judeos. Quod si fecerint, dominus suus illum non
recolliget in domum suum nec etiam aliquis alius de opido predicto, nisi ex
gratia domini nostri vel sui sculteti, sufficienti tamen secundum modum
excessus prius prestita emenda. Item scabini et majores prohibebunt et
deponent vexilla et cantus probrosos: sub certa pena, prout ipsis videbitur
expedire, quia de talibus possit discordia exoriri. Item scabini et majores
apud quoscunque intellexerint bona et res judeorum detentas esse, una cum
sculteto Andernacensi compellent tales ad restitutionem bonorum predictorum.
Item universi opidani Andernacenses divites et pauperes nocentes et
innocentes scolas et domos judeorum et hereditatem domini nostri
archiepiscopi confractas et confractam reedificabunt eque bene infra festum
beati Martini hyemalis secundum bonitatem et dispositionem priorem edifiorum
predictorum. Item cum dominus noster graves fecerit expensas primo pro
custodia castri sui Andernacensis, in quo judei propter timorem opidanorum
pro conservanone vite se receperunt, et etiam propter expensas nunc in
tractatu habito in |
aus Köln, die wir von unserm
verehrungswürdigen Herrn Erzbischof von Köln einerseits, und von den
Schöffen und der Gemeinde von Andernach andererseits, zu
Schiedsrichtern wegen der Vertreibung der Juden, wegen Zerstörung ihrer
Schule, ihrer Häuser und des erblichen Eigentums unseres Herrn, gewählt
worden sind, verkündigen, nachdem wir redliche Leute zu Rate gezogen, und
sagen aus: Die Ritter, Schöffen, Meier und die Gemeinde von Andernach
sollen schwören, dass sie die dortigen Juden mit ganzer Kraft verteidigen,
und kein Unrecht und keine Gewalt ihnen antun, noch von einem andern antun
lassen werden, sondern sie hegen und stützen — der Schwur soll ohne allen
Vorbehalt geschehen. Wenn nur Einer oder Mehrere die vorgenannten Juden oder
Einer von ihnen, ohne dass sie's verschuldet, beleidigen, verletzen, oder
Hand an ihre Personen oder Besitztümer legen, verwunden oder töten wird, so
soll Leib und Gut dessen, der dies getan, der Gewalt unseres Herrn
Erzbischofs verfallen sein, und Schultheiß und Schöffen von Andernach sollen
ihn fangen und halten, so dass unser Herr über Leib und Besitztümer
desselben frei verfügen könne. Wenn aber Einer von den Rittern, Schöffen,
Meiern oder der Gemeinde von Andernach bei der Verteidigung der Juden und
ihrer Güter Einen oder Mehrere der Judenverfolger oder ihre Güter verwunden,
verletzen, zerschlagen oder tobten, oder diesen sonst ein Übel zufügen
sollte, so soll dieser Verteidiger ohne Strafe bleiben, noch soll unser
Herr, sein Schultheiß oder die Schöffen ihn verurteilen; damit ein Jeder
umso geneigter zur Verteidigung der Juden sein soll. Ferner sollen Ritter,
Schöffen, Meier und ein jeder Bürger von Andernach, reich wie arm, seinem
Hausgesinde verbieten, Beleidigungen, Schmähungen und Angriffe gegen die
Juden zu machen. Tuen's diese doch, so soll weder ihr Herr, noch sonst Einer
in der Stadt sie in sein Haus aufnehmen, es sei denn auf Vergünstigung
unseres Herrn oder seines Schultheißen, nachdem jedoch eine im Verhältnis
zum Exzess stehende Strafe gebüßt worden. Ferner sollen Schöffen und Meier
Spottfahnen u. Spottlieder bei wirksamer Strafe verbieten und abschaffen,
weil daraus Tumult entstehen kann. Wenn ferner die Schöffen u. Meier
erfahren, dass Besitztümer von Juden von Jemand unrechtmäßig eingehalten
werden, so sollen sie mit dem Schultheißen von Andernach diesen zur
Rückgabe derselben zwingen. Ferner sollen alle Bürger von Andernach, reiche
und arme, schuldige und unschuldige, die Schulen und die Häuser der Juden
und das Erbe unseres Herren Erzbischofs, welches alles zerstört ist, bis
Martini in derselben Güte und Lage wieder aufbauen, die jene Gebäude früher
gehabt haben. Da ferner unser Herr schwere Ausgaben gehabt hat, erstlich bei
der Beschützung der Burg von Andernach, wohin die Juden aus Furcht vor den
Bürgern, um das Leben zu erhalten, geflohen waren, sodann durch die Kosten
der zwischen ihm und den Bürgern deshalb stattgefundenen Unterhaltung; so
bestimmen wir, dass vorgenannte Bürger diese Ausgaben in dem Maße unserm
Herrn ersetzen sol- |
ter
ipsum et opidanos factas dicimus, quod opidani predicti ad hujusmodi
expensas facere puterunt eidem domino nostro prout ipsis expedire videbitur,
et ipse dominus noster ultra id, quod ipsi opidani sibi motu proprio
liberaliter facere voluerint, pro expensis predictis non artabit, sed
quidquid dederint liberaliter et favorabiliter recipiet ab eisdem. Item
dicimus quod scabini et opidani Andernacenses literam concessam judeis super
libertatibus suis a domino nostro predicto et sigillatum sigillo suo et
capituli Coloniensis sigilz6labunt communi sigillo opidi Andernacensis. Item
pronuntiamus quod omnes illi sub juramento scabinorum jam nominati sive
adhuc nominandi, qui domum domini nostri archiepiscopi Coloniensis et
hereditadem beati Petri ac scolas judeorum confregerunt, infra crastinum
beati Laurentii proximo futurum exibunt opidum Andernacense nunqam reversuri
absque nostra licentia speciali. Quodsi aliquis de predictis malefactoribus
post tempus predictum in Adernaco remanserit, vel absque nostra licentia
postquam exivit reintraverit, scultetus, scabini et majores illum capient et
tenebunt et non dimittent absque mandato domini nostri et per scultetum et
scabinos sequestrabuntur, nec se de illis malefactores licentiam habuerint
Andernacum reintrandi. Quod si aliquis de predictis malefactoribus in sua
perseverans pertinacia infra crastinum beati Laurentii non exierit vel exire
noluerit Andernacum, scultetus, scabini, et majores ipsum tenebunt et se de
rebus suis et corpore intromittent ex parte domini nostri predicti. Item
scultetus, milites, scabini et majores post crastinum beati Laurentii judeos
domini nostri ducent et conducent et reponent in domos suas et deinceps
defendunt prout est premissum. Quodsi premissa non fuerint observata,
fidejussores super hoc dati, moniti a nobis vel ab altere nostrum, si
aliquein de nobis, quod absit, muri vel abesse contingeret, Bunnam intrabunt
ad jacendum, inde non recessuri quousque premissa omnia fuerint adimpleta;
et sic dominus noster predictus omnem injuriam occasione predicta sibi
factam ab opidanis predictis remisit et remittit eisdem.
Actum et pronuntiatum apud Andernacum in die Inventionis beati Stephani
protomartyris in presentia ipsius domini nostri archiepiscopi et aliorum
quamplurium fidedignorum. In cuius rei testimonium et firmi- tatem sigilla
nostra presentibus duximus apponenda.
Datum anno domini millesimo. CC. LXXX. Septimo; in die Inventionis predicto.
{Günther Cod. dipl. Rh. M. II 463—66.)" |
len, als es ihnen selbst recht scheint, und
dass unser Herr über das von den Bürgern ihm Zugedachte hieraus für jene
Ausgaben nichts erzwingen, sondern was sie geben werden von ihnen freundlich
annehmen soll. Ferner bestimmen wir, dass Schöffen und Bürger von Andernach
die von unserm Herrn den Juden über ihre Freiheiten ausgestellte Urkunde,
die mit seinem und dem Siegel des Kölner Kapitels besiegelt sind, mit dem
Gemeinde-Siegel der Stadt Andernach befestigen sollen. Dann sprechen wir
aus, dass alle, die von den Schöffen eidlich als Zerstörer des Hauses
unseres Herrn Erzbischofs von Köln, des Erbens des heiligen Petrus, und der
Judenschulen angegeben worden oder noch angegeben werden möchten, binnen 8
Tagen (bis zum 11. August) die Stadt Andernach zu verlassen haben, und ohne
unsere besondere Erlaubnis nie zurückkehren dürfen. Bleibt aber einer jener
Übeltäter über diesen Termin in Andernach, oder kehrt er, nachdem er die
Stadt verlassen, ohne unsere Erlaubnis wieder zurück, so sollen Schultheiß,
Schöffen und Meier ihn fangen, festhalten und ohne besondere Erlaubnis
unseres Herrn nicht loslassen. Die Güter der erwähnten Missetäter sollen
unserem Herrn gehören und durch den Schultheiß und die Schöffen sequestriert
werden, worein sich jene Übeltäter nicht zu mischen haben, es sei denn dass
sie unsere Erlaubnis zur Rückkehr hätten. Wird einer jener Verbrecher
hartnäckig binnen acht Tagen die Stadt nicht verlassen wollen, so sollen
Schultheiß, Schöffen u. Meier ihn festhalten und sich von Seiten unseres
Herrn seiner Besitztümer wie seiner Person bemächtigen. Ferner sollen
Schultheiß, Kriegsleute, Schöffen und Meier nach dem 11. August die Juden
unseres Herrn, wie schon gesagt, zurückführen und in ihre Häuser wieder
einsetzen und dann verteidigen. Wenn unsere Bestimmungen nicht erfüllt
werden, so werden die deshalb gestellten Bürgen, auf unser oder das Ermahnen
Eines von uns (wenn, was fern sei, der Eine oder Andere von uns gestorben
oder fern sein sollte) sich nach Bonn ins Gefängnis begeben und nicht früher
heimkehren bis alles Vorangeschickte erfüllt ist. — Ist dies aber geschehen,
so betrachtet unser Herr den ihm bei erwähnter Gelegenheit zugefügten
Schaden als getilgt.
Geschehen und verkündet bei Andernach, am 3. August, in Gegenwart unseres
Herrn Erzbischofs und vieler anderer Vertrauenswürdiger. Zu Zeugnis und
Befestigung dessen haben wir unsere Siegel diesem Schreiben anfügen lassen.
Gegeben im Jahre des Herrn 1287 am vorerwähnten 3. August.. |
Über das mittelalterliche Judenbad in
Andernach
Anmerkung: Der Beitrag gibt die damalige (wissenschaftliche) Diskussion um das
Andernacher Judenbad wieder und ist daher von forschungsgeschichtlichem
Interesse.
Artikel
in der Zeitschrift "Jüdisches Literaturblatt" vom 1. Juli 1887: "Das
Andernacher Judenbad.
Das im Hofraume des Rathhauses in Andernach gelegene und unter dem Namen
'Judenbad' bekannte Gebäude ist wohl den meisten Lesern dieses Blattes weder
aus unmittelbarer Anschauung, noch aus Beschreibungen bekannt. Wir halten es
deshalb für angemessen, unserer Besprechung dieses interessanten
Baudenkmales einige Notizen vorauszuschicken.
Das Gebäude ist zum allergrößten Teile unterirdisch und hat die Gestalt
eines viereckigen Turmes. Die Oberfläche bedeckt ein Gewölbe, das 1,38 Meter
über den Hofraum emporragt und mit einem Überbau versehen ist, in welchem
nach der Kramgasse hin der Eingang sich befindet. Die starken Umfangmauern
sind aus Schiefersteinen mit Kalkmörtel aufgeführt; an einer derselben läuft
auswärts eine ziemlich breite Stiege, deren Stufen aus Mendiger Haussteinen
bestehen, bis zur Sohle des Bades hinab. Das Innere des Baues ist durch
Gewölbe in drei Räume geteilt. Das erste ist 2,13 Meter, das andere 3,12
Meter höher als die Sohle. In die beiden oberen Räume führen von der Treppe
etwas unbequeme Eingänge, an welchen noch eiserne Spuren von früheren Türen
vorhanden sind. Die untern Gewölbe hatten ehemals Öffnungen von
beträchtlicher Größe, durch welche das Licht, wenn auch gebrochen, einfallen
konnte. Das Mauerwerk ruht auf einem Roste von Eichenholz. Die Tiefe beträgt
10,83 Meter, das Wasser des Bassin, in das breite Stufen hinabführen, steigt
und fällt mit dem Rheine und behält selbst bei niedrigstem Wasserstande eine
Höhe von mehr als 60 Zentimeter.
Was war nun die ursprüngliche Bedeutung dieses merkwürdigen Gebäudes?
Einige, wie Lang (Reise auf dem Rhein) und Minola (Übersicht usw. S. 215)
u.a.m. wollen darin ein römisches Bad erkennen. Diese Ansicht wird mit dem
Charakter des Gebäudes begründet, das beim ersten Anblick den Eindruck
seines hohen Alters hervorruft und eine solche Festigkeit und
Dauerhaftigkeit zeigt, wie römische Bauten sie aufzuweisen pflegen. Auch
beruft man sich zu Gunsten dieser Annahme auf die bekannte Badesucht der
Römer, welche es gewiss nicht versäumt hätten, in ihrem Castellum Antunnacum
ein solides Bad zu errichten. —
Allein diese Deutung hat bereits der Bonner Professor Dr. Braun in seiner
Festschrift zu Winkelmanns Geburtstagsfeier am 9. Dez. 1853 über 'das
Judenbad zu Andernach' mit triftigen Gründen widerlegt. Er weist zunächst
hin auf den bekannten Luxus der reichen Römer, die überall, wo sie sich
festsetzten, prachtvolle Bäder erbauten und gewiss nicht 10—11 Meter tief
unter die Erde, unter schauerliche Gewölbe gestiegen seien. Sodann erinnert
er an die große Sorge der Römer für die Gesundheit und demnach für Reinheit
und Zuträglichkeit des Wassers; sie würden sich schwerlich dazu verstanden
haben, ein Bad anzulegen, das nicht gerade leicht zu reinigen ist und somit
fast notwendig ein receptaculum sordium, ein Schmutzbehälter, hätte werden
müssen. Ferner macht er auf den Wassermangel im Bade gerade zur Sommerzeit,
der eigentlichen Badesaison, aufmerksam, sowie auf den Umstand, dass auch
der Boden im untersten Gemache keinerlei Spuren der Einrichtung eines
römischen Bades enthält. 'Wozu hätten,' fragt er dann weiter, 'diese zwei,
drei Gewölbe über demselben, wozu die kleinen Zellen zwischen den Gewölben
den Badenden dienen sollen? Gegen die Benutzung derselben, namentlich nach
dem Bade, würde jetzt jeder Arzt lebhaften Einspruch einlegen, wenn es unter
gegebenen Verhältnissen irgend jemand in den Sinn kommen könnte, diese Räume
zum Baden zu gebrauchen. Wozu hätten die Öffnungen in den Gewölben selbst
dienen sollen? Damit das Licht einfalle? Aber warum beschränkte man denn das
Licht überhaupt durch diese Gewölbe? Solche enge Zellen, schauerlichen
Totenkammern vergleichbar, baut sich der Luxus nicht!' Endlich schließt Dr.
Braun seine Begründung mit dem Hinweis auf den Charakter des Mauerwerkes
selbst, das allerdings wohl kaum jemand für römische Arbeit erklären und
noch weit schwerer als solche beweisen wird.
Gewiss, ein römisches Luxusbad ist das unserige niemals gewesen und nur
Unverstand hat es dafür erklären können! Andere versichern, das Gebäude sei
nichts anders, als was der Name besage, nämlich ein jüdisches Bad. Sie gehen
bei Begründung ihrer Meinung von der den Israeliten auferlegten Pflicht aus,
nach gewissen Vorgängen in fließendem Wasser zu baden und sie stützen ihre
Behauptung auf die mindestens bis ins Jahr 1407 zurückreichende Tradition,
außerdem auf die Ähnlichkeit unseres Bades mit andern anerkannten
Judenbädern. Diese Ansicht |
hat
noch in neuerer Zeit der Koblenzer Bauinspektor J.C. v. Lassaulx mit großer
Zuversicht in folgender Weise ausgesprochen. 'Unter (soll heißen: neben) dem
Rathause wölbt sich das Judenbad, den Reisenden so oft als ein Römerbad
vorgeführt. Es ist jedoch nichts als ein ganz gewöhnliches Judenbad,
dergleichen sich in allen Städten befinden, wo Juden wohnen, indem die
Judenfrauen verpflichtet sind, zuweilen ein Bad zu nehmen und zwar in einem
Wasser, welches in das Becken geflossen sein muss und nicht hineingetragen
oder gepumpt werden darf. Es ist seit 1596 (?) nicht mehr gebraucht worden,
weil damals die Juden aus Andernach vertrieben und nie wieder aufgenommen
wurden.' (Klein, Rheinreise. S. 275.) Zu dieser auch im 'Rheinischen
Antiquarius III.Abt. 4.Band S. 375' angeführten Stelle gibt Chr. von
Stramberg folgende Note: 'Ein ähnliches (Bad) in Koblenz ist ganz roh, ein
anderes zu Friedberg in der Wetterau
dagegen sehr zierlich im Spitzbogenstil ausgeführt. Alle bestehen aus einem
Brunnen, um welchen eine Treppe bis zum Wasser hinunterführt.' Auf eine
Anfrage in Betreff des Koblenzer Judenbades teilte Herr Medizinalrat Dr.
Wegeler dem Schreiber dieses mit: 'Unzweifelhaft hat hier in den ältesten
Zeiten der jüdischen Ansiedelung ein Ritualbad bestanden, das aber so
unbedeutend, dass seiner nicht erwähnt wurde. Bei der um 1700 gebauten
Synagoge wurde im Vorderhause und zwar im Keller ein Bad hergerichtet, das
unter französischer Herrschaft sogar einen Faden aus der Metternicher
Wasserleitung erhielt. Als aber die Straße verbreitet wurde, musste das Haus
abgerissen werden. Mit ihm fiel das Bad im Jahre 1849 oder 1850 und ein
neues ward von der Gemeinde nicht mehr errichtet.'
Das Friedberger Judenbad ist
beschrieben von Dr. C. Dieffenbach in dem vom hessischen Verein für die
Aufnahme mittelalterliche Kunstwerke zu Darmstadt dargestellten Denkmälern
der deutschen Baukunst, Darmstadt 1856, ferner von Philipp Dieffenbach in
seiner 'Geschichte der Stadt und Burg Friedberg in der Wetterau, 1857.' In
seiner Kritik der letztern Schrift bemerkt Dr. J. Mooren: 'Das Werkchen
macht, abweichend von dem, was man von dem Judenbade in Andernach hat
behaupten wollen, es gewiss, dass das dortige wirklich von den Juden zu
ihren gesetzlichen Abwaschungen benutzt worden ist. Über das aus dem Jahre
1462 stammende und 1854 zerstörte Judenbad zu Frankfurt berichtet eingehend
Dr. L.H. Euler im Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst (Neue Folge, I.
S. 292—99). Auf diesen Bericht, der uns zumeist zu vorliegender Untersuchung
angeregt hat, werden wir noch weiter unten zurückkommen.
Zu Köln wurde im Jahre 1861 beim Abbruche des südwärts neben dem Rathause
gelegenen sog. Plasmanschen Hauses unter dem Kellerboden eine wasserdichte
Bodenfläche gefunden, die in einem Artikel der Kölnischen Zeitung (No. 216)
als Sohlstätte des Judenbades bezeichnet wurde. 'Während in den meisten
rheinischen Städten', heißt es unter andern in diesem Artikel, 'wo sich eine
Synagoge befand, wie Worms, Speyer, Andernach etc. das Judenbad nachgewiesen
werden kann, war dasselbe in Köln den Forschern unbekannt geblieben; wohl
aus der Ursache, weil nach Vertreibung der Juden aus Köln ihre Häuser inner-
und außerhalb ihres Ghettos konfisziert und geteilt, an Private verkauft und
die Sohlstätte des Judenbades zur Erweiterung des Rathauses überbaut wurde.
Das Plasmansche Haus war um die Mitte des 14. Jahrhunderts von einem reichen
Juden, Isaak von Ahrweiler, bewohnt.' Am 25. August 1861 erschien darauf in
den damaligen Kölner Blättern (No. 195) ein widersprechender Artikel vom
Archivar Dr. Ennen, der es aber nur für 'gewagt' erklärt, den erwähnten
Beton in bestimmtester Weise als die Sohlstätte des Kölner Judenbades zu
bezeichnen.
Was das Judenbad zu Worms betrifft, so ist
uns darüber von dort folgender Bericht zugegangen: 'Das neben der Synagoge
und zwar im Garten derselben sich vorfindende Judenbad ist vollständig
erhalten; aber es ist seit etwa 2 Jahrzehnten fast verschüttet. Leute,
welche früher darin waren, erzählen — und es lässt sich dies noch jetzt
durch zwei schachtartige Eingänge erkennen —, dass das Judenbad ein
geräumiges Gewölbe ist, auf dessen Boden man über eine lange steinerne
Treppe hinabstieg. Das Wasser erhielt diese Kammer jedenfalls aus dem das
Rheinwasser filtrierenden Kiesboden. Weil die Juden Gegenstände ihres
Kultus, die verbraucht sind, nicht verbrennen dürfen, so hat die jüdische
Gemeinde derartige Sachen, die lange auf dem Speicher der Synagoge oder
sonst wo lagen, in das Judenbad geschüttet und dann dasselbe geschlossen und
vermauert. Sogar das Regenwasser und die Gossen werden in dasselbe abgeführt
und alle zugeführte Flüssigkeit versickert in dem Kiesboden des Judenbades.
Durch zwei in dem Gewölbe des Judenbades befindliche, mit viereckigen
Steinen geschlossene Öffnungen kann man vermittelst Leitern in die Tiefe
hinabsteigen. Vielleicht zeigt das Judenbad romanischen Stil, wie die
Synagoge.'
Doch kehren wir nunmehr zum Andernacher Judenbade zurück. (Fortsetzung
folgt.). |
Artikel
in der Zeitschrift "Jüdisches Literaturblatt" vom 7. Juli 1887: "Das
Andernacher Judenbad. (Fortsetzung.)
Auch die zweite Ansicht, das in Frage stehende Gebäude nämlich sei ein
wirkliches Judenbad, will Professor Braun nicht gelten lassen. Dieselbe hat
nach seiner Darstellung keine bessere Gründe für sich als die, welche ein
Römerbad in demselben erkennt. Die Entstehung des Namens Judenbad weiß Dr.
Braun sich auf die leichteste Art zu erklären. 'Die ursprüngliche Bestimmung
dieses Gebäudes und vielleicht das Gebäude selbst', so schreibt er Seite 11,
'war in Vergessenheit geraten. Als das letztere wieder entdeckt wurde,
suchte man nach der Deutung, und irgendjemand erklärte mit derselben
Bestimmtheit, wie dieses von Herrn de Lassaulx geschehen ist, dasselbe sei
ein Judenbad und nichts als ein Judenbad, und da niemand Widerspruch erhob,
war es leicht, diese Ansicht in Andernach und in weiteren Kreisen in Umlauf
zu bringen.' Doch lassen wir diese wohlfeile Hypothese unberücksichtigt und
hören wir die Gründe, welche Braun gegen die traditionelle Auffassung
vorzubringen weiß. ' Gegen diese Annahme', heißt es Seite 8, ' streiten zum
Teil dieselben Gründe, welche wir auch gegen die Annahme eines Römerbades
geltend gemacht haben. Dazu kommen aber noch andere. Nach der Vorschrift der
Rabbiner, welche dabei zuletzt auf Leviticus (3. Mose) 15, 16 zurückgehen,
muss das Bad jedes Mal so viel Wasser enthalten, dass die Badenden mit dem
ganzen Körper untertauchen können. Geschieht dieses nicht, so ist das Gesetz
nicht erfüllt. Wenn nun aber das Wasser in dem sogenannten Judenbade im
Sommer nicht mehr als zwei Fuß Höhe erreicht, so würde das Untertauchen in
demselben doch schwer zu bewerkstelligen und das Bad nicht selten im Jahre
unbrauchbar sein. Die mögliche |
Einwendung,
der untere Raum sei ursprünglich tiefer gewesen, wird durch den Augenschein
widerlegt. Auch die Lage selbst streitet wider die Annahme eines Judenbades.
Das fragliche Gebäude befindet sich mitten in der Stadt, auf dem Hofe des
gegenwärtigen und wahrscheinlich unter dem früheren Rathause. Nun hätten die
Juden doch offenbar die Herren der Stadt im Mittelalter sein müssen, wenn es
ihnen gestattet gewesen wäre, das Bad für ihre Weiber unmittelbar neben oder
gar in dem Rathause selbst zu errichten; sie hätten mindestens eine Stellung
in Andernach einnehmen, hätten Freiheiten daselbst besitzen müssen, die
ihnen sonst überall im Mittelalter versagt waren.'
Das sind die Gründe, womit Prof. Braun die Ansicht, unser Gebäude sei ein
jüdisches Bad, widerlegt zu haben vermeint, und wir gehen nunmehr daran,
dieselben der Reihe nach einer Prüfung zu unterwerfen.
1. Der erste Grund ist von der abschreckenden Beschaffenheit der tief unter
der Erde, unter schauerlichen Gewölben gelegenen Badestätte hergenommen. Nun
ist es wahr, düster und unheimlich ist der Ort und es konnte keine
Annehmlichkeit sein, in solchem Raume ein Bad zu nehmen. Allein für die
Juden war das Baden nicht, wie für die Römer, Sache des Luxus und des
Vergnügens; es war vielmehr die Erfüllung einer religiösen, auf ein milderes
Klima (?) berechneten Vorschrift, welche sie bewog, an so unheimlicher
Stätte sich ins Wasser zu begeben. Das Bad war eine gesetzliche Anordnung,
deren strenge Beobachtung tief in das eheliche Leben eingriff. Die Juden
mussten ein solches Bad haben, und erwägt man nun, wie die Lokalitäten
beschaffen waren, welche man ihnen zu bewohnen gestattete, so ergab es sich
von selbst, dass ihnen selten eine Wahl verblieb und sie jede Räumlichkeit,
mit welcher eine dem Gesetze genügende Wassersammlung verbunden war, nehmen
mussten, ohne andere Momente berücksichtigen zu dürfen. Die bekannten
Judenbäder zu Friedberg in der Wetterau
und zu Frankfurt am Main waren übrigens nicht minder tief und schauerlich,
als das zu Andernach. Ersteres, nach der Beschreibung Dr. C. Dieffenbachs
'ein einfach überwölbter, kellerartiger Raum, geht 93 Fuss tief in die Erde
und die Bodenfläche desselben ist gewöhnlich ungefähr 11 Fuß hoch mit
Quellwasser bedeckt.' Das Frankfurter wird in einem vom 17. September 1771
datierten Bericht des dortigen Bauamtes 'ein abscheuliches, schreckhaftes,
scheußliches Loch von fürchterlicher Tiefe' genannt (Anmerkung: Zur Zeit,
als die Quelle schon zugeschüttet worden, war es noch über 8,12 Meter tief).
'Dieses abscheuliche Loch', so berichten die Deputierten des Bauamtes,
empfängt seine ganze Beleuchtung durch ein oben an der Decke auf die Strasse
gehendes Keller- oder Tag-Loch, welches 2 1/2 Schuh breit und ebenso hoch
sein mag, aber ein so geringes Licht verschaffet, dass wir Nachmittags um 3
Uhr an einem hellen Tage 5 bis 6 Lichter nötig hatten, um sehen zu können,
und dennoch mit den Stöcken beständig vor uns her sondieren mussten, um
nicht einen gefährlichen Fehltritt zu tun . . . Die Tiefe dieses
schreckhaften Loches, die dicke Finsternis, welche darin herrschet, die
Kälte des Gewölbes und des Wassers, die Einsamkeit der Gegend, die
Entfernung von aller Hilfe müssen auch dem kühnsten Juden Entsetzen und
Grausen verursachen, zu geschweigen, dass schwache Weibsbilder, welche
mehrenteils allein diese Grube besteigen, von Frost und Schwindel
befallen, die schmale und steile Stiege hinabstürzen, entweder in den Geländern hängen bleiben, oder in das Wasser, wenn es auch, wie jetzo, am
niedrigsten, doch 5 Schuhe, also beinahe eine Mannes-Tiefe hat, stürzen und
also ohne Rettung elendiglich um das Leben kommen können.' Fürwahr, da hat
Direktor Euler wohl recht, wenn er seine Abhandlung über 'das alte Judenbad
in Frankfurt' mit den Worten schließt: 'Wenn in Andernach nicht andere
überwiegende Umstände gegen die Bezeichnung Judenbad streiten, so liegt
wenigstens in der abschreckenden Beschaffenheit des Orts nach den hier
gegebenen Schilderungen des ebenso schauerlichen Frankfurter und Friedberger
Judenbads kein Grund, diesem Bauwerke eine andere Bestimmung zuzuweisen.'
2. Aber die Unzuträglichkeit des kalten und dazu noch schmutzigen Wassers
für die Gesundheit?! Das Friedberger Judenbad wird nicht selten auch 'das
kalte Bad' genannt, weil das Wasser selbst im höchsten Sommer nie über 6 1/2
Grad Wärme hatte, und vom Frankfurter wird angegeben, dass die Judenfrauen
sich in dem obern Teile des Baues entkleideten, dann in ein großes wollenes
Tuch gehüllt bis zur Quelle hinabstiegen und sich rasch in dieselbe
eintauchten, wenn zuvor die begleitende Magd einen Zuber heißen Wassers in
die Quelle geschüttet, um das kalte Wasser derselben für einen Augenblick zu
erwärmen. Dazu kommt die auch von Braun nicht bezweifelte Tatsache, dass
anderwärts, wo keine eigenen Bäder zum Zwecke der Reinigung erbaut waren,
die Juden und Jüdinnen ohne Rücksicht auf die Jahreszeit und die Kälte des
Wassers ihrer Pflicht bald in Bächen und Flüssen, bald aber auch in tiefen
Löchern oder Brunnen im Keller genügten, welche gewiss nicht weniger schwer
zu reinigen waren. Derartige Bäder hatten allerdings oft genug Gefahren
für die Gesundheit im Gefolge, weshalb denn auch der Rabbiner Cohen auf die
Aufforderung der Königlichen Regierung zu Arnsberg im Jahre 1831 Vorschläge
zur Milderung der unter dem Einflüsse einer heißeren Zone gegebenen
Vorschriften und zur Beseitigung dieser Gefahren machte. (Anmerkung: H.
Cohen: Reinigungsordnung zum Gebrauche für Israeliten-Weiber. Rödelheim
1831).
3. Was drittens 'den Mangel an Wasser zur Sommerzeit' betrifft, 'wodurch das
Bad nicht selten im Jahre unbrauchbar sein soll', so kann es sich hier nur
um die Frage handeln, ob die in unserm Bade enthaltene Wassersammlung den
Vorschriften des Gesetzes genügte. Nun gehen die rituellen Bestimmungen des
allein als maßgebend zu betrachtenden Talmud (Traktat Mikwaoth, Jom. 31,1,
Jore Deah, Abschnitt 201) dahin, dass das Wasserbehältnis mindestens eine
Elle lang, eine Elle breit und drei Ellen tief sein und wenigstens drei
Kubikellen Quellwasser enthalten musste, damit beim Untertauchen der ganze
Körper und zwar in stehender Stellung, auch das Haar, vom Wasser bedeckt
würde (Anmerkung: Eine jüdische Elle betrug etwa über 1/2 Meter (genau
0,525 Meter). Wurde die Wassermasse geringer, so war eben das Bad
zeitweise für den Zweck der Reinigung unbrauchbar; man musste ein dem
Gesetze genügendes Bad in der Nachbarschaft benutzen oder sich bequemen zu
warten, bis das Wasser wieder gestiegen war. Hören wir nun, dass unser Bad
bedeutend größer ist, als eine Quadratelle und dass das Wasser desselben nur
selten weniger als zwei Meter tief ist, so erkennen wir, dass dasselbe der
Regel nach den gesetzlichen Vorschriften vollauf genügte. Sank aber das
Wasser einmal unter zwei Meter hinab, so war es gestattet, nahezu drei Log
oder 1/3 Kubikelle geschöpftes Wasser hinzuzugießen. Sonach war unser Bad
nicht, wie Dr. Braun |
behauptet,
häufig, sondern im Gegenteil sehr selten im Jahre zum Zwecke der Reinigung
unbrauchbar.
4. Wir kommen nun zur Beantwortung der von Braun aufgeworfen Fragen über die
Bedeutung der Gewölbe, der Öffnungen in denselben und der Zellen.
Dass das Judenbad nicht nach Art unserer Brunnen rundförmig, sondern
vierseitig gestaltet ist, haben wir bereits angegeben. Aus dieser
Beschaffenheit des Baues ergibt sich aber unseres Erachtens die Bedeutung
der Gewölbe von selbst. Sollten sie nicht dazu dienen, den unterirdischen
Mauern namentlich bei hohem Rheinpegel, beim Andrange des steigenden
Grundwassers größere Widerstandsfähigkeit und Dauerhaftigkeit zu verleihen?
Aber noch ein anderer Zweck der Gewölbe lässt sich anführen. Oft genug
nämlich steigt das Wasser im Bade mehrere Meter hoch, so dass die Benutzung
desselben schlechterdings unmöglich wäre, falls sich nicht in bestimmten
Zwischenräumen Gewölbe befunden, auf welche man ohne Gefahr in das darüber
stehende Wasser steigen konnte. Die somit durchaus nicht zweckwidrigen
Gewölbe mussten sodann, damit das ohnehin spärliche Licht nicht gänzlich
abgehalten werde, passende, und den Badenden selbstverständlich
ungefährliche Öffnungen haben. Endlich lag es nahe, die Zelle zwischen den
Gewölben zum An- und Auskleiden, was doch nicht füglich auf der Treppe
geschehen konnte, zu benutzen.
Wenn Braun in diesen Zellen schauerliche Totenkammern erblickt und bemerkt,
die Benutzung derselben, besonders nach dem Bade, würde jeder Arzt
entschieden missbilligen, so hat er freilich darin nicht unrecht. Ja nicht
nur gegen die Zellen, sondern überhaupt gegen die ganze Einrichtung würde
derselbe Arzt mit Fug und Recht Protest erheben. Trotzdem aber haben
nachweislich die Juden derartige Bäder gebraucht und gebrauchen müssen.
(Forts. folgt). |
Artikel in der Zeitschrift "Jüdisches Literaturblatt" vom 15. Juli 1887: "Das
Andernacher Judenbad. (Fortsetzung.)
5. Der letzte und von Professor Braun sichtlich als durchschlagend
betrachtete Grund ist die Lage des Gebäudes. 'Das fragliche Gebäude,' so
schreibt er S. 8, 'befindet sich mitten in der Stadt auf dem Hofe des
gegenwärtigen und wahrscheinlich unter dem frühem Rathause.' Für den letzten
Teil seiner Behauptung beruft er sich S. 9 auf — 'die Meinung der
Bürgermeisterei zu Andernach' und noch dazu S. 11 auf — 'den Bericht des
Pfarrers Dr. Rosenbaum im 18. Hefte der Jahrbücher des Vereins von
Altertumsfreunden im Rheinlande'. Gestützt auf diese doppelte, die weltliche
und geistliche Autorität, gelangt er dann zu folgendem Schlüsse: 'Es kann
somit nicht bezweifelt werden, dass das Judenbad unmittelbar mit dem alten
Rathhause verbunden war und einen Teil dieses städtischen Gebäudes bildete.'
Wie verhält es sich nun mit dieser Folgerung? Unsere Antwort lautet: Braun
hat sich durch die Berichte seiner Autoritäten irre leiten lassen. Das
Judenbad lag nicht unter dem alten Rathhause, war nicht unmittelbar mit
demselben verbunden und bildete keinen Teil desselben, sondern es lag, wie
noch gegenwärtig, im Hofe des Rathauses und hatte einen eigenen Eingang von
der Kramgasse aus, an welcher, wohlgemerkt! in nächster Nähe ebenfalls die
Judenschule oder Synagoge gelegen war. Das geht deutlich und klar aus
einigen im hiesigen Stadtarchiv befindlichen Schriftstücken des 15.
Jahrhunderts hervor, deren Inhalt wir im wesentlichen mitteilen. Wilhelm von
Cleberg und seine Frau Else vererbpaohten am 5. April 1407 an Johann
Hollender und dessen Frau Grete für 14 Mark Jahrzins den Schulhof mit dem
Backhaus in der Kramgasse hinter dem Rathause mit Ausnahme des Judenbades,
'den hoff mit dem Backhuisse genant der Schoilhoff so wie der gelegen is zo
Andernach in der Craemgassen hinder dem Raithuisse usgescheiden dat Judenbat.'
Der genannte Hollender verkaufte am 15. April 1426 der Stadt 'das Backhaus,
den Schulhof daran und zwei Hofstätten zwischen der Judenschule und dem an
das Rathhaus stoßenden Backhause nebst dem Ausgange in die Kramgasse,
ausgenommen das Judenbad, welches auch seinen Eingang aus der Kramgasse
behalten soll.' Am 31. Januar 1481 endlich verkaufen die Brüder Philipp und
Wilhelm von Cleberg der Stadt ihr Hofstättchen mit allem Zubehör in der
Kramgasse, das ehemals ein Judenbad gewesen ist, 'unse heeftstetgen, so wie
dat gelegen is bynnen Andernach In der Kraemgassen zusschen deme raithuiss
grasse, kirfftgen, Zecken und Wilcken van Segen und is vurmails gewest eyn
Jueden bat.' Die Lage des Backhauses und demnach des Schulhofes und des
alten Rathhauses lässt sich noch genauer bestimmen, wenn wir zwei spätere
Akten des Archivs in Betracht ziehen. Am 20. Juli 1690 verkaufte nämlich die
Stadt an Johann Stoll den öden Platz am Rathause, worauf das bei Verheerung
der Stadt durch die Franzosen am 30. April 1689 zugleich mit dem Rathause
zerstörte Backhaus gestanden. Hier baute nun Stoll ein Haus, welches seine
Erben am 9. Sept. 1731 dem Bäckermeister Molitor für 550 Reichstaler
überließen. Nach dem Kaufkontrakt lag es 'am Eck der Kramgasse und dem
Rathause' und ist ohne Frage das vom kürzlich verlebten Rentner Peter
Molitor der Stadt geschenkte und nunmehr von Herrn Joseph Weiss bewohnte
Haus. Wir werden somit nicht irren, wenn wir annehmen, dass sowohl das um
1411, als auch das um 1690 erneuerte Rathaus auf den Fundamenten des
früheren errichtet ist und denselben Raum einnimmt. Höchstens hat die Front
des früheren etwas zurückgestanden, eine Vermutung, die man auf den Umstand
gründen könnte, dass vor dem Rathause sich Brodhallen befanden. Im Jahre
1486 nämlich kaufte der Magistrat vom Kloster Marienstatt zwei Mark Erbzins
aus einer Brodhalle auf der 'Hoerstrasse vor dem neuen Rathause nächst an
dessen Türe nach der Kramgasse zu,' welche Halle der Stadtrat, als er das
neue Haus baute, hatte abbrechen lassen. Desgleichen erklärt im Jahre darauf
der Bäcker Engel von Aldenkirch, dass er sich mit dem Stadtrat wegen Zahlung
der drei Weisspfennige Erbzins an die v. Cleeberg aus einer wegen des Baues
des neuen Rathauses abgebrochenen Brodhalle auf der 'Heerstrasse' verglichen
habe. Auch vor dem im Anfange des 15. Jahrhunderts erneuerten Rathhause
befanden sich noch solche Hallen, denn bei der Reform der Bäckerzunft im
Jahre 1545 wurde festgestellt, 'dass die Bäcker die broithallenn vur dem
Raithauss deglichs mit feilenn kauf Ruokerm und wissbroit besetzen und uff
satzong des Raits feill gebenn.'
Aus den mitgeteilten Akten erhellt also aufs klarste, dass das Judenbad auf
dem Schulhofe neben dem Grasplatze des Rathhauses, in unmittelbarer Nähe der
Judenschule lag und einen besondern Eingang von der Kramgasse her hatte, wie
noch heutzutage. Die Kramgasse wird in Schriftstücken des 13. Jahrhunderts
als 'vicus mercatorum' bezeichnet, als Strasse der Kaufleute, ein Name, der
vermutlich auf die Handel und Geschäfte treibenden Juden als die
Hauptanwohner dieser Straße hindeutet.
Aus der Lage des Judenbades nicht unter, sondern nahe bei und hinter dem
Rathhause braucht man nun natürlich durchaus nicht zu folgern, dass die
Juden im Mittelalter die Herren der Stadt hätten sein müssen.
Wenn Professor Braun diesen Satz selbst beschränkend fortfährt: 'Sie,
nämlich die Juden, hätten mindestens eine Stellung in Andernach einnehmen,
hätten Freiheiten daselbst besitzen müssen, die ihnen sonst überall im
Mittelalter versagt waren,' so ist auch diese Folgerung übertrieben und
unzulässig.
Bis zur Zeit der Kreuzzüge galten ja bekanntlich in Deutschland die Juden
als unmittelbare Schützlinge des Reiches, so dass jede Beeinträchtigung
ihrer Rechte als Vergehen gegen das Reich angesehen wurde. Rücksichtlich
ihrer inneren Angelegenheiten hatten sie die Freiheit einer Corporation; sie
konnten sich als Gemeinden konstituieren, Gemeinden teilen oder
verschmelzen, ohne dass irgend eine Autorität sich einmischen durfte. Die
einzelnen Stände, Fürsten, Ritter und Städte erwarben das Recht, Juden zu
halten und zu schützen, oft als besonders wertvolles Lehen. Diese günstige
Lage der Juden änderte sich erst, als die Horden Gottschalks in Trier,
Emichos am Main sich gegen die wehrlosen Juden wandten und der Fanatiker
Rudolf in den Rheinlanden zur Verfolgung der Juden als Feinde der
christlichen Lehre reizte und solche Erbitterung hervorrief, dass nur die
kräftigsten Reden des herbeigeeilten h. Bernhard von Clairvaux und die Macht
König Konrads den Gehorsam und die Ordnung wieder herzustellen vermochten
(Anmerkung: Fr. von Raumer: Geschichte der Hohenstaufen I, 449).
Gleichwohl wiederholten sich bald darauf die Verfolgungen allenthalben. Auch
in Andernach wütete man gegen die Juden, zerstörte ihre Häuser und die
Synagoge, brach die erzbischöfliche Burg, wohin die Juden sich geflüchtet
hatten, und trieb dieselben aus der Stadt. |
Der
damalige Kölner Kurfürst aber, Siegfried von Westerburg, nahm sich der
ungerecht Vertriebenen an und übertrug die Schlichtung des Streites dem
Trierer Chorbischof Gerhard von Eppenstein, den Kölner Domherren Wilhelm und
Johann von Rennenberg und den Andernacher Schöffen. Diese erließen am Tage
Stephani Erfindung (3. August) des Jahres 1287 einen Schiedsspruch wider die
Stadt und Bürgerschaft mit nachfolgenden bemerkenswerten Bestimmungen,
welche uns über die Stellung und Freiheiten der Juden in unserer Stadt
belehren. (Fortsetzung folgt). |
Artikel
in der Zeitschrift "Jüdisches Literaturblatt" vom 22. Juli 1887: "Das
Andernacher Judenbad. (Fortsetzung.)
1. Ritter, Schöffen, Vorsteher (maiores) und Bürgerschaft sollen sich
eidlich verpflichten, die Juden Andernachs nach ihrem ganzen Vermögen zu
verteidigen, ihnen keinerlei Unbilde oder Gewalt anzutun oder von andern
antun zu lassen, vielmehr dieselben zu schützen sonder List und Betrug.
2. Wer irgend einen der Andernacher Juden, ohne dass dieser dazu Anlass
gegeben hat, beleidigt, verletzt, Hand an seine Person oder Habe legt, ihn
verwundet oder tötet, derselbe verfällt dem Erzbischof. Schultheiß und
Schöffen sollen ihn gefänglioh einziehen und verwahren, bis der Erzbischof
über seinen Körper und sein Eigentum verfügt hat.
3. Wenn einer der Ritter, Schöffen oder wer immer aus der Gemeinde jemand
schlägt, verwundet oder tötet aus dem Grunde, weil derselbe sich an den
Juden vergriffen hat, so soll er dafür straflos bleiben, damit ein jeder um
so bereitwilliger und hurtiger sei, die Juden in Schutz zu nehmen.
4. Ritter, Schöffen, reiche und arme Bürger sollen ihre Hausgenossen
abhalten, den Juden irgend eine Schmach oder Beleidigung zuzufügen.
Geschieht dies trotzdem, so soll weder der Hausherr, noch irgendein Bewohner
der Stadt den Übeltäter ins Haus aufnehmen, es geschehe denn mit Zustimmung
des Erzbischofs oder seines Schultheißen, nachdem der Exzess geziemend
gebüßt ist.
5. Schöffen und Vorsteher sollen die zur Beschimpfung der Juden
angefertigten Fahnen und Spottlieder unter bestimmter Strafe untersagen,
weil dergleichen zu Zwietracht Veranlassung gibt.
|
6.
Schöffen und Vorsteher werden unter Zuziehung des Schultheißen alle, bei
denen sich Gegenstände vorfinden, welche den Juden gehören, zur Restitution
anhalten.
7. Sämtliche Einwohner Andernachs, reich and arm, schuldig oder unschuldig,
sollen die zerstörten Häuser und Schulen (scolas!) der Juden, auch das
gebrochene Erbe des Erzbischofs bis zu Martini in dem Zustande
wiederherstellen, in welchem sie vordem gewesen sind.
8. Weil unser Herr große Kosten gehabt hat, einmal für die Hut der Burg,
wohin die Juden in ihrer Angst vor den Bürgern zur Erhaltung des Lebens sich
geflüchtet, zum andern während der mit der Stadt gepflogenen Unterhandlung,
so setzen wir fest, dass die Einwohner der Stadt Andernach dem Erzbischof
zur Entschädigung gutwillig darbieten sollen, was sie ihren Mitteln gemäß
für angemessen halten. Dann wird der Erzbischof nicht mehr von ihnen
verlangen, sondern gnädig und freundlich mit dem so Dargebrachten sich
begnügen.
9. Schöffen und Bürgerschaft sollen die von unserm Herrn den Juden in
Betreff ihrer Freiheiten ausgestellte und von ihm und dem Domkapitel
besiegelte Urkunde ebenfalls mit dem gemeinen Stadtsiegel bekräftigen.
10. Alle, welche von den Schöffen auf ihren Eid bezüchtigt sind, oder noch
bezüchtigt werden, an dem Bruche der erzbischöflichen Burg und der
Judenschulen sich beteiligt zu haben, sollen bis zum Tage nach Laurentius
die Stadt räumen und ohne unsere ausdrückliche Bewilligung niemals dahin
zurückkehren. Sollte einer der bezeichneten Übeltäter nach Ablauf dieser
Frist in Andernach zurückbleiben oder ohne unsere Erlaubnis dahin
zurückkommen, so werden Schultheiß, Schöffen und Vorsteher denselben
gefänglich einziehen und ihn lediglich auf das ausdrückliche Gebot unseres
Herrn freigeben. Auch sollen die Güter dieser Übeltäter unserm Herrn
verfallen sein; Schultheiß und Schöffen sollen dieselben mit Beschlag
belegen und nicht eher den ehemaligen Besitzern ausliefern, bis diese die
Erlaubnis erhalten haben, wieder nach Andernach zu ziehen. Sollte einer der
Übeltäter in seiner Hartnäckigkeit verharrend, bis zum Tage nach Laurentius
aus der Stadt nicht weggezogen sein, so werden Schultheiß, Schöffen und
Vorgesetzte ihn gefänglich einziehen und mit seiner Person und seinem
Eigentum von wegen unseres Herrn schalten und walten.
11. Wenn der mit dem Tage nach Laurentius geschlossene Termin abgelaufen
ist, so sollen Schultheiß, Ritter, Schöffen und Vorsteher die Juden unseres
Herrn wie befohlen ist.
12. Falls gedachte Bestimmungen nicht beobachtet werden, so sollen die dafür
bestellten Bürgen, sobald sie von uns gemahnt werden, zu Bonn einreiten und
dort so lange Einlager halten, bis alle obigen Bestimmungen erfüllt sind und
unser Herr Erzbischof die von den Andernachern erlittene Kränkung verziehen
hat.
Also geschehen zu Andernach in Gegenwart unseres Herrn Erzbischofs und
vieler andern glaubwürdigen Zeugen. (Fortsetzung folgt.). |
Artikel
in der Zeitschrift "Jüdisches Literaturblatt" vom 29. Juli 1887: "Das
Andernacher Judenbad. (Schluss)
Dieser in mancher Hinsicht merkwürdige Schiedsspruch zeigt, in welchem Grade
die Juden in Andernach des Schutzes des Kölner Erzbischofes sich er- freuten
und dass sie im Genusse von Freiheiten waren, die man ihnen anderwärts zu
damaliger Zeit vielfach entzogen hatte. Wie bedeutend ihre Gemeinde
hierselbst gewesen ist, bezeugen außer der Synagoge der Judenkirchhof an der
sog. Beun (Anmerkung: Beun oder Beunda, althochdeutsch biunda bezeichnet
ein eingehegtes Grundstück), die Judengasse (Anmerkung: Der
Ratsordnung vom Jahre 1591 zufolge lag die Judengasse, wohin die Juden aus
dem vicus mercatorum oder der Kramgasse sich verzogen hatten, nahe beim
Burgthor zwischen Schreibers- und Morssgasse und ist vielleicht die jetzige
Nonnengasse), der Judenturm zwischen dem Schaf- und Kirchtor, endlich
der Judenberg und Judenbüchel. Zu den Juden nahm die Stadt gerne ihre
Zuflucht, wenn es ihr an barem Gelde gebrach. Das beweisen die zahlreichen
von den Rittern, Schöffen, dem Rat und der Bürgerschaft den Andernachern
Juden Leyfmann (1300), Samuel (1365), Jakob von Guylghe (Jülich) (1365),
Anselm (1365), Vivus oder Vyvis von Broele (1383), Suyskind (1383),
Gumprecht (1388), Vyvelin Simons von Euskirchen Sohn (1389), Lemmelin
(1398), Salomon (1398), Jacob von Düren (1404), Caleman von Rodinberg
(1405), Hetgin und Frau Dultze (1428), Seligman (1441) u. A. ausgestellten
Schuldverschreibungen über mehr oder minder bedeutende Summen.
In Vorstehendem glauben wir die Gründe, welche nach der Meinung Dr. Brauns
der Bezeichnung unseres Gebäudes als eines Judenbades widerstreiten, zur
Genüge widerlegt zu haben. Daraus folgt freilich noch nicht, dass dasselbe
wirklich ein Judenbad gewesen ist, sondern nur, dass es ein solches gewesen
sein kann. Vergegenwärtigen wir uns nun aber zunächst die Verpflichtung der
Juden, abgesondert von den Christen*) in fliessendem Wasser zu baden, ferner
die Lage des Gebäudes in unmittelbarer Nähe der Judenschule oder Synagoge,
sodann die Aehn .chkeit desselben mit den Judenbädem in Frankfurt und
Friedberg und endlich den Umstand, dass dasselbe bereits 1407 unter dem
Namen Judenbad bekannt war und 1481 als Hofstättchen bezeichnet wurde,
'welches vormals gewest eyn Juodenbat': so scheint uns die Annahme, das in
Frage stehende Gebäude sei in der Tat, was der Name besagt, ein Judenbad
gewesen, wohlbegründet und gerechtfertigt zu sein.
Wenn Professor Braun gegen Schluss seiner Abhandlung seinerseits die
Behauptung aufstellt, das 'Judenbad' sei ursprünglich und von Anfang an ein
Verließ, ein unterirdisches Gefängnis gewesen, so hat er für seine Erklärung
nur Phantasie- und Wahrscheinlichkeitsgründe, welche jeder geschichtlichen
Grundlage entbehren.
Es mag ja sein, dass es im Mittelalter dergleichen unterirdische Kerker gab
und dass das 1885 beim Abbruche des Minoriten-Klosters zu Köln entdeckte
Gebäude ein solches Gefängnis in Wirklichkeit war. Darf man denn aus solchen
Tatsachen sofort die Folgerung ziehen: also war das Andernacher Judenbad
niemals ein Judenbad, sondern ebenfalls ein Gefängnis und nichts als ein
Gefängnis?! 'Lassen wir,' so schreibt Braun Seite 8, 'der Phantasie einen
Augenblick freien Spielraum, denken wir ans das vorhandene Denkmal nicht als
ursprüngliches Ganzes, sondern als den übrig gebliebenen Teil eines großen
Ganzen, als den untern Teil eines Rathausturmes, auf welchem der städtische
Wächter wohnte, von welchem er bei Nacht über Schloss und Stadt wachen, die
Ankunft von Freund und Feind, von Feuersbrunst und Wassersnot verkünden
musste, auf welchem er der Stadt durch sein Horn bei Tage die Stunde
auszurufen und ähnliche Zeichen zu geben hatte, dann verschwindet die
Schwierigkeit und das Ei des Kolumbus steht.' Wahrlich, ein schönes Spiel
der Phantasie! Das Ei des Kolumbus steht, um im nächsten Augenblick
umzufallen und zu zerschellen! Die Schwierigkeit verschwindet und sofort
erhebt sie sich wieder! Lag das Judenbad zwischen der Judenschule und dem
Grasplatze des Rathauses, wie ist es da denkbar, dass es der untere Teil des
Rathausturmes war, eines Turmes, von dem auch nicht die geringste Meldung
geschieht und nicht die kleinste Spur aufzufinden ist? Wie ist es zu
erklären, das 'dieser zum Rathhause gehörende Teil' im Jahre 1407 sich im
Privatbesitze eines Wilh. v. Cleberg befindet und die Stadt genöthigt ist,
denselben 1481 von den Erben des Cleberg zu kaufen? Dafür möchte selbst
Professor Braun schwerlich eine befriedigende Erklärung gefunden haben.
Erst, nachdem das 'Hofstättchen'
Eigentum der Stadt geworden, also erst nach 1481, ist dasselbe zum Gefängnis
eingerichtet und als solches benutzt worden. So wurde zum Beispiel am 15.
April 1585 Schuster Eberhard Winnenmacher, 'weil |
er
vol und dol gewesen, über die Gassen gelaufen als ein verdolter Mensch,
seine frau geschlagen, den Nachbarn allen Verdruss angetan, in den vollheit
vom Raidt in das Judenbad am Raidthaus in Haft gezogen und darnach in den
bürgerthurm geführt.'
Bevor wir unsere Abhandlung schließen, wollen wir noch einige die Juden zu
Andernach betreffende Nachrichten folgen lassen, welche immerhin ein
gewisses kulturhistorisches Interesse in Anspruch nehmen dürften."
|
Als Ort einer Judenverfolgung in der Pestzeit 1349 wird Andernach auch im
Memorbuch Buttenwiesen genannt
Anmerkung: aus einem Beitrag von Louis Lamm (Berlin): Das Memorbuch in
Buttenwiesen. In: Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums 45
1901 Heft 5 S. 540-549. Das Memorbuch Buttenwiesen ist wohl in der 1. Hälfte des
18. Jahrhunderts angelegt worden. Auch in weiteren kleinen jüdischen Gemeinden
finden sich ähnliche Memorbücher. Andernach wird z.B. auch im Memorbuch der
Gemeinde Pfersee genannt: Beitrag von Joseph Perles: "Das Memorbuch der Gemeinde
Pfersee": Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums 22 1873
Heft 11 S. 508-515 (Andernach wird S. 515 genannt).
Aus
dem o.g. Artikel von Louis Lamm in der "Monatsschrift für..." 1901 S. 546:
"...An diese Namen schließt sich eine Aufzählung von Städtenamen an, die
hier alphabetisch geordnet folgen möge. Im Memorbuch stehen diese Namen
weder in geographischer, noch in chronologischer Reihenfolge, weshalb hier,
um den Vergleich mit anderen Memorbüchern zu erleichtern, die alphabetische
Ordnung gewählt, und die Schreibart der Ortsnamen im Memorbuch genau
beibehalten wurde. In (Klammern) sind die jetzt üblichen Namenformen
beigesetzt.
.... ״ יזכור אלקים נשמת הרוגי ושרופי קהלות 'Gedenke, 0 Herr ! der Seelen
derer, die erschlagen und gemartert wurden in folgenden Gemeinden:
אובן (— Ofen), אוברלינגן (— Ueberlingen), אויגשבורג (= Augsburg), אולטינץ (=
Olmütz), איגלויא (= Iglau), אנדרנאך (= Andernach), אקפנפורט
(=Ochsenfurt), באזל (=Basel)..." |
Die Lage der mittelalterlichen Ansiedlung der Juden in Andernach (Beitrag von
1930)
Anmerkung: aus einem Beitrag von Alexander Pinthus: Studien über die bauliche
Entwicklung der Judengassen in den deutschen Städten. In: Zeitschrift für die
Geschichte der Juden in Deutschland. Heft 2 Juli 1930 S. 101-130.
Artikel
in der "Zeitschrift für die Geschichte der Juden in Deutschland" 1930 S.
109: "2. Andernach. Tafel II. 1. Um 1200. 2. - 3. Kramgasse. 4.
Gasse vom Markt zur Hauptstraße, außerhalb des römischen Kastells. — Kober
in 'Germ. Jud.' S. 11, zu 4. Plan in Renard, 'Städtebilder', und im Jahrbuch
des Vereins v. Altertumsfr. im Rheinland (Bonner Jahrbücher). Bonn 1905, Bd.
107. — 5. 1566 Verwendung zu städtischen Bauten. — C. Brisch: 'Gesch. d. J.
in Köln u. Umgebung aus ältester Zeit bis auf die Gegenwart", Bd. I, II
nebst Urkunden, Köln 1879/82 II. S. 219, u. Bonner Jahrbuch 1852. — 6.
Bereits 1129 mit Mauern umgeben, 1169 als Reichsstadt an die Kölnische
Kirche abgegeben. — Th. Ilgen. 'Die Entstehung der Städte des Erzstiftes
Köln am Niederrhein". Ann. d. hist. V. f. d. Niederrh. XXXIV, 1902, u.
Renard, 'Städtebilder", S. 93." |
Ausschnitt
der S. 128 des o.g. Beitrages: Lage der Judensiedlungen in Preßburg,
Andernach, Augsburg und Neuß - Angelehnt an Domfreiheit, Burg,
Marktsiedlung. |
Das "Judenbad" in
Andernach (Beitrag von 1909)
Abschnitt auf der Publikation von Wilhelm Schleyer: Bäder und Badeanstalten.
Leipzig. Verlag Carl Scholtze 1909.
Zum Lesen bitte
Textabbildungen anklicken |
 |
 |
 |
|
Seite 241
|
Seite 242
|
Seite 244 (243 enthält eine
Abbildung von Friedberg) |
Über die Überbauung eines Teiles der Judengasse mit dem Rathaus in Andernach
(Beitrag von 1930)
Anmerkung: aus einem Beitrag von Alexander Pinthus: Studien über die bauliche
Entwicklung der Judengassen in den deutschen Städten. In: Zeitschrift für die
Geschichte der Juden in Deutschland. Heft 3 Oktober 1930
Artikel
in der "Zeitschrift für die Geschichte der Juden in Deutschland" 1930 S.
206: "...Für das Stadtbild von viel größerer Bedeutung waren dagegen die
Lücken, die die Zerstörungen von Judenvierteln in die Bebauung rissen.
Sie waren willkommene Bauplätze, vor allem da, wo sie im Stadtzentrum lagen,
und die Judenerben waren oft Streitobjekte zwischen Kirche, Reich und Stadt.
Zum Teil wurden sie schon vor der Austreibung an adlige Herren verschenkt.
So entstanden die Herrenhäuser im einstigen Judenviertel (Rothenburg
o.T.). Nach der Austreibung im 15. Jahrhundert, wo die Juden
Schutzeigene des Rates waren, gab das Terrain, das der Stadt anheim fiel,
günstige Baustellen für öffentliche Gebäude. Auf solchem Baugrunde
entstanden das Rathaus in Andernach, der Marstall, das Gewandhaus und
die Fleischstände in Braunschweig, die Münze und das Templerhaus in
Hildesheim, der Marstall in Schweidnitz, die Moritzburg in Halle u. a. Vor
allem aber konnte man unbehindert von Einsprüchen der Eigentümer, wie sie
sonst wohl nach Bränden und Zerstörungen geltend gemacht wurden und
durchgreifende Neuanlagen verhinderten, hier in voller Bewegungsfreiheit
Straßenregulierungen und Platzanlagen vornehmen. So entstanden der
Rathausplatz in Köln — als erster seiner Art 'der Platz' genannt —, der
Judenschulhof wurde in Wien (1423) zum 'Neuen Platz" und in
Rothenburg o.d.T. zum 'Kapellenplatz',
in Regensburg bezeichnet der Neupfarrplatz den Ort der früheren jüdischen
Siedlung. Am großzügigsten wurde wohl in Nürnberg der Markt auf dem Platze
des Judenviertels angelegt..." |
Der Judeneid in Andernach
(Beitrag von 1887)
Artikel
in der Zeitschrift "Jüdisches Litteraturblatt" vom 2. September 1887: "Der
Judeneid in Andernach.
Von den ältesten Zeiten an war für die Juden eine eigene Eidesform in
ganz Deutschland in Gebrauch. Im hiesigen Schöffenbuch (Blatt 66 bis 67)
wird dieselbe folgendermaßen eingeleitet:
Judenaydt aus Ihrer Churfürstl. Gnaden zu Mainz Hofgerichtsordnung
Tit. 20. Vorred. Adonai ich ruffe dich und deinen heyligen
Nahmen und Allmächtigkeit an, dass du helfest bestetigen meinen aydt, den
ich jetz thuen soll, und wo ich unrecht und betrüglich schwehren werde, so
seye ich beraubt aller gnaden des ewigen Gottes und mir werden auferlegt
alle straffen und flüch, die Gott den verfluchten Juden auferlegt hat und
ich soll auch nicht teil haben an Messias, noch an dem versprochenen
Erdreich des heyligen landts. — Die Formel selbst hat nachstehenden
Wortlaut:
Aydt. Adonai, ein scheffer der Himmeln und des Erdtreichs und aller
Ding, auch mein und der Menschen, die hier stehen. Ich ruffe Dich an durch
deinen heyligen Nahmen auf diese Zeit zu der Wahrheit und schwehre bei
demselbigen, dass ich umb alles das, so ich in dieser Sachen befragt werde
und mir wissendt ist, ein recht lautere Wahrheit sagen und darin keinerley
falschheit, Verborglichkeit oder Unwahrheit gebrauchen will; also bitte ich
mir gott adonai zu helfen und zu bestätigen diese Wahrheit, wo ich aber
hierin einigen betrug und Vorhaltung der Wahrheit gebrauchen würde, seye ich
verflucht ewiglich und übergehe und zerstöre mich das feuer, dass Sodoma und
Gomorra überging und alle die flüch, so an der Thorah geschrieben steht und
dass mir auch der wahre gott, so laub und grass erschaffen hat und alle
ding, immer zu hülf noch zu statten komme in einigen meinen sachen und
nöthen; wo ich aber wahr und recht thun in dieser sachen, so helfe mir der
wahre Gott Adonai und nichts anders! (Niederrh. Geschichtstr. 1883)" |
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibung der Lehrerstelle für die "Spezial-Gemeinden"
Nickenich und Kruft (1869)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. September
1869: "Offene Lehrerstelle. Die Synagogengemeinde Andernach
beabsichtigt für die Spezial-Gemeinden Nickenich (statt: Zirkenich)
und Kruft einen israelitischen Religionslehrer gegen ein noch später zu
vereinbarendes gutes Gehalt anzustellen.
Qualifizierte Bewerber wollen ihre Bemerkungen bis zum 25. laufenden
Monats unter Anschluss ihrer Zeugnisse an den unterzeichneten Vorstand
einreichen.
Andernach, dem 10. September 1869.
Der Vorstand der Synagogen-Gemeinde zu Nickenich (statt: Zirkenich), Jacob
Kaufmann." |
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers (1873: zweier Religionslehrer) / Vorbeters / Schächters
1873 / 1882 /
1887 / 1890 / 1893 / 1894 / 1898 / 1906 /1929
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 22. April 1873:
"Annonce.
Für die Synagogengemeinde Andernach werden zwei Religionslehrer
gesucht. Reflektanten wollen sich an den Unterzeichneten werden.
Andernach,
den 6. April 1873. Der Vorstand der Synagogen-Gemeinde.
I.A. Simon Gottschalk." |
| |
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. März 1882:
"Für die israelitische Gemeinde Andernach wird per Juni die Stelle
eines Lehrers und Kantors vakant. Reflektierende Bewerber (unverheiratet)
belieben unter Angabe ihrer Zeugnisse sich an den Vorsteher Sim.
Gottschalk in Andernach zu wenden." |
| |
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Januar 1887:
"Für die israelitische Gemeinde in Andernach am Rhein ist die Stelle
eines Religionslehrers und Kantors vakant.
Qualifizierte und das inländische Staatsbürgerrecht besitzende
(unverheiratete) Persönlichkeiten wollen sich unter gefälliger Angabe
ihrer Gehaltsansprüche melden bei Sim. Kaufmann,
Andernach." |
| |
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. November 1887:
"Für die israelitische Gemeinde Andernach wird zum baldigen
Eintritt ein Religionslehrer und Kantor, welcher auch gleichzeitig
Schochet ist, gesucht.
Reflektanten (nur unverheiratete) wollen sich gefälligst bei dem
Unterzeichneten, unter Angabe ihrer Gehaltsansprüche und Einsendung ihrer
Zeugnisse melden.
Der Vorstand der Synagogen-Gemeinde. Simon Kaufmann." |
| |
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Januar 1890:
"Für die Synagogen-Gemeinde Andernach am Rhein wird per April 1890
die Religionslehrer-, Kantor und Schächterstelle vakant.
Seminaristisch gebildete und das inländische Staatsbürgerrecht
besitzende unverheiratete Bewerber wollen sich unter Angabe ihrer
Gehaltsansprüche und Einsendung ihrer Zeugnisabschriften bei dem
Unterzeichneten melden.
Andernach, 5. Januar 1890. Der Vorstand. J.A." |
| |
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. Juni 1893:
"Für die Synagogen-Gemeinde Andernach am Rhein ist zur
sofortigen Besetzung die Religionslehrer- und Kantorstelle vakant.
Seminaristisch gebildete und das inländische Staatsbürgerrecht
besitzende, unverheiratete Bewerber wollen sich unter Angabe ihrer
Gehaltsansprüche und Einsendung des Zeugnisses bei dem Unterzeichneten
melden.
Andernach, 18. Juni 1893.
Vorstand der Synagogen-Gemeinde Andernach. Der Vorsitzende: Sim.
Kauffmann." |
| |
| Bei der nachfolgenden Ausschreibung 1894
ist von Interesse, dass in Andernach auch ein Synagogenchor bestand
bzw. von dem Religionslehrer/Kantor künftig geleitet werden sollte. Die
Stellenausschreibung war nötig nach dem Weggang von Lehrer O. Dreyfuß nach
Mingolsheim. Allerdings meldeten sich
zunächst keine Bewerber, erneute Ausschreibungen bis Ende Juni im "Israelit"
und in "Jeschurun" (Stelle ist "immer noch vakant"). Wenig später erfolgte
die Neubesetzung mit Lehrer J. David. |
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. April 1894:
"Für die Synagogen-Gemeinde Andernach ist die Religionslehrer- und Kantorstelle vakant. Seminaristisch gebildete und das inländische Staatsbürgerrecht
besitzende unverheiratete Bewerber, die auch einen Synagogenchor
selbständig leiten können, wollen sich unter Angabe ihrer
Gehaltsansprüche und Einsendung des Zeugnisses bei dem Unterzeichneten
melden.
Andernach, 18. Juni 1893.
Vorstand der Synagogen-Gemeinde Andernach.
Der Vorsitzende: Sim.
Kauffmann.. |
| |
| Nach dem Weggang von Lehrer J. David
wurde die Stelle ab Oktober 1898 neu ausgeschrieben, allerdings nicht gleich
mit Erfolg. Erneute Ausschreibungen im Sommer 1899, u.a. im "Israelit" vom
3.7.1899. Auch im Januar 1900 gab es Ausschreibungen der Stelle, u.a. im
"Israelit" vom 18.1.1900. Gleichfalls Ausschreibung im März 1901
("Allgemeine Zeitung des Judentums" vom 29.3.1901).
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. Oktober 1898:
"Synagogengemeinde Andernach am Rhein. Die Stelle eines
Religionslehrers und Kantors ist per 1. Januar 1899 neu zu besetzen.
Bewerber wollen sich mit Zeugnissen und Gehaltsansprüchen gefälligst an
der Unterzeichneten wenden.
Der Vorsitzende: Albr. Weber." |
| |
| 1902 erfolgten nächste Ausschreibungen (u.a.
"Allgemeine Zeitung des Judentums" vom 5.9.1902); 1903/1905
wird Lehrer und Kantor M. Baum genannt ("Israelitisches
Familienblatt" vom 9.2.1905 und "Statistisches Jahrbuch deutscher Juden"
1905). Nächste Ausschreibungen im Februar / März 1905 (u.a. "Israelitisches
Familienblatt" vom 22.2.1905 und "Israelitische Wochenschrift" vom
3.3.1905). |
| |
1905/06 war mit dem Lehramtskandidaten
Abraham Reinhardt die Lehrerstelle provisorisch besetzt. Nachdem er am
Lehrerseminar Kassel die zweite Dienstprüfung erfolgreich bestanden hatte
(siehe unten), wurde er auf eine ständige Lehrerstelle besetzt.
Abraham Reinhardt ist am 1. September 1881 in
Wachenbuchen geboren als Sohn von
Joseph Reinhardt und seiner Frau Hannchen geb. Montag. Abraham Reinhardt
starb am 3. Mai 1937 in Köln-Ehrenfeld, wo er zuletzt als Volksschullehrer
war. Informationen nach
http://www.brüder-schönfeld-forum.de/Juden_W.htm und
https://online-ofb.de/famreport.php?ofb=juden_nw&ID=I112339&nachname=REINHARDT&lang=de
|
Anzeige im "Israelitischen Familienblatt" vom 13. April 1906: "Durch meine
Versetzung ist die Stelle eines
Religionslehrers und Kantors
in Andernach am Rhein zum 1. Mai frei. Einkommen inklusive
Nebeneinnahmen aus Filialunterrichte 2000 Mark. Bewerbungen an den Vorstand
erbittet Abraham Reinhardt, Lehrer." |
| |
| Nach dem Weggang von Dr. Alfred
Veis nach Hamburg war die Stelle neu zu besetzen: |
Anzeige
in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des "Central-Vereins") vom 25. Januar 1929:
"In unserer Gemeinde ist die Stelle eines
Lehrers, Vorbeters und Predigers
neu zu besetzen. Die Besoldung erfolgt nach Gruppe 7. Reichsdeutsche
Herren mit abgeschlossener seminaristischer Vorbildung belieben Offerten an
den Unterzeichneten zu senden.
Vorstand der Synagogengemeinde Andernach a. Rh.
Der Vorsitzende: G. Lichtenstein." |
Kritik an einer durch Lehrer
Moritz Abraham aus Andernach in Nickenich durchgeführten
Hochzeit (1891)
Anmerkung: nach traditionellen jüdischen Vorschriften sollen drei Wochen vor
dem Trauer- und Fasttag des 9. Aw keine Hochzeiten gefeiert werden. Auch ist -
mindestens ab dem 1. Aw - der Genuss von Wein und Fleisch verboten.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. August 1891: "Mayen.
Zur Charakterisierung der traurigen religiösen Verhältnisse auf den
kleineren Ortschaften, möge es vielleicht von Interesse sein,
veröffentlicht zu werden, dass am verflossenen Mittwoch Rosch Chodesch
Aw (= 1. Aw) in dem eine Stunde von Andernach entfernten Dorfe
Nickenich eine Hochzeit stattgefunden hat, und dass der Lehrer Abraham in
Andernach (jüdischer Religionslehrer), welcher seine Ausbildung in einem
orthodoxen Lehrerseminar erhalten hat, als Baal Kiduschin
(Trauender) fungiert hat, welcher, nebenbei bemerkt, die Erlaubnis zur
Abhaltung der Hochzeit an Rosch Chodesch Aw soll erteilt haben.
Welche Zukunft für Kinder, welche bei solchen Lehrern Religionsunterricht
genießen!" |
Über Lehrer Moritz Abraham (1890 bis 1893 Lehrer in Andernach) (Beitrag von 1930)
Anmerkung: Lehrer Moritz Abraham trat am 1. April 1890 ins Schulamt. Seine erste
Stelle war in Andernach, wo er bis 1893 blieb. Danach war er Lehrer an der
jüdischen Volksschule in Kettwig (NRW), bis er 1898 an die jüdische Volksschule
in Essen wechselte. Hier blieb er bis zu seinem Ruhestand Anfang der
1930er-Jahre, zuletzt als Rektor der Volksschule.
Artikel in "Blätter für Erziehung und Unterricht" vom 27. März 1930: "Ein
Jubilar,
der sich jede Ovation zu seinem Ehrentage verbeten haben würde, wenn er
geahnt hätte, dass man ihm den schuldigen Tribut zu zollen beabsichtigt, ist
unser Freund, Rektor Moritz Abraham in Essen. Er möge mir die
Indiskretion verzeihen, wie er mir schon manche Neckerei vergeben hat von
jenen Tagen an, da wir als Knaben oft in enger Stube über Mischnah oder
Gemarah beisammen saßen. Die Jahre sind dahin geeilt, Altersschnee liegt auf
unseren Häuptern, verjüngende Erinnerung macht uns oft noch froh. —
Am 1. April 1890 trat Abraham ins Schulamt, er war dafür prädestiniert,
Vater und Vorfahr hatten als Lehrer sich bewährt. In zwei kleinen
rheinischen Gemeinden (Andernach und Kettwig) erwarb der junge
strebsame Lehrer durch wertvolle Veröffentlichungen Anerkennung, die ihm
eine Berufung an die jüdische Volksschule nach Essen, als dort 1898 die
dritte Lehrerstelle errichtet wurde, eintrug. Hier fühlte er sich in seinem
Elemente wie ein Fisch im Wasser. Unbeschwert durch die Lasten irgend eines
Nebenamtes, das in kleinen Gemeinden der jüdische Lehrer, ob's ihm liegt
oder nicht, mitversehen muss, konnte er sich ganz dem Dienste an der Schule
und ihrer Jugend hingeben. Mit wahrem Bienenfleiße arbeitete er sich in
Materie und Methodik ein und bereitete sich in gewissenhaftester Weise auf
jede Unterrichtsstunde vor; und was er in jungen Jahren geübt und getan, mag
der alte Praktikus noch heute nicht entbehren, unvorbereitet erscheint er
vor seiner Klasse nie. Frohgemut und heiteren Gemütes tritt er jeden Morgen
seinen Schulweg an, und wenn er müde und abgespannt von anstrengender
Tätigkeit heimkommt, erlangt er bald neue Frische und Freudigkeit in seiner
reichhaltigen Bücherei bei der Arbeit für die Schule. Wer mit solchem Eifer
und Ernste sein Werk vollbringt^ dem fehlt nicht der Erfolg, und Achtung,
Wertschätzung und uneingeschränkte Verehrung begegnen ihm allüberall. Als
1921 die Rektorstelle an der inzwischen sechsstufig gewordenen Schule
besetzt werden musste, suchte man nicht in weiter Ferne nach einem
Kandidaten, der durch Ablegung entsprechender Examina per se geeignet
schien, man erblickte vielmehr die Eignung in Tugenden, die den Lehrer und
Menschen zieren: in der Begabung mit der Jugend zu verkehren, in der Liebe
und dem Verständnis für die Schule, in dem reichen Wissen, das Anregung
bringt, in der Vornehmheit des ganzen Wesens, das würdevoll auftritt und
ausgleichend wirkt. So begegneten sich Schulbehörde, Lehrerkollegium,
Rabbiner und Gemeindevertretung in dem Wunsche, Abraham an die Spitze der
Schule zu stellen.
Er rechtfertigte das in ihn gesetzte Vertrauen. Zunächst sammelte er die
jüdischen Schüler aus dem weiten Stadtgebiet. Bald waren die Räume in der
Geerlingstraße zu eng, man zog nach der Dreilindenstraße um und seit einiger
Zeit wohnt die jüdische Schule mit einer evangelischen freundnachbarlich in
einem großen, modern ausgestatteten Schulbau in der Sachsenstraße unter
einem Dache. In das Schuljahr 1930/31 wird die jüdische Schule zu Essen mit
zehn Klassen eintreten, sodass die Säkularfeier im Juli dieses Jahres soviel
voll besetzte Klassen begehen können wie bei Eröffnung der Schule vor
hundert Jahren etwa Schüler vorhanden gewesen sein mögen.
Mit allen seinen Kollegen und Kolleginnen verbindet ihn ein angenehmes
Freundschaftsverhältnis. Niemals könnte es ihm in den Sinn kommen, in
überheblicher Weise auf seine Stellung zu pochen; wenn es aber gilt,
schützend für jemanden einzutreten, tut er es mit der ganzen Autorität
seiner Persönlichkeit. Er setzt nicht Erfolge auf sein Habenkonto, um mit
Misserfolgen das Schuldkonto anderer zu belasten, jedem gönnt er das Seine.
Nicht erschöpft er sich in kleinlichen Äußerlichkeiten und verliert darüber
den Blick auf ein großes Ziel. Jeder mag sich in seiner Klasse nach
Herzenslust ausleben, soweit die Einheit des Organismus es verträgt. Die
Wahrung dieser Einheitlichkeit liegt in seiner Hand, aber in tief erfasstem
Sinne echter kollegialer Schulleitung, weiß er jeden mitverantwortlich zu
machen für das Gelingen des Ganzen. So hat er einen wohltuenden Wetteifer
unter allen an der Schule Mitwirkenden geweckt, der beharrlich dem Ziele
einer Mittelschule zustrebt. Von der Einrichtung wahlfreien Unterrichts in
Gartenbau, Maschinenschreiben, Stenographie und englischer Sprache machen
immer mehr Schüler und Schülerinnen Gebrauch.
Von ehrlichem Willen beseelt, einem großen, heiligen Werke zu dienen, ist
seine Forderung nach Pflegschaftsbezirken für den Religionsunterricht
entsprungen, deren Durchführung segenbringend werden müsste und zur
Erneuerung auf religiösem Gebiete führen könnte. Kleinliche Furcht vor
Schmälerung des eignen Ansehens halten die Verwirklichung der Idee in
manchen Kreisen hintan.
Solch zielgerichtete Arbeit macht Abraham zum Führer geeignet. Obwohl er an
unserem Vereinsleben stets regen Anteil nahm und es zu befruchten verstand,
waren seine Bedenken, es könne der Schularbeit Abbruch geschehen, doch nicht
leicht zu überwinden, ehe er sich entschloss, im Jahre 1912 den Vorsitz in
unserm Verein zu übernehmen. Er tat es schließlich in dem Gedanken, dadurch
auch der Schule dienen zu können. Im vergangenen Frühjahre trat er von der
Vereinsleitung wieder zurück, weil er seine letzten Amtsjahre ganz der
Schule weihen möchte. Unter seiner Leitung wurden die Bezirkskonferenzen
ausgebaut, Arbeitsgemeinschaften errichtet und wertvolle Arbeit in
Kommissionen — es sei nur an die Lehrplankommission erinnert — geleistet. Im
Vorstande der jüdischen Lehrervereine im deutschen Reiche wie auch im
Ausschüsse des Verbandes rheinischer Synagogengemeinden, in den er berufen
ward, erwies er sich stets als ein treuer Hüter und Förderer der jüdischen
Volksschule, wo und solange die Gemeinschaftsschule nur eine auf dem Papiere
stehende Forderung ist. Auch für Lehrer- und Beamteninteressen hat er sich
in diesen Gremien kraftvoll eingesetzt. Seit fast einem Vierteljahrhundert
bekleidet er in Essen das Amt eines Repräsentanten. Als 1920 die völlige
Neuordnung der Beamtenverhältnisse vor sich ging, hat er sich um eine
würdevolle und angemessene Besoldung der Beamten der Essener Gemeinde
bemüht, die engen vom Staate gezogenen Grenzen, wo es nötig erschien,
überschreitend. Er konnte das wagen, ohne den Vorwurf fürchten zu brauchen,
dass er pro domo wirke. Abraham hat in der Essener Gemeinde nie ein
bezahltes Nebenamt bekleidet. So selbstlos handeln nicht immer Beamte, oft
neiden sie andern die Überholung ihres eignen Einkommens. — Wenn Interesse
und Opferwilligkeit für die Städtische jüdische Schule in Essen bei den
Kollegien der Synagogen-Gemeinde besteht, obwohl sie auf Leitung und
Gestaltung der Schule kaum noch Einfluss haben, so ist es Abrahams
Verdienst, es geweckt und gepflegt zu haben.
Mit Genugtuung darf unser Jubilar auf ferne vierzigjährige Tätigkeit
zurückschauen. Sie ist reich an Segenvollem und Wohltuendem; und wenn er in
seiner Bescheidenheit es nicht zugestehen mag, so soll er nicht ungehalten
sein, wenn andere es offen anerkennen, dass er zu dem Fortschritte auf
schulischem Gebiete wie auf dem Gebiete der Lehrerbildung, der
wirtschaftlichen und sozialen Besserstellung des Lehrerstandes sein gut Teil
beigetragen hat.
Wir danken's ihm und werden's nicht vergessen. Und wenn er nächstens zu mir
nach Pensionopolis kommen will, wollen wir ganz der Erinnerung mitsammen
leben; seine ist reicher und wertvoller als meine. Möge sie ihm noch viele
Jahrzehnte seines Lebens verschönen. dt." |
Lehrer Dreyfuß wechselt
nach Mingolsheim (1894)
Anmerkung: Lehrer O. Dreyfuß war nur kurze Zeit nach dem Weggang von Lehrer
Moritz Abraham in Andernach. Möglicherweise stammte er aus Malsch (KA) und ist
zunächst zurück zu seiner Familie, da es dort mehrere Familien Dreyfuß gab
(Mitteilung vom 27.4.1894). Danach war er für ein paar Monate Lehrer in
Bad Mingolsheim (Mitteilungen in "Jeschurun"
vom 4.5. und 16.11.1894).
Mitteilung
in der Zeitschrift "Jeschurun" vom 27. April 1894: "Herr Lehrer Dreyfuß
hat sein Amt in Andernach aufgegeben und ist nach Malsch (Baden)
verzogen. Die Tragödie, die auch dieser Amtsniederlegung zu Grunde liegt,
ist vor einiger Zeit in 'Katheder und Kanzel' (anonym) mitgeteilt worden." |
| |
Mitteilung
in der Zeitschrift "Jeschurun" vom 4. Mai 1894: "Personalien. Versetzt die
Herren: - Dreyfuß von Andernach nach
Mingolsheim." |
Unter den Gefallenen des Ersten Weltkrieges ist auch
Lehrer Josef Isenberg von Andernach (1914)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 16. Oktober 1914: "Von jüdischen Beamten, die in den Krieg
gezogen, sind auf dem Felde der Ehre gefallen: Lehrer Max Strauß
von der Israelitischen Religionsgesellschaft in München (aus Hofheim
stammend); Lehrer H. Isenberg von Andernach am Rhein; Lehrer
Benno Rosenstock, Lehrer und Kantor in Wiesbaden;
Lehrer Ludwig Neumann an der städtischen Gemeindeschule in
Frankfurt am Main; Lehrer John Horwitz in Koesfeld, Westfalen. Der
Sekretär der Berliner jüdischen Reformgemeinde, Lehrer H. Blumenthal,
wurde in den Kämpfen an der Ostgrenze leicht verwundet."
|
Vorübergehend als Lehrer in Andernach: Lehrer Hermann Hirsch (1914)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 13. März 1930: "Coburg.
(Amtsjubiläum) Am Sabbat, dem 6. März, beging Prediger Hermann
Hirsch, der auch ein eifriger Mitarbeiter des 'Israelitischen
Familienblattes' ist, in Coburg sein 25-jähriges Amtsjubiläum als Prediger
und Lehrer. Ein ausgezeichneter Schüler des Kasseler Seminars, bekleidete er
einige Zeit die Kantorstelle in Kassel selbst, kam dann nach Andernach a.
Rh. und im Jahre 1914 nach Coburg als
Prediger und Lehrer, wo er sich größter Beliebtheit erfreut. Während des
Weltkrieges diente Prediger Hirsch eine Zeitlang an der Front und dann als
anerkannter und beliebter Feldprediger. Der Jubilar genießt besonders als
moderner Pädagoge den besten Ruf und genießt auch in nichtjüdischen Kreisen
größtes Ansehen." |
Abschied von
Lehrer Dr. Alfred Veis (Lehrer in Andernach von 1914-1928) und Begrüßung in
Hamburg (1928/29)
Dr.
Alfred Veis ist am 21. September 1893 in Stuttgart geboren. Er war als
Nachfolger des gefallenen Lehrers Josef Isenberg in Andernach als Lehrer und
Kantor tätig. 1928 wechselte er zur Tempelgemeinde in Hamburg
https://de.wikipedia.org/wiki/Israelitischer_Tempel_(Hamburg). Im Hamburger
Tempelverband war er akademischer Religionslehrer und stellvertretender Rabbiner
im Israelitischen Tempel in der Poolstraße - ab 1929 als Stellvertreter von
Rabbiner Bruno Italiener. Seit 1936 war Dr. Veis am Israelitischen Krankenhaus
in Hamburg tätig sowie gleichfalls Direktor der Zentralwohlfahrtsstelle der
Juden in Deutschland (ZWSt). 1938 wurde Dr. Veis in das KZ Sachsenhausen
verbracht, dort jedoch wieder entlassen, vgl.
https://www.ushmm.org/online/hsv/person_view.php?PersonId=8517665. Dr.
Alfred Veis konnte noch 1939 in die USA emigrieren, wo er sich Alfred Vise
nannte und wieder als Rabbiner tätig war: 1939-1945 in Clarksville TN, 1945-1957
als Chaplain bei der Blytheville Air Force Base in Blytheville AR sowie als
Rabbiner als Temple Israel in Blytheville. Er starb 1957 in Blytheville, Ark.
https://mira.geschichte.lmu.de/10209.
Vgl. einen Artikel zu seinem Sohn Harry Vise und zu seiner Enkelin
Joyce Vise
https://eu.tennessean.com/story/news/local/wilson/2020/01/24/holocaust-survivor-harry-vise-cumberland-university-joyce-vise-texas-boot/4554659002/
Das Foto links: Quelle
https://www.isjl.org/arkansas-blytheville-temple-israel-encyclopedia.html
Artikel
in der "Jüdisch-liberalen Zeitung" vom 28. Dezember 1928: "Andernach.
(Abschiedsfeier für Dr. Veis). Der langjährige Religionslehrer der
israelitischen Gemeinde verlässt demnächst seinen hiesigen Wirkungskreis, um
nach Hamburg überzusiedeln. Die Gemeinde würdigte die verdienstvolle Arbeit
Dr. Veis durch eine besondere Abschiedsfeier, bei der Vorsteher Lichtenstein
dem Scheidenden Worte des Dankes und der Anerkennung widmete. Im Namen des
Repräsentantenkollegiums sprach Apotheker Heimann herzliche Abschiedsworte,
ebenso Herr Windmüller namens des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten. Der
Jüdische Frauenbund ließ durch seine Vorsitzende, Frau Apotheker Heimann,
ein wertvolles Abschiedsgeschenk überreichen. Dr. Veis dankte allen Rednern
und Freunden mit bewegten Worten für die ihm bereitete Sympathiekundgebung."
|
| |
Artikel
in der "Deutsch-Israelitischen Gemeinde zu Hamburg" vom 10. Januar 1929:
"Auch von der Tätigkeit des Herrn Dr. Alfred Veis, von dessen Wahl
zum akademischen Religionslehrer und Stellvertreter des Rabbiners des
Tempelverbandes wir jüngst berichteten und der inzwischen sein Amt
angetreten hat, erwartet unsere Gemeinde viel für die ihm anvertraute
Jugend. Herr Dr. Veis wurde am 21. September 1893 in Stuttgart
geboren und kam in jungen Jahren bereits nach Köln, wo er die Volksschule
und dann das Realgymnasium besuchte. In Köln und in Bonn oblag
er später seinen akademischen und jüdisch wissenschaftlichen Studien, die
ihn auch auf das Gebiet der vergleichenden Religionsgeschichte führten.
Diesem gehört auch die Dissertation an, auf Grund deren er 1913 in Bonn zum
Doktor promoviert wurde: 'Mythen über die Entstehung des Todes in den
Religionen der Primitiven.' Zur gleichen Zeit übernahm Herr Dr. Veis das Amt
des Predigers und Religionslehrers der Synagogen-Gemeinde Andernach,
in welcher er bis zu seinem Fortgang nach Hamburg, also insgesamt 14 Jahre,
gewirkt hat. Herr Dr. Veis hat es in dieser Zeit verstanden, in seiner
amtlichen und nichtamtlichen Tätigkeit sich bei Juden und Nichtjuden hohe
Achtung zu erringen, und hat durch sein Wirken namentlich zur Hebung des
Ansehens seiner Gemeinde und zur Wahrung des konfessionellen Friedens in
Andernach beigetragen. Das kam insbesondere an dem Tage der Andernachschen
Nachbarschaften, einem rheinischen Feste, das in Andernach am 21. Oktober
vorigen Jahres stattfand, zum Ausdruck: in dem ausführlichen Bericht der
dortigen Zeitungen über das Fest wird die Rede des Herrn Dr. Veis
ausführlich wiedergegeben. Die Wertschätzung, deren er sich erfreute, kam
bei der ihm zu Ehren veranstalteten Abschiedsfeier zu beredtem Ausdruck.
Vertreter des Vorstandes, des Repräsentanten-Kollegiums, des Reichsbundes
jüdischer Frontsoldaten und des Israelitischen Frauenvereins kamen auf
dieser Feier zu Worte. Auch die höheren Schulen, die Bezirks-Gemeinden, der
jüdische Jugendverband, dessen Leiter Herr Dr. Veis war, die paritätischen
Gesangs-Vereine der Stadt und die Provinzial-Heil- und Pflege-Anstalt
widmeten ihm Abschiedsfeiern." |
Der Prediger Martin Stiebel aus Berlin wird Nachfolger für Dr. Alfred Veis
(1929)
Artikel
im "Israelitischen Familienblatt" vom 24. April 1929: "Andernach. Die
Synagogengemeinde Andernach, deren Predigerstelle durch die Berufung von Dr.
Veis nach Hamburg einige Monate verwaist war, hat zum Nachfolger den
Prediger Martin Stiebel aus Berlin gewählt, der bereits sein Amt
angetreten hat." |
Lehrer
Martin Stiebel berichtet über eine Palästinareise (1930)
Artikel
in der "Jüdischen Rundschau" vom 26. September 1933: "Koblenz. Der
Reichsbund jüdischer Frontsoldaten veranstaltete am 18.9. einen
Vortragsabend des Herrn Lehrer Stiebei (Andernach) über 'Eindrücke
einer Palästinareise 1933'. Der Vorstand des R.J.F. halte sich zur Wahl
dieses Vortrags entschlossen, weil er der Auffassung war, dass der Aufbau
Palästinas heute keine Parteiangelegenheit mehr ist, vielmehr jeden Juden,
gleich welcher Richtung, angeht. Daß diese Auffassung heute in weiten
Kreisen des deutschen Judentums geteilt wird, bewies die außerordentlich
große Teilnehmerzahl von 230 Personen, die auch nur annähernd bei keiner
jüdischen Veranstaltung der letzten Jahre in Koblenz zu verzeichnen war. Dem
Redner gelang es, den Zuhörern ein anschauliches Bild vom augenblicklichen
Stand des Palästina-Aufbauwerks zu vermitteln. Der Vortrag fand starken
Beifall und wird in nächster Zeit in einigen ländlichen Nachbargemeinden
wiederholt." |
Aus dem jüdischen Gemeindeleben
Schwierigkeiten innerhalb des Synagogenbezirks Andernach (1893)
Anmerkung: in diesen Artikeln erfährt man von der Gründung des
"Synagogenbezirks Andernach" 1866 - zu dem die Kleingemeinden
Andernach, Kruft, Miesenheim, Nickenich und Saffig gehörten. Allerdings gab es
alsbald Schwierigkeiten.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. Dezember 1892: "Andernach,
7. Dezember (1891). Ein eigentümlicher Vorfall passierte, wie die
"Deutsche Reichszeitung" erfährt, kürzlich in der Synagoge in Saffig
(statt Sassey). Während des Gebetes am Sabbat betrat plötzlich der
Polizeidiener R. die Synagoge; das Synagogen-Vorstandsmitglied K. ging auf
den Vorbeter zu und ersuchte ihn, im Gebete aufzuhören, da der
Polizeidiener eine Mitteilung zu machen. Dieser forderte hier 'im Namen
des Gesetzes' drei der Anwesenden, namens Simon, Jonas und Marcus K. auf,
die Synagoge sofort zu verlassen, ihre Bücher mitzunehmen, und nicht eher
wieder das 'Lokal' zu betreten, bis ihnen Weiteres mitgeteilt werde. Die
Betreffenden leisteten der Aufforderung Folge, worauf der Polizeibeamte
sich ebenfalls wieder entfernte. Veranlassung zu der außergewöhnlichen
Maßregel soll die Weigerung der drei Ausgewiesenen, zu den Kultuskosten
beizutragen, gewesen zu sein." |
| |
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. Januar 1893: "Andernach,
22. Dezember (1893). Ihr geschätztes Blatt veröffentlichte jüngst die
bereits durch mehrere Zeitungen verbreitete Nachricht von der Ausweisung
dreier Synagogenbesucher aus der Synagoge in Saffig. Da nun der
angegebene Grund dieser außergewöhnlichen Maßregel nicht ganz der
Tatsache entspricht, und zu irrigen Auffassungen Anlass geben könnte,
teile ich Ihnen in Folgendem den Beweggrund zu diesem Einschreiten
mit.
1866 bildete sich hier auf Grund des Gesetzes vom 23. Juli 1847 der
Synagogenbezirk Andernach, bestehend aus den Spezialgemeinden Andernach,
Kruft, Miesenheim,
Nickenich und Saffig. Des Segens und der
Vorteile dieser Einrichtung sollte sich die junge Gemeinde nicht lange
erfreuen, denn sofort mit Inkrafttreten des Gesetzes betreffend 'den
Austritt aus jüdischen Synagogengemeinden' sind mit einemmal 23
Gemeinde-Mitglieder angeblich aus religiösen Bedenken, aus dem
Synagogenbezirk ausgetreten. Hiermit war das Todesurteil für den Bezirk
vollzogen; die noch verbliebenen Mitglieder reichten nicht mehr aus, um
Vorstand, und Repräsentanten zu wählen.
Die Zustände wurden nun vollständig unhaltbar, namentlich mangelte es
den Kindern ganz und gar am Religionsunterricht, weil eben niemand mehr
verpflichtet werden konnte, zu den Lasten eines Religionslehrers
beizutragen, und so verblieb es bei diesem Zustand bis 1889, wo es mir
gelungen, für die nicht ausgetretenen Mitglieder des Bezirkes auf Grund
des Ministerial-Reskripts vom 1. Juli 1879 die Synagogengemeinde Andernach
(dies ist der Name des Bezirks) wieder zu bilden.
Nach der nunmehr geschehenen Neubildung der Synagogengemeinde
Andernach,
wurde sofort für den Bezirk die Anstellung eines Religionslehrers
veranlasst.
Die hieraus erwachsenen Kosten gaben den noch verbliebenen Mitgliedern der
Landgemeinden Veranlassung, ebenfalls wegen 'religiösen Bedenken' aus der
Synagogengemeinde auszutreten, sodass in 3 Ortschaften nur noch ein
Gemeindemitglied existierte. Nachdem nun mangels Gemeindemitglieder die
Spezialgemeinden Saffig, Miesenheim und
Kruft als nicht mehr zu
Recht bestehend zu betrachten waren musste der Vorstand des
Synagogenbezirks Andernach zum Schutze des Eigentums für etwa sich
später wieder bildende Spezialgemeinden Maßregeln treffen; diese
bestanden darin, dass auf Ansuchen des Vorstandes zufolge Entscheidung des
Königlichen Regierungspräsidenten zu Koblenz vom 18. November 1891 vom
Vorstande die Synagogen in Saffig, Miesenheim und
Kruft am 13.
Januar 1892 geschlossen wurden.
Nach der Zurückweisung einer Zivilklage wegen Besitzstörung seitens der
Krufter Judenschaft gegen den Vorstand des Synagogenbezirks, sind nach und
nach die Mitglieder dem Bezirk wieder beigetreten, und gehören nun mit
Ausnahme der Juden aus Kruft, eines aus Miesenheim, und der drei aus
Saffig
aus der Synagogen Ausgewiesenen, wieder sämtlich dem Synagogenbezirk
Andernach an, und konnten somit die Synagogen in Saffig und
Miesenheim
wieder ihren Spezialgemeinden übergeben werden.
Diese drei Herren in Saffig besuchten nun trotz ihrer 'religiösen
Bedenken' vor wie nach in regelmäßiger Weise den Gottesdienst, ohne zu
den Kultuskosten beizutragen.
Diesem Gebaren musste der Vorstand ganz entschieden entgegentreten,
weshalb denn die Ausweisung besagter drei Herren aus der Synagoge in Saffig
in der von Ihnen geschilderten Weise erfolgte. Simon Kaufmann,
Vorsitzender des Vorstandes." |
Schwierigkeiten bei der Beisetzung von jüdischen
Patienten der Irrenanstalt in Andernach (1878)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. September 1878:
"In dem von hier einige Stunden entfernten Städtchen Andernach am
Rhein befindet sich bereits seit vielen Jahren eine Irrenanstalt, welche
in jüngster Zeit mit der Provinzial-Heil- und Irrenanstalt verbunden
wurde. In derselben befinden sich leider sehr viele jüdische Kränke. In
früheren Jahren wurde bei einem eingetretenen Sterbefalle eines solchen,
sofort die jüdische Gemeinde in Andernach hiervon benachrichtigt und die
Leiche alsdann auf dem jüdischen Begräbnisplatz in Miesenheim beerdigt.
Dieser ist eine halbe Stunde von Andernach entfernt. In letzterer Zeit hat
die jüdische Gemeinde in Andernach sich einen eigenen Begräbnisplatz akquiriert;
ob nun hiermit auch eine Sparsamkeit eingetreten ist, und die
Begräbniskosten nicht gerne aus Gemeindemitteln bewilligt wurden, kann
Einsender nicht behaupten, jedoch wurden seit länger als zwei Jahren
keine in der mehrerwähnten Anstalt Verstorbenen auf dem jüdischen
Friedhofe beerdigt. Die Vermutung liegt deshalb sehr nahe, dass dieselben
auf christlichen Begräbnisplätzen beerdigt werden, und ist es deshalb
jedenfalls im Interesse einer jüdischen Sache und eine Wohltätigkeit,
diesem Übel abzuhelfen.
Vielleicht würde diese Anregung dazu beitragen, zu erfahren, wie es bei
anderen ähnlichen Anstalten in solchen Fällen
zugeht." |
Einladung / Anzeige zum Chanukka-Ball (1921)
Anzeige
in der Zeitschrift "Jüdischer Bote vom Rhein" vom 2. Dezember 1921: "Andernach
a. Rh.
Samstag, den 31. Dezember 1921:
Großer Chanukkaball
mit Überraschungen.
Erstklassige Musik / prima Weine / Rituelle Speisen
Unser berühmtes Café 'Jontef'
Der Reinertrag ist zum Besten unseres Synagogen-Neubau-Fonds.
Der Festausschuss.
Näheres über Lokal und genaue Zeit wird noch bekanntgegeben."
|
| |
Anzeige
in der Zeitschrift "Jüdischer Bote vom Rhein" vom 23. Dezember 1921: "Der
Andernacher Chanukka-Ball
findet Samstag, den 7. Januar, 7 1/2 Uhr im Hotel 'Engelsburg'
Andernach statt (Siehe Notiz im Vereinsboten)."
|
| |
Mitteilung
in der Zeitschrift "Jüdischer Bote vom Rhein" vom 23. Dezember 1921: "Festausschuss
der Gemeinde Andernach.
Aus dringenden Gründen ist unser Chanuka-Ball verlegt und findet
Samstag, den 7. Januar, ab 7.30 Uhr abends, im neuen Saal des Hotel
'Engelsburg" (Seul). Schafbachstr., statt. Für reiche Abwechslung und
Unterhaltung ist gesorgt. (Gelegenheit zu gemütlichem Zusammensein bis zu
den Morgenzügen)." |
Chanukka-Feiern des
Jugendvereins (1921 / 1922)
Mitteilung
in der Zeitschrift "Jüdischer Bote vom Rhein" vom 23. Dezember 1921: "Andernach
Jüdischer Jugendverein. Adresse: Dr. Alfred Veis, Wilhelmstraße
10.
Der Heimabend Freitag, den 23. Dez., fällt des Vortrags von Frau Prof.
Goldschmidt (am vergangenen Mittwoch) wegen aus. Nächsten Freitag Heimabend
bei Erna Simon 'Gemütliche Chanuka-Zusammenkunft'." |
| |
Anzeige
in der Zeitschrift "Jüdischer Bote vom Rhein" vom 17. November 1922: "Jüdischer
Jugendverein Andernach. *
Einladung zu dem am Samstag, den 2. Dezember, abends 8 Uhr, in Andernach,
im großen Saale und sämtlichen Räumen des Hotels 'Laacher See' (2 Min. vom
Bahnhof) stattfindenden Chanuka-Ball
Erstklassiges Ballorchester Rituelle Küche -
Grosse Überraschungen - feine Weine
Likörstube Tanzgelegenheit bis zu den Morgenzügen Diele und Bar
- Der Reinertrag dient einem wohltätigen Zwecke." |
Purim-Veranstaltung des
Jugendvereins (1922)
Mitteilung
in der Zeitschrift "Jüdischer Bote vom Rhein" vom 10. März 1922: "Andernach
Jüdischer Jugendverein. Adresse: Dr. Alfred Veis, Wilhelmstraße
10. Samstag, den 11. März, abends 8 Uhr (pünktlich) im Hotel 'Laacher
See' findet unsere Purim-Zusammenkunft statt, bestehend 1. aus einem
hochinteressanten Vortrag des Herrn Otto Löb -
Neuwied über 'Gedankenübertragung und
Gedankenlesen' mit Vorführung praktischer Beispiele aus dem Zuhörerkreis, 2.
gemütliches Zusammensein mit Vorträgen und Tanz. Wir hoffen auf das
pünktliche Erscheinen aller Vereinsmitglieder. Gäste sind herzlich
willkommen". |
Veranstaltungen des Zentralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens
(1922)
Mitteilung in der Zeitschrift "Jüdischer Bote vom Rhein": Andernach.
Ortsgruppe des Zentralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens.
Vorsitzender: Dr. Alfred Veis.
Samstag, 18. November, abends punkt 8 Uhr, bei Schorn 'Laacher See',
Mitgliederversammlung. 1. Vortrag des Herrn RealschulIehrers Okunski -
Bendorf ('Deutschtum und Judentum'). 2. Geschäftliche Mitteilungen.
Erscheinen aller Mitglieder mit ihren Damen sowie der Jugendlichen dringend
erforderlich.
Jüdischer Jugendverein.
Samstag, den 2. Dezember, großer Chanuckaball (siehe Anzeige in dieser
Nummer.) Wir laden schon heute die Nachbarvereine sowie Freunde und Bekannte
herzlich zu dieser Veranstaltung ein."
Anzeige ist oben eingestellt |
"Ökumenisches" Miteinander zwischen den christlichen Gemeinden und der jüdischen
Gemeinde (1928)
Anmerkung: zugleich Abschied des jüdischen Lehrers Dr. Veis
Artikel
in der "Jüdisch-liberalen Zeitung" vom 2. November 1928: "Andernach.
(Feier der 'Nachbarschaften'.) Es besteht hier die uralte Einrichtung
der 'Nachbarschaften'; das sind Vereinigungen, die edles Menschentum und
praktische Nächstenliebe auf ihre Fahnen geschrieben haben und die in
bewusster Nichtbeachtung konfessioneller Scheidewände alle
Glaubensbekenntnisse in herzlicher Zuneigung umfassen. Sie haben im Laufe
der Jahrhunderte einen wundervollen Geist edler Toleranz und vorbildlicher
Eintracht werden lassen, und sie bilden auch heute im Zeitalter wüstester
Hetzen ein festes Bollwerk gegen jede Anfechtung. Das kam zu erhebendem
Ausdruck, als am 22. Oktober den evangelischen Nachbarschaftsmitgliedern
eine Fahne überreicht wurde. Anlässlich dieser Feier hielten die Vertreter
der drei Konfessionen herzerfreuende Reden, aus denen immer wieder der Wille
zu konfessioneller Eintracht sprach. Tiefen Eindruck hinterließ namentlich
die Ansprache des jüdischen Lehrers Dr. Veis, die zugleich eine
Abschiedsrede war, weil Herr Dr. Veis nach 14-jähriger segensreicher
Tätigkeit die Gemeinde Andernach verlässt, um als Religionslehrer an die
Tempelgemeinde Hamburg zu gehen." |
"Wo
Juden unerwünscht sind" - Vorboten der NS-Zeit (1910 / 1930)
Anmerkung: in jüdischen Zeitschriften wurde frühzeitig darauf hingewiesen, in
welchen Gaststätten und Hotels jüdische Reisende eher nicht zu Gast sein sollten
oder wo sie aus anderen Gründen nicht willkommen waren.
 |
 |
 |
|
Eine Apotheke in
Andernach wollte
keine jüdischen Gehilfen aufnehmen |
Ein Hotel
in Andernach sollte von jüdischen Gästen gemieden werden,
da es damals "Verkehrslokal der NSDAP" war. |
|
"Jüdische Rundschau"
vom 20. Mai 1910 |
"Israelitisches
Familienblatt"
vom 12. Juni 1930 |
CV-Zeitung - Zeitschrift
des "Centralvereins"
vom 30. Mai 1930 |
|
Vorstandswahlen im September
1932 (1933)
Mitteilung
im "Israelitischen Familienblatt" vom September 1932: "Andernach. Bei
der Vorstandswahl für die israelitische Gemeinde wurden wiedergewählt:
Gustav Lichtenstein 1. Vorsitzender, Julius Loeb und Dr. Wallach 2. und 3.
Vorsitzender. Neugewählt wurde Eduard Loeb zum Stellvertreter. Zu
Vorsitzenden der Repräsentanten wurden Apotheker Heimann und Hugo Kahn
ernannt." |
Fußballspiel zu Beginn der
NS-Zeit zwischen den
jüdischen Sportgruppen Dierdorf und Andernach (1933)
Artikel in "Israelitisches Familienblatt" vom 30. November 1933:
"Fußball im Westerwald. Der Kreis Mosel-Westerwald im Sportbund
des Reichsbundes jüdischer Freundsoldaten trat in
Dierdorf Bezirk Koblenz) zum ersten
Male sportlich mit einem Fußballspiel zwischen den Reichsbund jüdischer
Frontsoldaten Sportgruppen Westerwald (Sitz Dierdorf) und
Andernach-Rhein an die Öffentlichkeit. Die Überlegenheit Andernachs
machte sich gleich bemerkbar. Das erste Tor konnte trotzdem Walter Berg vom
Westerwald einschießen, worauf R. Bender (Andernach) den Ausgleich erzielte.
Durch eine Unachtsamkeit des Westerwald-Tormann konnte Andernach durch Bruno
Lambert ein weiteres Tor schießen und mit 2:1 Führung in die Halbzeit gehen.
Nach der Halbzeit glich Möllerich durch einen indirekten Strafstoß aus, und
Daniel sandte den letzten Treffer für Westerwald ein. H. Gottschalk stellte
den Ausgleich her, und nachdem Fritz und Walter Schubach noch je ein Tor für
Andernach geschossen hatten, stellt Fritz Schubach in der 8. Minute vor dem
Schlusspfiff das Ergebnis auf 6:3 für Andernach. Beide Mannschaften besitzen
leider noch sehr mangelhafte Trainingsmöglichkeiten. Obwohl die Sportgruppe
Westerwald einen Platz besitzt, ist es in Anbetracht dessen, dass die
Spieler in fast 60-70 Kilometer voneinander entfernt liegenden Orten
beheimatet sind, unmöglich, jeden Sonntag die Mannschaft zum Training
zusammen zu bekommen. Andernach hat bisher sogar weder einen Platz noch eine
Trainingsmöglichkeit. Nach dem Spiel gab es eine Bewirtung in der jüdischen
Schule, wo die Begrüßung durch die Ortsgruppenführer stattfand. Unter
anderem waren auch der Bezirksgruppenführer des Reichsbundes jüdischer
Frontsoldaten Mittelrhein, Gottschalk (Koblenz) und der Reichsportführer des
Kreises Mosel-Westerwald, Sundheimer (Ems), erschienen." |
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde
Am Lehrerseminar Kassel besteht Seminarist Reinhardt aus Andernach die zweite
Lehrerprüfung (1905)
Anmerkung: bei den drei genannten Seminaristen handelt es sich zugleich um
Lehramtskandidaten, die an den genannten Orten die Lehrerstellen provisorisch
vertraten.
Artikel
in "Der Gemeindebote" vom 10. November 1905: "Kassel, 1. November.
Unter dem Vorsitz des Provinzialschulrats Geheimrat Otto wurde am hiesigen
Lehrerseminar heute die zweite Prüfung beendet, die drei Lehrer
bestanden: Mannsberg aus Nesselröden,
Katzenstein aus Wanfried und Reinhardt
aus Andernach. In der schriftlichen Prüfung war 'die Einführung in
den Zahlenkreis 1—5' zu bearbeiten. Lehrproben waren: Religion (Hephata),
Deutsch ('Der Sänger' von Goethe); Geschichte: Friedrich II. von
Hohenstaufen; Rechnen: 'Addition ungleichnamiger Brüche.'" |
25jähriges Amtsjubiläum von Simon Kaufmann als
Präsident der jüdischen Gemeinde (1910)
Meldung
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 8. April 1910:
"Andernach. Simon Kaufmann feierte sein 25-jähriges Jubiläum
als Präsident der jüdischen Gemeinde". |
Zum
Tod des langjährigen Gemeindevorstehers Simon Kaufmann (1911)
Artikel
im "Israelitischen Familienblatt" vom 12. Oktober 1911:
"Andernach. In Köln starb nach kurzem Krankenlager Herr
Simon Kaufmann. Mit Herrn Kaufmann ist eine Persönlichkeit aus dem Leben
geschieden, die in allen jüdischen Kreisen unserer Provinz geachtet und
geehrt war. Länger als 25 Jahre war er der Vorsitzende unserer
Synagogen-Gemeinde. Dem Ausschuss des Provinzialverbandes rheinischer
Synagogen-Gemeinden gehörte er seit dessen Gründung an". |
| |
Anzeige
im "Israelitischen Familienblatt" vom 5. Oktober 1911: "Nachruf!
Am 29. September dieses Jahres verschied im 68. Lebensjahre unerwartet unser
Vorstandsmitglied Herr
Simon Kaufmann in Andernach
Wir verlieren in dem teuren Entschlafenen einen von den höchsten Idealen
erfüllten, aufopfernden Freund, an dessen für die Bestrebungen unseres
Vereins warmschlagenden Herzen wir uns begeisterten.
Uns wird der edle Verstorbene unvergesslich bleiben.
Remagen, 1. Oktober 1911.
Der Verein zur Förderung des Handwerks unter den Juden.
Der Vorsitzende Moritz Fassbender." |
Zum Tod des langjährigen Gemeindevorstehers Julius Gottschalk (1926)
Anmerkung: Julius Gottschalk ist am 21. Mai 1863 in Andernach geboren
als Sohn von Simon Gottschalk aus Mayen und der
Frieda geb. Cahn. Simon Gottschalk war als Kaufmann in Andernach tätig. Er war
seit 1895 (in Helmarshausen)
verheiratet mit Johanna geb. Hohenberg (geb. 30. September 1870 in
Helmarshausen).
https://www.online-ofb.de/famreport.php?ofb=juden_nw&ID=I155389&lang=de
Julius und Johanna Gottschalk hatten eine Tochter Eleonore, die am 2. Februar
1900 in Andernach geboren ist.
Artikel
im "Israelitischen Familienblatt" vom 19. August 1926: "Andernach.
(Todesfall.) Plötzlich und unerwartet verschied der langjährige
Vorsitzende der hiesigen Synagogengemeinde Julius Gottschalk. Die
Gemeinde verliert in dem zu früh Dahingeschiedenen einen treuen Freund und
Berater." |
| |
Anzeige
in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des "Central-Vereins") vom 13. August 1926:
"Nachruf.
Plötzlich und unerwartet verschied der langjährige Vorsitzende unserer
hiesigen Synagogengemeinde
Herr Julius Gottschalk.
Wir verlieren in dem leider zu früh Dahingeschiedenen nicht nur den Führer
unserer Gemeinde, sondern auch einen treuen Freund und Berater von edlem
Charakter, dessen Andenken wir stets in Ehren halten werden.
Andernach, den 7. August 1926.
Der Vorstand und die Repräsentanten da Synagogengemeinde Andernach."
|
| |
Anzeige im "Israelitischen Familienblatt" vom 23. August 1926: "Plötzlich
und unerwartet wurde uns durch den Tod mein lieber Gatte, unser
treusorgender Vater, Bruder, Onkel und Schwager,
Herr Julius Gottschalk
im 64. Lebensjahre entrissen.
Im Namen aller Hinterbliebenen:
Johanna Gottschalk geb. Hohenberg.
Andernach, den 6. August 1926." |
| |
Artikel in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des "Central-Vereins" vom 13.
August 1926: "(Am 1. August) starb plötzlich Herr Stadtrat Julius
Gottschalk aus Andernach im 64. Lebensjahre. Als langjähriger erster
Vorsitzender der Synagogengemeinde und Zweiter Vorsitzender unserer
Ortsgruppe des Centralvereins ist der Verstorbene stets in treuer
Pflichterfüllung als Mensch und Jude für die Ziele unserer Bewegung, für
Deutschtum und Judentum, eingetreten. Ehre seinem Andenken!" |
Zum Tod von
Elise Weber geb. Seligmann (1933 in Krefeld)
Artikel
im "Israelitischen Familienblatt" vom 2. Juni 1933: "Krefeld. Im
Alter von 92 Jahren starb Frau Elise Weber geb. Seligmann, die nach
dem Ableben ihres Gatten, der einst als Vorsteher die Gemeinde Andernach
betreut hatte, hierher übersiedelt war. Nach dem vor kurzem erfolgten
Ableben von Herrn Samson Weinberg s. A., der im gleichen Alter verschied,
war sie die älteste Einwohnerin der Stadt." |
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Einzelpersonen
Frau S. Beer wirbt für ihre Pension für gemüts- oder
nervenleidende israelitische Frauen (1887)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. Mai 1887: "Andernach
am Rhein.
5 bis 6 israelitische Damen - gemüts-
oder nervenleidend - finden in dem mit allen Bequemlichkeiten
eingerichteten Hause der Unterzeichneten die sorgsamste Aufnahme. Vermöge
der an der hiesigen Rheinischen Provinzial-Irren-Anstalt und
Irren-Bewahrungs-Anstalt St. Thomas berufstätigen, berühmten
Autoritäten von Spezial-Ärzten kann den Kranken die denkbar
sorgfältigste und erfolgreichste ärztliche Behandlung zuteil
werden. Pension nach Vereinbarung, aber mäßig. Andernach,
unmittelbar am Rhein liegend (Eisenbahn- und Dampfschiff-Station),
berühmt durch seine kunstvollen alten Baudenkmale, ist wegen seiner
herrlichen, aber sehr geschätzten Lage auch als klimatischer Kurort warm
zu empfehlen, unmittelbar am Platze anschließend die prachtvollsten
Waldpromenaden, sodann 10 Minuten entfernt die 'Krahnenburg' mit
herrlichen Anlagen, ein der unstreitig schönsten Aussichtspunkte am
Rhein. 1 1/2 Stunden entfernt der Laacher See, per Wagenverbindung in 3/4
Stunden zu erreichen. Näheres zu erfahren durch Frau S.
Beer." |
Anzeigen des
Kolonialwarengeschäftes sowie Mehl-, Frucht- und Weinhandlung Moritz Löb (1900)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. Februar 1900: "Für mein
Kolonialwaren-Geschäft suche per sofort ein kräftiges
Mädchen
aus achtbarer Familie in die Lehre, vom zweiten Jahre ab gewähre Salair,
ebenso für meine Mehl-, Frucht- u. Weinhandlung einen angehenden
Commis
für jetzt oder Ostern.
Moritz Loev, Andernach a. Rh.". |
| |
Anzeige
im "Israelitischen Familienblatt" vom 20. März 1902: "Koscher al Pessach
Rhein-Weine
(weiß u. rot) per Ltr. zu 60, 70 und 80 Pfg. in Gebinden von ca. 20 Ltr. an
sowie reinen
Heft- und Tresterbranntwein
per Ltr. Mk. 2,50 und Mk. 2,00, incl. Glas und Packung, Abgabe von 3 Ltr.
an, versendet
Moritz Loeb. Weingutsbesitzer,
Andernach, Rhein." |
Anzeigen des Manufaktur- und Modewarengeschäftes Simon Kaufmann (1900 / 1907)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. September 1900: "Lehrmädchen.
Für mein Manufaktur- u. Modewarengeschäft zum sofortigen Eintritt ein
Lehrmädchen gesucht.
Sim. Kaufmann, Andernach a. Rh." |
| |
Anzeige
im "Israelitischen Familienblatt" vom 14. März 1907: "Verkäuferin
gesucht.
Für mein Manufaktur- u. Modewaren-Geschäft suche per 1. Mai eine gewandte
Verkäuferin. Familienanschluss und Pension im Hause. Erbitte Bewerbungen
unter Angabe von Gehaltsansprüchen und Einsendung von Photographie und
Zeugnisabschriften.
Sim. Kaufmann, Andernach a. Rh." |
Lehrlingssuche des Manufaktur- und
Konfektionsgeschäftes Gebr. Simon (1901)
Anmerkung: Anzeigen des Manufaktur- und Konfektionsgeschäftes der Gebrüder
Simon finden sich immer wieder seit Ende der 1890er-Jahre in der Zeitschrift
"Der Israelit" usw.
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. März 1901: "Wir
suchen zu Ostern für unser Manufaktur- und Konfektionsgeschäft einen Lehrling
und ein Lehrmädchen mit der nötigen Schuldbildung.
Kost und Logis im Hause.
Gebrüder Simon, Andernach am Rhein." |
Lehrlingssuche des Getreide- und Mehlgeschäftes
mit Mühle Simon Gottschalk
(1901)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. März 1901:
"Suche für mein Getreide- und Mehlgeschäft per 1. April oder
1. Mai einen
Lehrling.
S. Gottschalk, Andernach am Rhein." |
| |
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. Juni 1902: "Für meine
Getreidehandlung nebst Mühle, suche einen mit den nötigen Kenntnissen
versehenen
Lehrling.
Simon Gottschalk, Andernach am Rhein." |
Lehrlingssuche von Hermann Weber, Getreide- und Mühlenfabrikate (1902)
Anzeige
im "Israelitischen Familienblatt" vom 1. Mai 1902: "Ein Lehrling
gesucht, Eintritt zum 1. Mai, laut Übereinkunft freie Station im Hause
bei Hermann Weber. Getreide- u. Mühlenfabrikate Andernach am Rhein." |
Anzeige von A. Rosenheim (1905)
Anzeige
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 3. März 1905:
"Andernach am Rhein. Knaben, welche das hiesige Vollgymnasium
besuchen wollen, finden in meinem Hause liebevolle Pflege und
gewissenhafte Beaufsichtigung durch staatlich-geprüften Lehrer. Beste
Referenzen stehen zu Diensten. A. Rosenheim." |
Anzeige der
Eisen- und Metallhandlung Felix Daniel (1905)
Anzeige
im "Israelitischen Familienblatt" vom 26. Oktober 1905: "Eisen u.
Metalle.
Suche per sofort einen anständigen
jungen Mann,
der in dieser Branche die Lehre bestanden. Gutes Zeugnis erforderlich.
Pension im Hause. Salär nach Uebereinkunft.
Felix Daniel,
Eisen und Metalle, Andernach a. Rh." |
Anzeige des Kaufhauses "Alte Post" bzw. von Heinrich Lipsky (1906)
Anmerkung: Inhaber des Kaufhauses "Alte Post" war Heinrich Lipsky
(1863-1929), der mit Cäcilie Lipsky geb. Salinger
(1869-1942) verheiratet war (siehe zu ihr Informationen bei Anzeige unten von
1928). Bei dem in der Anzeige genannten 5-jährigen Mädchen handelt es sich um
die erste Tochter des Ehepaares: Charlotte (geb. 20. Mai 1901 in
Charlottenburg). Ein historisches Foto der "Alten Post" (Inh. Heinrich Lipsky)
findet sich in der Website
https://www.andernachernachbarschaft.de/bahnhofstrasse.html Foto von
Heinrich Lipsky
https://www.geni.com/people/Heinrich-Lipsky/6000000054488669893
Charlotte Lipsky heiratete Theodor Berg (geb. 19.12.1887 in Köln), mit
dem sie zwei Kinder hatte: Anneliese Berg (geb. 9.2.1923 in Andernach),
Günther Hermann Berg (geb. 9.8.1924 in Koblenz). Charlotte starb am 24.
Januar 1976 in Andernach. Informationen mit Foto
https://www.geni.com/people/Charlotte-Berg/6000000054488708899
Heinrich und Cäcilie Lipsky hatten noch eine weitere Tochter: Lilli (geb.
7. April 1909, verheiratet mit Dr. Hans Ernst Eppstein aus Mannheim, gestorben
15. März 2006 in Stockholm) vgl.
https://www.geni.com/people/Lilli-Eppstein/6000000054488778821 mit Foto.
Anzeige
im "Israelitischen Familienblatt" vom 21. Juni 1906: "Israelitisches
Fräulein
aus guter Familie zur Unterstützung der Hausfrau und Beaufsichtigung meines
5jährigen Mädchens per 1. oder 15. Juli gesucht. Dasselbige muss Küche u.
Haushalt gründlich verstehen, obwohl Köchin im Hause. Meldungen mit
Zeugnissen und Gehaltsansprüchen an
Kaufhaus 'Alte Post',
Andernach a. Rh." |
| |
Anzeige
im "Israelitischen Familienblatt" vom 30. August 1906: "Für israelitisches
junges Mädchen, das bürgerlich gut kocht, bietet sich günstige, dauernde
Stellung zur
Unterstützung der Hausfrau
in nicht streng rituellem besseren Haushalt. Dienstmädchen im Hause.
Meldungen mit Zeugnissen u. Gehaltsansprüchen an
Heinrich Lipsky, Andernach a. Rh." |
Anzeige von Henny Robert (1913)
Anzeige
im "Israelitischen Familienblatt" vom 20. Februar 1913: "Suche per sofort
ein jüdisches junges Mädchen zur Erlernung des Haushalts, bei
Familienanschluss und monatlicher Vergütigung. Dienstmädchen vorhanden.
Offerten mit Bild erbeten an
Frau Henny Robert
Andernach." |
Lehrlingssuche des Getreide- und Lebensmittelgeschäftes Abraham Weber (1915)
Anmerkung: "Fruchthändler" Abraham Weber inseriert regelmäßig mit
Lehrlingssuchen seit 1902 (u.a. "Der Israelit" vom 21.4.1902)
Anzeige
in der Zeitschrift "Jüdischer Bote vom Rhein" vom 1. August 1919: "Für mein
Getreide- u. Lebensmittelgeschäft Sohn achtbarer Eltern als
Lehrling
gesucht
Abraham Weber, Andernach" |
Verlobungsanzeige von Paula Herz und Julius Treidel (1919)
Anmerkung: Julius Treidel ist am 27. April 1892 in
Kettenbach geboren als Sohn von Moses
Treidel und Susanne geb. Wallerstein. Er heiratete 1920 Paula geb. Herz
(geb. 1894). Die beiden lebten später in Bonn, wo ihre zwei Kinder geboren sind:
Lotte (geb. 1925) und Walter (geb. 1922). Alle vier wurden im Juli 1942 von Köln
deportiert und in der Tötungsstätte Maly Trostinec ermordet.
Anzeige in der Zeitschrift "Jüdischer Bote vom Rhein" vom 15. Oktober 1919:
"Statt Karten!
Wir haben uns verlobt
Paula Herz - Julius Treidel
Bonn Kesselgasse - Andernach Oktober 1919"
|
Verlobungsanzeige von Henny Herz
und Alfred Gärtner (1922)
Anmerkung: Informationen zu den Personen in der Website
https://brotmanblog.com/2022/08/30/dusschen-blumenfeld-strauss-part-iii-her-children-bertha-and-moritz-and-their-lives-in-america/
Alfred Gärtner (geb. 9. August 1895 in Brohl - 18. Dezember 1968 in New York)
und Henrietta geb. Herz (1901-1983): beide konnten von Bonn aus rechtzeitig in
die USA emigrieren.
Alfred Gärtner war ein Sohn von Moses Gärtner und Mathilda geb. Schloß.
Henriette geb. Herz war eine Tochter von Morris Herz und seiner Frau Bertha.
Auch sie konnten zusammen mit Ingeborg, der Tochter von Alfred und Henrietta
Gärtner in die USA emigrieren und lebten 1940 in New York City, wo sowohl Alfred
als auch Morris als Schneider arbeiteten, Alfred für ein Versandhaus und Morris
für ein Einzelhandelsschneidergeschäft.
Zum Stammbaum der Familie Gärtner siehe
https://tobiasherz.de/stammbaum-gaertner
Nachweis: Grab für Alfred / Fred Gärtner
https://de.findagrave.com/memorial/239335119/fred-gaertner
Anzeige
in der Zeitschrift "Jüdischer Bote vom Rhein" vom 10. November 1922:
"Henny Herz - Alfred Gärtner
Verlobte
Bonn - Andernach
Gehard v. Arestraße 6 - Hochstraße 6." |
Geburtsanzeige für Siegbert
Portje (1923)
Anmerkung: Siegbert Portje (geb. 25. Januar 1923 in Andernach) lebte mit
seinen Eltern in Andernach. Er wurde am 12. September 1942 ab Mechelen (Malines)
in das Durchgangslager für die Organisation Schmelt in Cosel (Kozle) deportiert
und ist umgekommen.
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de945559
https://www.ushmm.org/online/hsv/person_view.php?PersonId=5652582
Die Eltern Carl Portje (geb. 11. Dezember 1891) und Tilly Portje (8. Juli 1898)
konnten noch in die USA emigrieren. Carl Portje starb am 5. November 1956 und
wurde im Cedar Park Cemetery in Paramus, Bergen County, NJ beigesetzt:
https://de.findagrave.com/memorial/230090784/karl-portje. Tilly Portje starb
am 19. Januar 1987 und wurde ebenda beigesetzt.
Anzeige
in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des "Centralvereins") vom 15. Februar 1923:
"Siegbert. Die glückliche Geburt eines gesunden, kräftigen Jungen
zeigen hocherfreut an
Carl Portje und Frau Tilly geb. Salomon.
Andernach, den 25. Januar 1923." |
Grab von Carl Portje und Tilly geb. Salomon:
https://de.findagrave.com/memorial/230090784/karl-portje
|
Hochzeitsanzeige von Julius Michel
und Blanka geb. Loeb-Weinberg (1925)
Anzeige
in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des "Central-Vereins") vom 3. Juli 1925:
"Julius Michel - Blanka Michel geb. Loeb-Weinberg
Vermählte
Merxheim (Nahe) - Andernach
(Rhein)
28. Juni 1925." |
Anzeige von Leo Fernich (1928)
Anmerkung: Leo Fernich ist am 2. Januar 1886 in
Klotten geboren. Er wohnte in Andernach, wo
er ein Schuhgeschäft hatte (Foto in Informationen siehe
https://mosella-judaica.de/Gemeinden/Spuren235.html). Er war verheiratet mit
Helene geb. Blumenthal (geb. 14. Mai 1887 in Castrop). Die beiden hatten
einen Sohn Hans (geb. 3. Juni 1920 in Koblenz). In der NS-Zeit wurden
alle drei von Köln am 30. Oktober 1941 in das Ghetto Lodz deportiert. Leo und
Helene wurden ermordet. Der Sohn Hans überlebte das Ghetto Lodz und emigrierte
nach einem Aufenthalt im DP-Lager Mittwald (bis Februar 1947) nach
Kalifornien/USA. Er nannte sich in den USA Harry Hans Fern und starb am 26.
August 2010 in Scottsdale, Maricopa County, Arizona, vgl.
https://www.geni.com/people/Leo-Lio-Fernich/6000000001211379442 und
https://spurenimvest.de/2021/01/26/blumenthal-helene/ (mit Abbildungen von
Dokumenten zur Familiengeschichte) sowie
https://www.ancestry.com/genealogy/records/harry-hans-fern-24-df547m
Anzeige
im "Israelitischen Familienblatt" vom 9. August 1928:
"Tüchtiges sauberes Mädchen
für kleinen Haushalt, zwei erwachsene Personen, ein Kind, 8 Jahre,
sofort gesucht.
Westfälin bevorzugt. Waschfrau vorhanden.
Leo Fernich, Andernach, Rhein." |
Anzeige von Cäcilie Lipsky (1928)
Anmerkung: es handelt sich um Cäcilie Lipsky geb. Salinger (geb. 14. Mai 1869
in Gardeja [Garnsee, Polen], gest. 20. Juni 1942 in Baden-Baden). Sie war
verheiratet mit Heinrich Lipsky, Inhaber der "Alten Post" (siehe Anzeige oben
von 1906). Cäcilie Lipsky lebte bis 1939 in Andernach und
verzog dann nach Baden-Baden. Informationen nach
https://gedenkbuch.baden-baden.de/person/lipsky-caecilie-geb-salinger/ (hier
auch Foto). Heinrich Lipsky ist am 12. Juni 1863 in Neidenburg geboren, war als
Kaufmann in Andernach tätig und starb hier am 4. Mai 1929. Vgl.
https://ofb2.genealogy.net/famreport.php?ofb=juden_nw&ID=I148171&lang=en.
Anzeige im "Israelitischen Familienblatt" vom 10. Mai 1928:
"Per 1. Juni suche ich für meinen aus 4 Personen bestehenden, nicht
rituellen Haushalt eine
Stütze,
welche gut kocht und mit einem Zweitmädchen zusammen meinen Haushalt
selbständig verdient. Angebote mit Zeugnisabschriften erbeten.
Frau Heinrich Lipsky, Andernach, Rheinland." |
|