Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Alzenau (Kreis Aschaffenburg, Unterfranken)
Jüdische Geschichte / Synagoge

Übersicht:

bulletZur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer   
Aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben   
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde     
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen  
bulletZur Geschichte der Synagoge   
bulletFotos / Darstellungen  
bulletLinks und Literatur   

    

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english version)   
    
In Alzenau bestand eine jüdische Gemeinde bis 1938/42. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 17./18. Jahrhunderts zurück. Im 17. Jahrhundert lebten bereits 12 jüdische Familien am Ort, im benachbarten Wasserlos waren es sogar 30 Familien (mit einer im 19. Jahrhundert zurückgehenden Tendenz, sodass sich die Juden aus Wasserlos 1871 der Gemeinde in Alzenau anschlossen). Im 18. Jahrhundert war die Zahl der jüdischen Familien zurückgegangen, 1794 waren es noch drei jüdische Familien in der Stadt. 
  
Bei der Erstellung der Matrikellisten 1817 werden in Alzenau auf sieben Matrikelstellen die folgenden jüdischen Familienvorstände genannt (mit neuem Familiennamen und Erwerbszweige): Herz Hamburger (Viehhandel), Simon Hamburger (Schlachten), Jacob Schlessinger (Handel mit alten Kleidern, Kupfer, Eisen usw.). Löw Hamburger (Kramhandel, war damals Judenvorstand), David Hamburger ("ist noch in seines Vaters Brot"), Beer Hamburger (Kramhandel), Isaak Hamburger (Feldbau). 1816 wurden außerdem noch genannt: Daniel Hamburger, Samson Hamburger, Josel Schlesinger und Salomon Löbs Kinder.   
   
Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt: 1867 63 jüdische Einwohner (5,5 % von insgesamt 1.144), 1880 69 (5,1 % von 1.340), 1890 65 (4,4 % von 1.477), 1892 76 (in 13 Familien), 1900 91 (5,3 % von 1.719), Höchstzahl 1910 112 ( in 25 Familien, 5,2 % von 1.719).
     
Jüdische Gewerbetreibende spielten seit der Mitte des 19. Jahrhunderts eine nicht unbedeutende Rolle im wirtschaftlichen Leben der Stadt und der Industrialisierung. Sie waren als Viehhändler tätig, bauten Tabakwaren- und Möbelfabriken auf, einige waren Handwerker.       
    
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine Religionsschule und ein rituelles Bad. Die Toten der Gemeinde wurden auf dem jüdischen Friedhof in Hörstein beigesetzt. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war (vgl. unten Ausschreibungstexte der Stelle). Von den Lehrern werden genannt: um 1864/1872 Moses Baumann, um 1881 J. Kaufmann, um 1887/1889 Lehrer Schleßinger, 1889 bis 1892 Selig Wissmann, um 1895 J. Hamburger, um 1896 S. Blumenthal (geb. 1873 in Laudenbach, zeitweise auch Lehrer in Goßmannsdorf), um 1898 N. Berlinger, um 1899/1900 Nathan Adler (geb. 1879; Examen 1898 vermutlich an der ILBA Würzburg; umgekommen nach Deportation 1942), ab 1901 Benzion Wechsler.
An der Religionsschule der Gemeinde wurden 1892 16 Kinder unterrichtet, 1896 13 Kinder.  
   
Die Gemeinde war orthodox geprägt. Sie gehörte zum Distriktrabbinat in Aschaffenburg
 
An jüdischen Vereinen werden genannt (vgl. unten die Angaben zu 1925): 1892 der Tora-Lern- und Wohltätigkeitsverein Chewrat Talmud Thora ugmilus chassodim (1892 unter Leitung von Lehrer S. Wißmann); Ortsgruppe des Verbandes der Sabbatfreunde (siehe Mitteilung unten von 1908).  
 
Von den Gemeindevorstehern werden genannt. um 1876 Ruben Manko, vor 1890 Daniel Hamburger, um 1892/1895 Löb Hamburger, um 1896/1901 Isidor Hamburger.
  
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde Hugo Jakob Hamburger (geb. 7.11.1886 in Alzenau, gef. 17.6.1917) und Robert Lindenberger (geb. 26.11.1887 in Wasserlos, gest. an der Kriegsverletzung am 2.8.1919).    
    
Um 1925, als 97 Personen zur jüdischen Gemeinde gehörten (3,9 % von insgesamt 2.481 Einwohnern; dazu neun jüdische Personen aus Wasserlos, 1932 sieben Personen), waren die Vorsteher der Gemeinde: Isidor Hamburger, Louis Marburg und Salomon Hamburger. Als Lehrer, Kantor und Schochet war seit 1901 Benzion Wechsler tätig (geb. 1874 in Schwabach als Sohn des Rabbiners Heinrich Wechsler und der Klara geb. Rosenbaum; war noch nach 1933 Lehrer in Alzenau, umgekommen nach Deportation 1942 in Sobibor; Bericht zum 25jährigen Ortsjubiläum siehe unten). Er unterrichtete im Schuljahr 1923/24 an der Israelitischen Religionsschule acht Kinder und erteilte drei Kindern Religionsunterricht an der Volksschule des Ortes; 1932 waren es noch insgesamt sieben Kinder). An jüdischen Vereinen bestanden noch der Israelitische Männerverein Chewra Kadischa (gegründet 1890; Ziele: Unterstützung Hilfsbedürftiger, Kranker, Bestattung) und der Israelitische Frauenverein (gegründet 1905, Ziele: Unterstützung Hilfsbedürftiger, Wache bei Kranken und Toten, siehe Näheres im Nachruf zur langjährigen 1. Vorsitzenden Frau Hamburger, s.u. und im Bericht zum 25-jährigen Stiftungsfest 1930 unten). 1932 waren die Vorsteher weiterhin Isidor Hamburger (1. Vorsteher), Josef Hamburger (2. Vorsteher); Kassierer war Salomon Hamburger.    
           
Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 setzte sich der wirtschaftliche Boykott in Alzenau erst langsam durch. Noch im September 1935 waren 20 der 29 Tabakwarenfabriken in jüdischem Besitz und beschäftigten etwa 2.100 Arbeiter und Arbeiterinnen. Bis Sommer 1937 befand sich auch der Viehhandel noch überwiegend in jüdischen Händen. Seit Herbst 1935 hatte sich allerdings die Situation durch einen auch in Alzenau stärker zunehmenden Antisemitismus verschärft, sodass sich bis 1939 44 jüdische Einwohner zur Auswanderung entschlossen, darunter 21 in die Vereinigten Staaten, 11 nach Palästina/Erez Jisrael. Einigen weiteren gelang bis 1941 noch die Auswanderung; 24 verzogen in andere deutsche Städte. Die letzten 11 jüdischen Einwohner wurden 1942 nach Izbica (Polen) oder in das KZ Theresienstadt deportiert.    
      
Von den in Alzenau geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"):  Jenny (Jeanette) Adler geb. Hamburger (1869), Frieda Berliner geb. Hamburger (1872), Rosa Frank geb. Hamburger (1908), Karolina (Karola) Freudenthal geb. Hamburger (1867), Adolf Hamburger (1910), Bernhard Hamburger (1875), Bertha Hamburger (1900), Dina Hamburger geb. Wallerstein (1900), Elsa Hamburger geb. Steinhäuser (1885), Fanny Hamburger geb. Goldschmidt (1869), Ferdinand Hamburger (1874), Heinrich Hamburger (1897), Ilse Hamburger geb. Kahn (1917), Hugo Hamburger (1895), Jettchen (Binchen) Hamburger geb. Flörsheimer (1876), Josef Hamburger (1873), Julius Hamburger (1877), Karolina Hamburger geb. Rosenberger (1878), Siegfried Hamburger (1906), Cäcilie Kiesel geb. Hamburger (1869), Else Kleve geb. Wechsler (1913), Hermann Manko (1895), Arthur Marburg (1907), Amalia Oestrich geb. Hamburger (1874), Josef Oestrich (1868), Daniel Rothschild (1881), Karolina Rothschild geb. Rothschild (1901), Mina Strauss geb. Marx (1884), Benzion Wechsler (1874), Sofie Wechsler geb. Strauss (1879), Selma Weissmann geb. Glasberg (1906), Sigmund Weissmann (1931)
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Aus dem Leben der jüdischen Gemeinde  
    
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer  
Ausschreibungen der Religionslehrer- und Vorbeterstelle in Alzenau 1879 / 1892 / 1901 / 1906    

Alzenau Israelit 27081879.jpg (46977 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. August 1879: "Vakanz. Die Religionslehrer-, Vorsänger- und Schächterstelle in Alzenau soll sofort wieder besetzt werden. Außer freier Wohnung und Schulholz beträgt der fixierte Gehalt als Lehrer und Vorsänger 600 Mark jährlich. Die Einkünfte als Schächter und sonstige Erträgnisse belaufen sich auf 400 Mark jährlich. Seminaristisch gebildete Bewerber, die über sittliches und religiöses Betragen genügend sich ausweisen können, wollen binnen 4 Wochen ihre Bewerbungen mit Zeugnissen an den Unterzeichneten richten. Aschaffenburg, 25. August 1879. A. Adler, Distrikts-Rabbiner".   
    
Alzenau Israelit 28011892.jpg (41973 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. Januar 1892: "Lehrer gesucht. Zum 1. März dieses Jahres ist in hiesiger Synagogengemeinde die Stelle eines Religionslehrers, Vorbeters und Schochet zu besetzen. Fixo 550 Mark pro Jahr, Nebenverdienste (inkl. Schächten) ungefähr 300 Mark. Russen und Polen ausgeschlossen. Nur seminaristisch gebildete Bewerber belieben sich baldigst unter Einreichung ihrer Zeugnisse zu wenden an den Kultusvorstand 
Löb Hamburger
in Alzenau bei Aschaffenburg."  
Anmerkung: 1889 bis 1892 war als Lehrer in Alzenau Selig Wißmann tätig. Bericht zu ihm siehe unten.  
 
Anzeige in "Der Israelit" vom 25. Juli 1898: "Die hiesige Religions-, Vorbeter- und Schächterstelle ist als bald neu zu besetzen. Fester Gehalt 750 M., bei freier Wohnung. Nebeneinkommen circa 300 M. Seminaristtisch gebildete, ledige Bewerber wollen ihre Offerten nebst Zeugnisabschriften innerhalb acht Tagen an den unterfertigten Kultusvorstand einsenden.
Alzenau, bei Aschaffenburg.
Der Kultusvorstand: Isidor Hamburger."  
   
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. September 1901: "Wir suchen für sofort einen seminaristisch gebildeten, längere Zeit in Praxis gestandenen Religionslehrer, der Chassen und Schochet ist. Fixum 900 Mark. - Nebeneinkünfte ca. 300 Mark. Antritt: 10. Oktober dieses Jahres. Bewerbungen alsbald zu richten an 
Isidor Hamburger,
Vorstand der israelitischen Kultusgemeinde, 
Alzenau (Unterfranken)."     
 
Anzeige in "Der Israelit" vom 16. April 1906: "Die hiesige Religions-, Vorbeter- und Schächterstelle ist alsbald neu zu besetzen. Fester Gehalt 650 M. bei freier Wohnung. Nebeneinkommen circa 300 M., für welch Letzteres jedoch keine Garantie geleistet wird. - Seminaristisch gebildete, ledige Bewerber wollen ihre Offerten nebst Zeugnisabschriften innerhalb acht Tagen an den unterfertigten Kultusvorstand einsenden.
Alzenau
, bei Aschaffenburg. Der Kultusvorstand: Isidor Hamburger."  

        
Zum Tod von Lehrer Selig Wißmann in Künzelsau (1889 bis 1892 Lehrer in Alzenau (1927) 

Kuenzelsau GZ Wue 16021927.JPG (258978 Byte)Artikel in der "Gemeindezeitung für die israelitischen Gemeinden Württembergs" vom 16. Februar 1927: "Künzelsau. In Künzelsau verstarb am 28. Januar unerwartet an einem Hirnschlag Religionslehrer Selig Wißmann im Alter von nur 57 Jahren. 35 Jahre hat Lehrer Wißmann in Künzelsau im Dienste seines heiligen Amtes gewaltet und außer Künzelsau auch den Gemeinden Braunsbach und Hohebach seine Kraft gewidmet. Wer mit ihm in Künzelsau durch die Straßen ging, konnte sehen, welche Liebe und Achtung er überall genoss. Seine Beerdigung war eine imposante Kundgebung der Treue und Freundschaft, die er sich erworben hatte. Die ganze Stadt Künzelsau beteiligte sich an der Trauerfeier; Vertreter aller Behörden und der gesamte Gemeinderat waren zur Feier erschienen. In Künzelsau hielt vor dem Trauerhause Bezirksrabbiner Dr. Kahn - Mergentheim die Gedächtnisrede. Nach ihm sprach Flegenheimer - Heilbronn im Namen des Oberrats, Stadtschultheiß Pflüger für die Stadt Künzelsau, deren Gemeinderat der Verstorbene lange Zeit angehörte. Studienrat Waldmann sprach für das Lehrerkollegium der Realschule, Oberlehrer Gutöhrle für den Bezirksschullehrerverein Künzelsau, Vorsteher Marx - Hohebach für die Synagogengemeinde Hohebach und Sigmund Gottlieb - Stuttgart für die Schüler. In der Synagoge, wohin die Gemeinde ihren heimgegangenen Führer vor seinem letzten Wege noch einmal geleitete, gab Religionslehrer Kulb - Öhringen in einem erhebenden, von Herzen kommenden Nachruf ergreifend Ausdruck, welch unersetzliches Vorbild an selbstloser Bescheidenheit und Pflichterfüllung von uns genommen wurde. Sein letzter Weg führte durch sein geliebtes Braunsbach nach Schwäbisch Hall. In Braunsbach wie in Hall hatte sich ein großes Trauergefolge angesammelt, welches vor der Stadt den Zug erwartete. Auf dem alten Steinbacher Friedhof war es Bezirksrabbiner Dr. Berlinger, welcher als Freund und Vorgesetzter ihm den letzten Gruß entbot. Nach den Vertretern der Gemeinden Künzelsau und Braunsbach sprachen noch Oberlehrer Rothschild  - Esslingen für den Israelitischen Lehrerverein und den Lehrerstand, als Nachbarkollege und Freunde Oberlehrer Oberndörfer - Niederstetten und der Schwiegersohn des Entschlafenen Dr. Lorch - Nürnberg. Selig Wißmann war am 1. Mai 1869 als Sohn des Rabbi Salomon Wißmann in Georgensgmünd geboren. Da der sechsjährige Knabe die Eltern verloren, wurde er von seinem Onkel Rabbiner Lob Wißmann in Schwabach, dem Führer der dortigen Talmud Tora-Lehranstalt, erzogen. Nachdem er das Seminar Würzburg 1888 absolviert, erhielt er mit 21 Jahren den Chowertitel. Seine erste Tätigkeit übte er von 1888-89 als Hilfslehrer an der Volksschule Thüngen und hierauf von 1889-92 als Lehrer in Alzenau aus. Vom Februar 1892 bis zu seinem Tode, also 35 Jahre, wirkte er in Künzelsau. Die Gemeinde dankte ihm den Bau ihrer Synagoge, deren Einweihung 1907 stattfand und die Schaffung eines Ritualbades (1914). Viele Jahre war er ein geachtetes Mitglied des Gemeinderats und zugleich der Schriftführer und Kassier der Demokratischen Partei. Sein von seiner Gattin und seinen sieben Kindern tief betrauerter Tod trat am 28. Januar 1927 ein. Seine Beisetzung erfolgte am 30. in Hall. Das Andenken des ausgezeichneten Lehrers und vorbildlichen Juden bleibt gesegnet!"       

         
Zum 25-jährigen Ortsjubiläum von Lehrer Benzion Wechsler (1926) 

Alzenau Bayr GZ 07101926.jpg (126372 Byte)Artikel in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 7. Oktober 1926: "Alzenau. Eine Reihe verdienter jüdischer Lehrer konnten im vergangenen Jahre auf eine 25-, beziehungsweise 50jährige Tätigkeit in ihren Gemeinden zurückblicken. Ihnen reiht sich am 1. Oktober Herr Benzion Wechsler an, der 25 Jahre als Religionslehrer, Kantor und Lehrer seine Gemeinde betreut hat. Der Sohn eines bedeutenden Talmudgelehrten, der an den Talmud-Toraschulen in Schwabach und Höchberg segensreich wirkte, widmete er sich der Tradition seiner Familie folgend dem Lehrerberuf. Nach dem Seminaraustritt (Würzburg 1890), amtierte er in mehreren Kleingemeinden und folgte 1901 einer Berufung in die noch immer stattliche Gemeinde Alzenau. Als Sekretär der Kultusverwaltung und als Kassier und Schriftführer des Frauenvereins nahm er hervorragenden Anteil am Gemeindeleben. Seiner werbenden Tätigkeit gelang es die Synagoge gründlich zu renovieren und der Gemeinde ein würdiges Gotteshaus zu erhalten. Über den engen Kreis hinaus wirkte er im Verband Bayerischer Israelitischer Gemeinden, im Lehrerverein und der Aguda stets fördernd, wenn es auch seiner Natur nicht entsprach, sich in den Vordergrund zu drängen. 
Das Vertrauen seiner christlichen Mitbürger übertrug ihm in den Kriegsjahren das Versorgungswesen, viele Jahre stand er ein eifriger Schüler Jahns an der Spitze des Turnvereins, leitete er als Dirigent den örtlichen Gesangverein. So wird der Ehrentag des tüchtigen Schulmanns, des pflichtbewussten Beamten und allgemein geachteten Bürgers ein Ehrentag auch für die Kultusgemeinde und das Städtchen werden. S.D."

   
Lehrer Benzion Wechsler wirbt für seine Familien-Pension (1925)   

Alzenau Israelit 18061925.jpg (36142 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. Juni 1925: "Familien-Pension gewährt bei voller, vorzüglicher Verpflegung für 5 Mark täglich Lehrer Wechsler, Alzenau bei Hanau."  

    
    
Aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben       
Gründung einer Ortsgruppe des Verbandes der Sabbatfreunde (1908)   

Alzenau Israelit 23011908.jpg (33489 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Januar 1908: "Alzenau, 17. Januar (1908). Hier wurde nach einem zündenden Vortrage des Herrn Louis Kahn - Frankfurt am Main eine Ortsgruppe des Verbandes der Sabbat-Freunde gegründet, welcher sich der größte Teil der Gemeinde anschloss. Auch der 'Freuen Vereinigung für die Interessen des orthodoxen Judentums' traten viele Mitglieder bei."  

  
Großzügigkeit der Gemeindeverwaltung Alzenau 1910  

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 18. November 1910: "Die Gemeindeverwaltung Alzenau hat beschlossen, den bisher nur von der christlichen Gemeinde benützten Leichenwagen auch der israelitischen Kultusgemeinde bei Beerdigungen zur Verfügung zu stellen."  

  
25jähriges Stiftungsfest des Israelitischen Frauenvereins Alzenau-Wasserlos (1930) 

Alzenau BayrGZ 15071930.jpg (122626 Byte)Artikel in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15. Juli 1930: "25jähriges Stiftungsfest des Israelitischen Frauenvereins Alzenau - Wasserlos (Unterfranken). Einen in allen seinen Teilen würdigen Verlauf nahm die Feier des 25jährigen Bestehens des Israelitischen Frauenvereins Alzenau am 15. Juli 1930: Samstagvormittag entwarf in seiner Festpredigt Herr Bezirksrabbiner Dr. Breuer von Aschaffenburg in der geschmackvoll dekorierten Synagoge ein Bild des idealen Frauencharakters Mirjam an Hand des in der heiligen Schrift verlesenen Wochenabschnitts und ermahnte die Mitglieder des Vereins zu treuem Festhalten an den Geboten. Das Dreigestirn Moses, Ahron und Mirjam möge der Gemeinde stets als Leitstern ihrem Leben vorschweben; dann wird der Verein immer seinem Ziele näher kommen. Sonntagabend fand eine weltliche Feier statt. Die Schülerin Meta Hamburger trug den von Herrn Lehrer Wechsler verfassten Prolog vor. Hierauf begrüßte dieser im Namen des Ausschusses die zahlreiche Erschienenen und gab einen Überblick über die Tätigkeit des Vereins seit seiner Gründung, bestehend in Wohltätigkeit (Unterstützung Bedürftiger), Krankenhilfe und Leichenbestattung sowie Wache bei Toten. An Hand des Prophetenwortes Hoseas: 'Ich verlobe mich dir auf ewig durch Gerechtigkeit und Recht, in Gnade und Barmherzigkeit, ich verlobe mich dir in Treue, damit du den Herrn erkennen wirst' erläuterte er die Bestrebungen des Jubelvereins. Mit ehrenden Worten überreichte der Schriftführer des Vereins, Herr Lehrer Wechsler, der 1. Vorsteherin seit Gründung bis zum heutigen Tag, Frau Isidor Hamburger, ein Geschenk. Möge der Frauenverein weiter wachsen, blühen und gedeihen."  
 
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. Juli 1930:  
Bericht wie oben in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung"   

     
Bericht über die Zweite Bezirkstagung der Freien Vereinigung in Alzenau (1931)      

Artikel in "Der Israelit" vom 18. Juni 1931: "Zweite Bezirkstagung der Freien Vereinigung in Alzenau..." 
Zum Lesen des Artikels bitte Textabbildung anklicken.    

    
     
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde   
Goldene Hochzeit des langjährigen Vorstehers Daniel Hamburger und seiner Frau (1897)  

Alzenau Israelit 21101897.jpg (33169 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. Januar 1897: "Worms. Vor Kurzem feierten die hiesigen Eheleute Daniel Hamburger unter Anteilnahme der ganzen jüdischen Gemeinde das Fest ihrer goldenen Hochzeit. Hamburger war lange Zeit erster Vorsteher der Gemeinde Alzenau, Rabbinats Aschaffenburg, wo er durch viele religiöse Institutionen, die er dort schuf, heute noch in gutem Andenken steht."

  
Über eine Publikation zu Maimonides von Dr. Bernhard Hamburger in Alzenau (1903)      

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. August 1903: 
Der Artikel wird nicht ausgeschrieben, da er keine direkten Bezüge zur jüdischen Geschichte in Alzenau enthält. Bei Interessen: zum Lesen Textabbildung anklicken.        

    
Zum Tod von Rebekka Oestreicher geb. Strauß (1906)   

Anmerkung: war seit 1837 in Aschaffenburg verheiratet mit Philipp (Feist) Oestreicher (gest. 1865). 

Alzenau FrfIsrFambl 19011906.jpg (14799 Byte)Mitteilung im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 19. Januar 1906: "Alzenau. Frau Rebekka Oestreicher, die älteste Frau unseres Ortes, verschied im Alter von 98 Jahren."  

  
Zum Unglücksfall der Familie Bernhard Hamburger (1907)      

Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 1. Februar 1907: "Alzenau. Hier fand man am Samstag früh die Handelsmannseheleute Bernhard Hamburger nebst ihrem Kinde bewusstlos in ihrem Schlafzimmer auf. Sie waren durch Einatmen von Kohlenoxydgas, das aus dem die Nacht über geheizten Ofen entströmte, an Vergiftungserscheinungen dem Tode nahe. Der Kunst der vier aus der Umgegend, sowie von Hanau und Frankfurt am Main herbeigerufenen Ärzte gelang es, die drei Personen wieder zum Bewusststein zu bringen."        

   
Zum Tod von Mirjam Strauß geb. Thalheimer (1923)  

Alzenau Israelit 18011923.jpg (145095 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. Januar 1923: "Alzenau (Unterfranken), 14. Januar. Am vergangenen Sonntag haben wir eine selten fromme Frau zur letzten Ruhe gebettet. Frau Mirjam Strauß, Witwe des vor 11 Jahren verblichenen früheren Lehrers Abraham Strauß - das Gedenken an den Gerechten sei zum Segen - in Berlichingen, ist nach vierwöchentlichem Krankenlager am Erew Schabat Kodesch Wajehi (= 5. Januar 1923, Freitag = Vorabend vor dem Schabbat mit der Toralesung Wajehi) im 77. Lebensjahre sanft verschieden. Getreu dem Vorbilde ihres Elternhauses - Tochter des weitberühmten Distriktrabbiners Thalheimer in Mainbernheim - hatte sie ihr eigenes Haus und ihres frommen, gelehrten Gatten zu einem Mikdasch Meat (Kleinen Heiligtum) gestaltet und ihre Kinder zu echten Jehudim erzogen. Ihre hervorragende Herzens- und Geistesbildung, ihr vielseitiges Wissen auf profanem und besonders jüdischem gebiete befähigten sie, in ihrem Hause als Priesterin und in ihrer Gemeinde als Führerin in idealem Sinne zu wirken. Nach ihrem Wegzug von Berlichingen fand die Verstorbene bei ihrer Tochter, der Gattin des Lehrers Wechsler, liebevolle Aufnahme, wo ihr ein schöner, sorgenfreier Lebensabend bereitet wurde.
Von der Beliebtheit der Entschlafenen zeugte die große Beteiligung sowohl von jüdischer als auch nichtjüdischer Seite bei der Beerdigung. Im Sterbezimmer zeichnete als Freund des Hauses Herr Hauptlehrer Wahler von Hörstein, ein getreues Lebens- und Charakterbild der Heimgegangenen. Seine von Herzen zu Herzen gehenden Worte wirkten tiefergreifend. Vor dem Trauerhause drückte der Schwiegersohn, Herr Lehrer Wechsler, schmerzerfüllt den Dank und die Anerkennung aus für die aufopfernde Tätigkeit und Mithilfe bei der Erziehung und Unterweisung seiner Kinder. 
Der älteste Sohn, Kantor Strauß von Freiburg, gab am Grabe dem tiefen Schmerz der Hinterbliebenen über den Heimganz der guten, treubesorgten Mutter in ergreifenden Worten Ausdruck, dankte der Verklärten für sich und seine Geschwister dafür, dass sie ihnen alle Zeit eine Lehrerin und Führerin gewesen war und gelobte, das Vermächtnis der geliebten Mutter treu zu wahren. Das Gedenken an den Gerechten sei zum Segen".

  
80. Geburtstag von Babette Marx geb. Frank (1924)

Alzenau Israelit 08051924.jpg (15097 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. Mai 1924: "Alzenau, 4. Mai (1924). Im Kreise ihrer Kinder feiert in voller Rüstigkeit Frau Babette Marx geb. Frank ihren achtzigsten Geburtstag. (Alles Gute) bis 100."   

  
Zum Tod des Bäckermeisters Kaufmann Schafheimer (1929) 

Anmerkung: Anzeigen und biographische Angaben zu Bäckermeister Kaufmann Schafheimer siehe unten.    

Alzenau Israelit 21111929.jpg (94768 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. November 1929: "Alzenau, 10. November (1929). Unsere hiesige Gemeinde hat einen herben Verlust erlitten. Nach schwerem Leiden verschied im Alter von 56 Jahren der hier allseits beliebt und angesehene Bäckermeister Kaufmann Schafheimer. Der Verblichene besaß einen vornehmen Charakter und wahre Herzensbildung. Durchdrungen von dieser Religiosität und echt jüdischem Gottvertrauen, war er jederzeit ein eifriger Besucher des Gottesdienstes. Beseelt von einer beispiellosen Hilfsbereitschaft stand er jedem stets gerne mit Rat und Tat zur Seite. Am Trauerhause entwarf Herr Lehrer Wechsler in beredten Worten ein Lebensbild von dem Entschlafenen. Im Namen der Familie widmete der Neffe des Verstorbenen, Herr Lehrer Lehmann - Flehingen, demselben tief empfundene Worte des Abschieds. Für den Kriegerverein, der seinem treuen Mitgliede die letzten militärischen Ehren erwies, sprach Herr Trageser Worte des Dankes für seine dem Verein geleisteten Verdienste. Namens der Freiwilligen Feuerwehr widmete Herr Bürgermeister Antoni dem langjährigen Mitgliede einen warmen Nachruf. Möge Gott den trauernden Hinterbliebenen seinen Trost spenden. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."  

  
84. Geburtstag von Babette Marx geb. Frank (1928)

Alzenau Israelit 03051928.jpg (38397 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. Mai 1928: "Alzenau, 30. April (1928). In körperlicher und geistiger Frische feiert am 5. mai Frau Babette Marx geb. Frank in Alzenau ihren 84. Geburtstag. Nicht nur ihr großer Familienkreis freut sich an diesem Tage mit der Jubilarin, sondern alle, die sie kennen, nehmen Anteil an dieser Feierstunde, getragen von dem Wunsch, dass Gott ihr weiter ihre Gesundheit noch lange Jahre erhalte."

  
87. Geburtstag von Herz Hamburger (1928)  

Alzenau Israelit 05071928.jpg (50398 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. Juli 1928: "Hanau, 29. Juni (1928). Am 7. Juli (Schabbos Pinchas) feiert im nahen Alzenau Herr Herz Hamburger seinen 87. Geburtstag. Der Greis, ein Jehudi vom alten Schlag, erfreut sich - Gott sei gepriesen - einer seltenen Rüstigkeit und Frische des Geistes. Er ist weit über die Grenzen seines Heimatortes bekannt und genießt größte Beliebtheit. Er versieht in seiner Gemeinde das Amt eines Jom-Kippur-Chasan (ehrenamtlicher Vorbeter an Jom Kippur) und hat noch an den vergangenen ehrfurchtgebietenden Tagen dieses Amt in treuer Hingabe versehen. Unser Wunsch: (Alles Gute) bis 120 Jahre!". 

   
Zum Tod von Babette Marx (1929)  

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. Januar 1930: "Alzenau, 30. Dezember (1929). Im hohen Alter von 85 Jahren verstarb hier Frau Babette Marx. Die Verblichene war durchdrungen von unerschütterlichem Gottvertrauen und erfüllt von wahrer, in ihrem innersten Wesen wurzelnden Frömmigkeit. Ausgestattet mit tiefer Herzensbildung und vornehmem Charakter war sie stets von größter Liebenswürdigkeit und gewinnender Freundlichkeit zu allen ihren Mitmenschen. Ihr höchstes Streben fand sie darin, Gastfreundschaft zu üben. Auch um den hiesigen Frauenverein hat sich die selige Entschlafene sehr verdient gemacht. So wirkte sie als eine wahre tüchtige Frau im Kreise ihrer Familie und in unserer Gemeinde. Trotz eines schweren Fußleidens war die Verblichene noch regelmäßige Besucherin der Synagoge. Ließ sie sich doch noch einige Wochen vor ihrem Tode von ihren Kindern unter Aufbietung ihrer letzten Kräfte ins Gotteshaus führen. Die große Beteiligung an ihrer Beerdigung legte ein beredtes Zeugnis ab von der Beliebtheit, welcher sie sich in allen Kreisen der Bevölkerung ohne Unterschied der Konfession erfreute. Am Trauerhause entwarf Herr Lehrer Wechsler in markanten Worten ein Lebensbild der Dahingeschiedenen und schilderte ihre hervorragenden Tugenden. Im Namen der Familie widmete ein Enkel derselben, Herr Lehrer Lehmann, Flehingen, der geliebten Großmutter tiefempfundene Worte des Dankes und des Abschieds. Während der Schiw'a (Trauerzeit) hielt ein zweiter Enkel, Herr Kantor Adler, Fürth, der Heimgegangenen einen herzlichen Nahruf. Möge der Heilige - er sei (Gott) die tief trauernden Kinder trösten und ihr Andenken in unserer Gemeinde ein gesegnetes sein. Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."

 
Zum Tod von Janchen Hamburger und Aron Freudenthal (1930)

Alzenau Israelit 04121930.jpg (80737 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Dezember 1930: "Alzenau, 29. November 1930. Unsere hiesige Gemeinde hatte innerhalb zweier Tage zwei Todesfälle zu beklagen. Am 6. November verschied im Alter von 74 Jahren nach langem Siechtum Frau Janchen Hamburger. Die verblichene war ein tiefreligiös veranlagter Charakter und durchdrungen von aufrichtigem Gottesvertrauen. Von großer Anspruchslosigkeit für sich selbst, zeigte sie sich stets hilfsbereit gegen ihre Mitmenschen. Die große Beteiligung an der am 9. November stattgefundenen Beerdigung war ein beredter Beweis für die Beliebtheit, deren sie sich allseits erfreute. In Abwesenheit des hiesigen Lehrers H. Wechlser hielt als Verwandter Herr Lehrer Lehmann, Flehingen die Traueransprache. 
Am 7. November wurde Aron Freudenthal im Alter von 63 Jahren von seinem qualvollen, schweren Leiden erlöst. Der Dahingeschiedene war beseelt von wahrer Herzensfrömmigkeit und aufrichtigem Gottvertrauen. Wohltätigkeit auszuüben, war ihm ein Herzensbedürfnis. Liebe und Güte waren die Grundzüge seines Wesens. Zu allen seinen Mitmenschen war er von gewinnender Liebenswürdigkeit und steter Freundlichkeit. Er erfreute sich der grö0ten Beliebtheit und Wertschätzung. Der Neffe des Verblichenen, Lehrer Lehmann in Flehingen, schilderte bei der am 10. November stattgefundenen Beerdigung in beredten Worten die edlen Charaktereigenschaften des Dahingeschiedenen. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."

   
Zum Tod von Frau Hamburger, Gattin des Kultusvorstehers Isidor Hamburger (1933)

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. Mai 1933: "Alzenau, 22. Mai (1933). Unter außerordentlicher Beteiligung von nah und fern, auch nichtjüdischer Kreise, wurde am 30. April die Frau unseres Kultusvorstehers, Herrn Isidor Hamburger, zur letzten Ruhe gebettet. Lehrer Wechsler würdigte in längerer Rede die Verdienste der Verschiedenen um die hiesige Gemeinde. Sie war seit Gründung des Frauenvereins (1905) 1. Vorsteherin bis zu ihrem Tode und leitete den Verein in mustergültiger Weise. Besonders hob er ihre große Wohltätigkeit hervor, indem sie den armen Durchwanderern Obdach in ihrem Hause gewährte und sie mit Speise und Trank labte. Auch im Kriege sorgte sie, dass die Soldaten Liebespakete erhielten. Ihr Haus suchte sie zu einem Mikdasch meat (kleinem Heiligtum) zu gestalten, in welchem ihre ganze Liebe dem Gatten und den Kindern entgegengebracht wurde. Ihr Andenken wird nicht nur im Frauenverein, sondern bei allen, die sie kannten, ein gesegnetes sein. Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."   

 
Zum Tod der aus Alzenau stammenden Frau des Eschauer Lehrers Lehmann (1935)
   

Alzenau Israelit 09051935.jpg (68921 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Mai 1935: "Alzenau (Unterfranken), 1. Mai (1935). Am vierten Tag der Halbfeiertage (des Pessach-Festes, das war 23. April 1935]  verschied im 70. Lebensjahr Frau Lehrer Lehmann im Spessartdörfchen Eschau. In Alzenau geboren, war es ihr Wunsch, auf dem dortigen Friedhof bestattet zu werden. Herr Bezirksrabbiner Dr. Bloch, Aschaffenburg, widmete der Verstorbenen am Sterbehause Worte ehrenden Gedenkens. Der einzige Sohn, Lehrer in Wiesloch, brachte die Gefühle der Dankbarkeit und kindlichen Verehrung zum Ausdrucke. Ein stattlicher Trauerzug, in welchem auch viele Nichtjuden waren, gab Frau Lehmann das letzte Geleite. Nach ihrer Überführung zum Friedhof Alzenaus zeichnete Herr Lehrer Wechsler in kurzen Strichen die hervorragenden Eigenschaften der Entschlafenen, worauf der Gatte in  rührenden Worten Abschied von der geliebten Lebensgefährtin nahm. Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."     

     
     
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen   
Die Frau von Daniel Hamburger sucht einen Lehrling für ihr Manufaktur-, Kolonial-, Leder- und Eisengeschäft (1892)      

Anzeige in "Der Israelit" vom 1. September 1892: "Ich suche für mein Samstags und Feiertags streng geschlossenes Manufaktur-, Kolonial-, Leder- und Eisengeschäft einen Lehrling aus guter Familie. - Kost und Logis im Hause.
Firma Daniel Hamburger, Alzenau bei Aschaffenburg. "    

    
Salomon Hamburger sucht eine Haushaltshilfe (1898)   

Anzeige in "Der Israelit" vom 6. April 1898: "Suche zum alsbaldigen Eintritt ein tüchtiges erfahrenes Mädchen, gesetzten Alters, welches in der Küche bewandert und einem kleinen strengen religiösen Haushalte vorstehen kann.
Salomon Hamburger, Alzenau
, Unterfranken. "   

   
Bäckermeister Kaufmann Schafheimer sucht einen Gehilfen (1898 / 1900 / 1901 / 1903)     
Anmerkung: Kaufmann Schafheimer ist am 27. September 1871 in Lohrhaupten geboren (hebräischer Name Jekutiel, Sohn der Bela). Er war von Beruf Bäcker und verheiratet mit Fanny (Vany) geb. Marx (geb. 13. Mai 1881 in Alzenau). Er starb am 16. September 1929 in Alzenau (siehe Artikel oben) und wurde im jüdischen Friedhof in Hörstein beigesetzt. Seine Frau Fanny war zuletzt gemeldet in Frankfurt am Main (1936).    

Anzeige in "Der Israelit" vom 22. September 1898:
"Ein tüchtiger, selbstständiger Bäckergehilfe gesucht.
Samstags und Feiertage geschlossen.
K. Schafheimer
, Bäckermeister, Alzenau (Unterfranken)."  
 
Alzenau Israelit 07061900.jpg (21821 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Juni 1900
"Tüchtiger 
Bäckergehilfe
gesucht. 
K. Schafheimer, Bäckermeister, Alzenau, Unterfranken."     
 
Alzenau Israelit 29041901.jpg (21907 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. April 1901
"Tüchtiger Bäckergehilfe gesucht. 
K. Schafheimer, Alzenau bei Hanau."  
 
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. August 1903
"Tüchtiger Bäckergehilfe gesucht
K. Schafheimer, Alzenau
(Unterfranken)."     

      
Anzeige der Manufakturwaren- und Möbelhandlung A. Rothschild (1901)     

Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. November 1901: "Lehrling per sofort gesucht
Samstags und Feiertage geschlossen. 
A. Rothschild, Manufaktur und Möbel, Alzenau (Bayern)".    

   
Lehrlingssuche des Eisen-Geschäftes Ferdinand Manko (1906)
  

Alzenau FrfIsrFambl 06041906.jpg (24220 Byte)Anzeige im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 6. April 1906: "Suche sofort einen Lehrling für mein Eisen-Geschäft. Samstag und Feiertage streng geschlossen. Ferdinand Manko, Alzenau (Unterfranken)."    

   
Das Mehl- und Landesproduktengeschäft J. Nussbaum sucht einen Lehrling / einen Mitarbeiter (1903 / 1911)
  
Anmerkung: Isaak Nußbaum ist am 10.12.1865 in Vollmerz geboren. Er lebte seit 1895 in Alzenau (Hanauer Straße 91). Er heiratete 1895 Johanna geb. Staadecker (geb. 1872 in Merchingen). Die beiden konnten 1940 in die USA emigrieren (1940 New York).   

Anzeige in "Der Israelit" vom 10. Oktober 1903: "Suche für mein Landesprodukten- und Mehlgeschäft einen
Lehrling
aus achtbarer Familie.
J. Nußbaum, Alzenau,"   
 
Alzenau FrfIsrFambl 06011911.jpg (35499 Byte)Anzeige im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 6. Januar 1911: 
"Suche für mein am Samstag und Feiertage geschlossenes Mehl- und Landesproduktengeschäft einen 
jungen Mann
aus achtbarer Familie. 
J. Nussbaum, Alzenau."   

      
 Silberne Hochzeit von Bernhard Hamburger und Sara geb. Kaufmann (1929)  

Alzenau Israelit 21031929.jpg (29083 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. März 1929: "Bernhard Hamburger und Frau Sara geb. Kaufmann
Alzenau,
feiert am Sonntag, den 12. Adar II / 24. März das Fest der silbernen Hochzeit."  

   
Hochzeitsanzeige für Josef Hamburger und Regine geb. Jacobs (1933)  

Alzenau Israelit 09021933.jpg (42601 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Februar 1933: "
Statt Karten   Josef Hamburger - Regine Hamburger geb. Jacobs.  Vermählte. 
Alzenau/Unterfranken - Hopsten in Westfalen.  
Trauung: 15. Februar 1933 - 19. Schewat 5693, 13 Uhr. Pension Scheuer, Frankfurt am Main, Börsenplatz.  
Zugedachte Telegramme bittet man zu Gunsten der Agudas Jisroel abzulösen."   

   
   
   
Zur Geschichte der Synagoge             
   
Im 17./18. Jahrhundert besuchten die Juden aus Alzenau die Synagoge im benachbarten Wasserlos. Wann in Alzenau ein eigener Betsaal beziehungsweise eine Synagoge eingerichtet oder erbaut wurde, ist nicht bekannt. 
  
Um 1820 beschloss die Gemeinde den Bau einer Synagoge. Man konnte ein Grundstück an der heutigen Alfred-Delp-Straße erwerben und auf diesem 1825/26 eine Synagoge erbauen. 1826 wurde sie eingeweiht. Ein Bericht von der Einweihung ist nicht bekannt, doch wurde im Zusammenhang mit der Hundertjahrfeier der Synagoge 1926 ein ausführlicher Bericht in der Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung am 3. Dezember 1926 veröffentlicht: 
   

 

    
     

Alzenau BayrIsrGZ 03121926a.jpg (210825 Byte)Eine Doppelfeier in Alzenau. In der Nordwestecke unseres engeren Vaterlandes, dort, wo die lieblichen Waldberge des Vorspessarts den sich weitenden Kahlgrund grüßen, liegt zwischen sanftem Hügelgelände, von wenig ertragsfähigen Fluren umrahmt, der gewerblich rührige Marktflecken Alzenau. Die nahen Braunkohlengruben im Tertiärgebiet des Untermaintales und das benachbarte Industriezentrum von Hanau-Offenbach bestimmen die wirtschaftliche Eigenart seiner Bevölkerung. Seit vielen Jahrhunderten ist im Kahlgrunde auch eine jüdische Bevölkerung ansässig, die nachweislich im 17. Jahrhundert in dem Alzenau benachbarten Wasserlos 30, in Alzenau 12 Familien zählte. Heute hat sich das Zahlverhältnis der jüdischen Bevölkerung der beiden Orte, welche eine Kultusgemeinde bilden, umgekehrt. Während im 17. und 18. Jahrhundert die Juden von Alzenau allsabbatlich zur Synagoge nach Wasserlos wanderten, besuchen heute die jüdischen Familien von Wasserlos die Synagoge zu Alzenau, deren Grundsteinlegung und Bau urkundlich auf das Jahr 1826 festgestellt ist.  
    
Das 100jährige Bestehen ihres Gotteshauses gab der Gemeinde Alzenau-Wasserlos Anlass zu einer Gedenkfeier, in deren Rahmen die gleichzeitige Feier der 25jährigen Wirksamkeit ihres Lehrers in der Gemeinde mit eingefügt war. Was dieser Doppelfeier die charakteristische Note und für den fremden Teilnehmer den eigenartige Reiz verlieh, war die Beteiligung der gesamten christlichen Bevölkerung des Marktfleckens an dieser jüdischen Feier. Ein seltener Fall in unserem engeren Vaterlande, dass solch friedliche Harmonie zwischen den verschiedenen Glaubensbekenntnissen eines kleinen Ortes besteht, das auch in den politisch unruhigsten Zeiten des vergangenen Jahrzehnts niemals durch den leisesten Misston getrübt war. Schon der Festgottesdienst am Freitagabend des 19. Novembers findet die gesamte Verwaltung der politischen Gemeinde als Teilnehmer in der festlich geschmückten, in ihren bescheidenen Ausmaßen stimmungsvoll wirkenden Synagoge. In der Festpredigt des Morgengottesdienstes am Sabbat benutzte Herr Bezirksrabbiner Dr. Breuer (Aschaffenburg) den Bericht des Wochenabschnittes über die Errichtung des Gottesaltars zu Betel durch Erzvater Jakob und dessen Mahnung an seine Gemeinde, die fremden Götter aus ihrer Mitte wegzuschaffen, zu einer wuchtig eindrucksvollen Predigt über die Bedeutung des Gotteshauses und zu einer ernsten Mahnung wider die Sünden der Zeit. Dem Beamten verlieh er als Zeichen der Anerkennung für seine verdienstvolle Wirksamkeit den Ehrentitel eines Chower. Ein Festkommers im größten Saale des Ortes vereinigte am Abend eine 4-500köpfige Menschenmenge aus allen Schichten der Bevölkerung zu freundschaftlicher Harmonie  der Konfessionen, die sich einfanden, die jüdische Gemeinde und den jüdischen Lehrer gemeinsam zu ehren. Der 2. Vorstand der Gemeinde, Herr Marburg, begrüßte die Erschienenen und gedenkt der Verdienste, die sich der Beamte in seiner 25jährigen Wirksamkeit erworben hat. In dem Vortrag eines poetisch gehaltenen Prologs – sicherlich verfasst von dem im ganzen Kahlgrunde als Festdichter bekannten Herrn Lehrer Wechsler – lässt Fräulein Neu aus Wasserlos in dramatisch-vollendetem Vortrag die Geschichte der Doppelgemeinde Alzenau-Wasserlos in den letzten Jahrhunderten vor dem Hörer vorüberrauschen. Vier verschiedene Gesangvereine und verschiedene Sport- und Turnvereine des Marktfleckens bieten ihr Bestes zur Verschönerung der Feier. Weitere Deklamationen und Reden, darunter Ansprachen der Vorstandschaft der benachbarten Kultusgemeinde Aschaffenburg, gelten der Ehrung der Gemeinde und ihres Beamten. Ein Vorstandsmitglied der Gemeinde Alzenau gedenkt unter Überreichung von Ehrendiplomen der Verdienste zweier Gemeindeglieder, von welchen Herr Louis Hamburger 35 Jahre als 1. Vorstand, Herr Isidor Hamburger ebenso lange als Kassier ununterbrochen ihres Amtes walten. Den Mittelpunkt des Doppelfestes bildete die akademische Feier am Sonntagnachmittag, zur der wiederum eine vielhundertköpfige Menschenmenge aus nah und fern herbeigeeilt war. Herr Kassier Hamburger begrüßt die Festgäste und die erschienenen Delegierten der geistlichen und weltlichen Behörden und überreicht dem Beamten namens der Kultusgemeinde und ihrer Chevras Ehrengaben. Herr Bezirksrabbiner Dr. Breuer würdigte in einer eindrucksvollen Ansprache die Verdienste des Jubilars Wechsler in Schule und Gotteshaus unter Hervorhebung der außerordentlichen Schwierigkeiten, mit welchen die religiöse Einwirkung auf die Seelen der Jugend und der Erwachsenen im Allgemeinen, ganz besonders aber die jüdisch-religiöse Erziehungstätigkeit im Sinne des überlieferten Judentums gegenüber den heutigen Zeitströmungen zu kämpfen hat. 
Alzenau BayrIsrGZ 03121926b.jpg (118954 Byte)Das 100jährige Bestehen der Synagoge und die drei Jahrhunderte zurückreichende Geschichte der Gemeinde gab ihm Anlass, in eindrucksvollen Darlegungen nachzuweisen, wie sehr der deutsche Jude mit dem deutschen Heimatboden verwurzelt ist und das deutsche Judentum, das seit 1.600 Jahren in Deutschland Heimatrecht besitzt, durch Betätigung seines Väterglaubens dem deutschen Vaterlande in der Mitwirkung am geistigen und sittlichen Wiederaufbau die besten Dienste erweist. Als Vertreter des Verbandes Bayerischer Israelitischer Gemeinden überbrachte das Ratsmitglied, Herr Hauptlehrer Stoll (Würzburg) die Grüße und Glückwünsche des Präsidiums. An der Hand der Geschichte des Verbandes legte er dar, dass der Verband, wie an den Leiden, so auch an den Freuden der Gemeinden innigen Anteil nehme. Die heutige Doppelfeier und der Kreis der Teilnehmer, der sich aus allen Konfessionen rekrutiert, ist für ihn der Beweis, dass die drei Grundpfeiler der sittlichen Weltordnung – Gotteslehre, Gottesdienst und allgemeine Nächstenliebe – in den Herzen der Mitglieder der Gemeinde Alzenau-Wasserlos auf festem Grund ruhen. Vertreter der katholischen und protestantischen Geistlichkeit betonten, dass ihre christlichen Gemeinschaften gerne mit dem gläubigen Judentum zusammenwirken wollen auf dem gemeinsamen Boden des Glaubens an den Einen Gott und der Verteidigung und Verbreitung des den Konfessionen gemeinsamen biblischen Sittengesetzes. Der Vertreter des Bezirksamtes dankte ganz besonders dem Lehrer Wechsler für seine unermüdliche Tätigkeit zur Förderung aller gemeinnützigen Bestrebungen in Ort und Bezirk. In gleicher Weise bringt der Bürgermeister des Ortes die Glückwünsche des Marktfleckens für die beiden Jubilare zum Ausdruck. Weiterhin halten Ansprachen Vertreter der jüdischen und christlichen Lehrerschaft des Bezirkes. Umrahmt war die akademische Feier von den wuchtigen Chören des Synagogenchores der Israelitischen Religionsgesellschaft Frankfurt am Main, der unter der persönlichen Leitung seines Dirigenten, des Herrn Max Neumann, der selbst im Kahlgrund seine Heimat hat, in Stärke von etwa 50 Köpfen mit Sonderzug aus Frankfurt herübergekommen war. Musikalische und sonstige Darbietungen hielten alt und jung noch viele Stunden zusammen. Als die von auswärts gekommenen Gäste wieder der Heimat zustrebten, waren alle durchdrungen von dem Bewusstsein, bei der Doppelfeier in Alzenau in der Bekundung selten freundschaftlicher Harmonie christlicher und jüdischer Ortsgenossen ein Erlebnis in sich aufgenommen zu haben, das ihrem Gedächtnis unvergänglich sein wird.

  
Ein weiterer Bericht zu den Jubiläumsfeierlichkeiten erschien in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Dezember 1926:

Alzenau Israelit 09121926a.jpg (149092 Byte)"Die Jubiläumsfeierlichkeiten in Alzenau.
Alzenau, 26. November (1926). Die hiesige israelitische Gemeinde feierte am 19, 20. und 21. dieses Monats das Fest des 100jährigen Bestehens ihrer Synagoge, verbunden mit dem 25jährigen Ortsjubiläum ihres Lehrers, Herr B. Wechsler.
In der festlich geschmückten Synagoge wurde die Feierlichkeit am Freitag abend begonnen, wobei der Alzenauer Synagogenchor den Gottesdienst verschönte. Samstag früh fand der eigentliche Festgottesdienst statt. Seinen Höhepunkt erreichte derselbe in der Festpredigt unseres allverehrten Herrn Distriktsrabbiners Dr. Raphael Breuer, Aschaffenburg, welche allen andächtig Versammelten zu einem seelischen Erlebnis wurde. Unter Zugrundelegung des Sabbatpsalms Psalm 93 (Vers 5) Edotächa näämanu meod ("Deine Zeugnisse sind sehr bewährt...") legte der Redner dar, dass nur dort, wo die Zeugnisse Gottes, die Tora und ihre Gebote, hochgehalten werden und Treue finden lebeitecha naawa-kodäsch ("dein Haus ziert Heiligkeit"), nur da auch dem Gotteshause Heiligkeit zukommt. Er führte aus, dass nicht nur im Beit HaKnesset (Synagoge) das Gebet die Hauptsache bildet, sondern auch außerhalb desselben der Zusammenhang in dem Befolgen der Gebote im Hause und im bürgerlichen Berufe nicht gelockert werden dürfe. Redner erinnerte an unsern Stammvater Jakob, der bei seiner Rückkehr von Laban ins Vaterhaus seine Kinder ermahnte, .. die fremden Gottes aus ihren Häusern zu schaffen und sich zu reinigen. Er ermahnte die Zuhörer, den Mammonismus und die Unsittlichkeit zu bekämpfen, die sich im Volke breit mache. Dann werden ihnen auch die umliegenden Völker gleich Jakob nichts anhaben können, von dem es heißt... Zum Schlusse seiner tief schürfenden Rede verlieh Herr Dr. Breuer als Ausdruck des Dankes für sein bisheriges Wirken Herrn Lehrer Wechsler den Chower-Titel unter Überreichung einer entsprechenden Urkunde. Der Geehrte dankte in herzlichen Worten und ermahnte seinerseits die Zuhörer, insbesondere die Jugend den Worten des allverehrten Redners auch die Tat folgen zu lassen. 
Abends fand im Ritter'schen Saale ein Festkommers statt, der von sämtlichen Gesangvereinen, dem Turnverein und Kraftsportklub durch Darbietung von Gesang und Aufstellung von Pyramiden verschönt wurde. Der zweite Vorstand, Herr Louis Marburg, hieß die Gäste willkommen und gab ein Bild der Entstehung der Synagoge und der Geschichte der Gemeinde. Sodann feierte er die Verdienste des Jubilars in der Schule, Gemeinde und Gotteshaus sowie dessen Wirken auch in den Vereinen und der politischen Gemeinde. Seine Rede fand begeisterte Aufnahme. Herr Salomon Goldschmidt als zweiter Vorstand der Kultusgemeinde Aschaffenburg gratulierte im Namen derselben, hob die guten Beziehungen zwischen den beiden Gemeinden hervor und brachte zum Schluss ein Hoch auf die 82jährige Mutter des Jubilars aus. Fräulein Neu aus Wasserlos schilderte in gediegener Rede ihre Heimatgemeinde als die Mutter der Gemeinde Alzenau und widmete ihr Hoch den Vorstehern der Gemeinde sowie den Vorständen des Männer- und Frauenvereins. Hierauf fand die Ehrung des ersten Vorstands und des Kassierers der Kultusgemeinde Alzenau statt. In Anerkennung ihrer 35-jährigen treuen Dienste überreichte ihnen Herr Marburg in längerer Rede ein von Herrn Kunstmaler Ludwig Neu in Hamburg (gebürtig in Wasserlos) prächtig gefertigtes Diplom als Ehrengabe. Auch dem ältesten Mitgliede Herrn Herz Hamburger, der mit 86 Jahren noch als Vorbeter am Versöhnungstage fungiert, wurde durch den Jubilar in ehrender Weise ein Hoch gewidmet. Zum Schlusse dankte Herr Lehrer Wechsler allen Mitwirkenden und der Kultusgemeinde für den herrlichen Verlauf der Feier, welche durch die prächtigen Musikstücke der Kapelle Hermann verschönt wurde. 
Alzenau Israelit 09121926bs.jpg (154293 Byte)Sonntag Nachmittag fand die akademische Feier im Ritter'schen Saale statt, der dichtbesetzt war. Der Synagogenchor der Israelitischen Religionsgesellschaft Frankfurt am Main war herbeigeeilt und leitete mit schwungvoll zu Gehör gebrachten Chören die Feier ein. Unter der temperamentvollen Leitung seines Dirigenten Herrn Max Neumann fanden seine Darbietungen riesigen Applaus. Herr Kassier Salomon Hamburger eröffnete die Versammlung und begrüßte die Ehrengäste sowie alle Erschienenen. Er würdigte die Verdienste des Jubilars und mahnte, den Frieden in der Gemeinde stets hochzuhalten, wie er bis jetzt sich erhalten habe. Herr Distriktsrabbiner, Dr. Breuer, hob die Schwierigkeit hervor, mit welcher der gesetzestreue Jude zu kämpfen habe, indem er zwei Tage der Woche von der Arbeit ruhen müsse. Er bedauerte die Demoralisation der Jugend und betonte, dass derjenige ein guter Deutscher sei, der auch ein guter Jude ist. Er wies nach, dass Kaiser Konstantin schon am 11. Dezember 321 den Juden in Köln das Wohnrecht einräumte und dass die Juden deshalb nicht als "Fremde" im deutschen Vaterlande zu betrachten seien. Seine begeisterten Beifall findende Rede schloss mit dem Psalmistenwort: "Wie schön ist es, wenn Brüder einträchtig beisammen wohnen". Fräulein Neu von Wasserlos trug einen der Feier angepassten vom Jubilar verfassten Prolog recht ausdrucksvoll vor. Herr Seminardirektor Stoll aus Würzburg überbrachte die Glückwünsche des Verbandes bayrischer Gemeinden und des Präsidiums desselben. Unter großem Beifall bestieg Herr Pfarrer Orgeldinger die Rednertribüne und übermittelte die herzlichen Glück- und Segenswünsche der katholischen Mitbürger Alzenaus. Er hob hervor, dass er es für seine Pflicht erachtet hätte, auch wenn er nicht persönlich eingeladen worden wäre, zu der Feier zu erscheinen, da die katholische Kirche und der orthodoxe jüdische Glaube in vielen Dingen gemeinsam gehen könnten. Die Gottesidee und der Dekalog sind solche gemeinsame Glaubenswahrheiten, die die beiden Konfessionen einander näher bringen. Der geschätzte Redner schloss mit dem Verse des 1. Psalms: "Heil dem Manne, der am Gesetz seinen Wohlgefallen hat". Seine zündenden Worte lösten einen Beifallssturm aus, wie er wohl selten gehört wurde. Herr Vikar Schwarz als Vertreter der protestantischen Kirche überbrachte die Gratulation der protestantischen Mitbürger, während Herr Oberregierungsrat Buchner die Grüße und Glückwünsche der Staatsregierung und des Bezirksamts aussprach. Er führte in teilweise launiger Weise aus, dass die jüdischen Bürger die angenehmsten der Behörde seien, da sie das Amt nur in seltensten Fällen belästigten. 
Alzenau Israelit 09121926bs1.jpg (209769 Byte)Er lobte die Eintracht, in welcher die Konfessionen hier leben und wünschte, dass es so bleiben möge. Dem Jubilar, den er den Dichter des Bezirks nannte, wünschte er weiter alles Gute zum Heile seiner Gemeinde. Auch dieser Redner erntete stürmischen Applaus. Herr Bürgermeister Antoni beglückwünschte die Kultusgemeinde im Namen des Ortes und hob die Verdienste des Jubilars hervor, die er sich in gemeinnützigen Vereinen erwarb. Herr Lehrer Schloss von Aschaffenburg brachte die Glückwünsche des Israelitischen Lehrervereins und der Bezirkslehrerkonferenz bezeichnete den Jubilar als eines der treuesten Mitglieder, der noch bei keiner Versammlung gefehlt habe und überreichte eine prächtige Sammlung Bilder. Herr Bezirksoberlehrer Borst beglückwünschte im Namen des Bezirkslehrervereins den Jubilar und widmete sein Hoch der treuen Gefährtin. Herr Hauptlehrer Wissmann, ehemaliger Lehrer hierselbst, freute sich, in seiner früheren Wirkungsstätte den Geist wiederzufinden, den er vor 35 Jahren der Jugend eingepflanzt habe. In mit Humor gewürzter Rede feierte Herr Hauptlehrer Wahler von Hörstein den Nachbarkollegen als einen treuen Freund, den er um seine allzeit bewährte Ruhe beneide und brachte gleichzeitig die Glückwünsche der Nachbargemeinde Hörstein, die Freud und Leid mit der Jubilarin teile. Zum Schluss der Versammlung dankte der Jubilar mit den Worten unseres Stammvaters Jakob: "Ich bin zu gering ob alle der Gnade und der Liebe, die du deinem Knechte erwiesen". Er dankte der Kultusgemeinde und seinen Schülern für die herrlichen Geschenke, allen Rednern für die ehrenden Worte, der politischen Gemeinde, den Behörden und den Vereinen für ihre Mitwirkung bei der Feier, die einen der schönsten Tage seines Lebens in sich schließe. Die Feier bedeutete einen wahren Kiddusch HaSchem, zeigte sie so recht deutlich, wie ein inniges Verhältnis zwischen den hiesigen Konfessionen besteht und wie sehr der Jubilar bei allen geachtet wird. 

Anmerkung:  Lehrer Benzion Wechsler wurde 1942 im Vernichtungslager Sobibor ermordet.       
    
    
Einweihung eines neuen Toravorhanges 1902

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Januar 1902: "Alzenau, 13. Januar (1902). Am vergangenen Schabbat fand hier die Einweihung eines neuen Parochet (Toraschrein-Vorhanges) statt, welches von den Frauen der beiden Gemeinden Alzenau-Wasserlos gestiftet wurde. Herr Lehrer Wechsler hielt die Festpredigt, worin er auf die in goldenen Buchstaben der auf dem Parochet prangenden Jahreszahl (5)662 (= 1901/02) hinwies, welche das Wort 'im Verborgenen' ergebe. Daran anknüpfend beleuchtete er die Pflichten eines Jehudi, der nicht nur in der Öffentlichkeit die Gebote ausüben müsse, wo jeder die Frömmigkeit bewundern könnte, sondern auch im Verborgenen, auf dass man in Zukunft 'im Schirm des Höchsten' wohne. Die nach Form und Inhalt wohlausgearbeitete Rede übte einen sehr guten Eindruck. Das Parochet ist aus der Kunststickerei von J. Kauffmann, Frankfurt a.M. hervorgegangen und bildet einen schönen Schmuck unserer Synagoge."  

   
Nach der Jubiläumsfeier 1926 blieb die Synagoge nur noch 12 Jahre Mittelpunkt der jüdischen Gemeinde in Alzenau. Beim Novemberpogrom 1938 wurden die Synagoge, die Gemeinderäume und die Mikwe aufgebrochen. Die Inneneinrichtungen der Gebäude wurden zertrümmert, die Ritualien zerstört. Im Januar 1939 wurde mit einem Bauern aus Alzenau über den Verlauf des Synagogengebäudes zum Preis von 2.500 RM verhandelt.  In den 1960er-Jahren wurde das Gebäude abgebrochen. An ihrem Standort befinden sich heute ein Hof und eine Garage. 
       
Unweit des Rathauses befindet sich ein Denkmal zur Erinnerung an die ehemalige Synagoge.  
        
        
Adresse/Standort der SynagogeHanauer Straße 10 (Hinterhof) / Alfred-Delp-Straße   
        
        
Fotos   

Historische Fotos sind nicht bekannt, Hinweise bitte an den Webmaster von Alemannia Judaica:
 Adresse auf der Eingangsseite.
     
 Denkmal zur Erinnerung 
an die Synagoge 
(Quelle: Website 
 www.der-weltkrieg-war-vor-deiner-tuer.de/tl
 mit Seite zu Alzenau
 Alzenau Denkmal 025.jpg (85302 Byte) Alzenau Denkmal 026.jpg (88872 Byte) 

      
     

Links und Literatur 

Links:  

bulletWebsite Stadt Alzenau  
bulletAkten der Israelitischen Kultusgemeinde Alzenau-Wasserlos in den Central Archives Jerusalem   

Literatur:  

bulletBaruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979 S. 252-254.  
bulletIsrael Schwierz:  Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit. A 85. 1988 S. 34.  
bulletPinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany - Bavaria. Hg. von Yad Vashem 1972 (hebräisch) S. 402-403. 
bulletWalter Scharwies: Jüdische Kultusgemeinde in Alzenau, Wasserlos und Hörstein. In: Alzenauer Stadtbuch. 2001.   
bulletDirk Rosenstock: Die unterfränkischen Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche Quelle. Reihe: Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg Band 13. Würzburg 2008. S. 85.   
bulletBayern Synagogengedenkbuch IMG_20150803_0001.jpg (85625 Byte)"Mehr als Steine...." Synagogen-Gedenkband Bayern. Teilband III: Unterfranken, Teil 1. Erarbeitet von Axel Töllner, Cornelia Berger-Dittscheid, Hans-Christof Haas und Hans Schlumberger. Hg. von Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid und Gury Schneider-Ludorff in Verbindung mit Meier Schwarz. Synagogue Memorial Jerusalem. Bd. 3: Bayern. 1. Auflage 2015. Kunstverlag Josef Fink Lindenberg im Allgäu (mit umfassenden Quellen- und Literaturangaben)
ISBN 978-3-89870-449-6.
Hinweis: die Forschungsergebnisse dieser Publikation wurden in dieser Seite von "Alemannia Judaica" noch nicht eingearbeitet.
Abschnitt zu Alzenau-Wasserlos S. 55-69.   

     
       

 
 

Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the Holocaust". 
First published in 2001 by NEW YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad Vashem Jerusalem, Israel.

Alzenau Lower Franconia. The community was probably founded in the 17th century. Jews played an important role in the town's economic development, opening tobacco factories and controlling the cattle trade. A synagogue was built in 1826 and the Jewish population grew to 112 in 1910 (total 2,135). In 1933, the Jewish population was 89. In the first years of Nazi rule the economic boycott was barely felt and Jews continued to employ 2,100 workers in 20 tobacco factories. The situation began to deteriorate in 1937 as local antisemitism intensified. Of the 52 Jews who emigrated under the Nazis, including 21 to the United States and 11 to Palestine, 44 left in 1937-39. A total of 24 moved to other German cities. On Kristallnacht (9-10 November 1938), the synagogue was damaged along with Jewish homes and business establishments. The last 11 Jews were deported to Izbica in the Lublin district of Poland and the Theresienstadt ghetto in 1942.  
   
      

                   
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Stand: 30. Juni 2020