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Bad Cannstatt (Stadt Stuttgart)
Jüdische Geschichte / Betsaal/Synagoge
Hinweis: Es bestehen zwei weitere Seiten
mit Texten zur Geschichte der jüdischen Gemeinde:
- Seite mit Texten zu den jüdischen Lehrern
und mit Berichten aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben
- Seite mit Texten zu einzelnen Personen aus der
jüdischen Gemeinde / Anzeigen / weitere Dokumente
Übersicht zu dieser Seite:
Zur Geschichte der
jüdischen Gemeinde
Vom Mittelalter bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts
In Cannstatt lebten Juden vereinzelt im Mittelalter. Erstmals wird 1471 eine jüdische Familie in Cannstatt genannt, die von Graf Ulrich V. von Württemberg gegen die Bezahlung von 20 Gulden jährlich aufgenommen wurde. Der Familienvater Bonin lebte vom Geldverleih: von einem Gulden durfte er wöchentlich einen Pfennig Zins nehmen. Weitere in Cannstatt wohnhafte jüdische Personen und Familien werden im Mittelalter und in der Neuzeit nicht erwähnt.
1582 wird in Mainz Jud Joseph von Cannstadt genannt, möglicherweise
Nachkomme von zuvor in Cannstatt lebenden Juden. Über mehrere Jahrhunderte
gehörte die Familie Cannstadt in Mainz zu den dort bedeutendsten jüdischen
Familien.
Erst im 19. Jahrhundert nennen die Volkszählungen von 1829 und 1833 wieder einige jüdische Personen in der Stadt (13 beziehungsweise acht Personen). Es handelte sich unter anderem um die Familie des Julius Auerbacher aus
Nordstetten und die Familie des Isak Elsass aus
Aldingen. Beide Familien blieben jedoch nicht lange in Cannstatt. Seit 1826 war der Stuttgarter Hoffaktor Marx Pfeiffer (gest. 1842) Besitzer des Gebäudes der ehemaligen Alten Reichspost geworden (Brückenstraße 2, Gebäude im Zweiten Weltkrieg zerstört), jedoch wohnte Pfeiffer weiterhin in Stuttgart. Seit 1857 gehörte das Gebäude seinem Sohn Ernst Ezechiel Pfeiffer.
Bei den Volkszählungen zwischen 1838 und 1846 werden keine Juden in Cannstatt genannt.
Neue Ansiedlung und die zahlenmäßige Entwicklung der jüdischen Einwohner bis 1933
In den 1850er-Jahren zogen wieder jüdische Familien in Cannstatt zu. 1858 wurden 23 jüdische Einwohner gezählt. Zu den ersten Personen und Familien, die zugezogen waren, gehörten Optikus Joseph Haarburger, die Fruchthändler Heinrich und Julius Koch, die Fabrikanten Otto und Salomon Pappenheimer sowie die Kaufleute Gabriel und Haymann Wormser. In den Jahren nach 1860 nahm die Zahl jüdischer Einwohner Cannstatts rasch zu: 1861: 68; 1864: 152; 1867: 193; 1871 (Jahr der Gründung der israelitischen Gemeinde): 256; 1875: 321 (davon 165 männlich, 231 weiblich in 98 Familien); 1895: 406; 1900: 484 (Höchstzahl jüdischer Einwohner in Cannstatt); 1905: 468; 1910: 469. Die meisten der zugezogenen jüdischen Familien stammten aus so genannten
"Judendörfern" des südwestdeutschen Raumes, wo in den Jahrhundert zuvor neben Christen auch Juden die Möglichkeit zur Ansiedlung gehabt hatten (z.B.
Jebenhausen bei Göppingen; Aldingen und
Hochberg bei Ludwigsburg, Freudental bei Bietigheim,
Buttenhausen bei Münsingen usw.).
Seit 1910 ging die Zahl der jüdischen Einwohner Cannstatts durch die Abwanderung nach Stuttgart und in andere Städte sowie durch Auswanderungen wieder zurück: 1925 wurden noch 310, 1922 261 jüdische Gemeindeglieder gezählt.
Die Gründung der israelitischen Gemeinde in Cannstatt
Die in Cannstatt zugezogenen Juden gehörten zunächst der 1832 gegründeten israelitischen Gemeinde in Stuttgart an. 1871 beantragten sie bei den Behörden die Gründung einer selbständigen jüdischen Gemeinde in Cannstatt. Das Königliche Ministerium für das Kirchen- und Schulwesen erteilte die Genehmigung. Mit Wirkung vom
1. Juli 1872 konnte die Gemeinde gegründet werden; zum ersten Vorsteher wurde Otto Pappenheimer gewählt.
Die regionale Ausdehnung der Israelitischen Gemeinde in Cannstatt
Nicht nur die jüdischen Einwohner Cannstatts gehörten der dortigen Israelitischen Gemeinde an. Der Zuständigkeitsbereich der Gemeinde erstreckte sich von Backnang über Waiblingen bis nach Nürtingen (ausgenommen der Bereich um Esslingen, wo seit 1806 eine eigene Gemeinde bestand). 1925 waren es 9 jüdische Einwohner in Backnang, 17 in Nürtingen, 9 in Waiblingen und etwa 20 weitere Personen in anderen Orten
(u.a. Winnenden), die zur Cannstatter Gemeinde gehörten.
Die Einrichtungen der jüdischen Gemeinde
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde einen Betsaal beziehungsweise eine
Synagoge (s.u.), eine jüdische Religionsschule sowie einen Friedhof.
Die jüdische Schule: Die jüdischen Kinder Cannstatts besuchten mit den evangelischen und katholischen Kindern dieselben Schulen. Es gab über mehrere Jahrzehnte ein weitgehend problemloses Miteinander zwischen den Kindern der drei
"Konfessionen". Den Religionsunterricht der jüdischen Kinder erteilte der jüdische Lehrer der Gemeinde. Er war ihr wichtigster Angestellter. Da er zugleich als Vorbeter (Vorsänger, Kantor) für die Abhaltung der Gottesdienste wie auch für Unterricht, Seelsorge und die Gemeindeverwaltung zuständig war, hatte er in einer damaligen jüdischen Gemeinde eine dem Pfarrer einer christlichen Kirchengemeinde vergleichbare Stellung inne. Für besondere Aufgaben gab es den Bezirksrabbiner in Stuttgart, der für mehrere Gemeinden zuständig war.
Die jüdische Religionsschule war nach Einweihung der Synagoge zunächst in einem dortigen Nebenraum. Um 1880 wurde im Haus Brunnenstraße 7 der erste Stock gemietet, um darin Unterrichtsräume einzurichten.
Als Vorbeter und Lehrer wirkten in Cannstatt:
Von 1867 bis 1871 ein Vorbeter "aus dem Badischen", dessen Name nicht bekannt ist.
Von 1871 bis 1909 Julius (Isaak Josef) Metzger aus Wachbach bei Bad Mergentheim (geb. 1846). Dieser hatte am Lehrerseminar in
Esslingen studiert und zunächst bei den jüdischen Gemeinden in
Jebenhausen (bei Göppingen) und Kochendorf (Bad Friedrichshall, Kreis Heilbronn) gewirkt. Er starb 1921 in Stuttgart und wurde im
jüdischen Teil des Pragfriedhofes beigesetzt.
Von 1909 bis 1939 Emanuel Adler aus Markelsheim bei Bad Mergentheim (geb. 1870). Auch er wurde am Lehrerseminar in
Esslingen ausgebildet und war zunächst in den jüdischen gemeinden in Jebenhausen, Ellwangen und Stuttgart tätig. 1939 emigrierte er in die USA, von dort 1946 nach Frankreich, wo er 1961 in Thionville starb.
Die Gemeindeverwaltung:
Wie in anderen israelitischen Gemeinden im Land hatte auch die Cannstatter Gemeinde ein Vorsteheramt (bis 1924
"Israelitisches Kirchenvorsteheramt" genannt). Den Vorsitz hatte der jeweilige Vorbeter inne, ihn standen entsprechend der Größe der Cannstatter Gemeinde bis zu sechs gewählte Personen zur Seite. Von den Mitgliedern des Vorsteheramtes unter Vorbeter Metzer ist vor allem der Fabrikant Louis Elsas zu nennen, der von 1872 bis zu seinem Tod 1899
"Kirchenvorsteher" der Gemeinde war.
Die Geschäftsstelle der Gemeinde befand sich seit den 1920er-Jahren in der Wiesbadener Straße 14.
Reges Engagement bei der Industrialisierung Cannstatts
Bei der Industrialisierung Cannstatts in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts spielten die zugezogenen jüdischen Familien eine nicht zu unterschützende Rolle. Wichtige Betriebe entstanden insbesondere im Bereich der Textilindustrie. Einige konnten sich nur wenige Jahre halten, andere gehörten über Jahrzehnte zu den bedeutendsten Betrieben Cannstatts. Die jüdischen Firmen fanden alsbald dieselbe Anerkennung wie die nichtjüdischen.
Als im Herbst 1864 eine Ausstellung von Gewerbeerzeugnissen in Cannstatt stattfand, erhielten neben zehn nichtjüdischen Firmen je eine
"Medaille für den gewerblichen Fortschritt": die Spinnerei und Weberei Elsas & Co. sowie die Tuchfabrik Pappenheimer und Söhne; ein Belobigungsdiplom ging neben acht nichtjüdischen Firmen an die Korsettfabrik von Hirsch Gutmann & Co.
In einer Zusammenstellung von 67 größeren Fabriken und industriellen Etablissements in Cannstatt von
1899 werden zehn jüdische Firmen genannt:
Firma Hermann Weißenburger u. Cie., Inh. Hermann Weißenburger, August Nathan, Berthold Goldmann: Fabrikation von Metallwaren, Feuerwehrausrüstungen, Militäreffekten usw.; eine damals hochmoderne Fabrik mit 150 Arbeitern (1872 gegründet);
Mechanische Buntweberei, Färberei und Bleicherei Elsas u. Cie., Cannstatt, Inh. Isidor und Julius Elsas: Fabrikation von bunten baumwollenen Geweben, Schützen, Kleidern und Bettzeugen usw. (in Cannstatt seit 1863)
Mechanische Weberei Cannstatt Gebrüder Elsas, Inh. Sigmund und Moriz Elsas: Korsettstoffe und baumwollene Flanelle; 1899 130 bis 140 Arbeiter;
Mechanische Gurten- und Bandweberei, Inh. B. Gutmann und Eduard Marx: Fabrikation von Gurten und Bändern aller Art; 1899; 1190, 1926 ca. 200 Arbeiter.
Mechanische Zwirnerei Kahn und Aufhäuser, Inh. Sigmund Kahn und Eduard Aufhäuser: Fabrikation von Baumwoll-, Strumpf- und Häkelgarn;
Leder- und Treibriemenfabrik Nördlinger und Kauffmann, Inh. Sigmund Nördlinger und Raphael Kauffmann; hatte 1899 ca. 40 Arbeiter;
Bettfedernfabrik Straus u. Cie., Cannstatt und Untertürkheim, Inh. Ludwig und Max Straus, A. Gutmann: Bettfedern und Daunen; 1899 ca. 350 Arbeiter; 1906 wurde von der Firma eine Steppdeckenfabrikation aufgenommen; Niederlassungen bestanden in Petersburg, Moskau, Charkow, Odessa, Paris und Berlin;
S. Rothschild u. Cie., Inh. Sigmund Rothschild und Josef Hanauer: Bettfedern und Daunen; 1899 70 Arbeiter;
K. Strauß u. Sohn, Inh. H. und S. Strauß: Dampfbrennerei und Zigarrenfabriken in Cannstatt und Miedelsbach; 1899 120 Arbeiter;
S. Lindauer u. Cie., Inh. Salomon, Sigmund und Julius Lindauer: Korsettenfabrik: 1899 400 Arbeiter; Filialfabrik in Paris; die Firma war in der Korsettindustrie eines der weltweit führenden Unternehmen.
Die israelitischen Gasthäuser
Neben Industrieunternehmen, kleineren Gewerbebetrieben und Handlungen aller Art gab es in Cannstatt jüdische Gasthäuser. Die Besonderheit jüdischer Gasthäuser ist meist nicht nur der Inhaber, sondern auch eine nach den traditionellen Vorschriften streng koscher geführte Küche. 1860 eröffnete Abraham Hirsch, Graveur und Optiker aus Nordstetten, das israelitische Gasthaus
"Goldene Ente", das er vermutlich bis zu seinem Tod 1869 geführt hat. Einige Jahre später wurde von Simon Löwenthal in der Frösnerstraße das
"Hotel Löwenthal eröffnet. Die Beck’sche Chronik merkt 1900 zur Bedeutung dieses Hotels an:
"Es wird nicht erst besonders betont zu werden brauchen, dass im Hotel Löwenthal ebenso wohl Israeliten als Christen verkehren".
Der Erste Weltkrieg
Im Ersten Weltkrieg standen von den ungefähr 500 zur jüdischen Gemeinde Cannstatts gehörenden Personen 84 Männer als Soldaten an der Front, davon hatten sich 21 als Kriegsfreiwillige gemeldet. Am Ende des Krieges hatte die Gemeinde insgesamt den Tod von 15 jungen Männern zu beklagen. Auf den Gefallenendenkmal im jüdischen Friedhof steht:
"In treuer Pflichterfüllung starben für ihr deutsches Vaterland 1914-18 Karl Elsas, Rudolf Grumbacher, Bruno Levi, Julius Löwenthal, Emil Marx, Robert Neu, Emil Pick, Manfred Rothschild, Julius Rothschild, Theodor Rothschild, Ulrich Rosenheim, August Thalheimer, Leo Frank aus Nürtingen, Alfred Landauer, Max Pressburger". Für den Gefallenen Julius Löwenthal wurde im Friedhof ein imposantes Grabmal aufgestellt. Auf einem mit Lorbeerkränzen geschmückten steinernen Kasten liegt ein steinerner Soldatenhelm.
Prominente jüdische Cannstatter – Auswahl der 10 Personen, an die Tafeln im Zusammenhang mit dem Denkmal für die Synagoge
erinnern
• Emanuel Adler: geb. 1870 in Markelsheim (Bad Mergentheim), gest. 1961 Thionville (Frankreich); 1909 bis 1939 Vorsänger und Lehrer der israelitischen Gemeinde in Cannstatt; 1939 Emigration in die USA, 1946 nach Frankreich.
• Prof. Dr. Arnold Cahn: geb. 1858 in Worms, gest. 1927 in Homburg; Arzt, Geheimer Medizinalrat, Erfinder des Antifebrin (Acetanilid); war seit 1906 Chefarzt des Bürgerspitals in Straußburg; von Juni 1919 bis März 1927 Chefarzt der Inneren Abteilung des Cannstatter Krankenhauses; im Volksmund auf Grund seiner ausgezeichneten Diagnosen
"Rettungskahn" genannt; nach ihm ist seit 1852 der Arnold-Cahn-Weg in Cannstatt benannt.
• Dr. Fritz Elsas: geb. 1890 in Cannstatt, gest. 1945 im KZ Sachsenhausen; Jurist, Politiker, Widerstandskäpfer; 1919 Mitglied des Gemeinderates Stuttgart, 1926 Vizepräsident des Deutschen Städtetages, 1931-1933 Zweiter Bürgermeister der Stadt Berlin. 1933 Verlust aller Ämter, nach dem 20. Juli 1944 verhaftet und 1945 im Konzentrationslager erschossen.
• Louis Elsas: geb. 1824 in Aldingen (Remseck), gest. 1898 in Cannstatt; Fabrikant, Kommerzienrat; seit 1863 in Cannstatt, 1885-1891 Mitglied des Gemeinderates, 1883-1898 Mitglieder der Israelitischen Oberkirchenbehörde; nach 1933 Zwangsverkauf der im Familienbesitz befindlichen Buntweberei Elsas & Co.
• Dr. Cäsar Hirsch: geb. 1885 in Cannstatt, gest. 1940 USA; Arzt
• Jette Koch geb. Bernheimer: geb. 1825 Jebenhausen, gest. 1886 in Cannstatt; seit 1847 verheiratet mit dem Hof-Früchtehändler Julius Koch (seit 1852 in Cannstatt). Das Ehepaar wohnte in Cannstatt in der Badstraße 20, wo die Tochter Pauline zur Welt kam, später in der Brückenstraße 44. Pauline ist die Mutter des Physikers Albert Einstein.
• Dr. Alfred Marx: geb. 1899 Cannstatt, gest. 1988 Stuttgart; Jurist: seit 1929 Amtsrichter in Waiblingen, als jüdischer Beamter 1936 entlassen ; bis 1940 für die jüdische Gemeinde in Stuttgart tätig; nach 1945 im baden-württembergischen Justizdienst, zuletzt Landesgerichtspräsident.
• Leopold Marx: geb. 1889 Cannstatt, gest. 1983 Shavej Zion in Israel; Fabrikant in der Mechanischen Gurten- und Bandweberei Cannstatt; 1926 Mitbegründer des Stuttgarter Lehrhauses, 1939 nach Shavej Zion; Dichter und Schriftsteller (verschiedene Publikationen).
• Ernst Ezechiel Pfeiffer: geb. 1831 in Stuttgart, gest. 1904 in Stuttgart; Geheimer Hofrat, zeitweise in Cannstatt wohnhaft; 1669-73 im Bürgerausschuss Cannstatts; auf Grund zahlreicher Stiftungen 1879 zum Ehrenbürger Cannstatts ernannt; die nach ihm benannte Pfeiffer-Straße wurde 1937 in Remscheider Straße umbenannt (seit 1986 Hinweistafeln zur früheren Bezeichnung).
• August und Bertha Thalheimer: A. geb. 1884 in Affaltrach, gest. 1948 Kuba, B. geb. 1883 in Affaltrach, gest. 1959 in Stuttgart); lebten beide seit 1899 mit ihren Eltern in Cannstatt; beide gehörten zu den führenden Persönlichkeiten der Arbeiterbewegung in Deutschland und nach 1918 zu den Spitzen der KPD Deutschland; August emigrierte in der NS-Zeit nach Kuba; Bertha (verheiratete Schöttle) gehörte zu den Überlebenden des KZ Theresienstadt.
Die nationalsozialistische Zeit in Cannstatt 1933-1945
(von Rainer Reddies – "Cannstatter Stolperstein-Initiative")
Wer von seiner Heimat spricht, meint neben der räumlichen immer auch eine zeitliche Dimension. Also sollte sich, wer in Cannstatt beheimatet sein will, mit der Stadtgeschichte vertraut machen. Dabei wird seinem unvoreingenommenen Blick auffallen, dass hier (wie vielerorts) die Lokalgeschichte von großem Harmoniebedürfnis ihrer Autoren gefärbt ist und Negatives allzu leicht ausblendet. Deshalb ist das Thema
"Cannstatt zur Zeit des Nationalsozialismus" noch nicht aufgearbeitet. Mit einem Aspekt dieser zwölf folgenschweren Jahre, der Drangsalierung und Ermordung der Juden (und anderer Opfergruppen) befasst sich die Stolperstein-Initiative. Anhand des Wenigen, das sich bisher herausfinden ließ, soll im Folgenden skizziert werden, wie die Not der Cannstatter Juden sich seit der Machtübernahme bis zum grausamen Ende immer mehr gesteigert hat.
Am 1. April 1933 standen SA und SS mit Flugblättern auch in Cannstatt vor jüdischen Geschäften und Praxen und forderten zu ihrem Boykott auf. Schon das hat den Rechtsanwalt Martin Rothschild (Seelbergstraße 1) betroffen, und mit der 1935 erschienenen Hetzschrift
"Deutscher, kaufe nicht beim Juden!" setzte sich der Terror gegen ihn fort. Als Schriftführer der liberalen fortschrittlichen Volkspartei, Schriftführer des Vereins für Feuerbestattung, Mitglied des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold und aktiver Sportler genoss er bis dahin Ansehen über Cannstatt hinaus.
Noch bevor der Stuttgarter Gemeinderat am 9. Mai 1933 den Nationalsozialisten Karl Strölin zum Oberbürgermeister (und Adolf Hitler zum Ehrenbürger der Stadt) gewählt hat, schied Fritz Rosenfelder (König-Karl-Straße 66) am 6. April aus dem Leben. Bis dahin hat er in dritter Generation erfolgreich eine
"Häute-, Fell und Darmhandlung" geleitet. Erfolgreich und angesehen war er auch als vielseitiger Sportler, doch als man ihn als Juden aus seinem Sportverein drängte, hat er sein Leben
"weggeworfen [...] weil er es nicht mehr für lebenswert hielt. Es war Leben von einer Art, die gegenwärtig nicht mehr sehr hoch geachtet wird. Es war das Leben eines Juden," schrieb Leopold Marx. Ein nichtjüdischer Freund Rosenfelders, der Flieger Ernst Udet (1896-1941) ehrte ihn, indem er bei seiner Beisetzung über dem Cannstatter Friedhof einen Kranz abwarf.
Etliche Familien und Einzelpersonen sind bald nach 1933 ausgewandert. Zu den ersten gehörte der hoch geschätzte Chefarzt der HNO-Abteilung am Marienhospital Stuttgart Dr. Cäsar Hirsch (geb. 1885 in Cannstatt). Er übersiedelte nach Zürich. Nachdem ihm
"Kapitalflucht" vorgeworfen wurde, ist im Juli 1934 sein Eigentum beschlagnahmt worden. Dr. Hirsch beging 1940 in den USA Selbstmord; er ist an seinem Schicksal zerbrochen.
Auf Grund der durch die zunehmenden Ab- und Auswanderungen stark zurückgehenden Mitgliederzahlen wurde am 1. Januar 1936 die Israelitische Gemeinde Cannstatt nach 65 Jahren der Selbständigkeit wieder mit der Stuttgarter Gemeinde vereinigt. Auch die Auswanderung bezahlten einige der jüdischen Cannstatter mit dem Tod. So starb Edgar Fleischer (Dürrheimer Str. 29) am 15. September 1937 bei einem Flugzeugabsturz bei Lima (Peru). Auch Fritz Adler, Enkel von Eduard und Babette Marx
"wurde bei der Fahrt nach Amerika ein Opfer des Ozeans" (so die Inschrift auf dem Grab der Familie Marx im Cannstatter jüdischen Friedhof; Fritz Adler starb am 23. Januar 1934).
Beim Novemberpogrom 1938 ging auch die Cannstatter Synagoge in den frühen Morgenstunden des 10. November in Flammen
auf (siehe unten). Die Zerstörungswut des braunen Mobs hat sich aber mit der Synagogenzerstörung nicht begnügt. Wie es Metzgermeister Josef Buxbaum in der Schulgasse 1, heute Zieglergasse, erging, beschreibt Frau I.B. so:
"Ich war zufällig Augenzeuge, als Anhänger der SA in Uniform mit Spitzhacken die Fenster des Metzgerladens zertrümmerten [...]. Es war grausam!"
Die Deportationen der letzten Cannstatter Juden
Des Glaubens, sie würden nach Osteuropa umgesiedelt, marschierten 1000 württembergische Juden am
1. Dezember 1941 vom Sammellager auf dem Killesberg zum Nordbahnhof, wo ein Zug der Deutschen Reichsbahn bereitstand. Ihn bestiegen auch der Viehhändler Wilhelm Schwab, seine Frau Hedwig und ihre beiden Töchter Dora und Thea Bella (Brückenstraße 42/1). Dem Sohn Manfred gelang die Flucht nach Holland, jedoch wurde er gefasst, zunächst im KZ Westerbork festgehalten und im März 1944 nach Auschwitz verschickt. Von den Schwabs hat man nie wieder etwas gehört. Wie es scheint, sind ihre Namen das einzige, was an sie erinnert. Ihr Schicksal teilten:
Malka und Franziska Bartfeld, Kissinger Straße 76;
Sally und Julia Gutmann, Daimlerstraße 58;
Grete Hordan, Auf der Altenburg 5;
Flora und Hermine Kahn, Seelbergstraße 1;
Julie Levi, Liebenzeller Straße 8/2;
Friedrich Rothschild, Wildunger Straße 30/I
Am 1. Januar 1942 starb Ferdinand Mayer (Emser Straße 16) in Oberdorf am Ipf. Er hat mindestens seit 1906 in Cannstatt gelebt, seit 1929 im eigenen Haus, Emser Straße 16. Dann hat man ihn im Zuge der systematischen Aussiedlung betagter Juden in ein so genanntes Altersheim evakuiert. Der Tod hat dem 86-Jährigen die anschließende Deportation in ein KZ erspart.
Am 7. Januar 1942 wurde Adolf Cahn (Pfalzstraße 66/EG) nach Mauthausen deportiert. Er starb dort am 10. März des folgenden Jahres.
Alexandrine und Ferdinand Guggenheim und ihr sieben Monate alter Sohn Ury wurden am
26. April 1942 nach Izbica deportiert. Ihr tödliches Schicksal teilten:
Bertha Einstein, Waiblinger Straße 75;
Sophie Gutmann, Daimlerstraße 58/EG;
Hilde Kahn, Seelbergstraße 1;
Gerhard Löwe, Kreuznacher Straße 6/1;
Max Löwenthal und seine Frau Hedwig, König-Karl-Straße 84/3.
Am 5. Mai 1942 starb, bevor sie nach Theresienstadt verbracht werden konnte, im jüdischen
"Altersheim" Dellmensingen die 81-jährige Fanny Kahn (Seelbergstraße 1).
Jakob Cohen und seine Frau Luise (Bahnhofstraße 14/3) emigrierten 1939 nach Luxemburg. Von dort wurden sie im
Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert und kehrten nicht zurück.
Eine Jugenderinnerung an Prof. Dr. Emil Löwe (Liebenzeller Straße 8/2) hat Prof. Dr. Joachim Schröder, Chefarzt am Bürgerhospital und SPD-Gemeinderat mitgeteilt:
"Ich habe ihn begleitet, als er in ein anderes Haus umziehen musste, und zog ihm seine paar Sachen auf einem Leiterwagen durch die Stadt. Dabei bat er mich dringend, ihm Tabletten zu besorgen, damit er sich vergiften könne. Aber ich wusste damals nicht wann und wie, hatte selber Angst, trug seine Habseligkeiten noch in seine kalte Dachkammer und sah ihn nie wieder." Am
22. August 1942 wurde Emil Löwe nach Theresienstadt deportiert, wo er am 18 Januar des folgenden Jahres fast 80-jährig starb. Mit ihm fuhren
Jette und Josef Buxbaum, Zieglergasse 1;
Isidor Cahn und seine Frau Lina, Pfalzstraße 66/EG;
Sophie Dreifuß, Theobald-Kerner-Straße 10/1. Sie wurde am 26. September weiter nach Maly Trostinec deportiert.
Clara Hirsch, Seelbergstraße 16; Bertha und Jakob Jordan, Daimlerstraße 58. Sie wurden am 29. September weiter nach Maly Trostinec deportiert.
Dr. med. Eugen Kauffmann und seine Frau Else, Daimlerstraße 44/III. Else Kauffmanns Weg führte am 12 Oktober 1944 weiter nach Auschwitz.
Klara Kaufmann und ihre Tochter Johanna, Wiesbadener Straße 19/EG, beider Weg endete in Auschwitz.
Rosa Lindauer, Taubenheimstraße 8/1
Babette Marx, Seelbergstraße 7/4. Karl Oppenheimer und seine Frau Emilie, Daimlerstraße 56/2. Emilie Oppenheimers Weg führte am 16. Mai 1944 weiter nach Auschwitz.
Martin Rothschild, Seelbergstraße 7;
Max Rothschild. Seelbergstraße 7;
Max Heinrich Rothschild und seine Frau Ida, Badstraße 40/I;
Josef Rothschild und seine Frau Rosa, Wildunger Straße 30/I;
Sara Rothschild, Taubenheimstraße 62/III;
Wilhelm Rothschild, Martin-Luther-Straße 37/II;
Ida Wormser, Wörishofener Straße 22/I;
Hermann Würzburger, Brunnenstraße 55/II.
Ernst Pick (Bahnhofstraße 4) besaß ein Geschäftshaus und führte mit seinem Schwager Ernst Ostertag ein Konfektionsgeschäft mit angeschlossener Maßschneiderei. Seine Enkelin Hannelore Marx vermittelt ein Bild seines Wohlstandes, indem sie beschreibt, welchen Berufsweg einige seiner acht Kinder einschlagen konnten: Manfred wurde Zahnarzt und bekam eine Praxis eingerichtet, Emil studierte Journalistik, Hilda Klavier und Gesang, Julius besuchte die Landwirtschaftliche Hochschule Hohenheim, Margaret wurde Buchhalterin. In dieselbe Richtung weisen 20 000 Reichsmark Aussteuer, in schwieriger Zeit die Tochter Hilde erhielt. Erst Pick wurde 17. April 1943 nach Theresienstadt und am 18.12.1943 weiter nach Auschwitz deportiert, wo sich seine Spur verliert.
Als letzter Cannstatter Jude wurde Dr. med. dent. Ernst Reichenberger (König-Karl-Straße 24) am
1. März 1943 ins jüdische Gemeindehaus befohlen und von dort nach Auschwitz deportiert. Ob er die Reise überstanden hat, ob er beim Empfang an der Rampe niedergeknüppelt wurde oder in der Gaskammer endete, weiß niemand. Das Amtsgericht Cannstatt hat im November 1946 sein Todesdatum auf den 9. Mai 1945 festgelegt, den historischen Tag, an dem Generalfeldmarschall Keitel in Karlshorst die deutsche Kapitulation wiederholte. Später haben kühl kalkulierende Juristen im Rahmen der Wiedergutmachung befunden, der 63-Jährige müsse
"unmittelbar nach seiner Ankunft einer der Selektionen zum Opfer gefallen" sein und habe
"offensichtlich den 30.4.1943 nicht überlebt." Um diese Entscheidung wurde lange gerungen. Sie hat der Bundesrepublik als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches die Entschädigung für 25 Monate Freiheitsentzug à DM 150,-- erspart. Es fehlte nicht an Paragraphen, diesen Spruch zu untermauern, wohl aber an Menschlichkeit und der Einsicht, dass ein unfassbares Verbrechen durch juristisches Gefeilsche zur bürokratischen Routine zurechtgestutzt wurde.
Mit der letzten Deportation endete die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Cannstatt. Die nach 1945 wieder zugezogenen wenigen jüdischen Personen gehörten der Stuttgarter Gemeinde an, die 1952 das für mehrere Jahrzehnte einzige jüdische Gemeindezentrum Württembergs in der Hospitalstraße erbaute.
Zur Geschichte des Betsaals/der Synagoge
Der Betsaal in der Hofener Straße (bis 1876)
Die in Cannstatt zugezogenen jüdischen Personen gehörten bis 1871 offiziell zur Stuttgarter jüdischen Gemeinde. Allerdings war der Weg zur Synagoge in der dortigen Hospitalstraße zu weit, als dass man ihn am Schabbat einfach zurücklegen konnte. Nach dem Talmud soll man sich an diesem Tag und an jüdischen Feiertagen nicht mehr als 2.000 Ellen (etwa 1100 Meter) von seinem Wohnort entfernen. Der Cannstatter Fabrikant Otto Pappenheimer ergriff nach 1860 die Initiative und erlaubte, dass im Dachgeschoss des Hintergebäudes zu der ihm im Bereich der Hofener Straße 5 gehörenden kleinen Fabrik ein Betsaal eingerichtet wurde. Bis 1876 wurden in diesem Raum die Gottesdienste abgehalten. Die Fabrik Pappenheimers lag im Bereich eines nicht mehr bestehenden Abschnittes der Hofener Straße westlich der heutigen Jahn-Realschule.
Ein Betsaal der jüdischen Gemeinde wurde eingerichtet
(1867)
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. Mai 1867: "Stuttgart. Die
Israeliten in Cannstatt haben sich im Hause des Herrn O. Pappenheimer ein
Betlokal gemietet, wo der jüdische Gottesdienst nach hergebrachter
Ordnung abgehalten wird; nicht nach dem Stuttgarter Orgel-Ritus. Ein
Vorbeter und Schochet ist aus dem Badischen berufen, und so werden auch
die Kurgäste, die das Cannstatter Bad besuchen, ihrem Gewissen Genüge
tun können und nach althergebrachtem Ritus beten, ihrer Seele Nahrung
geben und auch koscher essen können. Es wohnen in Cannstatt nun 28 jüdische
Familien, die ob ihrer gesetzestreuen Überzeugung das Opfer bringen,
einen eigenen Kultbeamten zu bestreiten, um von der Stuttgarter
Kirchengemeinde – in Württemberg ist der Ausdruck Kirchengemeinde,
nicht Synagogengemeinde, amtlich im Gebrauch – sich zu emanzipieren." |
Zur Verschönerung des Betsaales entlieh man immer wieder Pflanzen aus der Wilhelma; ein Harmonium sorgte für die Begleitung der Gesänge. Freilich reichte dieser Betsaal angesichts der rasch zunehmenden Zahl von Gemeindegliedern bald nicht mehr aus – von 1861 bis 1875 stieg die Zahl der jüdischen Einwohner Cannstatts von 68 auf 321. Zudem war der Betsaal nach
der Beschreibung von 1875 (s.u.) nur über eine "am Äußern des Hintergebäudes angebrachte hohe, steile und schmale hölzerne Treppe erreichbar und wenn an Festtagen die ganze Gemeinde erscheint, so wird die Stube so überfüllt, die Luft wird so schwül, dass es für viele beängstigend wirkt, abgesehen von der Angst, welche über die Leute kommen muss, wenn sie daran denken, wie es gehen würde, wenn die Gemeinde bei einem Brand etc. die Betstube schnell verlassen müsste". – So bemühte sich die seit dem 1. Juli 1872 selbständige jüdische Gemeinde Cannstatts um den Bau einer Synagoge.
Bemühungen um die Einrichtung einer Synagoge
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. September 1875:
"Die hiesige, durch Zuzug von Außen immer mehr anwachsende israelitische
Kirchengemeinde hat seit der Zeit, als sie sich von Stuttgart trennte, ihre
Gottesdienste im Hintergebäude eines israelitischen Fabrikanten gehalten, in
welchem der obere durchlaufende Bodenraum nach Möglichkeit zu einer Betstube
eingerichtet wurde. Jeder Gemeindeangehörige fühlt längst schon, dass diese
Räumlichkeit weder qualitativ noch in ihrer Ausdehnung zum gedachten Zwecke
genüge. Man gelangte zu der Betstube auf einer am Äußern des Hintergebäudes
angebrachten hohen, steilen und schmalen hölzernen Treppe und wenn an Festtagen
die ganze Gemeinde erscheint, so wird die Stube so überfüllt, die Luft wird so
schwül, dass es für Viele beängstigend wirkt, abgesehen von der Angst, welche
über die Leute kommen muss, wenn sie daran denken, wie es gehen würde, wenn
die Gemeinde bei einem Brand etc. die Betstube schnell verlassen müsste. Diese
Umstände haben die israelitischen Kirchenvorsteher bewogen, sich nach einem
Lokal für eine Synagoge umzusehen und sie glaubten in der Tat in dem Gartensaal
des Hotel Hermann ein solches gefunden zu haben. Indessen fand die gute Absicht
der Kirchenvorsteher bei der Gemeinde keinen geneigten Eingang und man hörte da
und dort Stimmen des heftigsten Widerwillens gegen den neuen Plan. Um nun die
Sache zur Entscheidung zu bringen, wurde an einem Sonntag Vormittag der
jüngsten Zeit eine israelitische Gemeinde-Versammlung zusammenberufen und damit
Jeder sich von de Zweckmäßigkeit und Annehmlichkeit des Lokals überzeugen
könne, wurde eben der Gartensaal des Hotels Hermann als Versammlungsort
gewählt. Aber eben diese Wahl ist es gewesen, welche dem gutgemeinten Plan der
Kirchenvorsteher den Hals brach, denn ein ganz besonderer Unstern wollte, dass
gerade während der Verhandlung mehrere Eisenbahnzüge mit übermäßigem
Pfeifen aus dem Rosensteintunnel auf den Gartensaal zufuhren und jedes Mal die
Redner auffallend störten. Dieser ruhestörende Lärm wurde sofort von den
Hauptgegnern des Hermann'schen Gartensaales auf den Schild erhoben und geschickt
benutzt, dass schließlich bei der Abstimmung von 34 Anwesenden 7 für und 27
gegen den Ankauf des Gartensaals zur Synagoge stimmten. Man wird diesen Beschluss
vielleicht bereuen, wenn es zu spät ist. Eine Synagoge muss man haben, und die
gegenwärtige Betstube kann nicht länger so fortbestehen. man darf wohl annehmen,
dass das ruhestörende Gepfeife der Lokomotivführer bald ein Ende nähme, wenn
die israelitische Gemeinde sich an die höheren Eisenbahnstellen bittend wenden
würde." |
Am 5. November 1875 konnte zum Preis von 80 000 Mark
ein Anwesen des Freiherrn von Eichthal erworben werden, ein Gartengrundstück
zwischen der Königstraße (heute König-Karl-Straße; frühere Anschrift: Königstraße
49) und der Waiblinger Straße mit einem einstöckigen Reithaus. Dieses wurde
nach dem Plan des Cannstatter Architekten Christian Weißert zu einer Synagoge
umgebaut. Der Innenraum mit seinen jeweils 85
Synagogenplätzen für männliche und weibliche Gottesdienstbesucher wurde
farbig ausgemalt, der Garten um das Gebäude neu angelegt.
Am Freitag, dem 15.
September 1876, fand nachmittags um 5 Uhr die feierliche Einweihung statt; worüber
am 17. September die "Schwäbische Chronik" berichtete: "Nachdem unter dem
Vorantritt der festlich geschmückten Schuljugend die Toraträger und die
Kirchenvorsteher vor das Allerheiligste gezogen und die Torarollen aufbewahrt
waren, hielt Kirchenrat Dr. Wassermann, der Rabbiner von Stuttgart und
Cannstatt, eine salbungsvolle Festpredigt, welcher noch der durch Vorsänger
Metzger gehaltene gewöhnliche Freitagsgottesdienst folgte". Am Samstag, dem 18.
September, wurden die Einweihungsfeierlichkeiten mit einem Bankett und Festball
im ehemaligen Wilhelmsbau fortgesetzt, an denen zahlreiche Persönlichkeiten des
öffentlichen Lebens teilnahmen.
In jüdischen Periodika finden sich ein kürzerer Bericht in der konservativ
orthodoxen Zeitschrift "Der Israelit" und ein ausführlicher Bericht
in der liberalen "Allgemeinen Zeitung des
Judentums":
Einweihung der Synagoge (1876)
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. September 1876: "Die Gemeinde
Cannstatt feiert am Schabbat
Paraschat Nezawim die Einweihung ihrer Synagoge. Nach dem einfachen
Programm wird am Freitag der Mincha- und Abschiedsgottesdienst im
seitherigen Lokale stattfinden und Herr Kirchenrat Dr. Wassermann die
Festpredigt halten, nach welcher der Freitagabendgottesdienst mit
Chorbegleitung folgt. Zu der Feier sind die kirchlichen und bürgerlichen
Behörden der Stadt und der Nachbargemeinde Stuttgart geladen. Bankett,
Reunion und Ball (!!) werden die Tage verschönern und erheitern. – Aus
den Synagogenstühlen sollen beim Verkauf 36.000 Mark erlöst worden sein.
Diese Gemeinde existiert erst seit wenigen Jahren und zählt jetzt 60
Familien." |
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Artikel in
der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 17. Oktober 1876: "Cannstatt
(Württemberg), 2. Oktober (1876). Die hiesige israelitische Gemeinde –
seit dem 1. Juli 1872 zu einer selbständigen Gemeinde konstituiert –
hatte bis jetzt nur ein gemietetes Lokal als Synagoge, welches aber, da
die Familienzahl schon ca. 70 beträgt, und auch viele Fremde stets sich
hier aufhalten, an den Festtagen nicht mehr groß genug war. Im
vergangenen Jahre wurde nun ein sehr passendes Anwesend angekauft und eine
schöne Synagoge errichtet, welche am Freitag, den 15. September dieses
Jahres feierlich eingeweiht wurde. An der Feierlichkeit nahmen die sämtlichen
Bezirksbehörden, die beiden bürgerlichen Kollegien, die evangelischen
Geistlichen, die Vorstände der Realanstalt, des Lyzeums, der höheren Töchterschule,
und viele andere, nicht zur israelitischen Kirchengemeinde gehörige
hiesige Einwohner teil, sowie eine Deputation der königlichen
israelitischen Oberkirchenbehörde und der nächstliegenden israelitischen
Gemeinden. Die Festrede hielt Herr Kirchenrat Dr. Wassermann in wahrhaft
ergebender Weise. Mit dem Texte aus dem 100. Psalm: ‚Dienet dem Herrn in
Freuden, kommet in seine Tora mit Dank’, wusste der Redner zu dem Herzen
und aus dem Herzen der Gemeinde und aller Anwesenden zu sprachen. Es
folgte dem Weiheakte der Freitag-Abend-Gottesdienst, welcher vom Vorsänger
Metzger mit Chorbegleitung und Harmonium versehen wurde. Am anderen Tage
fand ein Festessen statt, an dem 130-140 Personen (darunter sehr viele
christliche Mitbürger) teilnahmen. Unter den vielen Toasten, die dabei
ausgebracht wurden, ist namentlich der vom Kirchenrat Dr. Wassermann auf
den Kaiser und unseren König, und der vom Regierungsrat von Kegelen
(unserm Oberbeamten) auf die Kirchenvorsteher nennenswert. Letzterer
sagte, wie diejenigen Persönlichkeiten, welche durch das Vertrauen der
israelitischen Gemeinde an die Spitze der israelitischen Kirchenverwaltung
gerufen worden, ihre Aufgabe mit ganz besonderer natürlicher Begabung,
mit scharfer Auffassung und mit voller Intelligenz sich in die richtigen
Formen der Geschäfte zu finden gewusst, und wie sie, die
Kirchenvorsteher, durch Umsicht und unermüdlichen Eifer und Tätigkeit
das Gelingen und Gedeihen des Werkes der Erbauung eines würdigen
Gotteshauses zur Wirklichkeit gebracht haben, wofür ihnen der wärmste
Dank der Gemeinde gebühre. Nach einem weiteren Toast auf die hiesige
Stadtgemeinde und ihre Vorsteher, ergriff der Stadtvorstand, Herr
Stadtschultheiß Rupp, das Wort, und führte in längerer Rede aus, dass
es nur zum Segen der ganzen Gemeinde führen könne, wenn alle
Gemeindegenossen ohne Unterschied ihres Glaubensbekenntnisses in guter
Harmonie miteinander leben. Bemerkenswert ist noch, dass die hiesige
Gemeinde, unähnlich anderen Gemeinden, durch den Synagogenbau sich nicht
in eine große Schuldenlast gestürzt hat. Man hat überall den
Steuerpflichtigen Rechnung getragen, dabei ein sehr anständiges und schönes
Gotteshaus in dem schönsten Statteile hier mit einem prachtvollen
Vorgarten errichtet, sodass auch nicht ein Einziger in der Gemeinde wäre,
der nicht seine Freunde daran hätte. Das beweist auch das Resultat von
dem Verkauf der Synagogenplätze, wobei ca. Dreiviertel der Gesamtkosten
erlöst wurde. Dadurch werden die Steuerkräfte auch nicht zu sehr in
Anspruch genommen, und es ist damit manchem Streit und Unfrieden
vorgebeugt. Möge dieser Friede und die Eintracht in unserer Mitte auch
ferner erhalten bleiben! M."
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Im Mai 1877 konnte ein von Karoline Elsas geb. Pappenheimer
gestiftetes Harmonium übergeben werden; ein christlicher Lehrer spielte es zu
allen Gottesdiensten. 1888 wurde ein Synagogen-Chorverein gegründet. Dieser sah
seine Hauptaufgabe in der Aufführung synagogaler Gesänge, jedoch wurden auch
andere Werke einstudiert. So konnte er auch außerhalb der Synagoge auftreten,
unter anderem durch regelmäßige Konzerte im Cannstatter Kursaal. Am 16. Januar
1892 fand wiederum ein solches statt, wobei nach dem Bericht der "Allgemeinen
Zeitung des Judentums" "die Beteiligung des Publikums von hier und Stuttgart,
namentlich aber auch von Christen und hervorragenden Musikern eine sehr starke
war". Im selben Bericht der "Allgemeinen" werden auch "Jugendgottesdienste" in
der Cannstatter Synagoge erwähnt, die immer mit dem Freitagabendgottesdienst
verbunden waren.
Aufführung des Synagogenvereins im Kursaal -
Jugendgottesdienst in der Synagoge (1892)
Artikel in
der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 5. Februar 1892: "Cannstatt,
1. Februar (1892). Wie schön öfters gab er hiesige Synagogen-Chorverein
am 16. vorigen Monats im Kursaal hier wieder eine größere Aufführung,
wobei die Beteiligung des Publikums von hier und Stuttgart, namentlich
aber auch von Christen und hervorragenden Musikern eine sehr starke war.
Wie schon der Name des Vereins besagt, dient solcher in erster Linie der
Aufführung der synagogalen Gesänge, widmet sich aber auch in
hervorragender Weise dem Studium anderer Werke, um seinen Mitgliedern
umfassende musikalische Belehrung, und mit dieser verbunden auch nicht
selten ein gesellschaftliches Vergnügen zu bieten. Daher kommt es auch,
dass in unserem Synagogenchor alle musikbegabten Gemeindemitglieder
beteiligt sind und hierbei durchaus kein Standesunterschied zu bemerken
ist. Am Freitagabend ist mit
dem öffentlichen Gottesdienst der so
genannte Jugendgottesdienst verbunden und glaubt Schreiber dieses, gerade
den Freitagabendgottesdienst in mehrfacher Beziehung dem
Samstagnachmittagsgottesdienst für genannten Zweck vorziehen zu dürfen.
Über das oben genannte Konzert äußerten sich alle in Stuttgart und hier
erscheinenden Blätter in sehr lobender Weise." |
1898 stifteten die Brüder Isak und Ludwig Straus für die
Synagoge eine Orgel, die durch die Firma Walcker (Ludwigsburg) gebaut wurde. Sie
ist am jüdischen Neujahrstag, dem 17. September 1898, erstmals gespielt worden.
Immer wieder mussten in der Synagoge in den kommenden
Jahrzehnten Renovierungen vorgenommen werden, zuletzt im Juni 1938, als das Dach
und der Gehweg zur Synagoge erneuert werden mussten.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde das Gebäude durch
Brandstiftung völlig zerstört. Bereits um 3 Uhr nachts war das Gebäude angezündet
worden. Verantwortlich hierfür waren ausgerechnet der Leiter der Brandwache II,
zwei Feuerwehrleute und einige Nationalsozialisten. Da es sich hauptsächlich um
ein hölzernes Gebäude handelte, das mit Mauerwerk leicht verkleidet war,
brannte es schnell nieder. Nach dem Ablöschen des Brandes durch die Feuerwehr
um 4.30 Uhr war nur noch ein rauchender Schutthaufen zu sehen. Die Ruine wurde
auf Kosten der israelitischen Gemeinde beseitigt. Direkt am Synagogenplatz wurde
ein Bunker angelegt, der nach 1945 als Notwohnung diente.
Unmittelbar nach Kriegsende wurde auf dem Synagogenplatz
auf Grund der Lebensmittelknappheit von Anwohnern, darunter auch von drei
einstigen NSDAP-Mitgliedern, Gemüse gepflanzt. 1947 konnte der Platz geräumt,
mit Bauverbot belegt und später von der Stadt gekauft werden. 1961 wurde
unmittelbar am Synagogenplatz ein von dem Stuttgarter Künstler Herbert Gebauer
geschaffener Gedenkstein erstellt werden (König-Karl-Straße 51). Das
Synagogengrundstück selbst wird großenteils bei heute als Parkplatz verwendet.
Eine Neugestaltung als Gedenkstätte, bei der insbesondere Lehrer und Schüler
des Albert-Magnus-Gymnasiums in Bad Cannstatt
beteiligt waren, konnte im November 2004 abgeschlossen
werden. Wöchentlich wird die Gedenkstätte seitdem durch Schüler dieses
Gymnasiums gepflegt.
Der orthodoxe Betsaal. Im Haus des Kaufmanns David
Nathan in der Königstraße 84 (heute König-Karl-Straße; Familie Nathan wohnte
schon vor dem Ersten Weltkrieg und bis in die 1930er-Jahre im Erdgeschoss dieses
Hauses) war für die orthodoxen Gemeindeglieder Cannstatts ein Betsaal
eingerichtet. Am Schabbat Bereschit im Herbst 1929 konnte in diesem Betsaal eine
neue Torarolle eingeweiht werden, worüber die Zeitschrift "Der
Israelit" (siehe unten) und die "Gemeindezeitung der
Israelitischen Gemeinden in Württemberg" berichtete
(VI,18 vom 16.12.1929 S. 256). Es handelte sich um eine "selten schön
geschriebene" Rolle. Sie war umkleidet von einem durch die Firma A.J. Hofmann
(Frankfurt) gestickten Toramantel. Zur Einweihung war der Rabbiner der
Stuttgarter orthodoxen Religionsgesellschaft Dr. Simon Bamberger nach Cannstatt
gekommen. Bei diesem Anlass wurde berichtet, dass David Nathan durch eine großzügige
Spende inzwischen den Grundstock zum Bau eines orthodoxen jüdischen Bethauses
in Cannstatt gelegt hatte. Der Tod von David Nathan 1931 und die Machtübernahme
der Nationalsozialisten 1933 verhinderten die weitere Ausführung dieses
Vorhabens.
Einweihung einer neuen Torarolle im Haus der Familie
David Nathan (1929)
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. November 1929: "Stuttgart, 14.
November (1929). Am Schabbot Bereschit
fand die Einweihung einer neuen Sefer
Tora (Torarolle) im Hause des Herrn David Nathan in Cannstatt statt.
Das selten geschriebene Sefer, sowie das wundervoll gestickte Mäntelchen
wurde von der Firma A.J. Hofmann, Frankfurt am Main angefertigt. Hauptsächlich
Mitglieder der israelitischen Religionsgesellschaft in Stuttgart, deren
eifriges Mitglied Herr Nathan ist, fanden sich bei ihm zum Gottesdienst
ein. Bei dem darauf folgenden Essen, bei dem echt jüdische Fröhlichkeit
herrschte, erwähnte Herr Dr. Bamberger, der Rabbiner der Israelitischen
Religionsgesellschaft, die großen Verdienste des Herrn Nathan um seine
Gemeinde. In letzter Zeit hat Herr Nathan durch eine hochherzige Spende
den Grundstock zu einem eigenen Bethaus gesetzt und er bemüht sich mit
allen Kräften, diesen Gedanken zur Ausführung zu bringen. Das Verdienst
der Mizwo, eine eigene Sefer Tora geschrieben zu haben, möge Herrn Nathan
für alle Zeiten beistehen." |
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Artikel in der "Gemeinde-Zeitung für die israelitischen Gemeinden
Württembergs"
vom 16. Dezember 1929: |
Fotos / Plan
Historisches Foto
(Quelle: Jüdische Gotteshäuser und Friedhöfe in Württemberg. 1932 S.
66).
Informationen zu eventuell weiteren historischen Fotos Webmaster von
Alemannia Judaica, Adresse siehe Eingangsseite)
Fotos nach 1945/Gegenwart:
Fotos 1961/1983
Fotos: Sammlung Hahn) |
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Einweihung des Gedenksteines
für die Synagoge im Juli 1961 |
Der Gedenkstein für die
Cannstatter Synagoge |
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Fotos 2003:
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 19.9.2003) |
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Blick über den
Synagogenstandort (heute Parkplatz) |
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Im einem nicht mehr stehenden
Haus
neben der Synagoge ist Fritz Elsas geboren |
Grünfläche am
Synagogenstandort
mit Gedenkstein |
Der Gedenkstein für die
ehemalige Synagoge in Cannstatt |
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Die Neugestaltung des
Synagogenplatzes 2001-2004 |
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Schülergruppe des Albertus-Magnus-Gymnasiums am
Gedenkstein (2001); zum Projekt
dieser Schule s.u.
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Das im September
2003 vorgestellte Modell zur Neugestaltung einer Gedenkstätte
am
Synagogenplatz. Die rote Linie markiert den Grundriss des aus
Ziegelsteinen
erbauten Synagogengebäudes. Balken zwischen den Parkzeilen
erinnern
an die Holzbalken |
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Der neu gestaltete Synagogenplatz
am Abend
der Einweihung
9. November 2004 |
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Zahlreiche Besucher der
Gedenkveranstaltung |
Barbara Traub, Vorsitzende der
Israelitischen Religionsgemeinschaft
Stuttgart bei der Begrüßung |
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Oberbürgermeister Dr.
Wolfgang Schuster
und Innenminister Heribert Rech |
Die Redner sprachen vom
Polizeiauto aus,
da das Mikrofon defekt war: hier
Landesrabbiner Wurmser |
Der Kantor der Israelitischen
Religionsgemeinschaft |
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Verfremdete Verkehrszeichen
gehören zur Neugestaltung |
Verkohlte Balken als Symbol
der
zerstörten Synagoge |
Gedenktafeln für insgesamt
zehn jüdische Cannstatter |
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Synagogenplatz Anfang 2006
(Fotos: Hahn, 12.1.2006) |
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Verfremdete Verkehrszeichen |
Verkohlte Balken |
Gedenktafeln |
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Gedenkstein von
1961 - integriert in die neue Gedenkstätte |
Darstellung der ehemaligen
Synagoge |
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29. Januar 2008: Das Denkmal für
den
Dichter Leopold Marx an der Waiblinger
Straße 12 wird neu eingeweiht |
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Bei der Einweihungsfeier
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Unter den Rednern waren
Vertreter der
Stadt, des Vereins Pro Alt Cannstatt und
der
Stolperstein-Initiative Cannstatt
(oben Rainer Redies) |
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Ephraim und Walter
Marx: links am Denkmal, rechts mit einer neuen Hinweistafel, die am
Wilhelmcenter angebracht wird mit dem Hinweis: "Leopold Marx
(1889-1983). Hier stand bis 1944 das Haus des jüdischen Dichters und
Fabrikanten, der 1939 mit seiner Familie nach Palästina fliehen musste.
Das 1985 auf Initiative von Pro Alt Cannstatt von Jürgen Elser
geschaffene Denkmal symbolisiert das Jüdische Lehrhaus. Angeregt von
Martin Buber hatten Leopold Marx und Otto Hirsch 1926 die Bildungsstätte
Jüdisches Lehrhaus in Stuttgart begründet. Neugestaltung der Anlage
2008." |
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Das neu gestaltete Denkmal,
das
nun freigestellt auf einem Oval von
Pflastersteinen steht sowie
leichter
zugänglich und nachts beleuchtet ist.
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Hier stand bis
1944 das Geburtshaus von
Leopold Marx, Dichter und Mitbegründer des
jüdischen Lehrhauses in Stuttgart, geboren
am 8. Dezember 1889 in
Cannstatt, aus
Gründen der Judenverfolgung nach Israel
emigriert,
gestorben am 25. Januar 1983
in Shavei Zion, Israel". |
"Die Botschaft der Toten
ist einfach
und schlicht, drum ist sie so schwer
zu fassen: 'Ihr sollt
auf der Erde mehren
das Licht, und Liebe wachsen lassen'.
Leopold Marx.
1946". |
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Ausstellung
"Jüdisches Leben in Cannstatt" - eine Ausstellung des
Stadtmuseum Bad Cannstatt - 4. November 2008 bis 11. Januar 2009 |
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Erste Tafel mit Thema der
Ausstellung |
Die Fotos
wurden vom Abend der Eröffnung der Ausstellung am 3. November 2008
erstellt |
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Blicke
in das neu gestaltete Erdgeschoss im Stadtmuseum Bad Cannstatt |
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Vitrine mit Erinnerungen
an
Berthold Auerbach |
Beiträge der jüdischen
Unternehmer
zur Gewerbe und Industrialisierung |
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Einzelne Rituelle
Gegenstände |
Chanukkaleuchter |
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Stolpersteinverlegung am
20. Mai 2009
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Am 20. Mai 2009
wurden in Cannstatt durch Gunter Demnig Stolpersteine verlegt für
Alfred, Karoline und Rosel Kaufmann in der Hallstraße 28, für Wilhelm
Hedwig, Dore, Manfred und Thea Schwab in der Brückenstraße 42 und für
Elise Berger in der Heidelberger Straße 44. Weitere Verlegungen von
zusammen 53 Stolpersteinen waren an diesem Tag in anderen Stadtteilen
Stuttgarts (www.stolpersteine-stuttgart.de). |
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Gedenkminute bei der Verlegung
für die
aus der Familie Schwab umgekommenen
Personen in der
Brückenstraße 42 |
Die "Stolpersteine"
für Wilhelm Schwab (1890), Dore Schwab (1922), Thea Schwab
(1927), Hedwig
Schwab (1889), Manfred Schwab (1924), deportiert 1941
nach Riga bzw.
(Manfred) 1944 nach Auschwitz. |
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Verlegung des
"Stolpersteines" für Elise Berger geb. Keller (1869-1944). Sie
wurde - bereits acht Jahre gelähmt und in
völlig hilflosem Zustand - im
Alter von 75 Jahren am 10. Januar 1944 in das Ghetto Theresienstadt
deportiert,
wo sie am 11. Februar 1944 umgekommen ist. |
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Elise Berger - Foto auf dem
zur
Verlegung verteilten Informationsblatt |
Text zum Gedenken -
vorgetragen
von einem Schüler |
Auf dem Weg zur nächsten
Verlegung:
Anke Redies von der
Stolperstein-Initiative in Cannstatt -
zusammen mit Gunter Demnig |
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Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
November
2006: Neue Publikation zur jüdischen
Geschichte in Bad Cannstatt |
Artikel links aus der "Cannstatter Zeitung" vom 11.
November 2006 S. 3.
vgl. unten in der Literaturliste
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April 2012:
8. Stolperstein-Verlegung in Bad Cannstatt |
Pressemitteilung der "Stolperstein"-Initiative
Bad Cannstatt Anfang April 2012:
"Die Verlegung der Stolpersteine durch den Künstler Gunter Demnig beginnt
Samstag, 14. April, 10 Uhr, vor der König-Karl-Straße 43 (Dr. Ernst Baer). Die weiteren Stationen sind: 10.20
Uhr Daimlerstraße 22 (Malka und Franziska Bartfeld), 10.40 Uhr Taubenheimstraße 8 (Rosa Lindauer),
11 Uhr Emser Straße 16 (Susanne und Ferdinand Meyer), 11.40 Uhr Taubenheimstraße 62 (Sara Rothschild), 12
Uhr Schmidener Straße 90 (Marie Hock).
Mit den acht geplanten Stolpersteinverlegungen erhöht sich die Zahl der Steine in Bad Cannstatt auf insgesamt 84. Mehr über die Cannstatter Stolpersteine
siehe www.stolpersteine-cannstatt.de. Im Stadtmuseum Bad Cannstatt läuft bis zum 8.
Juli die Ausstellung über die Korsettfabrik von Sigmund Lindauer."
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September 2012:
9. Stolperstein-Verlegung in Bad Cannstatt
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Pressemitteilung der "Stolperstein"-Initiative
Bad Cannstatt Anfang September 2012:
"Cannstatter Stolperstein-Initiative lädt ein: Am Montag, 17. September 2012
verlegt Gunter Demnig Stolpersteine in Bad Cannstatt ca. 10.30 Uhr Sparrhärmlingweg 73 b
für Otto Gabriel, um 10.50 Uhr Koblenzer Straße 18 für Helene Duffner, ca. 11.20 Uhr Auf der Altenburg 5
für Grete Hordan, ca. 11.40 Uhr Aachener Straße 38 für Eugen Scheucher,
ca. 12.00 Uhr Hallstraße 28 für Isaak Rothschild, ca. 12.30 Duisburger Straße 46 C
für Alfred Karl Mertz.
'… das nationale und kulturelle Gedächtnis sind nicht nur eine Sache der Entscheidung, sondern kosten auch viel Geld', schreibt Aleida Assmann in ihrem Buch
'Der lange Schatten der
Erinnerung'. In diesem Sinne bitten wir herzlich um Ihre Spende: Konto 2606615 (60050101) Redies/Lang". " |
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November 2013:
Der 100. Stolperstein wird in Bad Cannstatt
verlegt |
Am Dienstag, 12. November 2013 verlegte Gunter Demnig
die folgenden Stolpersteine in Bad Cannstatt: in der Theobald-Kerner-Straße 7
für Hedwig und Max Löwenthal, in der Helfergasse 10 und 27 für Bernhardine Bauer und Hermann Mayer
sowie in der Brunnenstraße 46 (zwischen Kepler-Gymnasium und Brunnen-Realschule)
für Romuald Baur. |
Bericht von Rainer Redies zur Verlegung
des 100. Stolpersteines in Bad Cannstatt in der
"kontextwochenzeitung" vom 13. November 2013. |
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Mai 2015:
bis Mai 2015 wurden in Bad Cannstatt 110
Stolpersteine verlegt, weitere werden folgen. Aktuelle
Informationen www.stolpersteine-cannstatt.de |
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Juni 2016:
Drei "Stolpersteine" werden
verlegt |
Artikel in der "Stuttgarter Zeitung" vom 28.
Juni 2016: "Gunter Demnig Bad Cannstatt. Drei neue Stolpersteine werden
verlegt
Der Kölner Künstler Gunter Demnig verlegt am Freitag, 1. Juli, drei neue
Stolpersteine in Bad Cannstatt. Diese erinnern an Menschen, die während der
NS-Zeit ermordet worden sind. Am Samstag, 2. Juli, gibt es eine
Stolperstein-Putzete..."
Link zum Artikel |
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November 2016:
Der Bezirksbeirat unterstützt
das Projekt "Stolpersteine" |
Artikel von Torsten Ströbele in der
"Stuttgarter Zeitung" vom 29. November 2016: "Stolperstein-Initiative in
Bad Cannstatt. Bezirksbeirat bezuschusst Projekte mit 980 Euro
Bei zwei Enthaltungen hat der Bezirksbeirat einstimmig beschlossen, das
Defizit der Stolperstein-Initiative in Höhe von 980 Euro auszugleichen. Die
Lokalpolitiker hatten noch rund 6000 Euro im Budgettopf für ehrenamtliches
Engagement.
Bad Cannstatt - Die Stolperstein-Initiative hat den Bezirksbeirat um
einen Zuschuss in Höhe von 980 Euro gebeten. Mit dem Geld soll das Defizit
gedeckt werden, das im Jahr 2016 durch verschiedene Aktionen wie eine
Vortrags- und Diskussionsveranstaltung mit dem Thema 'NS-Euthanasie' für
Schüler der gymnasialen Oberstufe entstanden ist. Da wären beispielsweise
vier Stolpersteine für 480 Euro zu nennen sowie die Miete eines Saales (150
Euro), Honorar für einen Vortragenden (400 Euro), anteilige Hotelkosten (70
Euro) und 50 Euro für Werbung. Insgesamt sind das Ausgaben in Höhe von 1150
Euro. Abzüglich 170 Euro Spenden bleibt das Defizit in Höhe von 980 Euro.
'Wir haben für dieses Jahr noch rund 6000 Euro in der Kasse', sagte
Bezirksvorsteher Bernd-Marcel Löffler in der jüngsten Sitzung des
Bezirksbeirats. 'Unser Ziel sollte es nicht sein, das Geld zu sparen und die
Summe vor uns herzuschieben.' In der kommenden Sitzung am 7. Dezember werde
er einen Vorschlag unterbreiten, wie das Geld noch auf die Antragssteller
verteilt werden kann, die aufgrund ihres hohen Defizits noch einen weiteren
Zuschuss vertragen könnten. Geld für die Stolperstein-Initiative sei somit
auch genug da.
Bei zwei Enthaltungen stimmte der Bezirksbeirat letztendlich für einen
Zuschuss in Höhe von 980 Euro."
Link zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Quellen:
Literatur:
 | Joachim
Hahn / Alfred Hagemann / Rachel Dror (Hg.): Jüdisches Leben in
Stuttgart-Bad Cannstatt.
Dazu eingestellt ein Artikel
aus der "Cannstatter Zeitung" vom 11. November 2006 S. 3.
|
 | Paul Sauer: Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und
Hohenzollern. 1966. S. 172-173. |
 | Germania Judaica III,1 S. 204. |
 | Joachim Hahn: Steigfriedhof Bad
Cannstatt – Israelitischer Teil. (Friedhöfe in Stuttgart 4. Veröffentlichungen
des Stadtarchivs Stuttgart 60) 1995 (hier allgemeine Abschnitte zur
Geschichte der jüdischen Gemeinde in Cannstatt).
|
 | Manuel
Werner: Cannstatt - Neuffen - New York. Das Schicksal einer
jüdischen Familie in Württemberg. Mit den Lebenserinnerungen von Walter
Marx. Nürtingen/Frickenhausen 2005. ISBN 3-928812-38-6.
|
 | Unterrichtsmaterial: Jüdisches Leben in
Bad Cannstatt. Info für Lehrerinnen und Lehrer (hrsg. vom Stadtmuseum
Bad Cannstatt; eingestellt als
pdf-Datei). |
 |
"Hier wohnte..." Stolpersteine in Bad Cannstatt. Ein
Stadtplan zur Spurensuche. 2. Auflage 2015. www.stolpersteine-cannstatt.de
|
 | Ebbe Koegel: Oifach nemme komma -
Weg und Schicksal der Winnender Viehjuden. Artikel war ursprünglich
vorgesehen für Jahrbuch Winnenden 2009. Fassung ohne Fotos. 31 S.
Link zum Beitrag (pdf-Datei). |

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|