Das Dorf Hochberg gehörte seit 1684 den
Freiherren von Gemmingen, die um 1760 gegen eine Aufnahmegebühr und ein
jährliches Schutzgeld die ersten jüdischen Familien in Hochberg ansiedelten.
Mehrere der ersten Familien stammten aus Nordstetten bei
Horb. Um 1772 wurde ein
jüdische Gemeinde gegründet und vermutlich auch alsbald eine Synagoge (Betsaal
in einem der Wohnhäuser) eingerichtet. Der erste 1760 aufgenommene Jude wurde
zugleich der erste Judenvorsteher: Abraham Gideon, der 1794 über ein
beträchtliches Vermögen von 10.000 Gulden verfügte.
1779 verkauften die Feiherren von Gemmingen Hochberg an Herzog Friedrich
Eugen von Württemberg, der den Hochberger Juden nach der Besitzübernahme
seinen Schutz zusicherte und im März 1780 eine "Ordnung und Instruktion,
wonach die zu Hochberg in Unserm Schutz befindlichen Juden sich zu verhalten
haben" verabschiedete. 1781 verkaufte Herzog Friedrich Eugen
Hochberg an seinen Bruder, den regierenden württembergischen Herzog Carl Eugen,
der Hochberg dem Hofkammergut einverleibte. Damit war auch dieser Ort nicht dem
Land inkorporiert; die jüdischen Familien waren den Ausschließungsbestrebungen
der Landschaft entzogen.
Zum Zeitpunkt der Übernahme Hochbergs durch den württembergischen Herzog
werden als Vorsteher gemeinsam Abraham Gideon und Samuel Isaak genannt.
Nach dem Tod Abraham Gideons 1797 war für drei Jahre Samuel Isaak alleiniger
Judenvorsteher in Hochberg. Er wurde dann auf Grund verschiedener Klagen und
Einwendungen seitens der Hochberger Judenschaft von Gabriel Dreifuß abgelöst,
der bis 1805 Judenvorsteher war.
Noch im 18. Jahrhundert nahm die Zahl der jüdischen Einwohner in
Hochberg relativ rasch zu. 1794 standen den 68 christlichen Familien 15
jüdische Familien gegenüber. 13 der jüdischen Familienväter werden 1799
namentlich genannt: Jacob Hertz, Judas Anschel, Heim Jacob, Moses Singer,
Seligmann Jacob, Samuel Kaßman, Gabriel Dreifuß, Seligmann Gideon, Judas
Hirsch, Benedict Ostertag, Isaac Kusiel, Natan Jacob und Abraham
Herz.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie folgt: 1828 172 jüdische Einwohner (30,4 % von insgesamt 566), 1832 260,
1843 264 (von insgesamt 795), 1852 305 (in etwa 40 Familien), 1869 186, 1886 39,
1910 10. Die Hochberger Juden lebten nach einem Bericht von 1844 überwiegend
vom Handel, doch gab es schon damals einige Familien, die zumindest teilweise
Einkünfte aus der Landwirtschaft hatten. Seit 1828 hatten die jungen Juden verstärkt
handwerkliche Berufe erlernt. Die Mehrzahl der Familien wurde 1844
als "ganz arm" beschrieben. In der zweiten Hälfte ging die Zahl der jüdischen
Einwohner sehr schnell durch Abwanderung der jüdischen Familien nach Stuttgart,
Bad Cannstatt, Ludwigsburg und andere Städte sowie durch Auswanderung nach
Nordamerika (zwischen 1850 und 1870 allein 36 Personen) zurück.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine
Israelitische Schule (Elementarschule von 1828 bis 1872), ein rituelles Bad und einen
Friedhof. Zur Besorgung
religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der zugleich als
Vorbeter und Schochet tätig war. An Lehrern/Vorbetern werden genannt:
von 1765 bis 1800 Nehemias Jakob, um 1790 Judas Hirsch aus Massenbach
(Krankheitsvertreter), 1800 bis 1801 Isaac Blomm (aus Heidelsheim),
1801 bis 1809 Abraham Levi (aus Haigerloch),
1810 bis 1833 Emanuel Davidsohn (aus Schwabach,
nach 1833 noch als Vorbeter und Schächter bis 1854), Bar Samuel (aus Lehrensteinsfeld),
Löw Schlessinger, 1818 bis 1826 Lazarus Falk (aus Braunsbach),
um 1825 Abraham Kirschbaum (aus Wassertrüdingen),
1828 bis 1847 David Weil (aus Laupheim),
1837/38 Hermann Schlessinger (aus Hochberg, Schulgehilfe), 1838 Isaak Kallmann
Levi (aus Hochberg, Schulgehilfe), 1848 bis 1871 David Mainhardt (aus Michelbach
an der Lücke), 1872 bis 1877 Maier Rosenthal, 1877 bis 1881 Daniel
Obernauer (aus Laupheim), 1883 bis 1884
Michael Scharf (aus Erswilken bei Tauroggen in Litauen), 1888 bis 1890 Lehrer
Gideon, um 1892 Leon Staropolski, 1897 bis 1901 Isidor Zwinger (aus Buchau).
Die jüdischen Familien waren im allgemeinen Leben des Ortes, auch im
Vereinsleben weitestgehend integriert. 1845 wurde Abraham Herz in den
Gemeinderat gewählt. Es war vermutlich der erste Jude in Württemberg, der ein
solches Ehrenamt bekleidete. Kurz darauf wurde auch Abraham Seligmann
gewählt.
Die Gemeinde gehörte zunächst zum Rabbinat Freudental, seit 1832 zum Rabbinat
in Stuttgart (beziehungsweise zuletzt
Bezirksrabbinat Stuttgart).
1914 wurde die jüdische Gemeinde aufgelöst (siehe Mitteilung unten).
Danach war nur noch das Ehepaar Adolf Falk und Karoline geb. Erlebacher in
Hochberg. Nach dem Tod von Karoline Falk blieb nur noch Adolf Falk (von Beruf
Metzger und Viehhändler) mit seiner Haushälterin Sophie Neumann zurück. Adolf
Falk war 1939 als 81-jähriger gezwungen, nach England auszuwandern. Er starb
1943 in London.
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. Juni 1877:
"Zum baldigen Eintritt sucht die hiesige Gemeinde einen
Religionslehrer, Vorsänger und Schächter gegen einen Jahresgehalt von
ca. 900 bis 1.000 Mark nebst freier Wohnung und schönem Garten. Bewerber
haben ihre Befähigung durch Zeugnisse nachzuweisen.
Meldungen sind in Bälde zu richten an das israelitische
Kirchenvorsteheramt in Hochberg bei Ludwigsburg
(Württemberg)."
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. April 1889:
"Lehrer-Gesuch.
Die hiesige israelitische Gemeinde sucht einen Lehrer, verbunden mit
Schochet- und Vorsängerstelle. Dem Bewerber, welcher ledigen Standes sein
muss, kann neben freier Wohnung und Holz für einen Gehalt mit
Nebenverdienst von 800 Mark per Jahr Garantie geleistet werden, und wollen
Bewerber ihre Zeugnisse an unterzeichnete Stelle
einsenden.
Hochberg bei Stuttgart.
Das israelitische Kirchen-Vorsteher-Amt. Weiß,
Vorstand."
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. August 1891:
"Lehrer-Gesuch.
Die hiesige israelitische Gemeinde sucht einen Lehrer, verbunden mit
Schochet- und Vorsängerstelle. Dem Bewerber, welcher ledigen Standes sein
muss, kann neben freier Wohnung und Holz für einen Gehalt mit
Nebenverdienst von 800 Mark Garantie geleistet werden und wollen Bewerber
ihre Zeugnisse an unterzeichnete Stelle einsenden. Hochberg bei Stuttgart.
Das israelitische Kirchenvorsteher-Amt: Fellheimer,
Vorstand."
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. Februar 1892:
"Lehrer-Gesuch.
Die hiesige Kantor-, Schächter- und Religionslehrer-Stelle ist bis 1. Mai
dieses Jahres zu besetzen. Der Gehalt beträgt mit Nebenverdiensten 7-800
Mark nebst freier Wohnung und Holz. Bewerber, welche ledigen Standes sein
müssen, wollen ihre Zeugnisse an unterzeichnete Stelle
einsenden.
Hochberg bei Stuttgart, 20. Februar.
Der israelitische Vorstand: Fellheimer."
Den Vorsänger und Schächter Immanuel Davidsohn trifft ein
schweres Brandunglück - Spendensammlung bringt Hilfe (1841) (Anmerkung:
Immanuel (Emanuel) Davidsohn ist am 14. April 1774 in
Schwabach geboren als Sohn des David Simon
und der Elkana geb. Mändlein; er war seit 1. Juni 1814 verheiratet mit Sara geb.
Lehmeier, eine am 7. März 1788 in Heidenheim
(Mittelfranken)
geborene Tochter des Lazarus Lehmeier und der Frummet geb. Hessels. Die beiden
hatten sieben Kinder: Elkana / Ernestine, geb. 9. Juli 1815; David, geb.
26. August 1817, gest. 1818; Jeanette, geb. 21. November 1818; Jette geb. 8.
Februar 1820; Judith, geb. 20. Oktober 1821; Regina geb. 6. Juni 1823; Eva
Hannchen, geb. 14. Januar 1825. Emanuel Davidsohn starb am 17. Februar 1861,
seine Frau ist bereits am 12. April 1846 gestorben).
Anzeige erhalten von Christa Lieb.
Anzeige
im "Ludwigsburger Wochenblatt" vom 12. Juni 1841: "Für die am 11. Mai durch
Brand verunglückte Familie des Vorsängers und Schächters Immanuel
Davidsohn in Hochberg sind dem Unterzeichneten folgende
Unterstützungsbeiträge zugestellt worden: Sp. M. G. 30 kr., G.D. 24 kr., Hr.
Jos. Jordan 5 fl. 24 kr. L.S. 30 kr., J.B. 24 kr., Hr. Wolf Jordan 10
fl.48 kr., Herr Kaufmann David Wolf Jordan 5 fl. 24 kr., Herr Levi von hier
1 fl. 20. kr., Hr. Moses Götsch 1 fl. 45 kr., Fr. Hfr. W. ein Tischtuch,
Herr Loew Jordan 3 fl. 30 kr., H.H. 1 fl., wofür hiermit im Namen der
Verunglückten herzlicher Dank bezeugt wird,. Den 11. Juni 1841."
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 8. September
1845: "22. August (1845). Dem Abgeordneten Veiel in Marbach
wurde Sonntag den 17. dieses Monats als Zeichen des Anerkenntnisses für
sein ständisches Bestreben, den Israeliten weitere Rechte zu erringen,
von der benachbarten israelitischen Gemeinde Hochberg, eine
Überraschung bereitet, indem der dortige israelitische Liederkranz, in
Begleitung mehrerer angesehener israelitischer Bürger, abends nach 8 Uhr
unter Fackelschein vor seinem Hause aufzog und ihm nach mehreren gut
ausgeführten Chorälen ein Lebehoch brachte."
Vom Ende der jüdischen Gemeinde (1914)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 31. Juli 1914:
"Die israelitische Kirchengemeinde in Hochberg (Württemberg) ist mit
Genehmigung des Ministeriums des Kirchen- und Schulwesens aufgelöst
worden."
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 26. Januar 1846:
"Hochberg, (Württemberg), 1. Januar (1846). Herr Abraham
Herz dahier wurde von sämtlichen politischen Gemeinden zum Gemeinde-
und Heiligenpfleger mit Sitz- und Stimmrecht gewählt, und obschon der
Ortsvorstand die bei derartigen Wahlen stattfindende Formalität, drei
Tage vor der Wahl die vorzunehmende Wiederbesetzung der Stelle öffentlich
zu publizieren, unterließ, so hat dennoch die königliche Regierung des
Neckarkreises die Wahl bestätigt. Nach abgelegtem Eide vor dem
königlichen Oberamte ist Herz in sein Amt
angewiesen."
Zum Tod von Karoline Falk (1925)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. November 1925: "Hochberg
bei Ludwigsburg, 8. November (1925): Im 61. Lebensjahr starb hier an einem
Herzschlag Frau Karoline Falk, die durch ihr heiteres Wesen und
ihren stets hilfsbereiten Wohltätigkeitssinn sich allgemeiner Beliebtheit
erfreute. Am Grabe schilderte Lehrer Metzger - Ludwigsburg,
sowie Oberlehrer Erlebacher, der Bruder des Verstorbenen, deren
hervorragende Tugenden. Es war die einzige jüdische Familie, die nicht
von dem Strome der Zeit und dem Zug in die Stadt erfasst wurde. Da der
Gatte wohl zu seiner Tochter nach Baisingen übersiedeln wird, so wohnt
keine jüdische Seele mehr am Ort. Die ehrwürdige Synagoge und das
stattliche Schulhaus mit seiner einstigen jüdischen Volksschule sind
schon längst veräußert."
Artikel
in der "Jüdisch-liberalen Zeitung" vom 27. November 1925:
"Ludwigsburg. (Aussterben einer alten jüdischen Gemeinde). In
Hochberg bei Ludwigsburg wurde in der letzten Woche die letzte jüdische
Frau, die durch ihren heiteren Sinn und ihr Wohltun weithin bekannte
Karoline Falk bestattet. Am Grabe schilderten Lehrer Metzger - Ludwigsburg
und Oberlehrer Erlebacher - Oberdorf
deren treffliche Eigenschaften. Da der Gatte voraussichtlich zu seiner
Tochter nach Baisingen übersiedelt, so ist dann die altehrwürdige
Gemeinde Hochberg ausgestorben."
Zur Familie des Arztes Dr. Nehemias Rescher (geb. 1828 in Hochberg,
über 30 Jahre Arzt in Schrozberg,
gest. 1885) siehe Seite zu Schrozberg.
Anzeigen
Ausschreibung der Jakob Herz'schen und der Abraham Gideonschen Stiftung
(1876)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. November 1876: "Es
sind bei unterzeichneter Behörde wiederum die Dotationen der Jakob
Herz'schen und Abraham Gideon'schen Stiftung zu vergeben, weshalb alle
diejenigen, welche gerechte Anspruche auf dieselben zu machen haben,
aufgefordert werden, sich unter Nachweis ihrer Verhältnisse baldigst zu
melden.
Hochberg am Neckar. Das israelitische Kirchenvorsteheramt.
Berichtigung. In voriger Nummer hieß es irrtümlich 'Hechberg' statt
'Hochberg'."
Ausschreibung der Jakob Herz'schen Stiftung
(1879)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. November 1879: "Hochberg,
Oberamt Waiblingen.
Das Brautlegat der Jakob Herz'schen Stiftung mit 514 Mark 29
Pfennig ist an einen Verwandten desselben zu vergeben. Bewerber mögen
sich, mit gehörigen Belegen versehen, an das Kirchenvorsteheramt wenden.
Im Namen des Kirchenvorsteheramts zeichnet hochachtungsvoll D.
Obernauer."
Zunächst war ein Betsaal vorhanden. Von 1772 ist eine kurze
Aktennotiz überliefert, wonach "die Errichtung einer Synagoge zu Hochberg unter
der Bedingung begünstigt worden (ist), dass jeder fremde Jude einen
Sabbatgroschen in den Heiligen gebe". Dieser Schabbatgroschen wurde bis 1806 über
die christliche Kirchenkasse am Ort abgerechnet; danach gegen eine einmalige
Abfindung von elf Gulden abgelöst.
Im November 1779 kauften Abraham Gideon und Samuel Isak im
Auftrag der Hochberger Judengemeinde von Adlerwirt Strottbeck eine Hofstatt mit
Gras- und Küchengarten in der Vorderen Gasse für 240 Gulden. 1781 wurde auf
diesem Platz mit dem Bau einer "Synagoge", einem Haus mit Betsaal und
drei Wohnungen begonnen. Zur Finanzierung derselben war jeder Familienvater
verpflichtet, "mit einem Kollektenbuch auf das Land hinauszugehen". Immer zwei
Familien bekamen eine bestimmte Gegend zugewiesen, wo sie "kollektieren"
sollten. Vom gesammelten Geld wurden die Unkosten abgezogen und 20 Gulden an die
Gemeindekasse abgegeben. Wer nicht sammeln wollte, konnte die 20 Gulden direkt
an die Gemeindekasse zahlen. Zur Tilgung der Bauschulden wurde in den folgenden
Jahren von jedem fremden Juden, der sich in Hochberg aufhielt, ein "Sabbatgroschen"
verlangt. Unter Vorsitz des Rabbiners Alexander Elsässer und zweier Schutzjuden
von Freudental wurde eine Synagogen- und Gemeindeordnung erarbeitet, die für
alle Hochberger Juden verbindlich wurde. Die Hochberger Schutzjuden Isak und
Gumpel Kusiel kauften für 860 Gulden je eine Wohnung in der neuerbauten Schule.
Samuel Kaufmann übernahm für 430 Gulden die dritte Wohnung. Auch 1807 lebten
in dem Haus des Betsaales noch drei jüdische Familien.
Diese erste Synagoge reichte im Laufe der Jahre bei der
wachsenden Zahl von Gemeindegliedern nicht mehr aus. Um 1825 lebten 224 Juden in
Hochberg. Die Synagoge war jetzt nicht nur zu klein, sondern "bei ihrer Beschränktheit,
noch mehr aber bei ihrer Baufälligkeit nicht mehr zu benutzen". Vor allem in
der kalten Jahreszeit war der niedrige Betsaal für die Gesundheit der
Gottesdienstbesucher sehr nachteilig.
Im Juli 1827 fasste die Gemeinde den Beschluss zum Neubau
einer Synagoge, mit dem man noch im selben Jahr begann. Die Kosten für
diesen Neubau an der Hauptstrasse (schräg gegenüber der alten Synagoge)
betrugen 5.362 Gulden. Im Jahr darauf konnte das neue Gotteshaus feierlich
eingeweiht werden konnte. Im Gebäude der alten Synagoge wurden einige Jahre
später im Bereich des Betsaales Wohnungen eingerichtet; 1840 wurde zudem vom
Bäcker Gumpel Kusiel ein Backofen eingebaut, in dem die Ortsbewohner (Juden und
Christen) backen konnten. 1886 übernahm der Handelsmann Ascher Kusiel das ganze
Haus. Nach Kusiels Tod 1916 wurde das Haus versteigert. 1985 kaufte die Gemeinde
Remseck das Anwesen. 2000 kam es wieder an Privatleute, die es 2004 renovieren
ließen. So ist auch das Gebäude der alten Synagoge erhalten (Hauptstrasse 30,
im Bereich des früheren Betsaales im 1. Stock deutlich höhere Fenster). Eine
Hinweistafel zur Geschichte des Hauses ist vorhanden.
Die neue Synagoge wurde bis 1907 genutzt und 1916 von der
methodistischen Gemeinde Hochberg erworben. Die in Hochberg seit Mitte des 19.
Jahrhunderts gewachsene methodistische Gemeinde war schon vor dem 1. Weltkrieg
auf Suche nach einem Bethaus gewesen. 51 Jahre hatten die Gottesdienste im
Privathaus von Christian Wörz (gestorben 1912) stattgefunden. Schon dieser
hatte die Idee, die nicht mehr genutzte Hochberger Synagoge für die
methodistische Gemeinde zu bekommen. Kontakte zwischen dem Stuttgarter
Bezirksrabbiner und methodistischen Gemeindegliedern führten schließlich dazu,
dass die Synagoge 1916 von den Nachkommen von Christian Wörz erworben und 1920
von der Bischöflichen Methodistenkirche übernommen wurde. Im April 1920 wurde
der Grundbucheintrag für das Gebäude mit der damaligen Adresse Hauptstrasse 66
und dem 3,48 a großen Grundstück vorgenommen.
In der Pogromnacht 1938 wäre das Synagogengebäude
fast zerstört worden. Nach Hochberg kam ein Trupp von SA-Leuten, in der
Absicht, das Gebäude zu zerstören. Als Anwohner der Hauptstrasse die
Vorbereitungen hierzu bemerkten, machten sie die SA-Leute darauf aufmerksam,
dass aus der ehemaligen Synagoge eine Kirche geworden sei, die der
methodistischen Gemeinde gehöre. Immer mehr Hochberger Einwohner kamen hinzu
und verteidigten das Eigentum einer Kirche, der die meisten gar nicht angehörten.
Darauf zogen die SA-Leute unverrichteter Dinge wieder ab.
Das Gebäude ist äußerlich noch im alten Zustand
erhalten. Eine Gedenktafel erinnert an die Geschichte des Hauses (jetzige
Adresse: Hauptstrasse 37). 1992 wurden auf dem Dachboden Reste einer Genisa
gefunden.
Fotos
1. Die alte Synagoge (Betsaal Hauptstraße 30):
Foto um 1950: (Quelle: Bickhoff-Böttcher u.a.
s. Lit. S. 7)
Die alte Synagoge in der Hauptstraße 30
(höhere Fenster im ersten Stock)
Fotos 2003: (Fotos: Hahn; Aufnahmedatum 7.8.2003)
Blick entlang der Hauptstraße
Die alte Synagoge in der Hauptstraße 30 (höhere Fenster im ersten Stock)
Historisches Foto um 1930:
(Es handelt sich um ein "historisches Foto" nur auf
Grund
der Entstehungszeit bereits um 1930. Damals war die ehemalige
Synagoge
bereits methodistische Kirche. Quelle: Jüdische
Gotteshäuser und Friedhöfe in
Württemberg. 1932. S. 86).
Die ehemalige jüdische Schule und
die Synagoge in Hochberg
Fotos nach 1945/Gegenwart:
Quellen der Fotos:
links: Bolay, Alltag s.Lit. S. 90b
rechts: Bickhoff-Böttcher u.a.
s. Lit. S. 21)
Die ehemalige neue Synagoge -
Eingangsbereich
Die ehemalige Synagoge
von Osten gesehen
Fotos um 1985: (Fotos: Hahn)
Eingangsbereich
Fassade entlang der Hauptstraße
Gedenktafel an der heutigen
methodistischen Kirche
Blick auf die
Ostseite
Charakteristische
klassizistische Architektur
Foto der Genisa-Funde (Quelle: Bolay, Alltag s. Lit. S. 21)
Funde aus der Genisa (=Aufbewahrungsort nicht mehr gebrauchter Schriften
und Kultgegenstände) der ehemaligen Synagoge Hochberg
Fotos 2003/05: (Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 7.8.2003,
mit * am
19.3.2005; Innenaufnahmen
am
14.11.2003)
Die ehemalige Synagoge*
Die klassizistisch geprägte
Eingangsseite*
Die Fassade zur Hauptstraße
Blick entlang der Hauptstraße
Rückseite des Gebäudes
Die Gedenktafel
Blick zum
ehemaligen
Toraschrein
Blick zum Eingangsbereich und
zur
ehemaligen (durch Trennwand nicht
erkennbaren) Frauenempore
Am 14.11.2003 in Hochberg: von
links:
Ludwig Bez (PKC Freudental), Ulrike
Sill
(siehe Literatur unten),
Frowald Gil Hüttenmeister
April 2015:
Pressebericht zur jüdischen Geschichte in
Hochberg
Artikel von Julian Illi in der
"Stuttgarter Zeitung" vom 7. April 2015: "Kreis Ludwigsburg.
Zuflucht vor den Herren von Württemberg.
Vor 150 Jahren lebte in dem heutigen Stadtteil Hochberg eine der größten jüdischen Gesellschaften in der Region. Obwohl die Gemeinde 1914 aufgelöst wurde, lassen sich noch heute viele historische Spuren entdecken.
" Link
zum Artikel
Juni 2019:
Im Rahmen der Remstal-Gartenschau
wurde ein Rundwanderweg "Jüdische Spuren in Remseck" eröffnet
Vgl. dazu Artikel von Thomas Krazeisen in
der Eßlinger Zeitung vom 5. Juni 2019 S. 3: "Pendler zwischen zwei Welten.
Im Rahmen der Remstal-Gartenschau ist der Rundwanderweg 'Jüdische Spuren in
Remseck' eröffnet worden..."
Artikel eingestellt als
pdf-Datei.
Paul Sauer: Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und
Hohenzollern. 1966. S. 105ff.
Brigitte Reinhardt/Sabine Weyrauch: Bauten jüdischer
Dorfgemeinschaft im Kreis Ludwigsburg (Freudental, Hochberg und Aldingen),
in: Denkmalpflege in Baden-Württemberg 8 (1979) S. 70-76.
Wilhelm Streng: Hochbergs Vergangenheit, Vortragsreihe an der
Schiller-Volkshochschule Ludwigsburg. 1984 (maschinenschriftlich).
Arno Breuning: "Erneuert von seinen Söhnen".
Beobachtungen und Gedanken zum alten Israeliten-Friedhof in Hochberg (maschinenschriftlich).
Nicole Bickhoff-Böttcher, Gertrud Bolay, Eduard Theiner:
200 Jahre jüdisches Leben in Hochberg und Aldingen. 1730-1930. 1990.
Joachim Hahn: Jüdisches Leben in Ludwigsburg. Karlsruhe 1998.
Joseph Walk (Hrsg.): Württemberg - Hohenzollern -
Baden. Reihe: Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from
their foundation till after the Holocaust (hebräisch). Yad Vashem Jerusalem
1986. S. 76.
Gertrud Bolay: Jüdischer Alltag in Hochberg. Remseck 2001.
372 S. viele Abb.
Umfassende Darstellung der Geschichte der Hochberger Juden nach einem
umfangreichen und vielseitigen Quellenstudium.
Ulrike Sill, Gil Hüttenmeister, Gertrud Bolay,
Eduard Theiner: Der jüdische Friedhof in Remseck-Hochberg. Eine
Dokumentation. Remseck
2003.
Artikel in der Stuttgarter Zeitung vom 15.11.2003: hier
anklicken
Joachim
Hahn / Jürgen Krüger: "Hier ist nichts anderes als
Gottes Haus...". Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte
und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen. Hg. von Rüdiger Schmidt,
Badische Landesbibliothek, Karlsruhe und Meier Schwarz, Synagogue Memorial,
Jerusalem. Stuttgart 2007.
Ergänzendes zur Hochberger jüdischen Geschichte.
Persönlichkeiten:
Aus Hochberg stammte Samson
Falk, geb. 7.Februr 1827, nach Amerika
ausgewandert. Zum Rabbiner
ausgebildet, war bis von 1866 bis zu seinem Tod 1886
Rabbiner des Temple
Beth Zion in Buffalo, verfasst 1879 "A History of the Israelites in
Buffalo", Quelle: hier
anklicken
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