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Luzern (Kanton
Luzern / LU, Schweiz)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Bitte besuchen Sie auch die Website
der Jüdischen Gemeinde Luzern
http://jgluzern.ch
Übersicht:
Es besteht eine weitere Seite mit
Texten zur Geschichte der jüdischen Gemeinde in den ersten Jahrzehnten
(ca. 1850 bis um 1935): hier anklicken
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
(english
version)
Mittelalter
In Luzern werden Juden erstmals im 13. Jahrhundert genannt. Im
Stadtrecht von 1252, das jedoch nur aus einer späteren Fassung vorliegt und
daher nicht auf die Verhältnisse in 1252 ausgelegt werden muss, finden sich
Bestimmungen zum Schutz der in Luzern lebenden Juden. 1288 werden jüdische
Gläubiger in Zofingen und Luzern genannt. In den folgenden Jahrzehnten werden jüdische
Bewohner der Stadt auch als Hausbesitzer genannt. Vermutlich schon in dieser
Zeit bestand die "Judengasse", heute Metzgergasse. Die jüdischen
Familien lebten überwiegend vom Geldhandel. Bei der Judenverfolgung in der
Pestzeit 1348/49 wurde die jüdische Gemeinde zerstört. Erst 1386
werden wieder Juden genannt, die vom Geldhandel lebten und unter dem Schutz des
städtischen Rates standen. 1401 wurden die Juden aus der Stadt vertrieben.
Danach kam es über Jahrhunderte nur zu vereinzelten Niederlassungen: 1423 wird
der Arzt Isaias genannt, 1425 erhielt der Arzt Joseph von Zürich ein Jahr
Geleit in Luzern. 1472 werden mailändische Juden in der Stadt genannt, die für
einige Zeit hier wohnten. Auch im 16. Jahrhundert lebten in Luzern einige
jüdische Ärzte.
Hinweis auf die
mittelalterliche jüdische
Geschichte am Niedertor bzw. Baslertor:
in
dessen unmittelbarer Nähe stand der
1771 abgebrochene "Judenturm" |
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19./20. Jahrhundert
Die
neue Gründung einer jüdischen Gemeinde erfolgte erst wieder 1867. Zunächst
nannte sie sich "Israelitischer Kultusverein", seit 1917 "Jüdische
Gemeinde Luzern" (JGL). Während 1852 noch keine Juden in Luzern lebten und sie
damals auch noch vom jeglichen Zutritt zu den Märkten ausgeschlossen waren, wurden
1856 zwei Aargauer Juden (aus Lengnau beziehungsweise
Endingen) die Niederlassung in
der Stadt erlaubt. Die Zahl jüdischer Einwohner nahm in den folgenden
Jahrzehnten schnell zu: 1909 wurden 172 "inländische" und 147 "ausländische"
Israeliten in der Stadt gezählt. 1910 lebten im Kanton Luzern 491 jüdische
Personen, davon 453 in Luzern.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge, eine
jüdische Schule (Religionsschule), ein rituelles Bad und einen Friedhof
(seit 1884). Zur Besorgung religiöser Aufgaben war ein Lehrer
angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war. 1867 wurde als
erster Vorbeter Simon Götschel angestellt. Seit 1919 hatte die jüdische
Gemeinde einen Rabbiner am Ort (s.u.).
In der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg
(Jüdisches Jahrbuch für die Schweiz 1919/20) umfasste die Gemeinde 65
Haushaltungen mit zusammen etwa 300 jüdischen Personen; im Kanton Luzern lebten
zusammen etwa 500 jüdische Personen. Die in den Jahren zuvor auch in Luzern auf
Grund von Pogromen in ihren Heimatländern zugezogenen osteuropäischen Juden
hatten eigene Betstuben.
1919/20 bildeten den Vorstand der Gemeinde: Stadtrat S. Erlanger
sen., Präsident; Immanuel Herz, Vizepräsident; Jakob Erlanger, Kassier; Benny
Weil, Aktuar; S. Rutowitz, Beisitzer. Als Kantor und Lehrer war M.
Horwitz tätig. Zahlreiche Vereine prägten bereits damals das jüdische
Gemeindeleben (nach der Übersicht 1919/20). die Chevrah-Kadischah (gegründet
1879, Zweck Hilfeleistung in Krankheits- und Sterbefällen), der Israelitische
Frauenverein (gegründet 1887, Zweck: Hilfeleistung in Krankheits- und
Sterbefällen, Wohltätigkeit), der Israelitische Armen- Unterstützungsverein
(gegründet 1911, Hilfeleistung an ortsansässigen Arme und Passanten), die
Israelitische Fürsorgekommission, der Talmud-Tora-Verein, der Synagogenchor,
die zionistische Misrachigruppe und mehrere Ortsgruppen von Vereinen
überregionaler Wohltätigkeitsvereine und Organisationen.
Zunächst wurde die Luzerner Gemeinde durch die Rabbiner aus Baden (CH;
Rabbiner Dr. Herz Ehrmann aus Baden weihte 1887
als damals für Luzern zuständiger Bezirksrabbiner den Luzerner Friedhof ein) und Basel (der
Rabbiner aus Basel weihte 1911 die Synagoge ein) betreut. 1919 wurde ein
selbständiges Rabbinat in Luzern begründet
und mit Samuel Brom besetzt (Absolvent der Breuer'schen Jeschiwa in
Frankfurt, 1919-1962). Nachfolger im Amt des Rabbinates waren
Benjamin Pels und Israel Mantel (letzterer bis 2008).
In der NS-Zeit wurden auch aus Luzern stammende Juden ermordet. In
den Listen von Yad Vashem, Jerusalem werden folgende in Luzern geborene Personen
genannt, die in Vernichtungslagern umkamen (Quelle: Yad
Vashem, Jerusalem): Salomon Bloch (geb. 1892), Alfred (Fred) Joseph (geb.
1911), Heinrich Sax (geb. 1903), Gitta Wochenmark geb.
Holtz (geb. 1904).
Hinweis: der in einigen Listen genannte Hans Manasse (geb. 1918 in Luzern,
später in Berlin lebend), wurde über Theresienstadt nach Auschwitz deportiert.
Er hat jedoch - wie auch seine Mutter Berta (geb. 1894) die NS-Zeit überlebt
und traf im DP-Camp 7 in Deggendorf wieder mit seiner Mutter zusammen. Siehe den
Bericht bei hagalil.com: http://www.hagalil.com/archiv/2011/07/06/deggendorf-4/
Nach 1945 ging die Gemeindegliederzahl unter anderem durch Auswanderung nach
Israel zurück. Nach Gründung des Staates Israel unterstützte z.B. Rabbiner
Brom 52 junge Gemeindemitglieder in ihrer Bestrebung, auszuwandern, wobei der
Gemeinde freilich fast eine ganze Generation verloren ging. Von ihrer Prägung
blieb die Luzerner Gemeinde auch weiterhin orthodox. Die Gemeinde ist vor allem aus diesem
Grund seit 1992 nicht mehr
Mitglied im Schweizerischen Israelitischen
Gemeindebund (SIG). 2004 gehörten zur jüdischen Gemeinde in Luzern etwa
200 Mitglieder. 2012 gehörten zur jüdischen Gemeinde 80 Haushalte mit
etwa 150 Personen, 2016/18 noch 40 Haushalte, wobei nicht alle jüdischen Familien
in Luzern der jüdischen Gemeinde angehören.
Größere Aktivitäten entfaltet seit 2003
in Luzern: Chabad Luzern (Chabad Lubavitch of
Central Switzerland / Zentralschweiz • Birkenstrasse. 10 • 6003 Luzern •
Switzerland • Tel.: 41-41-361-1770). Ausführliche Informationen über die Website
von Chabad Luzern. Rabbiner der Chabad ist Chaim Drukman. Die
Veranstaltungen verlaufen teilweise parallel zum bisherigen jüdischen
Gemeindeleben, teilweise ist die Chabad-Bewegung inzwischen jedoch prägend für das
jüdische Gemeindeleben in der Stadt geworden (vgl. Presseartikel von 2016 und
2018 unten). Die Chabad hat (Stand 2018) Räumlichkeiten an der
Pilatusstraße. Hier finden regelmäßige Sabbat-Feiern, Hebräisch- oder
Talmudkurse oder sogenannte Lunch & Learn-Meetings statt. Zu gewöhnlichen
Gottesdiensten kommen zwischen 15 und 30 Personen, zu den hohen Festtagen wie
Jom Kippur bis um die 150 Personen.
Talmudhochschule / Jeschiwa
In Kriens bei Luzern
bestand als besondere Einrichtung die Schweizerische
Talmudhochschule. Sie wurde 1952 zuerst in Lugano gegründet und 1954
unter Rabbiner Brom nach Luzern verlagert. 1968 wurde dann ein großer Neubau in
Kriens-Obernau bezogen (Sackweidstraße). Über mehrere Jahrzehnte lebten in dem Internat - zusammen mit dem Lehrkörper
- jeweils 120 Jugendliche im Alter von 14-19 Jahren für jeweils 2-3 Jahre. Unterrichtet
wurden Tora, Talmud und Religionsvorschriften. Die Jeschiwa ist die Vorstufe zur
Rabbinerausbildung. Die Schüler konnten danach eine der Jeschiwot in Israel,
England oder den USA absolvieren. Bis zu ihrer Schließung 2016 war die Jeschiwa in Kriens
die einzige in der Schweiz (abgesehen von der in Zürich seit einigen Jahren
bestehenden kleineren Jeschiwe Lezeirim). Bis zu den Sommerferien 2015
hatten noch 70 Schüler die Jeschiwa in Kriens besucht.
Vgl. Presseartikel von Guy Studer in der "Luzerner Zeitung" vom 19. August 2015:
"Kriens: Jüdischer Hochschule droht Schließung..."
Link zum Artikel
Vgl. Presseartikel von Stefan Dähler in der "Luzerner Zeitung" vom 25. Juli
2018: "Jüdische Schule in Kriens soll Wohnungen weichen..."
Link zum Artikel
Jeschiwa Luzern: Im
April 2016, nachdem die Jeschiwa in Kriens geschlossen worden war, wurde in
Luzern eine kleine Jeschiwa für junge Männer gegründet, die nun im Beit Midrasch
in der Synagoge lernen. Sie tragen auch dazu bei, dass der Minjan für die
Gottesdienste der Gemeinde gewährleistet ist. Siehe Informationen über die
Website der jüdischen Gemeinde Luzern.
Zur Geschichte der Synagogen
Die mittelalterliche Synagoge
Im Mittelalter gab es bereits eine Synagoge, die sich möglicherweise
bereits vor der Verfolgung 1348/49 im alten "Roubhus der merern statt"
befand.
Das erste Bethaus seit den 1860er-Jahren
Eine erste Synagoge wurde 1866
eingerichtet. Sie
wird in einem Bericht über die jüdische Gemeinde 1867 genannt (siehe unten).
Wo sich der erste Betsaal befand, ist nicht mehr bekannt. Ab 1886 war er in
einem ehemaligen Schulzimmer im "Alten Adler" eingerichtet, wo die
Entlebucher Bauern einst ihre Esel einstellten. Später zog die Gemeinde in
einen kleinen Betraum an der Grabenstraße im Mariahilf-Quartier. Bei diesen
jeweils gemieteten Beträumen blieb es bis
zum Neubau der neuen Synagoge 1911/12.
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25.
September 1867:
"Luzern, 17. Juni 1867. Unsere Staatsverfassung vom Jahre 1863 enthält keine
speziellen Bestimmungen betreffend die Israeliten. Es haben sich indessen seit
mehreren Jahren solche in der Stadt Luzern niedergelassen. Seitdem ihre Zahl größer
geworden, was seit Abschluss des Handelsvertrages mit Frankreich stattfand,
haben dieselben auch ein eigenes Bethaus und sind denselben überhaupt weder von
Seiten des Staates noch der Kirche in Ausübung ihres Kultus Hindernisse in den
Weg gelegt worden." |
1907 wurde von Gemeindegliedern ein
Synagogen-Bauverein gegründet, dem es gelang, eine Eckparzelle im Bruchquartier
zu sichern, wo die Mehrzahl der Luzerner Juden wohnten. Für den Bau der
Synagoge konnte man den Architekten Max Seckbach (1866-1922) aus Frankfurt am
Main gewinnen. Dieser hatte auch die Synagogen in Bad
Homburg, Weinheim und Memmingen
erbaut. Die neue Synagoge sollte so gebaut und eingerichtet werden, dass auch
orthodoxe Juden am Gottesdienst teilnehmen konnten. Seckbach plante einen
dreigeschossigen Bau mit einem hohen Walmbach im Stil der damaligen Zeit.
Der Innenraum wurde mit viel Marmor gestaltet. Zur Finanzierung half
entscheidend eine großzügige Spende aus dem Vermächtnis von Josef Kroner (Croner),
der während seines Urlaubes den bescheidenen Betraum der Gemeinde kennen
gelernt hatte und zum Bau einer neuen Synagoge behilflich sein wollte. Als
Kroner verstarb, vermachte er der jüdischen Gemeinde einen Teil seines
Vermögens von 100.000 Franken. Im Juni 1911 konnte die Grundsteinlegung gefeiert
werden.
Die Grundsteinlegung der neuen Synagoge am 11. Juni 1911
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. Juni
1911: "Luzern, 20. Juni (1911). Am 11. Juni wurde der Grundstein zur Synagoge
gelegt. Etwa 300 Personen waren anwesend. Herr Rabbiner Dr. A. Cohn aus Basel
hielt die Weiherede. Herr Rabbiner Dr. Appelt aus Karlsruhe sprach als
Testamentsvollstrecker des selig. Herrn Croner, der sein Vermögen der Gemeinde
Luzern zum Bau einer Synagoge hinterlassen hatte. In Luzern, wo schon im Jahre
1324 Juden lebten, ist eine Gemeinde von 64 Mitgliedern.
Herr Simon Erlanger sen. wurde am jüngsten Sonntag zum Mitglied des Stadtrats
gewählt." |
Die Einweihung der neuen Synagoge am
18. März 1912
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 12. April 1912: "In der Schweiz fahren die Juden fort, neue
Synagogen zu bauen. In Luzern, wo es 1867 nur acht jüdische
Familien gab, leben nun bereits 100 Familien, Während sich früher die
wenigen Juden zu Gebetszwecken in einem gemieteten Lokal versammelten,
sind sie jetzt im Laufe des März imstande gewesen, infolge eines von
Herrn Kroner in Czernikau gestifteten Legates ein eigenes Gotteshaus zu
bauen. Die Einweihung hat kürzlich stattgefunden in Gegenwart der
Delegierten sämtlicher Schweizer Gemeinden und der Behörden der Stadt
Luzern. Bei dem Festmahl ergriff auch ein katholischer Priester das Wort
und feierte mit beredten Worten die
Toleranz." |
|
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 12. April 1912: "Eine neue Synagoge wurde dieser Tage in Luzern
eingeweiht. Die Einweihungsrede hielt Rabbiner Dr. Kohn – Basel. Beim
Festbankette sprach auch Pfarrer Luschka." |
|
Frankfurter Israelitisches Wochenblatt vom 29. März
1912: "Luzern. Vergangene Woche feierte die jüdische Gemeinde die
Einweihung ihrer neuen Synagoge. Das neue Gotteshaus, eine Zierde
der Stadt, imponiert durch die Schlichtheit des äußern Schmuckes und durch das
Edle seiner Linien. Im Innern geben der kostbare Aufwand, der viele Marmor, die
stilvolle Malerei, das Gold, die Bronze dem Betraum einen überaus freundlichen
Anblick. Der prächtige Bau ist das Werk des bekannten Frankfurter Architekten Max
Seckbach, der hier ein beredtes Zeugnis seiner Kunst abgelegt hat.
Die Gemeinde, die im Gründungsjahr 1867 9 Mitglieder zählte, ist – so
entnehmen wir der Ansprache des Gemeindevorstehers Braun – heute auf 64
gestiegen. Sie feiert heute gleichzeitig das 25jährige Jubiläum der
Chewra-Kadischa und das 40jährige Dienstjubiläum ihres bewährten Kantors M.
Moos. Der Bau der Synagoge ist in erster Linie dem hochherzigen Vermächtnis des
verstorbenen Josef Kroner aus Czernikau zu verdanken, der hierfür 100.000 Frcs.
hinterlassen hatte.
Die Weiherede hielt Rabbiner Dr. A. Cohn, Basel. Er sprach Worte, getragen von
tiefer Religiosität, die in ihrer Gedankentiefe und Erhabenheit einen mächtigen
Eindruck auf die Andächtigen machten. An die religiöse Feier schloss sich ein
solennes Festbankett mit 320 Teilnehmern in den Sälen des "Kursaals" unter
dem schneidigen Tafelmajorat des Herrn S. Erlanger-Braun und ein prächtiger
Festball. – Am Bankett wurden die Vertreter der Behörden, der umgebenden drei
christlichen Konfessionen, der Delegierten der Schwestergemeinden der Schweiz
von Herrn Stadtrat Erlanger begrüßt, und zwischen den vielen Toasten wurde ein
glänzendes Unterhaltungsprogramm abgewickelt, um das sich namentlich die Damen
Frank, Fränkel und Hurwitz und die Herrn Keller und Max Erlanger verdient
machten.
Es war ein Ehrentag der jüdischen Gemeinde von Luzern, der wohl allen
Teilnehmern unvergesslich bleiben wird." |
Im Jahr der Einweihung der Synagoge wurde auch ein Synagogenchor
gegründet. Seine Zielbestimmung: Verschönerung des Gottesdienstes und Pflege
der Geselligkeit; erster Präsident war B. Weil. Im Synagogengebäude wurde
auch ein Schulzimmer eingerichtet. 1919 besuchten 75 jüdische Kinder
hier den Religionsunterricht.
1933 - im Jahre der Machtergreifung der Nationalsozialisten in
Deutschland - kam es zu einem Überfall auf die Synagoge:
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. Juli 1933: "Luzern.
Am Sabbat Mittag drang ein junger Mann in die Synagoge ein und richtete
schwere Verwüstungen an. Der verhaftete Täter, ein Psychopat namens Sigg,
dem die Hetzkampagne der letzten Zeit vollends die Sinne verwirrt haben,
wurde einer Heilanstalt zur Beobachtung überwiesen." |
Die 1912 erbaute Synagoge besteht bis
zur Gegenwart. 1972 wurde sie renoviert. Im März 2012 konnte das 100-jährige
Bestehen gefeiert werden.
Gegenwart (2020): Gottesdienste finden in der Synagoge
regelmäßig statt. Einen eigenen Betsaal hat Chabad Luzern.
Adresse der jüdischen Gemeinde /
Standort der Synagoge: Bruchstrasse
51 . 6003 Luzern . Tel. 41-41-2406400.
Fotos
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Blick auf die
Synagoge |
Im Inneren der
Synagoge (Quelle) |
Blick in die Synagoge in den
1960er-Jahren
(Quelle: Encyclopedia Judaica s.Lit.) |
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Kleiner Betsaal
von Chabad Luzern (Fotos: Benno Buehlmann,
Quelle: Website von Chabad Luzern) |
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Parochet (Toravorhang) |
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Die Synagoge im
Sommer 2008
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 26.8.2008) |
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Eingangsportal |
Gebotstafeln über
Eingangsportal |
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Einzelne
Presseberichte zur jüdischen Gemeinde Luzern
Juli 2016:
Aktuelle Entwicklungen in der
jüdischen Gemeinde Luzern
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Artikel von Robert Knobel in der "Luzerner
Zeitung" vom 14. Juli 2016: "RELIGION: Luzerner Juden am Wendepunkt.
Die Jüdische Gemeinde Luzern will sich nach stetigem Mitgliederschwund
wieder aufrappeln. Doch viele sind mit der streng orthodoxen Ausrichtung
nicht einverstanden.
Um die Jüdische Gemeinde Luzern (JGL) ist es in den letzten Jahren still
geworden. Gab es noch bis in die Neunzigerjahre ein sichtbares jüdisches
Leben im Luzerner Bruchquartier – mit Synagoge, Koschergeschäft,
Kindergarten und zeitweise bis zu 160 Familien –, so umfasst die JGL heute
gerade noch 40 Mitglieder. Das heißt aber nicht, dass es in Luzern immer
weniger Juden gibt. In der Zentralschweiz leben gemäss einer Schätzung des
Bundesamts für Statistik rund 750 Personen jüdischen Glaubens. Das ist sogar
mehr als noch vor einigen Jahren.
Gemischtreligiöse Paare sind tabu. Die meisten von ihnen sind
säkulare Juden, die sich in ihrer Lebensweise kaum von ihren Nachbarn
unterscheiden. Viele von ihnen haben die JGL mittlerweile verlassen oder
sind als Neuzuzüger gar nie der Gemeinde beigetreten. Denn die JGL hat sich
in den letzten Jahrzehnten zu einer ultraorthodoxen Gemeinschaft gewandelt.
So wird beispielsweise nicht akzeptiert, dass ein Gemeindemitglied einen
nichtjüdischen Partner heiratet, und Frauen haben bei der Generalversammlung
kein Stimmrecht. Schon vor längerem wurde zudem geschlechtergetrennter
Religionsunterricht eingeführt. Die ultraorthodoxe Haltung habe immer mehr
dominiert, für liberale Juden gebe es in dieser Gemeinde keinen Platz mehr,
beklagt ein langjähriges Mitglied. 'Mit den Ultras ist kein 'dazwischen'
mehr möglich, Kompromisse werden keine gemacht.' Aber wie die moderaten
Christen haben auch säkulare Juden das Bedürfnis nach spirituellen
Angeboten. In diese Lücke trat 2003 die charismatische Gemeinschaft Chabad.
Eines der Hauptziele der weltweit tätigen Organisation ist es, Juden den
Zugang zu religiösen Angeboten zu ermöglichen – und dies unabhängig von
religiöser Ausrichtung und Lebensstil. Chef des Luzerner Ablegers von Chabad
ist der aus Israel eingewanderte Rabbiner Chaim Drukman. Gemäß seinen
Angaben nehmen rund 150 Familien aus der ganzen Zentralschweiz regelmäßig an
den Aktivitäten teil. Das heißt, sie feiern zusammen hohe Feste wie Pessach
oder Yom Kippur, treffen sich zu Sabbat-Gottesdiensten, und wer will, kann
seine Kinder in den jüdischen Religionsunterricht schicken.
Ein 'fremder' Rabbi übernimmt. Drukman rutscht zunehmend in die Rolle
des offiziellen Vertreters der Luzerner Juden. Denn die JGL kann sich schon
längst keinen eigenen Rabbi mehr leisten, und auch die Talmudhochschule in
Kriens – eine Ausbildungsstätte für künftige Rabbiner – ist seit 2015
geschlossen. Chaim Drukman ist somit der einzige in Luzern tätige Rabbiner.
Er organisiert öffentliche Chanukka-Feiern auf dem Bahnhofplatz, besucht
jüdische Gefängnisinsassen und Patienten im Spital und ist Ansprechpartner
von Behörden in jüdischen Belangen. Als vor zwei Jahren israelische
Touristen mit einem Bus in Wolfenschiessen schwer verunfallten, wurde er als
Seelsorger geholt – obwohl es sich bei den Opfern um israelische Araber
handelte. Faktisch haben sich in den letzten Jahren also zwei parallele
jüdische Strukturen in Luzern herausgebildet – eine kleine, konservative
Gemeinde (JGL) und ein lockerer Zusammenschluss für den grossen Rest (Chabad).
Ist diese Entwicklung wünschenswert? Chaim Drukman sagt dazu: 'Im Moment
kümmern wir uns tatsächlich um einen Großteil der jüdischen Belange in
Luzern. Die JGL ist aber immer noch für die Synagogen-Gottesdienste
verantwortlich.' Letzteres ist für die JGL denn auch entscheidend, wie deren
Vizepräsident Meir Shitrit betont. 'Als Besitzerin der Synagoge sehen wir
uns nach wie vor als offizielle Vertreterin der Luzerner Juden.'
Ausrichtung nicht unumstritten. Meir Shitrits Frau Michelle fügt
hinzu, dass es in Luzern trotz der schrumpfenden Gemeinschaft nach wie vor
ein Gemeindeleben gebe. 'Wir betreuen ältere Mitglieder, leisten
Sterbebegleitung und kümmern uns um den Unterhalt der Infrastruktur mit
Synagoge, Gemeindehaus, Friedhof und rituellem Bad.' Oft werde die JGL auch
von jüdischen Personen aus dem Ausland um Hilfe gebeten, die sich in Luzern
medizinisch behandeln lassen wollen. Dass ein Grossteil der einheimischen
Juden gar nicht mehr Mitglied der JGL ist, habe mit deren Lebensstil zu tun,
der nicht mit einer orthodoxen Gemeinde vereinbar sei. Allerdings ist diese
strenge Ausrichtung selbst innerhalb der JGL nicht unumstritten. Es gibt
Mitglieder, die mit den strengen Regeln wenig anfangen können und nur
deshalb noch in der Gemeinde sind, damit sie einen Platz auf dem jüdischen
Friedhof erhalten.
Ziel: Neue Familien anlocken. Bei der JGL selber ist man sich denn
auch bewusst, dass sich einiges ändern muss, wenn man nicht bald noch die
letzten Mitglieder verlieren will. Meir Shitrit ist mit dem Anspruch
angetreten, die Gemeinde finanziell zu sanieren, zu verjüngen und zu
vergrössern. Sein Ziel ist es, neue jüdische Familien nach Luzern zu
bringen. Sukzessive soll wieder eine jüdische Infrastruktur aufgebaut werden
– mit eigenem Rabbi, koscheren Lebensmitteln und vielleicht sogar einer
eigenen Schule. 'Erst wenn es wieder ein funktionierendes Angebot gibt, wird
Luzern für Juden wieder attraktiv', sagt Meir Shitrit. Bis es so weit ist,
versucht die Gemeinde, etwa mit vergünstigtem Wohnraum Neuzuzüger
anzulocken. Zudem sorgt sie dafür, dass es wieder häufiger Gottesdienste in
der Synagoge gibt. Dazu werden junge Juden aus Israel und Europa jeweils für
einige Wochen in Luzern einquartiert. Sie besuchen mehrmals täglich die
Synagoge. Ausserdem reisen seit einigen Monaten auch Juden aus Zürich nach
Luzern, um die Gottesdienste zu besuchen.
Gemeinde bleibt streng orthodox. Meir Shitrit macht allerdings keinen
Hehl daraus, dass er an der orthodoxen Ausrichtung der Gemeinde strikte
festhalten will. Als Neuzuzüger kommen denn auch vor allem orthodoxe Juden
aus dem Ausland in Frage. Eine erste Familie aus Frankreich sei vor wenigen
Wochen angekommen, sagt Shitrit. 'Und für eine zweite Familie sieht es
ebenfalls gut aus.' Es gibt auch Überlegungen, in der Luzerner Synagoge ein
Lerninstitut für junge Erwachsene zu eröffnen, in dem Tora- und
Talmudstudium betrieben wird. Dies quasi als Ersatz der geschlossenen
Hochschule in Kriens. Meir Shitrit sagt, man sei dabei, eine Bewilligung zu
beantragen. 'Im Moment fehlt uns aber noch das Geld dazu.' Auch ein
Shuttlebus, der Kinder in die jüdische Schule nach Zürich chauffieren soll,
steht auf der Wunschliste, ist im Moment aber nicht finanzierbar.
'Die Synagoge ist für alle offen'. Es sieht also danach aus, dass die
Trennung zwischen streng orthodoxen und liberalen Juden in Luzern weiterhin
bestehen bleibt. Chaim Drukman von Chabad betont zwar, dass er sich eine
engere Zusammenarbeit mit der JGL wünschen würde. Und auch Meir Shitrit
sagt, dass man sich den liberalen Juden nicht ganz verschliessen wolle. 'Die
Synagoge ist für alle offen', so Shitrit. Zudem sei denkbar, einzelne
Aktivitäten für Kinder von gemischtreligiösen Eltern anzubieten, damit diese
Kinder den Bezug zum Judentum nicht verlieren. An den strengen
Aufnahmekriterien in die Gemeinde will die JGL aber festhalten. Damit bleibt
der Wunsch vieler säkularer Juden, sich wieder in eine Gemeinschaft
einzugliedern, vorläufig unerfüllt."
Link zum Artikel |
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August 2018:
Aktuelles zu Chabad und
traditioneller jüdischer Gemeinde |
Artikel von Remo Wiegand in der "Luzerner
Zeitung" vom 15. August 2018: "Jüdische Gemeinde in Luzern erhält
Konkurrenz von neuer Bewegung
Die Bewegung Chabad hat sich im letzten Jahrzehnt als gewichtigste jüdische
Gruppe der Zentralschweiz etabliert. Die alteingesessene Jüdische Gemeinde
Luzern versteht sich indes weiterhin als einziger legitimer jüdischer
Gebetsort.
Jacques Holtz ist heute 83 Jahre alt. Er wurde in Luzern geboren und wohnt
noch heute hier, an der Guggistrasse im Luzerner Säli-Quartier. Holtz
arbeitete erfolgreich als Textilunternehmer, er stattete die Schweizer
Ski-Nati mit Sportkleidern aus und erfand die Mützen mit dem Schweizerkreuz.
Selber trug Holtz öfters eine andere Kopfbedeckung: Als einer von rund 500
Juden und Jüdinnen in der Zentralschweiz besuchte er seit frühester Kindheit
die jüdischen Gottesdienste und setzte sich vorschriftsgemäss eine Kippa
auf..."
Link zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Germania Judaica Bd. II,1 S. 502-503; III,1 S. 768-769. |
| Uri R. Kaufmann: Juden in Luzern. Luzern 1984. |
| ders.: Die jüdische Welt trifft sich in Luzern. Der
Zionistenkongress des Jahres 1935. In: Jahrbuch Historische Gesellschaft
Luzern 26 2008 S. 29-44. |
| Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund (Hrsg.):
Jüdische Lebenswelt Schweiz. Zürich 2004. |
| Verena Lenzen: 100 Jahre Synagoge Luzern (18.
März). Einem Touristen sei Dank! Artikel in: Pfarreiblatt
Luzern 2012 Nr. 6 (16.-31. März 2012).
Auch abgedruckt im "Kirchenboten" - Zeitung der
evangelisch-reformierten Kirchen (Kantone Basel bis Uri) vom 1. April 2012 (eingestellt
als pdf-Datei). |
Artikel in "Encyclopedia Judaica"
Keter Publishing House Jerusalem Vol 11.
S. 551:
Lucerne (Germ. Luzern), city in the canton of the
same name, central Switzerland. Jews were first mentioned in Lucerne in 1252,
when the terms of their protection were defined. During the 14th century, a fine
was prescribed for anyone perpetration a bloodlibel against the Jews without
previously notifying the council. A regulation of 1310 delas with the sale of
meat from animals slaughtered by Jews. The Jews, who were authorized to possess
real estate, were principally engaged in moneylending. During the massacres
following the Black Death (1348-49), the community came to an end; the town was
compelled to indemnify the duke of Austria for the losses he had thus incurred.
In 1381, there were once more Jews living in Lucerne. A few Jewish physicians
practiced there during the 15th and 16th centuries. In the mid 17th century,
Jewish livestock merchants again appeared at the local markets. After the
proclamation of the Helvetic Republic (1798), some Jews, mainly from Alsace,
settled in Lucerne, though not without arousing a certain degree of opposition.
The local community was founded in 1867, but never developed to any considerable
extent. There was a yeshivah in the canton for some years.
Weiterer englischer Artikel zu "Lucerne" von Richard Gottheil und
Meyer Kayserling vom Anfang des 20. Jahrhunderts in der Jewish
Encyclopedia.
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|