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Rauischholzhausen mit
Wittelsberg (beide Gemeinde
Ebsdorfergrund, Kreis Marburg-Biedenkopf)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Rauischholzhausen (früher: Holzhausen) bestand eine jüdische Gemeinde bis
1938/42. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 17./18. Jahrhunderts zurück.
Erstmals wird 1690 (nach anderen Angaben bereits 1553) eine jüdische
Person in Rauischholzhausen genannt, die von dem Grundherren des Dorfes Rau von
Holzhausen, aufgenommen wurde. Dabei handelte es sich um Joseph aus Mainz-Kastel,
der in Amöneburg aufgenommen wurde und
sich dann aber in Rauischholzhausen niederließ. 1721 werden die Familien
des Salomon, Jacob, Seligmann und Feist genannt. 1744 gab es sechs jüdische
Familien am Ort (des Mayer Juda, Feist Israel, David Liebmann, Susmann Levi,
Aaron Salomon und Russel Levi), 1749 fünf jüdische Familien mit zusammen 22
Personen (5,2 % von insgesamt 419 Einwohnern). Von diesen besaß Aaron Salomon
ein eigenes Haus.
Unter den jüdischen Familien in Rauischholzhausen hatten die Familien Rülf und
Bachenheimer sephardische Wurzeln.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen
Einwohner wie folgt: 1835 57 jüdische Einwohner (8,9 % von insgesamt 638
Einwohnern), 1855 76 (14,2 % von 635), 1861 78 (11,9 % von 654), 1885 62 (10,1 %
von 615), 1895 52 (8,3 % von 621), 1905 45 (7,0 % von 642). 1858 werden
folgende jüdische Haushaltsvorsteher genannt (in Klammer ihr Gewerbe): Juda Rülf
(Viehhändler), Hirsch Schaumberg (Viehhändler, Spezerei- und Eisenhandel),
Jakob Bachenheimer (Vieh- und Spezereiwarenhandel, Metzger), Isaac Rülf (Schächter,
Händler), Susmann Stern (Viehhändler), Meier Bachenheimer (erlaubter
Nothandel), Susmann Bachenheimer (Nothandel), Hirsch Bachenheimer (Nothandel),
Mendel Bachenheimer (Viehhändler), Susmann Bachenheimer II (Nothandel), Salomon
Stein (erlaubter Nothandel), Heinemann Bachenheimer (Viehhändler), Juda Plaut
(Metzger), Feist Stern (Nothandel) sowie Hirsch Hahn (Lehrer).
Zur jüdischen Gemeinde Rauischholzhausen gehörten auch die im 2 km westlich
gelegenen Wittelsberg lebenden jüdischen
Personen. 1744 wohnte hier die Familie des David Salomon, auf den vermutlich die
spätere Familie Baum zurückgeht. Neben der Familie Baum gab es seit dem 1.
Drittel des 19. Jahrhunderts auch eine Familie Spier am Ort. 1835 wurden 17 jüdische
Einwohner gezählt, 1861 21, 1905 18.
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine jüdische Schule
(Israelitische Elementarschule für die jüdischen Kinder aus Rauischholzhausen,
Wittelsberg und Roßdorf, ein rituelles Bad und ein Friedhof.
Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer
angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war. 1844 wird als
Lehrer Hirsch Wolf Hahn genannt; er starb 1870 in Rauischholzhausen (siehe
Bericht zu seinem Tod unten; 1868 hatte er 26 Kinder zu unterrichten). Sein
Nachfolger war Victor Bachenheimer (1871-1872). Ab 1881 war Lehrer Jacob
Rothschild an der Schule; er unterrichtete zunächst 31 Kinder (17 Jungen, 14 Mädchen).
Lehrer Rothschild unterrichtete bis zu seiner Pensionierung 1918; er starb im
April 1921. Seit 1918 unterrichteten auswärtige Lehrer die jüdischen Kinder in
Religion, zuletzt Salomon Pfifferling aus Marburg (1941 deportiert). Die
Gemeinde gehörte zum Provinzialrabbinat in Marburg.
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der Gemeinde: aus Rauischholzhausen
Leopold Reiß
(geb. 6.7.1884 in Holzhausen, gef. 28.4.1918), Jakob Isidor Rülf (geb.
11.7.1898 in Holzhausen, gef. 17.6.1917), Moses Rülf (geb. 13.12.1874 in
Holzhausen, gef. 28.5.1917); aus Wittelsberg: Hermann Baum (geb. 10.6.1893 in
Wittelsberg, gef. 14.10.1917), Theodor Baum (geb. 17.7.1891 in Wittelsberg, gef.
19.11.1914), Siegfried Rülf (geb. 9.11.1899 in Wittelsberg, gef. 26.6.1918).
In der Synagoge in Rauischholzhausen wurde in den Jahren nach dem Ersten
Weltkrieg eine Gedenktafel für die jüdischen Gefallenen aus den beiden
Orten eingeweiht. Nach 1945 war diese Tafel auf dem jüdischen Friedhof
in Rauischholzhausen (aus dieser Zeit stammt vermutlich das Foto, das sich in
der Sammlung Paul Arnsberg im Jüdischen Museum Frankfurt am Main befindet).
Später kam die Tafel nach New York in eine Einrichtung in der Bennett Avenue.
Um 1924, als zur Gemeinde noch 29 Personen gehörten (4,3 % von insgesamt
682 Einwohnern), waren die Gemeindevorsteher Juda Rülf und David Stern. Der
Religionsunterricht von fünf Kindern der Gemeinde, die höhere Schulen
besuchten, wurde durch Rabbiner Dr. Cohn in Marburg erteilt. Damals gehörten 15
jüdische Personen aus Wittelsberg zur jüdischen Gemeinde in Rauischholzhausen.
1932 waren die Gemeindevorsteher weiterhin Juda Rülf (1. Vors.) und
David Stern (Schriftführer). Den Religionsunterricht der damals vier
schulpflichtigen jüdischen Kinder der Gemeinde erteilte der bereits genannte
Lehrer Salomon Pfifferling (Marburg). Aus Wittelsberg gehörten noch acht
Personen zur Gemeinde.
1933 lebten noch 18 jüdische Personen in Rauischholzhausen. In den
folgenden Jahren sind einige Gemeindeglieder auf Grund der Folgen des
wirtschaftlichen Boykotts, der zunehmenden Entrechtung und der Repressalien
weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Beim Novemberpogrom 1938 kam es
auch in Rauischholzhausen zu Ausschreitungen, die sich möglicherweise gegen die
Synagoge, aber auch gegen die noch am Ort lebenden jüdischen Personen
richteten. So wurde am Haus von Hermann Mendel die Haustüre durch Axthiebe
beschädigt und zwei Fenster zerstört. Am 10. November 1938 wurden Julius Spier, Simon Frenkel und Hermann Mendel festgenommen. 1939/42 waren noch sieben
jüdische Einwohner am Ort (Hermann Mendel, Sara Mendel, Bertha Rülf, Louis Rülf,
Abraham Spier, Jenny Spier, Hedwig Stern). Zu ihnen kamen 1942 die noch in Schweinsberg
und Mardorf lebenden Juden, sodass diese Orte in der NS-Sprache nun
"judenfrei" waren. Am 6. September 1942 wurden insgesamt 18 jüdische
Personen aus Rauischholzhausen in das Ghetto Theresienstadt deportiert.
Von den in Rauischholzhausen geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben
nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem
und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Siegfried Seligmann
Bachenheimer (1871, wohnte später in Camberg,
Gedenkblatt),
Simon Frenkel (1882),
Johanna (Hannchen) Horwitz geb. Bachenheimer (1869), Klara Maas (1921), Hermann
Mendel (1878), Bertha Rülf geb. Kanter (1872), Louis Rülf (1902), Abraham
Spier (1881), Jenny Spier geb. Wertheim (1890), Paula Stern geb. Rosenbaum
(1874).
Aus Wittelsberg sind umgekommen: Elieser Baum (1863), Rosa Rothschild
geb. Rülf (1878; nach A. Schneider s.Lit. S. 360 hieß sie Rosa Schaumburg
geb. Rülf).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibung der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet
1876
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. Januar 1877: "Die
Erledigung der nachverzeichneten israelitischen Lehrer- und
Vorsängerstellen im Kreise Kirchhain, Regierungsbezirk Kassel, als:
1) zu Halsdorf, kompetenzmäßiges Diensteinkommen 870 Mark.
2) Holzhausen, kompetenzmäßiges Diensteinkommen 915 Mark.
3) Schweinsberg, kompetenzmäßiges Diensteinkommen 870 Mark, wird
hierdurch mit dem Bemerken veröffentlicht, dass geeignete Bewerber um die
eine oder andere Stelle ihre mit den erforderlichen Prüfungs- und
Führungszeugnisse zu versehende Meldungsgesuche innerhalb sechs Wochen
bei unterfertiger Behörde einreichen mögen. Marburg, den 27. Dezember
1876. Königliches israelitisches Vorsteheramt. Dr. Munk." |
Fragen des Miteinanders zwischen jüdischer und
christlicher Konfessionsschule
(1844)
Anmerkung:
der nachfolgende Abschnitt bezieht sich eindeutig auf Rauischholzhausen bei
Marburg unter Lehrer Hirsch Wolf Hahn, auch wenn die Namen nur abgekürzt, aber
doch identifizierbar wiedergegeben worden sind.
Artikel in
der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 16. September 1844: "Marburg, 25. August (1844). Die Didaskalia enthält von hier aus
folgenden Artikel: ‚Kindlein, liebet euch untereinander! Das ist das
Alte und das Neue Testament und ist zu lesen im Herzen aller Menschen. Wie
glücklich müsste die Welt sein, wenn dieser Satz die allgemeine Religion
des Lebens wäre! Handlungen der reinen Menschenliebe sind aber leider
noch so selten in unserer frommen Welt, dass es dem Menschenfreunde eine
wahre Erquickung ist, wenn ihm unversehens da eine solche aufstößt, wo
er sie am wenigstens vermutete. –
In dem Dorfe H-z-h-n (= Holzhausen = Rauischholzhausen) bei M-b-g (=
Marburg) ist seit mehreren Monaten der christliche Schullehrer erkrankt.
Von seinem Gehalte, der kaum zu seiner Pflege ausreicht, kann er keinen
Stellvertreter bezahlen. Die Gemeinde will den in treuer Amtsverwaltung für
sie Erkrankten nicht der letzten Stütze berauben, kann aber auch nicht
noch einen Lehrer besolden. Also müsste die unschuldige Jugend darunter
leiden, 90-100 Kinder ohne Unterricht bleiben. Der dortige Pfarrer, ein höchst
würdiger Geistlicher, will zwar gern den Religionsunterricht übernehmen,
aber mehr zu tun, verhindern ihn seine Amtsgeschäfte. Dem
Religionsunterricht muss aber notwendig der Elementarunterricht
vorangehen, die Kinder müssen lesen, Schreiben etc. lernen. Wie ist da zu
helfen? – Es ist auch ein jüdischer Lehrer, Herr H-n (Hahn), im Orte.
Zwar hat dieser selbst ein sehr schwieriges Amt, er muss täglich sechs
Stunden unterrichten, noch dazu in zwei verschiedenen Orten, wohin er täglich
eine halbe Stunde weit gehen muss. Indes, er denkt: Mein Bruder ist krank;
so nötig mir die Erholung auch ist, ich muss ein Übrigens tun, die
Schule darf nicht verwaist bleiben. Glücklicherweise gehört der Herr
Pfarrer nicht zu denen, die es für gefährlich halten, dass ein Jude an
einer christlichen Schule unterrichte. Er kommt mit dem jüdischen Lehrer
überein, übernimmt den Unterricht in Religionslehre und Bibel, Herr H-n
erteilt täglich zwei Stunden in den übrigen Gegenständen des
Volksunterrichts, und Allen ist geholfen. Herr H-n (Hahn) fühlt sich genügend
belohnt, denn er handelt also, damit erfüllt werde das Testament der
Menschheit: ‚Kindlein, liebet euch untereinander!’ – Um aber diese
Handlung würdigen zu können, möge auch ihr Gegenbild hier seinen Platz
finden. Nicht sehr weit von diesem Orte wohnt auf einem Dorfe eine
einzelne jüdische Familie, deren Kinder drei Viertel Stunde weit zu einem
jüdischen Lehrer in die Schule gehen müssen. Die Kinder sind noch klein
und schwach, beim besten Willen können sie in Winterszeit und schlechtem
Wetter nicht in die Schule gehen. Der Vater, dem es schon sauer genug
wird, seinen Beitrag zum Gehalt des Lehrers aufzubringen, sucht um die
Erlaubnis nach, seine Kinder in die christliche Schule seines Ortes
schicken zu dürfen, damit sie hier den Elementarunterricht genießen möchten.
Nein, sagt der christliche Lehrer, Ihre Kinder gehen mich Nichts an. Die
Behörde wird angerufen, aber sie kann den christlichen Lehrer zum
Unterrichte jüdischer Kinder nicht zwingen. Nein, nein! Nicht zwingen.
– Welche Religion rühmt sich doch, das Testament der Menschheit in
ihrem Kanon zu lesen? A.S." |
Zum Tod von Lehrer Hirsch Wolf Hahn (1870)
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. Juni 1870: "Amöneburg
(Kurhessen). Dieser Tage starb in Holzhausen der Lehrer Hirsch Wolf
Hahn.
Derselbe, ca. 55 Jahre alt, war aus Fulda gebürtig, und wirkte mit
großem Erfolge seit 30 Jahren als Lehrer in Holzhausen. Er war ein Gelehrter,
der Nächte hindurch Gemara lernte, und als ein frommer, streng
religiöser Jehudi, als edler Charakter in der weiten Umgegend bekannt.
Der Verblichene hat ca. 30 junge Leute, die Lehrer geworden sind, bis zum
Seminar herangebildet, und waren derer auch mehrere heute von Nah und Fern
zu seiner Beerdigung herbeigeeilt. Dem Verblichenen ist seine Frau schon
vor einigen Jahren irrsinnig geworden; sie ist in einer Anstalt
untergebracht. Für die sieben unmündigen Kinder, die er hinterlässt,
wovon vier zuhause sind, ist und wird gesorgt." |
Berichte zu
einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde
Über den aus Rauischholzhausen stammenden
Seminardirigenten Dr. Jakob Stein (gest. in Kassel 1898)
Artikel in
der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 18. Februar 1898: "Kassel, 10. Februar (1898). Am 6. dieses Monats verschied hierselbst
der Seminardirigent a.D. Dr. Jacob Stein. In ihm verlieren wir einen in
vielfacher Hinsicht ausgezeichneten Mann, der sich in den weitesten
Kreisen hohen Ansehens und großer Beliebtheit erfreut hat. Geboren 1835
in dem Dorfe Holzhausen bei Marburg, zeigte er früh lebhafte Neigung und
natürliche Anlage zum Lehrerberuf, dem der denn sein ganzes Leben treu
geblieben ist. Nachdem er zuerst in Ropperhausen und
Adelebsen gewirkt
hatte, kam er 1862 nach Göttingen, wo er sich neben seinem Lehramte mit
eisernem Fleiße akademischen Studien widmete, die er mit einer Arbeit über
den Koran abschloss. Von Göttingen wurde er als Lehrer an die
Jacobsonschule nach Seesen berufen, und von dort folgte er 1866 einem Rufe
nach Kassel, um die Leitung des israelitischen Seminars zu übernehmen.
Dieses Amt hat er bis 1897 verwaltet und demnach fast ein Menschenalter im
Dienste der Volksschule unserer Provinz gewirkt. Eine große Anzahl
israelitischer Lehrer Hessens und der Nachbarprovinzen sind seine Schüler
gewesen, die mit unbegrenzter Liebe und Verehrung an ihm hingen, da sie in
ihm jederzeit ihren besten Freund und weisesten Berater fanden. Bald nach
seinem Amtsantritt gab er die tatkräftige Anregung zur Gründung der
israelitischen Lehrerkonferenz für Hessen und ist bis zu seinem Tode
ununterbrochen ihr Vorsitzender gewesen. Überhaupt widmete er sich mit
dem größten Eifer allen Bestrebungen zur Förderung der Volksschule, für
die er eine Reihe Schulbücher verfasst hat, wie des Lehrerstandes, dem er
mit ganzem Herzen ergeben war. Als im Jahre 1891 das 25-jährige Jubiläum
seiner hiesigen Amtstätigkeit gefeiert wurde, zeigte sich in zahlreichen
Kundgebungen, wie viel Liebe er gesät hatte. Denn so sehr in sein Amt in
Anspruch nahm, so eifrig beteiligte er sich an zahlreichen humanen und
gemeinnützigen Bestrebungen, jedes Amt mit der gleichen Treue und
Gewissenhaftigkeit versehend. Eine lange Reihe von Jahren war er u.a. erst
Armenpfleger und dann Armenrat der Stadt, für diese Tätigkeit durch
seine Herzensgüte und Menschenfreundlichkeit, sein sanftes und
liebevolles Wesen besonders geeignet. Ein schweres Herzleiden zwang ihn,
Ostern 1897 seine Pensionierung nachzusuchen, und bei dieser Gelegenheit
wurde er durch Verleihung der Roten Adlerordens ausgezeichnet. Leider
sollte er sich des Ruhestandes nicht erfreuen. Seine Krankheit
verschlimmerte sich unaufhaltsam und führte schließlich zu qualvollem
Leiden, die er mit der großartigen Ergebung eines Dulders ohne Klagelaut
ertrug. Er war ein Mann nach dem Herzen Gottes, eine anima candida, wohin
er kam, Liebe säend und Segen stiftend, eine Zierde des Lehrerstandes,
der Pestalozzi der israelitischen Schule Hessens. Die große Beliebtheit,
deren sich der Verstorbene zu erfreuen hatte, gab sich bei der gestern
Nachmittag stattgefundenen Beerdigung kund, die unter überaus zahlreichem
Geleite erfolgte. Die Kinder des israelitischen Waisenhauses, denen sich
die Zöglinge des hiesigen Seminars anschlossen, welch Letztere den Sarg
zur Gruft trugen, eröffneten den langen Zug, in dem auch viele
israelitische Lehrer aus der ganzen Provinz, frühere Schüler des
Verblichenen, vertreten waren. In warmen Worten hoben bei der Feier auf
dem Friedhofe zuerst Herr Landrabbiner Dr. Prager und sodann Herr Rabbiner
Dr. (Benno) Jacob aus Göttingen, der Schwiegersohn des Verstorbenen, seine hohen
Tugenden hervor. Möge ihm die Erde leicht sein; ein treues Andenken ist
ihm in weiten Kreisen sicher." |
Resie Frenkel hat das Abitur bestanden (1929)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung" für Kassel, Kurhessen
und Waldeck"
vom 8. März 1929: "Holzhausen (Kreis Kirchhain). Frl.
Resie Frenkel, Tochter des Kaufmanns Simon Frenkel, hat als
erste ihres Dorfes am Oberlyzeum Marburg ihr Abiturientenexamen
bestanden." |
Über die Familie Rülf
Die Vorfahren der Familie waren 1492 von der
Iberischen Halbinsel vertrieben wurden und hatten sich in
Rauischholzhausen ansiedeln können. In napoleonischer Zeit hatten sie als
Familiennamen Rülf nach dem unweit ihres Hauses vorbeifließendes 'Rülfbach'
angenommen. Damals waren sie als "Ackerbürger" eingetragen und
betrieben Landwirtschaft und Viehhandel. |
Über den aus Rauischholzhausen stammenden Rabbiner Dr.
Isaak Rülf (1831-1902)
Anmerkung: Rabbiner Dr. Isaak Rülf (geb. 10. Februar 1831 in Rauischholzhausen,
gest. 18. September 1902 in Bonn), war Rabbiner, Publizist und Zionist.
Link: Wikipedia-Artikel
Zum 70. Geburtstag von Rabbiner Dr. Isaak Rülf
(1901)
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Februar 1901: "Memel,
4. Februar (1901). (Eine biographische Skizze.) Dr. Rülf, der am 10.
dieses Monats sein siebzigstes Lebensjahr vollendet, ist ein Mann von so
hervorragender Bedeutung, dass es nicht unangebracht erscheinen dürfte,
bei dieser Gelegenheit den verehrlichen Lesern dieses Blattes,
insbesondere seinen vielen Freunden und Verehrern, eine kurze Skizze
seines Lebens zu geben.
Rülf
wurde geboren am 10. Februar 1831 in Rauisch-Holzhausen bei Marburg in
Hessen, und erhielt den ersten Unterricht in der jüdischen Dorfschule.
Nach dreijährigem Aufenthalte bei dem Kreisrabbiner Wetzler in Gudensberg
(nicht: Gudenberg) bei Kassel in Hessen, entschloss Rülf sich, zum
Lehrfache sich vorzubereiten.
Schon
nach etwa zweijährigem Studium bestand er das Lehrerexamen und wurde auch
sofort als Hilfslehrer wieder nach Gudensberg zu seinem Talmudlehrer
berufen. Von jetzt ab fing Rülf an, sich ernstlich für das rabbinische
Studium vorzubereiten. Nach abermaligem dreijährigen Aufenthalte kündigte
Rülf seine Stelle und verließ den Ort, um sich noch weiter für das
Universitätsstudium vorzubereiten. In seiner Heimat war ihm dazu der
katholische Pfarrer und der Kaplan, welch’ letzterer noch als Domherr in
Fulda lebt, behilflich. -
Nach
etwa einem Jahr bezog Rülf endlich die so nahe gelegene Universität
Marburg, studierte aber zuerst nicht als Rabbiner, sondern als Mediziner.
Fast ein Jahr hindurch hatte Rülf nur medizinische, das will sagen,
vorerst nur naturwissenschaftliche Kollegien gehört, ihm war aber schon
von früher her durch Privatlektüre die Philosophie ans Herz gewachsen,
und nach |
Rücksprache
mit seinem dortigen Professor E. Zeller, verließ er das Fach und widmete
sich von jetzt ab ausschließlich dem jüdischen theologischen Studium,
das ihm auch Gelegenheit gab, in das Studium der Religionsphilosophie
immer tiefer einzudringen.
Seinen Lebensunterhalt gewann er sich dadurch, dass er die bei der
israelitischen Gemeinde frei gewordene Lehrerstelle übernahm,
beziehungsweise eine solche Schule daselbst erst errichtete. Oster 1854
war er zur Universität gekommen. Im Dezember bestand er die Prüfung als
Rabbiner bei der dortigen Prüfungskommission, einer von der
theologischen, philologischen und philosophischen Fakultät besonders
abgezweigten Kommission für Bewerber um Rabbinerstellen im damaligen Kurfürstentum
Hessen. Er verblieb jedoch noch lehrend und lernend in Marburg bis Oktober
1859, war darauf bis April 1863 Lehrer und Prediger an einem Ort im Großherzogtum
Hessen und von da bis November 1865 Religionslehrer in
Mecklenburg-Schwerin.
Während seines Aufenthaltes in Schwerin benutzte Rülf die Gelegenheit,
um an der Landes-Universität Rostock zu promovieren. November 1865 trat
Dr. Rülf seine Stelle in Memel an, woselbst er bis zum Frühjahr des
Jahres 1898 in verschiedener gemeinnütziger Weise tätig und wirksam war.
Als im Jahre 1867 der schwere Notstand über Ostpreußen hereinbrach,
wurde Rülf gleichfalls in das Hilfskomitee als Schriftführer berufen.
Protektor aller Komitees war der damalige Kronprinz von Preußen, der
nachmalige Kaiser Friedrich.
Was indes hier in Ostpreußen bloßer Notstand, das war drüben in Westrussland
geradezu Hungersnot, welche besonders die jüdische Bevölkerung
schrecklich ergriffen hatte. Es bildete sich in Memel ein Komitee zur
Unterstützung der russischen Juden in Westrussland, an dessen Spitze Rülfs
stand. Damit war Rülf gleichsam zum Anwalte der russischen Juden
geworden, und ist es belieben bis zur Stunde, da er Memel verließ, ganz
ebenso, wie ihn das Armenwesen der Stadt Memel bis zu seinem Scheiden von
Memel beschäftigte. Diesen Bestrebungen verdankt ein großer Teil seines
Schrifttums seine Entstehung. Von seinen zahlreichen Schriften sind uns
bisher folgende bekannt geworden:
1) ‚Zur Verteidigung der Juden hier und überall.’ Mit besonderer Rücksicht
auf ihre Stellung und Beaufsichtigung in Kurhessen. Marburg. 1858.
2) ‚Meine Reise nach Kowno’. Memel 1869.
3) ‚Der Einheitsgedanke.’ Als Fundamentalbegriff aller Religion
und Wissenschaft, als Verständigungsbasis unter den Gebildeten aller
Konfessionen und Nationen. Memel 1880. 4) ‚Drei Tage in Jüdisch-Russland’.
Ein Kultur- und Sittenbild. Memel 1882.
5) ‚Aruchas bas-Ammi.’ ‚Heilung Israels.’
Memel 1883. 6) ‚Die
russischen Juden.’ Memel 1890. |
Andere
kleine Schriften, von welchen eine ganze Anzahl während der furchtbaren
Judenhetze in Südrussland im Jahre 1882 von Rülf in die Welt geschickt
wurden, kommen weniger in Betracht.
Von den Vorträgen Rülf’s seien hier erwähnt:
‚Schleiermacher als Religionsvirtuos’. ‚Lessing als Held der
Aufklärung.’ ‚Was wir
sollen und wollen.’ Vortrag,
gehalten bei Eröffnung des ‚Vereins für jüdische Geschichte und
Literatur’ zu Memel. ‚Zur Geschichte der Juden in Memel’ (Abgedruckt
im ersten Bericht der israelitischen Religionsschule zu Memel, 1900.).
Seiner Tätigkeit als Chef-Redakteur des ‚Memeler Dampfboot’ sei hier
nur beiläufig erwähnt. Was Rülf in dieser seiner Stellung zur Unterdrückung
und Bekämpfung des Antisemitismus betan, verdient alle Achtung und volle
Anerkennung seiner Glaubensbrüder.
Den Eck- und Schlussstein seiner schriftstellerischen Tätigkeit aber
bildet sein großes Hauptwerk über ‚Metaphysik’, ein Werk, das von
der philosophischen Welt als geradezu ‚epochemachend’ bezeichnet wird.
Schon seine Promotionsschrift 1864, ‚Qua fundamenta metaphysices prorsus
novae ponere conatus est’, ‚wie ist die Metaphysik auf neuen
Grundlagen aufzubauen?’ – deutet auf dieses große Werk hin. -
In der Hast und dem Drang aller der Anforderungen seines so ausgebreiteten
Wirkungskreises konnte bei Rülf dieser Gedanke nur sehr allmählich zum
Systeme ausreifen. Erst im Jahre 1884 ging Rülf an die Arbeit dieses
seines Hauptwerkes, und im Jahre 1888 erschienen die ersten beiden Bände
des auf fünf Bände berechneten Werkes. Das System ist in folgende Teile
gegliedert: Wissenschaft des Weltgedankens, Wissenschaft der Gedankenwelt,
Wissenschaft der Krafteinheit, Wissenschaft der Geisteseinheit,
Wissenschaft der Gotteseinheit.
Der Wunsch, seinen Lebensabend in der Nähe seiner Kinder zu verbringen,
veranlasste Dr. Rülf, noch im 68. Lebensjahre, den Wohnort zu wechseln
und von Memel nach Bonn am Rhein überzusiedeln, Seitdem ist er dort ganz
philosophischer Muße hingegeben, um sein philosophisches Hauptwerk
(Metaphysik) der Vollendung nahe zu bringen.
Möge er in ungeschwächter Kraft noch recht lange der Wissenschaft und
seinen Mitmenschen erhalten bleiben. Emil Benjamin." |
|
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit' vom 20. Mai 1891: Aufruf
zur Unterstützung jüdischer Auswanderer aus Russland von Dr. J. Rülf,
Rabbiner in Memel:
"Erneuter Hilferuf. Auf unseren Hilferuf zu Gunsten der
Unterstützung jüdischer Auswanderer aus Russland am Ende des vorigen
Jahres waren 19.687 Mark 55 Pfennig eingegangen, wovon 9.045 Mark 6
Pfennig bereits verausgabt und 433 Auswanderer bis heute (11. Mai)
unterstützt und nach überseeischen Ländern - einen anderen Weg nimmt
die Auswanderung überhaupt nicht - befördert worden sind. Jetzt aber
naht ein neuer Zufluss von Auswanderern, bestehend aus jüdischen
Handwerkern und ehemaligen Soldaten, welche ihres bisherigen
Freizügigkeits-Rechts beraubt, aus dem Innern Russlands nach der
'Judengrenze' verwiesen sind und auswandern müssen, weil sie in den
westrussischen Gouvernements keine Heimat und keine Beschäftigung finden.
Arm, elend, ausgezogen und ausgezogen langen sie hier an und in wenigen
Wochen wird unsere Kasse erschöpft sein. Große Geldbeiträge sind
notwendig und darum bitten wir wiederholt und ganz besonders die
Glaubensgenossen, uns mit den Mitteln zur Unterstützung der
Unglücklichen zu versehen. Wir sind fest überzeugt, dass ein jeder, der
menschlich denkt und fühlt, verlangtermaßen unser Unterstützungswerk
fördern wird. Die Beiträge entgegenzunehmen ist ermächtigt durch das
ständige Hilfskomitee für die Notstände russischer Israeliten.
Dr. J. Rülf, Rabbiner. Memel, im Mai 1891.
Auch die Expedition dieses Blattes ist gerne bereit, Gaben in Empfang zu
nehmen und an den oben Unterzeichneten zu
senden." |
Rezensionen zur "Wissenschaft des Weltgedankens
und der Gedankenwelt..." von Rabbiner Dr. Rülf in Memel (1889)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 28. November 1889: Artikel wird nicht ausgeschrieben |
|
|
|
Hinweis auf eine Publikation von Dr. Isaak Rülf (1891)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Juni 1891:
"Soeben erschien und ist durch alle Buchhandlungen zu beziehen:
Entstehung und Bedeutung des Antisemitismus in Hessen
von Dr. J. Rülf. - Preis 20 Pfg. -
Diese Aufsätze, welche bei ihrem ersten Erscheinen im 'Israelit und
Jeschurun' durch ihre so gründliche Widerlegung der antisemitischen
Unwahrheiten allenthalben berechtigtes Aufsehen hervorriefen, dürften
sich in Oberhessen, wo die Erregung gegen die jüdische Bevölkerung
leider noch immer eine sehr große ist, zur Massenverbreitung besonders
eignen. Bei Partiebezug bedeutender Rabatt.
Joh. Wirth'sche Hofbuchdruckerei A.-G.,
Mainz". |
Zum tragischen Unfalltod des Rabbiners Dr. Isaak. Rülf in
Bonn (1902)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. September 1902:
"Bonn, 19. September (1902). Auf traurige Art kam gestern Abend der
Rabbiner Herr Dr. J. Rülf ums Leben, indem er auf einer Radfahrt vor der
Stadt auf einem abschüssigen Wege unter die Räder eines Fuhrwerks geriet
und schwere Verletzungen erlitt, die bald darauf seinen Tod zur Folge
hatten. Rülf stand im 72. Lebensjahre. In einem hessischen Bauerndorfe zu
Holzhausen (statt Golzhausen) geboren, war er ohne geordnete
Schulbildung bis zum 12. Lebensjahre aufgewachsen. Da fielen ihm
Schiller's Werke in die Hände, und damit ging ihm eine bis dahin
ungekannte Welt auf. Mit eisernem Fleiße begann er zu studieren, sodass
er mit 19 Jahren als wohlbestallter Dorfschulmeister sich dem Unterrichte
anderer widmen konnte. Er ruhte aber nicht eher, bis er die nötigen
Vorkenntnisse besaß, um als Studierender der Philosophie und der
biblischen Wissenschaft die Universität Marburg beziehen zu können. In
Rostock erwarb er sich den Doktorhut der Philosophie, und dann wirkte er
zunächst als Rabbiner in Schwerin. Sein eigentliches Arbeitsfeld sollte
ihm aber in Memel, auf der Vorwarte des Deutschen Reiches, erstehen; dort
entwickelte er eine gesegnete und vielseitige Tätigkeit. Zur Stärkung
des Deutschtums schuf er mit gleichgesinnten Freunden das Memeler 'Dampfboot',
ein Tageblatt, dessen Redaktion er viele Jahre hindurch selber leitete,
ohne sein Seelsorgeamt zu vernachlässigen. Wir sehr er für die leibliche
Wohlfahrt seiner Gemeinde und anderer Notleidenden sorgte, das zeigte sich
am schönsten, als damals in Folge von Missernten jener große Notstand
über Ostpreußen hereinbrach. Dass er den vielen Juden, die aus Russland
ausgetrieben wurden, ein treuer Berater und Helfer war, das lag schon in
seinem Amte begründet und werden sich die älteren Leser des 'Israelit'
seiner großen und häufigen Sammlungen zu Gunsten seiner bedrängten
Glaubensgenossen noch gut erinnern können. Nebenher schuf sich Rülf
durch seine wissenschaftliche Forschung einen geachteten Namen. Seit
einigen Jahren lebte er hier im 'Ruhestande', aber noch bis in die letzten
Tage schaffte er rührig, um seinem Gebäude der Metaphysik in einem Werke
über 'Wissenschaft der Gotteseinheit' das Schlussglied einzufügen. Ein
Sohn Rülf's hat sich nach längerer ärztlicher Praxis vor zwei Jahren
als Privatdozent in der hiesigen philosophischen Fakultät niedergelassen,
ein anderer ist Rabbiner von Braunschweig und ein dritter hat als Dr. ing.
promoviert und sich als Patentanwalt in Frankfurt
niedergelassen.
Rülf, der, wie wir sagen, in junger Jahren ein eifriger Assimilant war,
flüchtete sich in seinem Alter, als er bei dem viel umworbenen
Germanentum keine Gegenliebe fand, in den Zionismus, dem er in seiner
schwärmerischen Art mit Begeisterung anhing. Die Zionistische Bewegung
verliert in ihm einen ihrer hervorragendsten und geistvollsten Vertreter. Seine
Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
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Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 26.
September 1902: "Bonn, 21. September (1902). Überall, wo
Juden wohnen, wird die Trauerkunde von dem Hinscheiden des allgemein
bekannten und geschätzten Rabbiners Dr. Isaac Rülf mit inniger
Teilnahme aufgenommen werden. Dr. Rülf ist am 19. dieses Monats abends
infolge eines Schlaganfalles verschieden. Der Verstorbene hatte eine
Radtour unternommen und war in der Nähe der Gronau, als er einem Fuhrwerk
ausweichen wollte, mit dem Rade gestürzt. Ein Schutzmann, welcher den
Vorgang beobachtete, brachte Dr. Rülf, welcher bei dem Fall nur eine
leichte Schürfung der einen Hand erlitt, auf seinen Wunsch nach seiner in
der Argelanderstraße gelegenen Wohnung, woselbst der hochbetagte Herr,
wohl infolge des vorangegangenen Schrecks, plötzlich verschied. Mit dem
Fuhrwerk, welchem Dr. Rülf nach links ausweichen musste, ist derselbe in
keinerlei Berührung gekommen. Nach einer anderen Darstellung ist
Dr. Rülf beim Fall gegen das Hinterrad des Wagens gestürzt, wobei er
eine schwere Brustquetschung und eine Daumenverletzung erlitt. Der so
unerwartet Dahingeschiedene, welcher am 10. Februar 1901 unter Anteilnahme
weiterer Kreise hier seinen 70. Geburtstag beging, hatte seine Laufbahn
als Lehrer begonnen. Er studierte später in Marburg und erwarb sich in
Rostock den Doktorhut. Nachdem Rülf kürzere Zeit in Schwerin als
Rabbiner tätig war, wirkte er etwa 30 Jahre lang in der gleichen
Eigenschaft in Memel, woselbst er als Begründer und Leiter des 'Memeler
Dampfboot' Jahrzehnte lang auch im Interesse des Deutschtums im Osten eine
segensvolle Tätigkeit entfaltete. In den Ruhestandsjahren welche Rülf
hier in Bonn verlebte, beschäftigte sich der trotz seines hohen Alters
immer noch rüstige Mann |
mit wissenschaftlichen Arbeiten. Isaac Rülf war eine eigenartige
Persönlichkeit. Seine publizistische Tätigkeit kam wesentlich dem
'Memeler Dampfboot' zugute. Rülf hatte jahrelang eine leitende Stelle bei
dem ostpreußischen Blatte und trat wacker und mit viel Geschick für den Liberalismus
ein. Im Memel hatte Rülf ausgiebige Gelegenheit, die Not der ärmeren
russischen Juden zumal in den Grenzprovinzen des Zarenreiches kennen zu
lernen. Er machte es zu seiner Aufgabe, nach Möglichkeit dieser Not zu
steuern. Er ging zum Studium der Lage der Juden in Russland wiederholt in
das Nachbarland und schuf gemeinsam mit anderen in Memel
Wohltätigkeitsanstalten zum Besten russischer Auswanderer jüdischen
Glaubens. Durch die Schriften 'Meine Reise nach Kowno' und 'Drei Tage im
jüdischen Russland' lenkte er die Aufmerksamkeit weiterer Kreise auf die
Not des großen Teiles der russischen Juden. Einer seiner
Lieblingsgedanken war, durch Verpflanzung in andere Gegenden die
Notleidenden in bessere Lebensbedingungen zu bringen. Seit den achtziger
Jahren widmete sch Rülf philosophischen Studien. Rülf versuchte, ein
fest geschlossenes System der Philosophie herzustellen, und er meinte,
dass ihm dies gelungen sei. Seine Anschauungen legte Rülf zuerst in einer
übersichtlichen Fassung 18880 in der Schrift 'Der Einheitsgedanke als
Fundamentalbegriff' nieder. Eingehend begründete er seine Lehre in einem
mehrbändigen Werke 'Wissenschaft des Weltgedankens und der Gedankenwelt',
mit dem Nebentitel 'System einer neuen Metaphysik'. Die einzelnen Bände
behandeln die Wissenschaft des Weltgedankens, die Wissenschaft der Gedankenwelt,
die Wissenschaft der Krafteinheit, die Wissenschaft der Geisteseinheit.
Schließlich beschäftigte sich Rülf auch mit sozialpolitischen Studien.
1893 erschien von ihm eine Schrift 'Das Erbrecht als Erbübel'. In den
letzten Jahren widmete sich Rülf mit dem Feuereifer, der ihm nun einmal
zu eigen war, den zionistischen Bestrebungen in Wort und Schrift. Mit ihm
scheidet eine der markantesten Persönlichkeiten des deutschen
Rabbinerstandes, deren Bedeutung im Einzelnen noch zu schildern sein wird.
Sein Andenken wir unvergessen fortleben.! (Auch wir widmen dem verehrten
Manne, dem treuen Mitarbeiter, den Zeil dankbarer Erinnerung und werden
sein Andenken stets in Ehren halten. Friede seinem hehren Geist! Die
Redaktion.)'" |
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Anzeigen in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 26. September 1902: |
Über die Beisetzung von Dr. Isaac Rülf (1902)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 3. Oktober 1902: "Bonn, 26. September (1902). Das
Leichenbegängnis des verstorbenen Rabbiners Dr. Isaac Rülf fand
am 22. dieses Monats unter lebhafter Teilnahme seitens der hiesigen
Gemeindemitglieder statt. Am Grabe sprachen der Ortsrabbiner Dr. Kalischer
- Bonn und Namens der früheren Gemeinde Dr. Carlebach - Memel, im Namen
des deutschen Rabbinerverbandes sprach Rabbiner Dr. Frank - Köln, für
das Zentralkomitee der zionistischen Vereinigung für Deutschland
Rechtsanwalt Dr. Bodenheimer. Namens der persönlichen Freunde Dr.
Freudenerg und für die akademische Verbindung Rhenofilelia stud. med.
Behr. - Von einem Freunde des Verstorbenen erhalten wir noch die folgenden
interessanten Erinnerungen an Rülf: 'Der verstorbene I. Rülf gehörte zu
den Männern, die mehr waren, als sie schienen. Gerade Dr. Rülf ist ein
Beweis dafür, dass die freisinnige Richtung des Judentums, die er uneingeschränkt
vertrat, auch die Bedürfnisse der Juden an der Ostgrenze verstehen und
ihnen entgegenkommen kann. Ich hatte Gelegenheit, das Tagewerk dieses
Rabbiners der kleinen deutschen Gemeinde Memel zu beobachte. Das Gehalt
war namentlich anfangs sehr klein, und Rülf verdiente einen großen Teil
des Lebensunterhaltes dadurch, dass er die einzige größere liberale)
Zeitung der Stadt, das 'Memeler Dampfboot', redigierte. Für die
zahlreiche, namentlich im Sommer wegen des Holz-. und Getreidehandels
fluktuierende russisch-jüdische Bevölkerung in Memel hatte Rülf eine
eigene Schule im Krankenhaus und ein Beth ha-Midrasch erbaut, in dem er am
Freitagabend selbst vorbetete. Da zu Rülf zahlreiche arme russische
Juden, aber auch Zionisten und jüdische Gelehrte, um seinen Rat zu
erbitten, kamen, um ihn kennen zu lernen usw., Es ist es wirklich
wunderbar, dass dieser Mann noch Zeit gefunden hat, tief durchdachte
philosophische Werke ('Der Einheitsgedanke', 'Weltgedanke und
Gedankenwelt', eine von den Fachgelehrten anerkannte Metaphysik) zu
schreiben. Das Größte aber leistete Rülf im Notstandsjahr 1867, als
eine Hungersnot in Ostpreußen und an der russischen Grenze herrschte. Um
den Nachwirkungen dieses für jene Gegenden schrecklichen Jahres zu
begegnen, erließ Dr. Rülf 1868 einen Aufruf, der über eine halbe
Million Mark für die Bedrängten zusammenbrachte und positive
Organisationen ins Leben rufen halt, um für 'Jüdisch-Russland'
(vergleiche Dr. Rülf, Drei Tage in Jüdische Russland) eine bessere Ausbildung
namentlich der Jugend anzubahnen. Dr. Rülf hatte sich damals, als es
galt, die Not zu studieren |
noch nicht ausgeschrieben - zum Lesen bitte Textabbildung anklicken. |
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Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 22. Oktober 1902: "Memel, im Oktober (1902). Die
Jugend des kürzlich zu Grabe getragenen jüdischen Philanthropen Rabbiner
Dr. Rülf - denn in dieser Eigenschaft als Menschenfreund wird er bei
Tausenden fortleben, die ihm ihre Existenz verdanken - zeigte einen
bekannten typischen Zug aus der Zeit des Vormärz. Rülf hatte keine regelmäßige
Schulbildung erhalten, und ebenso wie z.B. David Cassel, Aaron Bernstein,
Eduard Lasker, Berthold Auerbach und viele gebietende Gelehrte, den
harten, aber wie es scheint, desto mehr fördernden Weg des Autodidakten gehen müssen..... |
noch
nicht ausgeschrieben - zum Leben bitte Textabbildungen anklicken |
Erinnerung an Rabbiner Dr. Rülf (1927)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 11. Februar 1927: "Ein Mann der Tat. Zur
Erinnerung an einen aus Kurhessen stammenden Rabbiner.
Von L. Horwitz, Kassel. In Rauisch-Holzhausen wurde am 10.
Februar 1831 ein jüdisches Kind geboren - Isaak Rülf -, dessen späteres
Leben ganz seinen Glaubensbrüdern gewidmet war..."
Zum Lesen bitte Textabbildungen anklicken. |
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Beitrag zum 100. Geburtstag von Rabbiner Dr. Isaak
Rülf seligen Andenkens (1931)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 13. Februar 1931: "Zum 100. Geburtstag von
Rabbiner Dr. Isaak Rülf s.A. In dem kleinen kurhessischen Dorf,
unweit der Universitätsstadt Marburg, Rauisch-Holzhausen,
erblickte am 10. Februar 1831 der nachmalige Rabbiner von Memel, Dr.
Isaak Rülf, das Licht der Welt. November 1865, im 34. Lebensjahre,
trat Dr. Rülf die Rabbinerstelle in Memel an, wo während der 33 Jahre
seiner Amtstätigkeit sein reicher Geist zur einzigartigen Entwicklung
gelangte. Isaak Rülf gehörte zu jenen geistig bevorzugten Naturen, deren
geistige Spannweite soviel Schaffenskraft umfasst, dass sie in den
verschiedenartigsten Tätigkeiten Bedeutendes zu leisten vermögen, ohne
erschöpft zu werden. Neben seiner Wirksamkeit als Rabbiner und Prediger,
neben seinem von außerordentlichem Erfolg gekrönten Schaffen als
philosophischer Schriftsteller, neben seiner einzig dastehenden,
umfassenden philanthropischen Tätigkeit ('Dr. Hülf') hat Dr. Rülf noch
die Muße gefunden - ein Unikum wohl in der ganzen deutschen Journalistik
-, 26 Jahre lang eine politische Tageszeitung, das 'Memeler Dampfboot', zu
redigieren.
Mit seltenem Freimut und logischer Schärfe hat Dr. Rülf auch Angriffe
und Beschuldigungen gegen die Juden widerlegt. Dreimal wandte sich Rülf
für seine Glaubensbrüder an Fürst Bismarck, und jedes Mal hat der
Altreichskanzler die Eingaben berücksichtigt. Ein 'offener Brief' (1886)
gegen antisemitische Auslassungen des Ministers von Puttkamer hat in ganz
Deutschland berechtigtes Aufstehen erregt. Dabei war er der erste, und
lange Zeit der einzige deutsche Rabbiner, der für die Kolonisation
Palästinas und für die Zionsidee eifrig eintrat. In seinem glänzend
geschriebenen Buche 'Das Erbrecht als Erbübel', in dem er den
eigenartigen und immerhin interessanten Versuch anstellte, ein sozial-gesellschaftliches
Problem großzügig zu lösen, erscheint er nicht in seiner vielfachen
Eigenschaft als Rabbiner, Philosoph und Philanthrop, sondern in seiner klassischen
Ruhe und geistvollen Tiefe als Sozialpolitiker." |
Über den aus Rauischholzhausen stammenden Rabbiner
Gutmann Rülf
Anmerkung: Gutmann Rülf (geb. 3. Dezember 1851 in Rauischholzhausen
als Sohn von Rabbiner Dr. Isaak Rülf,
gest. 17. Dezember 1915 in Braunschweig) war von 1884 bis 1915 Landesrabbiner
des Herzogtums Braunschweig.
Link: Wikipedia-Artikel
zu Gutmann Rülf |
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Anmerkung: ein Sohn von Gutmann Rülf war Schlomo
(Salomon) Friedrich Rülf (geb. 13. Mai 1896 in Braunschweig, gest.
13. August 1976 in Vevey), siehe Wikipedia-Artikel
zu Schlomo Rülf.
Zum Gedenken an seine Verdienste wurde die
Friedrich-Schlomo-Rülf-Medaille benannt, die die Christlich-Jüdische
Arbeitsgemeinschaft des Saalandes (CJAS) vergibt. |
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Über den aus Rauischholzhausen stammenden Moses Rülf
Anmerkung: Moses Rülf (Bruder von Gutmann Rülf, geb. 1855 in
Rauischholzhausen, gest. 1934), war Religionslehrer und Gemeindesekretär in
Nürnberg.
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeige von Karl Baum in Wittelsberg (1902)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 31. Juli 1902: "Ein
Sattler- und Tapeziergehilfe sucht Stellung.
Karl Baum, Wittelsberg, Kreis
Marburg." |
Zur Geschichte der Synagoge
Zunächst war ein Betraum in einem der jüdischen
Häuser vorhanden. 1849 erwarb die jüdische Gemeinde von Juda Plaut ein
Scheunengebäude, um es als Synagoge mit Schule, Lehrerwohnung und
rituellem Bad umzubauen. Zunächst hatte die Gemeinde große Pläne und wollte
das Gebäude zweigeschossig ausbauen. Diese Pläne wurden nicht realisiert, da
nach dem Brandkataster des Dorfes (ab 1874) das Synagogengebäude (mit der
Haus-Nummer 22) nur einstöckig war. Es war 12 m lang und 6 m breit. Nach einer
anderen Quelle wurde die Synagoge erst 1872 eingerichtet; demnach hat man
wohl nach dem Erwerb des Synagogengebäudes 1849 nicht so schnell bauen
können.
In den 1920er-Jahren wurde in der Synagoge eine Gedenktafel für die Gefallenen
des Krieges aus Rauischholzhausen und Wittelsberg angebracht.
Vermutlich konnten bereits um 1930 nicht mehr regelmäßig Gottesdienstes
abgehalten werden, da die Zahl der Gemeindeglieder stark zurückgegangen war. Im
Juni 1935 wurde der Innenraum der Synagoge durch unbekannte Täter
völlig verwüstet, sodass eine damals geplante Bar Mizwa-Feier nicht mehr
stattfinden konnte. In der Silvesternacht 1935/36 wurde die Synagoge
völlig ausgeplündert, die Torarolle in Brand gesteckt und das Gebäude bis zur
Unnutzbarkeit zerstört. Die Täter wurden nicht gefunden. Die noch in
Rauischholzhausen lebenden jüdischen Personen besuchten seitdem die Synagoge in
Mardorf. Das Synagogengebäude in
Rauischholzhausen wurde seitdem als Heu- und Strohspeicher eines Dorfbewohners
verwendet. Im Sommer 1938 gab es Kaufverhandlungen mit den beiden
Grundstücksanliegern, die sich schließlich das Grundstück teilten. Beim Novemberpogrom
1938 kam es zu weiteren Beschädigungen des Gebäudes, das vermutlich im Herbst
1939 abgebrochen wurde. Seitdem wird das Grundstück als Gartenland der
beiden nachbarlichen Parteien verwendet. Am 28. Juli 1941 wurde das Gebäude im Kataster der Gemeinde
gelöscht.
Adresse/Standort der Synagoge: auf
dem heutigen Gartengrundstück zwischen den Gebäuden Potsdamer Straße 5 und
7
Fotos
Luftaufnahme
von
Rauischholzhausen
(Quelle: Annamaria Junge, s. Lit.) |
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Mit dem Pfeil
markiert ist die Synagoge, die ein charakteristisches Walmdach hatte |
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Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
Mai 2011:
Gedenkveranstaltung der Gesamtschule
Ebsdorfergrund |
Hierzu Bericht
mit Fotos in der Website der Gesamtschule Ebsdorfer Grund
Weiterer Bericht
in der Website der Dorfgemeinschaft Rauischholzhausen e.V. |
Dazu Presseartikel in der "Gießener
Allgemeinen" vom 20. Mai 2011: "Jüdische Auswanderer
schilderten in Rauischholzhausen Schicksal.
Ebsdorfergrund (ker). Etwa 200 Menschen nahmen - nachdenklich gestimmt
und bewegt - kürzlich an einer Gedenkveranstaltung der Gesamtschule
Ebsdorfergrund in Rauischholzhausen teil..."
Link
zum Artikel
Weiterer Artikel von Martina Becker in der "Oberhessischen
Presse" vom 14. Mai 2011: "Gegen das Vergessen, für die
Versöhnung. 200 Menschen kamen zur Gedenkveranstaltung der
Gesamtschule Ebsdorfer Grund nach Rauischholzhausen..."
Link
zum Artikel (eingestellt als pdf-Datei in der Website der Gesamtschule
Ebsdorfer Grund) |
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Oben: Fotos der Gedenkveranstaltung
beim jüdischen Friedhof in Rauischholzhausen am 9. Mai 2011. In der
Mitte der Reihe: Walter Spier bei seiner Rede, die teilweise auch von
seiner Frau Karla Spier verlesen wurde. Rechts davon: Kaddisch-Gebet
zusammen mit dem Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde Marburg. Ganz rechts
sitzend: Walter Spier und und Ehefrau Karla sowie sein Bruder Alfred Spier
und Ehefrau Hannelore.
(Fotos erhalten von Anna Junge). |
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Mai 2012:
Hinweis auf eine neue Publikation |
Annamaria Junge: "Niemand mehr da".
Antisemitische Ausgrenzung und Verfolgung in Rauischholzhausen
1933-1942.
Jonas-Verlag Marburg 2012. 240 S., 52 Abb. Broschur € 20.-- ISBN
978-3-89445-462-3
Link zur Website des Jonas-Verlages
mit Seite
zur Buchvorstellung.
Buchvorstellungstermine fanden statt:
2. Juni 2012, 15.30 Uhr: Lesung und Diskussion - Alte Schule Rauischholzhausen, Alte
Schulstr. 3
Annamaria Junge und die DGRHH e.V.
28. Juni 2012, 20.00 Uhr. 42. Rother Synagogengespräch in Kooperation mit dem Geschichtsverein Marburg
Landsynagoge Roth, Lahnstr. 27, Weimar-Roth |
Links und Literatur
Links:
Quellen:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. II S. 204-208. |
| Keine Artikel in den Publikationen von Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit
1945? 1988 und dies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in
Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994 und dies.: Neubearbeitung der
beiden Bücher. 2007. |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen II Regierungsbezirke Gießen und Kassel. 1995 S. 148. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 439-440. |
| Barbara Händler-Lachmann / Ulrich Schütt:
"unbekannt verzogen" oder "weggemacht". Schicksale der
Juden im alten Landkreis Marburg 1933-1945. Marburg 1992. |
| Barbara Händler-Lachmann / Harald Händler
/Ulrich Schütt: 'Purim, Purim, ihr liebe Leut, wißt ihr was Purim
bedeut?' - Jüdisches Leben im Landkreis Marburg im 20. Jahrhundert. Marburg
1995. |
| Alfred Schneider: Die jüdischen Familien im
ehemaligen Kreise Kirchhain. Beiträge zur Geschichte und Genealogie der
jüdischen Familien im Ostteil des heutigen Landkreises Marburg-Biedenkopf
in Hessen. Hrsg.: Museum Amöneburg. 2006. S. 336-360.
|
| Annamaria
Junge: "Niemand mehr da". Antisemitische Ausgrenzung und Verfolgung in Rauischholzhausen 1933–1942.
Erschienen im Jonas Verlag Marburg 2012.
ISBN 978-3-89445-462-3. 20,00 € Pressemitteilung
des Verlages zu dieser Publikation.
Zu diesem Buch (Informationen aus der Website des Verlages):
"Ich habe nicht die Natur zurückzugehen. [...] I [would] like to go, once more to Holzhausen, on the cemetery, to Kirchhain. I want to see [it], but ... ist niemand mehr
da."
Die, die nicht mehr da sind, sind die jüdischen Bewohner Rauischholzhausens. Sie wurden verfolgt und entrechtet, vertrieben und ermordet. Dabei reicht die Geschichte jüdischen Lebens vor Ort weit zurück. Auch Antisemitismus hatte Tradition. 1933 hatte das Dorf noch 20 jüdische Bewohner. Am 6. September 1942 wurden die letzten 18 jüdischen Menschen aus der näheren Umgebung am Rauischholzhausener Zimmerplatz in einen LKW getrieben und nach Theresienstadt verschleppt. Drei von ihnen überlebten die Shoah und kehrten 1945 ins Dorf zurück. Dieses Buch ist das Ergebnis einer Suche nach denen, die fehlen und nach den Gründen ihrer Abwesenheit. Es ist das Ergebnis einer umfangreichen Suche in Archiven, in Gesprächen mit Zeitzeugen vor Ort, insbesondere aber Gesprächen mit noch lebenden jüdischen Zeugen, vier Geschwistern der Familie Spier. Auf Grundlage ihrer Erinnerungen unternimmt es den Versuch, die nicht beschreibbaren Jahre 1933–1942 zu beschreiben und präsentiert für Rauischholzhausen eine Ereignisgeschichte, die die staatliche Ausgrenzungs- und Verfolgungspolitik in vielfacher Hinsicht übertraf.
Zur Autorin: Annamaria Junge (*1981) studierte Jura in Berlin, einen Masterstudiengang zum Nationalsozialismus und arbeitet seit 2011 an einer Promotion zu jüdischer Geschichte in Deutschland nach 1945. Ihre Mutter ist in Rauischholzhausen geboren, ihre Großmutter (*1915)
starb 2013. Der leibliche Großvater war Verwalter des größten landwirtschaftlichen Betriebs im Dorf, SA-Mitglied, Hitlerjugendführer und starb 1945 als Soldat in sowjetischer Kriegsgefangenschaft. |
| dies.: Englische Übersetzung der oben genannten
Publikation: "There's nobody left". Anti-Semitic Exclusion and
Persecution in Rauischholzhausen 1933-1942. Online
eingestellt (9 MB). |
| dies.: Spuren der Verfolgung. Orte der
ehemaligen Synagogen in Rauischholzhausen und Mardorf. In: Jahrbuch 2012 des
Kreisausschusses des Landkreises Marburg-Biedenkopf. S. 210-215. Online
eingestellt (pdf-Datei). |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Holzhausen (Rausch-Holzhausen)
Hesse-Nassau. Although Jews lived there in 1553, the community was established
much later, numbering 78 (12 % of the total) in 1861. Yitzhak Ruelf (1831-1902),
rabbi of Memel and a pioneer German Zionist, belonged to a local Jewish family.
Under Nazi pressure the community disposed of its synagogue before Kristallnacht
(9-10 November 1938). The last nine Jews were deported to the Theresienstadt
ghetto in 1942.
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