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Friedhöfe in der Region"
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Friedhöfe im Kreis Groß-Gerau"
Groß-Gerau (Kreis
Groß-Gerau)
Jüdischer Friedhof
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
Siehe Seite zur Synagoge in Groß-Gerau
(interner Link)
Zur Geschichte des Friedhofes
Bereits in mittelalterlichen Zeiten (um 1300)
gab es bei Groß Gerau einen jüdischen Friedhof. Er lag im Bereich entlang der
Berliner Straße zwischen dem Grünen Weg und der Hermann-Löns-Straße.
Ein alter jüdischer Friedhof bestand seit 1632. Er wurde 30 Ellen vor
dem Burggraben, an der Galgenpforte angelegt. Dieser Friedhof wurde 1648, 1659
und 1703 erweitert. Der Friedhof wurde 1892 geschlossen. Im November 1936 befahl die Stadtverwaltung der jüdischen Gemeinde, die Gebeine der
Verstorbenen auszugraben und in einem Massengrab auf dem Neuen jüdischen
Friedhof wieder beizusetzen. Eine Gedenktafel erinnert heute an die erzwungene
Umbettung mit der Inschrift: "Ruhestätte jüdischer Mitbürger aus Groß-Gerau,
die während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft widerrechtlich
umgebettet wurden", siehe Foto unten).
Ein neuer jüdischer Friedhof wurde 1841 eröffnet. Der jüdische
Friedhof wurde von zahlreichen jüdischen Gemeinden in der Umgebung belegt. Laut
den Friedhofsstatuten von 1890/92 gehörten dem Friedhofsverband an die
jüdischen Gemeinden beziehungsweise jüdische Familien in den folgenden Orten: Arheilgen,
Astheim, Bauschheim, Biebesheim, Bischofsheim,
Büttelborn,
Crumstadt, Dornheim,
Erfelden, Geinsheim, Ginsheim, Goddelau, Groß und Klein-Gerau,
Gräfenhausen, Griesheim,
Königstädten, Leeheim,
Mörfelden,
Nauheim, Raunheim,
Rüsselsheim, Stockstadt, Trebur,
Wallerstädten, Weiterstadt,
Walldorf,
Wolfskehlen und Worfelden.
Zu ersten Friedhofsschändungen kam es im Frühjahr 1887 und im
Frühjahr 1909:
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Mai 1887:
"Aus der Provinz Starkenburg, 12. Mai (1887). Ein Akt großer
Rohheit, welcher die religiöse Duldsamkeit in trübes Licht zu setzen
geeignet ist, wurde auf dem israelitischen Friedhofe zu Groß-Gerau
verübt. Es wurden nämlich eine Anzahl der schönsten Grabdenkmäler
umgeworfen und beschädigt. Es wäre sehr zu wünschen, dass man die
Täter, denn Einer kann diese Rohheit allein nicht verübt haben,
ausfindig machen und einer gerechten Bestrafung entgegenführen
könnte." |
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Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. April 1909:
"Groß-Gerau, 2. April (1909). Hier haben nach dem 'Kreisblatt' ein
16jähriger Taglöhner und dessen Bruder auf dem israelitischen Friedhof
etwa 40 Grabdenkmäler umgeworfen und zum Teil beschädigt. Die Täter
sind zur Anzeige gebracht." |
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Aufstellung des Ehrenmals
für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges (1931) |
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Dezember 1931: "Mainz.
In Groß-Gerau wurde das vom Reichsbund jüdischer Frontsoldaten
zum Andenken an 44 jüdische Gefallene errichtete Ehrenmal auf dem
Israelitischen Friedhof in Anwesenheit vieler Organisations- und
Behördenvertreter des Kreises und der Kreisstadt
eingeweiht." |
Anmerkung: auf dem Ehrenmal stehen die
Namen von Gefallenen aus Bischofsheim, Crumstadt, Dornheim, Erfelden,
Gräfenhausen, Ginsheim, Geinsheim, Groß-Gerau, Griesheim, Gernsheim,
Goddelau, Kelsterbach, Leeheim, Mörfelden, Nauheim, Raunheim,
Rüsselsheim, Stockstadt, Trebur und Worfelden. |
Der Friedhof wurde bis nach 1938 belegt. 1938 wurde er geschändet;
das Ehrenmal für die jüdischen Gefallenen im Ersten Weltkrieg wurde zerstört.
Nach 1945 brachte die Stadt zwei Tafeln an, eine zur Erinnerung an die
jüdischen Gefallenen des Ersten Weltkrieges, die andere zum Andenken an die in
der NS-Zeit umgekommenen jüdischen Einwohner der Stadt (siehe Fotos unten). Im November 1953 wurde das
Ehrenmal für NS-Opfer beschmiert; 1963 wurden 37 Grabsteine von Jugendlichen
umgeworfen. Die Friedhofsfläche umfasst 56,68 ar. Etwa 1.200 Gräber sind
vorhanden.
Vereinzelt wurde der Friedhof auch nach 1945 belegt (zuletzt
2010).
Lage des Friedhofes
Der alte Friedhof lag im Bereich der heutigen
Darmstädter- und Berliner Straße. Der neue Friedhof liegt beim Freibad
an der Theodor-Heuss-Straße.
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Lage des jüdischen Friedhofes
in Groß Gerau auf dem dortigen Stadtplan: links anklicken:
der Link zeigt die Lage des jüdischen Friedhofes an;
bzw. unter
"Einrichtungen" weiterklicken zu
"Friedhof, jüd., Groß-Gerau" |
Fotos
(Fotos: Stefan Haas)
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Hinweistafel zum
Erhalt des Schlüssels
beim Friedhofsamt der Stadtverwaltung
Am Marktplatz 1 |
Teilansichten
des Friedhofes |
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Teilansichten des
Friedhofes |
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Oben: das in der
NS-Zeit zerstörte Gefallenendenkmal der Gemeinde.
Links davon Hinweistafel: "Dieses Ehrenmal für die im 1. Weltkrieg
gefallenen jüdischen Soldaten des Landkreises Gross-Gerau, das unter der
nationalsozialistischen Herrschaft zerstört wurde,
wird in diesem Zustand
belassen. Den künftigen Generationen zur steten Mahnung".
Rechts davon Gedenktafel mit der Inschrift: "Die Bürger der Stadt
Gross-Gerau ehren das Andenken der jüdischen Mitbürger der Stadt und des
Kreises Gross-Gerau, die durch das
unmenschliche Nazi-Regime 1933-1945
umgekommen sind, und deren letzte Ruhestätte unbekannt
ist." |
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Grabstein für Settchen
Marx
aus Nauheim
(2.7.1860 - 5.12.1919) |
Grabstein für Hilda
Pauly
(25.6.1867 - 2.2.1933) |
Grabstein für Hannchen Wolff
geb. Marx
aus Groß-Gerau (10.5.1849 - 28.1.1937) |
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Grabstein für Herz Kiefer aus
Dornheim
(23.12.1859- 25.1.1937) |
Grabstein für Hedwig Cohn
geb. Gutenstein
(30.4.1878 - 9.8.1935) |
Grabstein für Johanna
Pappenheimer geb.
Strauss aus Dornheim (19.7.1867 - 26.2.1935) |
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Grabstein für Max Kahn von
Geinsheim
(8.4.1866 - 22.1.1934) |
Grabstein für Ferdinand
Seelig von
Büttelborn (10.3.1868 - 11.3.1934) |
Grabstein für Maier Löb aus
Griesheim
(18.1.1853 - 7.7.1908) |
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Grabstein für Johanette
Löwenstein geb. Haas
(1840 Gau-Bickelheim - 27.5.1914 Köln) |
Grabstein für Gütel Wolf
geb. Mayer aus
Griesheim (27.11.1838 - 20.7.1903) |
Grabstein für Dina Straus aus
Trebur
(2.9.1882 - 24.6.1909) |
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Grabstein für
Emilie Marx geb. Kramer aus
Groß-Gerau (21.12.1881 - 10.8.1924) mit
Gedenkinschriften für Emil Marx (5.1.1873 -
1942 Auschwitz) und Hedwig Marx
(21.8.1909 - 1942 Auschwitz) |
Grabstein für Isaak
Marxsohn
(17.12.1865 - 22.9.1918)
Königstätten |
Grabstein für Ludwig
Kahn
von Trebur
(7.3.1861 - 19.9.1913) |
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Grabstein für Lippmann Levi
von Griesheim
(28.10.1887 - 26.10.1907) |
Grabstein für Bettchen Kahn
geb. Schott aus
Bischofsheim (18.4.1841 - 19.4.1926) |
Grabstein für Wolf Kahn aus
Bischofsheim
(3.10.1844 - 7.12.1921) |
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Grabstein für Gustav Kahn aus
Gräfenhausen
(1.3.1858 - 20.11.1921) und Jettchen Kahn
(10.11.1863 - 6.4.1924) |
Grabstein für Jeanette
Marxsohn geb.
Adler (24.6.1887 Rüsselsheim -
27.1.1916 Groß-Gerau) |
Grabstein für Leopold
Löwenstein
(1.1.1835 - 28.3.1904)
Groß-Gerau |
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Grabstein für Falk
Oppenheimer aus
Büttelborn (18.6.1823 - 24.7.1897) |
Grabstein für Bule Levi aus
Griesheim
(5.8.1828 - 21.9.1905) |
Grabstein für Eva Seelig geb.
Guckenheim aus
Büttelborn (4.3.1854 - 14.12.1905) |
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Grabstein für Lippmann Levi
von Griesheim
(28.10.1887 - 26.10.1907) |
Grabstein für Jette Schott
geb. Goldmann
(12.7.1825 - 5.1.1908) |
Grabstein für Hirsch Selig
von Bischofsheim |
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Grabstein für Nathan Löw aus
Friedberg
(- 1902) |
Grabstein für Bünche Kahn
aus Bischofsheim
(- 20.4.1903) |
Grabstein für Gütel Wolf
geb. Mayer aus
Griesheim (27.11.1838 - 20.7.1903) |
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Kindergrabstein für Trude
Oppenheimer
(8.2.1907 - 31.3.1907)
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Grabstein für Herz Katz
aus Egelsbach
(25.3.1810 - 1.1.1878) |
Grabstein für Siegmund
Selig,
Sohn
des Maier Selig aus Bischofsheim
(22.9.1871 - 6.11.1903) |
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Grabstein für Paul Bernhard
Wolfstein aus
Witten-Ruhr (31.8.1885 - 8.12.1918) |
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Grabstein für Bule
Marxsohn
aus Königstädten (gest. 1881) |
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Grabstein für den im
Kriegseinsatz gestorbenen
Fernsprecher Max Sternfeld von Erfelden
(gest. 12.10.1918 Feldlazarett Metz) |
"Segnende
Hände"
der Kohanim
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Mitte und rechts neuere
Grabsteine
(1996 / 2010)
Links für Emma Ehmann geb. Marx aus
Weiterstadt
(24.4.1893 - 24.6.1938) |
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Gedenkstein für die 1936
zwangsweise
Umgebetteten aus dem alten Friedhof |
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Erinnerungsarbeit vor
Ort - einzelne Berichte
Mai 2016:
Führung über den jüdischen
Friedhof durch den "Förderverein Jüdische Geschichte und Kultur im Kreis
Groß-Gerau"
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Artikel von Sebastian Philipp in "echo-online.de" vom
31. Mai 2016:
"Förderverein organisiert geführten Rundgang über den jüdischen
Friedhof in Groß-Gerau.
GROSS-GERAU - Einmal im Jahr lädt der 'Förderverein Jüdische Geschichte
und Kultur im Kreis Groß-Gerau' zu einem geführten Rundgang auf den
jüdischen Friedhof in der Theodor-Heuss-Straße. 1200 Gräber erinnern dort an
eine religiöse Gemeinschaft, deren Nachfahren heute in alle Welt verstreut
sind. Man muss wirklich genau hinhören. Doch dann ist das Lachen zu hören,
das vom angrenzenden Freibad in Groß-Gerau herüberschallt; ein unbeschwertes
Lachen, das für das Heute steht. Wer nur wenige Meter weiter dem Gestern
begegnen will, muss hinter eine Mauer schauen. Und am Sonntagmittag war es
soweit: Mehr als 20 Zuhörer kamen, um einen Teil der Geschichte jüdischen
Lebens in der Region kennenzulernen. Eingeladen auf den jüdischen Friedhof
hatte der 'Förderverein Jüdische Geschichte und Kultur im Kreis Groß-Gerau',
wie es einmal im Jahr zur Tradition geworden ist. Ulf Kluck, früher bei der
Stadt Groß-Gerau für die Pflege des jüdischen Friedhofs zuständig, ist
durchaus froh, dass es nicht so viele Menschen sind wie im vergangenen Jahr.
Um die Nähe zu ihnen nicht zu verlieren, wie er sagt.
JÜDISCHE GEMEINDE IN GROß-GERAU. (phil). Der jüdische Friedhof in der
Theodor-Heuss-Straße neben dem Schwimmbad war der dritte in Groß-Gerau. Die
dokumentierte Existenz einer jüdischen Gemeinde geht bereits auf das 13.
Jahrhundert zurück. Ein Friedhof existierte bis 1936 an der Stelle des
heutigen Parkdecks der Kreissparkasse in Groß-Gerau. Als damals das dort
noch niedergelassene Landratsamt erweitert werden sollte, fand die
Zwangsenteignung des Areals statt. Gemeindemitglieder retteten einige
Grabsteine und sogar Gebeine auf den Friedhof in der Theodor-Heuss-Straße.
1200 Gräber entstanden bis 1939. Auch wenn der jüdische Friedhof auf
das Jahr 1841 zurückgeht, bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs hier knapp
1200 Gräber entstanden, während von 1945 bis heute gerade einmal zwei dazu
kamen: Gerade diese Diskrepanz und die Leere auf einer Seite vieler
Grabsteine belegen einen beschämenden Teil deutscher Geschichte. Denn nach
dem Ende des Zweiten Weltkriegs, der Diktatur des Nationalsozialismus, der
Pogromnacht und Vertreibung der Juden war kein Jude mehr da, der dort seine
letzte Ruhe finden konnte oder wollte. Und wo die andere Seite des
Grabsteins einmal für den Partner vorgesehen war, war es Realität geworden,
dass die Menschen flohen, bevor sie starben oder umgebracht wurden.
'Morgen kommt Moshe Maierfeld hierher', erzählt Ulf Kluck noch vor Beginn
des eigentlichen Friedhofrundgangs. Kluck muss nicht lange überlegen, um den
jüdischen Namen Maierfeld dem Riedstädter Stadtteil Crumstadt zuzuordnen.
Vor ein paar Tagen sei eine Mail bei ihm angekommen – aus New Jersey (USA),
wo Maierfeld heute lebt. Jetzt wolle der Mann die Gräber seiner Vorfahren
besuchen, unter anderem in Groß-Gerau. Kluck weiß aber auch: Das Interesse
an Rundgängen über den jüdischen Friedhof ist nicht immer gleich groß – und
stark abhängig von offiziellen Anlässen. 1988, zum 50. Gedenktag an die
Reichspogromnacht, war die Resonanz weit überdurchschnittlich, der
Förderverein gründete sich, die Synagoge von Erfelden wurde 1989 erworben
und sollte in den kommenden Jahren restauriert werden. Während oft
Schulklassen Klucks Worten lauschen, sind es an diesem Tag viele Menschen
mittleren und höheren Alters, die sich für Geschichte und die Geschichten
hinter Namen interessieren. Eine Frau, die gerade vom Bahnhof gekommen ist,
nutzt spontan die Gelegenheit, weil das sonst verschlossene Tor zum
jüdischen Friedhof überraschend offen steht.
Viele Fragen vom jüngsten Teilnehmer. Jüngster Teilnehmer an diesem
Nachmittag: der vierjährige David. Mama und Papa Fahlke verraten, dass sie
ganz in der Nähe wohnen und ihr Sohn jeden Tag auf den Friedhof schauen
könne und Fragen stelle. Was machen die Menschen da, die den Rasen mähen?
Was ist das überhaupt für ein Ort hinter der Mauer? Und wieso stehen manche
Grabsteine ganz schief? Wer Kluck fragt, erfährt an diesem Nachmittag viel
Wissenswertes. Etwa, dass der Friedhof im jüdischen Glauben nicht ganz die
Rolle einnimmt wie im christlichen. Oder dass statt Blumen Steine
mitgebracht werden, weil in ihrer Tradition damit an das alte Nomadentum
erinnert wird, in dem Steine auf die Grabstelle der Verstorbenen gelegt
wurden, damit wilde Tiere den Leichnam nicht ausbuddelten. 'Oft ist es für
die Menschen schon emotional', berichtet Kluck kurz vor dem Rundgang von
jenen Momenten, in denen Angehörige eine weite Reise auf sich genommen
haben, um am Grab ihrer Vorfahren zu stehen. Oder wenn sie sehen müssen, wie
eine Gedenktafel an die Opfer des Ersten Weltkriegs von den Tätern des
Zweiten wieder zerstört wurde."
Link zum Artikel |
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November 2018:
Kalender zum jüdischen Friedhof
Groß-Gerau erschienen |
Artikel von Charlotte Martin in "echo-online.de"
vom 9. November 2018: "Groß-Gerau. Beit Olam – Das Haus der Ewigkeit
Hans-Georg Vorndran stellt seinen Kalender mit bewegenden Fotos vom
jüdischen Friedhof Groß-Gerau vor. Den Blick auf Details von Inschrift und
Symbolik gelenkt.
GROSS-GERAU - Zwischen hohen, alten Bäumen stehen zwei alte, rote
Sandsteingrabmale, die sich sanft einander zuzuneigen scheinen. In der Ferne
über sommerlich grünem Buschwerk und Farn, von dem die Steine umwachsen
sind, ragt der Wasserturm auf. Das Foto, das der pensionierte Lehrer
Hans-Georg Vorndran auf dem Jüdischen Friedhof aufgenommen hat, ist das
Deckblatt eines Jahreskalenders 2019. Der Kalender mit zwölf Monatsblättern
beschreibt den andächtigen Gang über den Jüdischen Friedhof in der
Theodor-Heuss-Straße, der sich als Teil der Erinnerungsarbeit versteht, um
lokale Spuren jüdischen Lebens in Groß-Gerau zu erforschen und wachzuhalten.
Alte Grabsteine mit hebräischer Inschrift. Hans-Georg Vorndran, der
mit Jürgen Ziegler bereits 1988 eine Broschüre zum Thema 'Juden in
Groß-Gerau' veröffentlichte, und seine Recherchen seit 2001 im Internet
zugänglich macht (www.erinnerung.org), stellte seinen Jahreskalender jetzt
im Stadtmuseum vor: 'Er ist nicht dokumentarisch, sondern atmosphärisch
angelegt. Mir ging es darum, den jüdischen Friedhof als Beit Olam, als Haus
der Ewigkeit sichtbar zu machen. Ich habe mich auf alte Grabsteine mit
hebräischer Inschrift und jüdischer Symbolik konzentriert. Nur das
Titelblatt weist mit dem Wasserturm als Wahrzeichen der Stadt darüber
hinaus', skizzierte Vorndran die Intention.
INTERNET. Der Jahreskalender 'Beit Olam – Das Haus der Ewigkeit' mit
Fotografien von Hans-Georg Vorndran ist unter www.calvendo.de/galerie ,
Stichwort 'Beit Olam', einzusehen. In Groß-Gerau gibt es ihn in
verschiedenen Größen auch in der Buchhandlung Calliebe. (lot)
Der von alten Mauern umgebene, 50 Meter breite und 150 Meter lange Friedhof,
war nach zwei weiteren Begräbnisstätten aus dem 13. Jahrhundert und aus der
Zeit um 1600 ab 1841 der dritte jüdische Friedhof in der Stadt. Er war
Ruhestätte für Juden aus 18 Gemeinden der Umgegend sowie ab 1910 auch für
Groß-Gerauer Juden. Hans-Jürgen Vorndran sind bewegende Aufnahmen geglückt.
Mal schweift der Blick über das unregelmäßig angelegte Gräberfeld der hohen,
rundbogigen Steine, mal wird die Säule eines Kindergrabs in den Blick
genommen, das eine geknickte Rose ziert, oder der Fotograf lenkt den Blick
auf Details von Inschrift und Symbolik. Da sind die in den Stein
gemeißelten, segnenden Hände auf dem Grab eines Rabbiners sowie hebräische
Schriftzeichen auf den miteinander verbundenen Grabmalen eines Ehepaars zu
sehen. Rabbiner Jehoschua Ahrens von der jüdischen Gemeinde Darmstadt
flankierte am Mittwoch die Betrachtung der Kalenderfotografien mit
Erläuterung zu Trauer- und Begräbnisritualen jüdisch Gläubiger.'Teils bitten
hebräische Grabinschriften um die Einbindung der Seele in die Gemeinschaft
des Ewigen Lebens, oft stehen Abkürzungen für die Worte hier ruht oder hier
ist begraben, oder es wird mit Bibel- und Liedzitaten von dem Verstorbenen
erzählt', legte er dar. Symbole – etwa die segnenden Hände, der siebenarmige
Leuchter, der Wasserkrug oder auch der Davidstern – seien oft zu finden. Vor
allem aber: 'Jüdische Friedhofe wirken auf uns vielleicht ungepflegt, doch
für Juden gibt es schlicht keinen vergleichbaren Friedhofskult.' Der
Rabbiner betonte: 'Die Gräber bleiben für immer. Denn die Seele lebt in alle
Ewigkeit, nur der Körper ist tot. Es gibt daher auch keinen vergänglichen
Blumenschmuck. Stattdessen sehen wie oft kleine Steine, die auf den
Grabmalen abgelegt werden, wenn sie einmal jährlich zum jüdischen
Neujahrsfest besucht werden.' Der Toten werde im Judentum vor allem durch
Nennung ihrer Namen und durch Weitergabe der Namen an nachfolgende
Generationen gedacht."
Link zum Artikel |
Links und Literatur
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Literatur:
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