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Nürnberg
Geschichte des orthodox-jüdischen Vereins "Adas Israel"
("Adaß
Jisroel", "Israelitische Religionsgesellschaft")
und seiner Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte
von "Adas Israel" in Nürnberg
In Nürnberg bestand im 19./20. Jahrhundert (von 1874 bis
1943) unter dem Dach der liberal
geprägten Hauptgemeinde der orthodox-jüdische Verein "Adas Israel" ("Adaß Jisroel",
"Israelitische Religionsgesellschaft").
Die Entstehung des Vereins geht auf die in den 1860er-Jahren starke liberale
Einstellung der Mehrheit der Nürnberger jüdischen Familien zurück.
Deutsche Gebete, die Einführung eines dreijährigen statt traditionell
einjährigen Zyklus der Toralesungen in der Synagoge, die in der neuen Synagoge geplante Orgel und anderes mehr führten dazu, dass
sich ein Teil der jüdischen Familien im Sommer 1874 entschloss, einen
Separatgottesdienst einzuführen, in dem die Gebete nach altem Ritus verrichtet,
die traditionellen Gebräuche eingehalten und der einjährige Zyklus der Toralesungen beibehalten wurde.
Die Initiative zur Gründung von Adas Israel ist wesentlich von dem seit 1874 in
Nürnberg ansässigen Lehrer Salomon Ansbacher ausgegangen (1843 - 1911; siehe
Bericht zu seinem Tod 1911). An seiner Seite stand vor allem Berthold Horwitz,
der in den folgenden fast 25 Jahren Leiter des Vereins wurde (siehe unten
Bericht zu seinem Tod 1919). Die amtliche Anerkennung als Verein wurde am 17.
März 1876 erteilt. Rabbiner Dr. Levin von der Kultusgemeinde unterstützte
weitgehend die Bemühungen des Vereins "Adas Israel".
An Einrichtungen des Vereins bestanden ein Betsaal, seit 1902 eine Synagoge (s.u.),
eine Schule (seit 1875 Religionsschule, seit 1920 auf Grund der Bemühungen von Rabbiner
Dr. Klein Israelitische Volksschule - für die ganze Gemeinde) und ein
rituelles Bad (auf Grund einer Forderung der orthodoxen Gemeindeglieder 1865 im
Wildbad - Hintere Insel Schütt 15 - gleichfalls für die ganze Gemeinde
eingerichtet). Ein separater orthodoxer Friedhof wurde nicht eingerichtet. Zur
Besorgung religiöser Aufgaben war zunächst ein Lehrer
(Religionslehrer) angestellt, der
zugleich als Vorbeter tätig war. Daneben wurde ein von orthodoxen Rabbinern
empfohlener Schochet angestellt: seit 1875 war dies der zuvor in Bad
Kissingen tätige und vom Würzburger Rabbinat empfohlene Herr Schatt.
Lehrer Salomon Ansbacher blieb bis 1909 beziehungsweise bis zum seinem Tod 1911
für den Verein tätig. Da er als "Rabbinatskandidat" zugleich
rabbinische Funktionen für den Verein wahrgenommen hatte, bemühte sich
"Adas Israel" nach seiner Zurruhesetzung um die Anstellung eines eigenen Rabbiners.
Auf Grund eines zwischen der Kultusgemeinde und "Adas israel"
geschlossenen Vertrages vom 12. Januar 1908 wurde dies dem Verein erlaubt (im
Unterschied zum Rabbiner der Kultusgemeinde hieß der Rabbiner von "Adas
Israel" auch "Vereins-Rabbiner"). 1909 konnte mit Rabbiner Dr. Arnold Klein
die Stelle des Rabbiners der "Adas Israel" besetzt werden. Zusätzlich stellte der Verein einen Kantor an: bereits seit 1902 oder wenige Jahre später war - bis
1919 oder zu
seinem Tod 1923 - in dieser Funktion der aus Nikolsburg (heute Mikulov,
Südmähren) stammende Kantor Adolf Neufeld bei "Adas
Israel" tätig. Von 1919 bis zu seinem Tod 1931 war Oberkantor der Adas
Israel Jakob Steinfeld (siehe unten Bericht zu seinem Tod 1931).
Nachdem 1920 auf Grund der Bemühungen von Rabbiner Dr. Klein eine
Israelitische Volksschule in den Räumen der Adas Israel eingerichtet werden
konnte (für jüdische Schülerinnen und Schüler aus der ganzen Nürnberger
Gemeinde), übernahm Dr. Isaak Bamberger (geb. 1874 in Lengnau,
gest. 1950 in Jerusalem) die Leitung dieser Schule (zur Person von Dr. Bamberger
s.u.).
Um 1924, als zu "Adas Israel" (beziehungsweise "Israelitische
Religionsgesellschaft") fast 400 Personen gehörten, waren die Vorsteher Nathan
Goldberger (gest. 1935, siehe Bericht zu seinem Tod unten), Prof. Dr.
Josef Tachauer, Baruch Marx, Maier Stern, Hirsch
Weißmann, Bermann Adler, Alfred Klugmann, Benjamin Wolff und Moritz Uhlmann.
Verschiedene Kommissionen arbeiteten dem Vorstand zu, insbesondere eine
Finanzkommission, eine Kaschrut-Kommission (Vorsitz: Rabbiner Dr. Klein) und
eine Schulkommission (Vorsitz: Prof. Dr. J. Tachauer). Die Volksschule der
Israelitischen Religionsgesellschaft besuchten 1924 150 Kinder (aus der ganzen
jüdischen Gemeinde Nürnbergs), die neben Dr. Isaak Bamberger vor allem durch Lehrer Emanuel Heß
(seit 1921 Oberlehrer und Obmann an der Adass-Schule, gest. 1933 siehe Bericht
unten) unterrichtet wurden.
An eigenen jüdischen Vereinen hatte "Adas Israel"
den Wohltätigkeitsverein Gemilus chesed (1924 unter Leitung von Bermann
Adler), den Männerverein Agudas Jisroel (verwaltet von Dr. Lazarus Eisemann und
Herrn Sichel; Zweck und Arbeitsgebiet: u.a. zinsfreie Darlehen für kleine
Geschäftsgründungen), die jüdische Frauenvereinigung Esras Noschim (gegründet 1915;
1924 unter Leitung von Mathilde Goldberger; zu den Zwecken und Arbeitsgebieten
s.u. Bericht über den Verein von 1915), den Jünglingsverein ("Bachurim",
vgl. unten Bericht zur Einweihung einer Torarolle von 1904 durch den
Jünglingsverein; 1924 unter Leitung von Jakob Kohn). Als
Stiftung bestand die "Krankenheimstiftung" von Nathan
Goldberger.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde das Gemeindezentrum der "Adas
Israel" mit der Synagoge zerstört (siehe unten).
Unter den Ermordeten der NS-Zeit ist auch der langjährige Gemeindevorsteher
Lehmann (Leo) Katzenberger (geb. 1873 in Massbach), der am 3. Juni 1942 als Opfer der
NS-Rassenjustiz nach einem Schauprozess des Sondergerichts Nürnberg schuldlos
verurteilt und hingerichtet wurde.
Über Leo Katzenberger siehe einen Wikipedia-Artikel
zu seiner Biographie sowie Seiten bei der Website
"Holocaust-Referenz".
1943 endete die Geschichte der "Adas Israel" zusammen mit der
erzwungenen Auflösung der Israelitischen Kultusgemeinde in
Nürnberg.
Über die in der NS-Zeit aus Nürnberg ermordeten jüdischen Personen
siehe die Liste
bei jewishgen.org (externer Link).
Berichte aus der Geschichte
von "Adas Israel"
Berichte über die Entstehung des
Vereins "Adas
Israel" (1874/76)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 22. September 1874: "Fürth, 8. September (1874). Auch in
dem benachbarten Nürnberg hat sich ein separierter, orthodoxer
Verein gebildet. Wir entnehmen dies dem Magistratsbericht vom 4. dieses
Monats. Laut Anzeige der (circa 60 Mann zählenden) orthodoxen Minorität
beim Magistrat Nürnberg haben diese einen Verein 'Adaß Jsrael' zu dem
Zwecke der Abhaltung des Gottesdienstes nach altem Ritus gegründet,
wogegen der Magistrat eine Erinnerung nicht zu erheben hat.
Selbstredend ist damit die orthodoxe Minorität aus der Hauptgemeinde
nicht ausgeschieden, indem die in Bayern maßgebenden gesetzlichen
Vorschriften dies nicht gestattet, wie ja ihren Lesern aus der jüngst
auch in Ihrer geschätzten Zeitung veröffentlichten Entschließung der
königlichen Regierung zu Ansbach noch bekannt sein dürfte, die auf das
bezügliche Gesuch der hiesigen Orthodoxie
einging." |
Der Verein "Adath Israel" (Adas Israel)
konstituiert sich
(1875)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 3. März 1875: "Nürnberg. Wenn man auch aus allen Gauen
Deutschlands, ja der ganzen Erde hie und da Nachrichten über die
jüdischen Verhältnisse in diesen geschätzten Blättern, zu lesen
Gelegenheit hat, so wird man doch schon seit geraumer Zeit vergeblich nach
einer Notiz aus hiesiger Gemeinde gespäht haben; man müsste denn die
Nachricht aus München, die Reformdeputation betreffend als Nürnberger
Neuigkeit angesehen haben. Wir legen darauf so wenig Gewicht, dass wir sie
weiter gar nicht berühren wollen, denn Reform haben wir ja ohnehin hier
genug. Unsere Kinder werden in den Bund Israels aufgenommen, unsere Gebete
deutsch verrichtet, die Tora nach kleineren Portionen vorgelegen, die
Leichen - noch nicht verbrannt - aber eingesegnet, also Reform in Menge
und sogar, was mehr als Alles zu bewundern ist, für mehrere
Glaubensgenossen dahier zu viel! Wenn auch die Zahl 60, in Bezug
auf die Mitglieder des Separatgottesdienstes momentan etwas zu hoch
gegriffen war, so muss doch zugestanden werden, dass bei diesem
Gottesdienst wenigstens am Samstag fast gegen 60 Personen anwesend sind.
Die Gebete werden nach altem Ritus verrichtet, die Tora nach den
herkömmlichen Einteilungen vorgelesen, sodass jeder Jehudi mit
vollkommener Beruhigung diesen Betsaal betreten kann. Man kann sich
vorstellen, dass eine solche Einrichtung mit Mühe und Kosten verbunden
ist, aber, Dank der Anstrengung und Ausdauer der Vorstände des Vereins,
welcher den Namen 'Adath Israel' führt, ist die Sache so weit
gediehen, dass bereits Statuten entworfen und regelmäßige Beiträge
erhoben werden, um die laufenden Ausgaben zu denken. Eine eingehende
Besprechung des Vereins sei uns heute noch erlassen, da derselbe noch im
Entstehen und in der Entwicklung begriffen ist. Die Zahl der Mitglieder
beläuft sich bis jetzt über 30 - 'so mehrte es sich' (vgl. 2.
Mose 1,12)!
Was nicht unberührt bleiben darf, ist, dass seit einigen Monaten auch
Gelegenheit geboten wird, die Kinder in echtjüdischer Religion
unterrichten zu lassen, indem der hier weilende Lehrer Ansbacher,
zugleich Vorbeter des Vereins, nach streng religiösen Grundsätzen lebt
und in diesem Sinne lehrt. Die Schüler desselben sollen zum Teil ganz
überrascht gewesen sein, als ihnen das Bedecken des Hauptes angeordnet
ward, was vielleicht manche Eltern dahier fürchten lässt, ihre Jugend
könnte verführt werden als die meisten der heutigen Generation, denen
die nie dagewesenen Verfehlungen des Stadttheatersänger gar nicht
aus dem Sinn kommen wollen.
Möge die junge Gemeinde das Glück haben, sich fest zu konstituieren, und
ohne Zweifel werden die hiesigen jüdischen Verhältnisse vieles von dem
traurigen Bilde verlieren, welches die Stadt Nürnberg bis jetzt in Bezug
auf das Judentum geboten
hat." |
Zur Gründung eines Vereins "Adath Jisroel" in Nürnberg
(März 1875)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
24. März 1875: "Nürnberg. Nach den Begriffen, die man bis
jetzt von den jüdischen Verhältnissen unserer weltberühmten Handels-
und Fabrikstadt in der Ferne hat, ist wohl anzunehmen, dass mancher
unserer Leser bei der neulich von uns gebrachten Notiz ungläubig,
mindestens zweifelnd, die Achsel zuckte. In Nürnberg soll sich ein
orthodoxer Verein bilden? War ja selbst in diesen Blätter zu lesen, dass
dort nicht ein Laden am Sabbat geschlossen! Nun, so gefährlich ist's doch
nicht, und wenn nicht Bequemlichkeit, namentlich in Glaubenssachen, eine
der Kardinaltugenden unserer hiesigen jüdischen Bürger wäre, so hätte
etwa ein ganzes Dutzend Inhaber offener Geschäfte dahier feierlich gegen
jene Behauptung protestieren können. Allein wir sind fest überzeugt,
dass jener Berichterstatter es gerne heute noch vernimmt, dass er etwas zu
scharf geurteilt. Man ist hier so an Neuerungen gewöhnt, dass selbst eine
religiöse Gemeinde, die sich hier zu bilden begonnen, auch nicht mehr neu
erscheint. Ja, noch mehr. Jeden Schabbat wird in der Wohnung des Herrn Lehrer
Ansbacher Chumasch (5 Bücher Moses) und Raschi und Midrasch
vorgetragen, wozu allerdings noch wenige sich drängen, aber doch mancher
gerne ein Stündchen opfert.
Eine weitere Neuerung in diesem Sinne, allerdings von größter
Wichtigkeit für das Allgemeine, ist die Ausübung der Schechita durch
einen Virtuosen in seiner Art, den gewiss manchem Leser nicht unbekannten Herrn
Schatt, früher in Kissingen, dessen theoretische und praktische
Fertigkeit, verbunden mit streng religiösem Lebenswandel, für die
pünktlichste Ausübung dieser Funktion bürgt. Nun wird man fragen: Eine
Orgel und einen solchen Schochet? Darauf antworten wir ganz naiv:
Der Schochet spielt nicht und die Orgel schlachtet nicht. Auch Herr
Rabbiner Dr. Levin wusste diese beiden Institutionen verschieden zu
behandeln, um einen Schochet wandte er sich, auf Veranlassung der
Vorstände und einzelner Gemeindemitglieder, nach Würzburg, um vom
dortigen Rabbinate, also gewiss eine nicht zu beanstandende Quelle, diesen
Bedarf zu decken. Les extrèmes se touchent! (Die Extreme berühren sich)
wird mancher Leser meinen, aber es gibt immer noch schroffere Gegensätze,
denn in Gemeindeinstitutionen lässt Herr Dr. Levin sich von
manchem |
Mitgliede, selbst das Adaß Jisroel, beraten und leiten. 'Verweigere
das Gute nicht, dem es gebührt' (Sprüche 3,27). Durch diesen nicht
zu unterschätzenden Umstand ist jedes Gemeindemitglied einer wichtigen
Sorge enthoben, ohne dass die Adass Jisroel sich damit zu befassen
hat.
Die Aufgabe dieses Vereins ist zunächst nur das Gebet, dessen Reform
während der ehrfurchtgebietenden Tage (Hohe Feiertag im Herbst)
manchem Gemeindemitgliede zu stark war, und da der hiesige Herr
Bürgermeister sich nicht kompetent sieht, die Erlaubnis zu einem
Separatdienste erteilen zu dürfen, reisten die Führer der Bewegung
wenige Tage vor Rosch Haschana (Neujahrsfest) nach München, um im
Königlichen Ministerium die bezügliche Erlaubnis zu erwirken, welche
auch sofort erteilt ward. Man ließ so schnell als möglich die nötigsten
Utensilien verfertigen, mietete einen Saal, und schon am Neujahrsfest
waren über 120 Personen beim Gottesdienste anwesend, deren Anzahl bis Jom
Kippur auf 150 gestiegen war. So schnell bildet sich hier ein
orthodoxer Verein.
Aber nun gab's Schwierigkeiten über Schwierigkeiten, 2-3 Lokale konnten
nur auf kurze Zeit benützt werden, sodass Ende Dezember das 4. Lokal
bezogen werden konnte, welches zunächst auf 1 1/2 Jahre gemietet
ist.
Solche Dinge lesen sich allerdings sehr leicht, aber wenige Leser suchen
oder vermuten in so einfachen Zeilen die Kämpfe, die vorausgingen und die
Hindernisse, die sich in den Weg stellten! Einmal hieß es, man kehrt
wieder zurück, betet wie man will in dem der Gemeinde gehörigen
Betlokal, während nebenan die Orgel tönt, eine andere Version sagte, man
geht an Feiertagen nach Fürth usw., kurz es schwebte lange eine
Ungewissheit über die ganze, so energisch begonnene Sache; aber es gelang
den Anhängern der angestammten Religion die Sache durchzusetzen, und eine
neulich abgehaltene Generalversammlung hat gezeigt, dass das Interesse an
der guten Sache nicht erkaltet ist, wenn auch die Zahl der Mitglieder noch
kaum 30 übersteigt. 'Sein Früheres wird gering sein; denn sein
Späteres wird sehr hoch aufschießen' (nach Hiob 8,7)." |
Der Verein "Adas Israel" wird größer
(1875)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 10. November 1875: "Nürnberg. Nach langer Pause müssen
wir doch auch wieder einmal zeigen, dass der nunmehr über ein Jahr hier
bestehende religiöse Verein nicht abgenommen hat, sondern sogar einen
verhältnismäßig großen Zuwachs erhalten hat. Allerdings haben wir
leider den Abhang einiger tatkräftiger Mitglieder zu beklagen, welche
seit einigen Monaten uns entrissen wurden - sie ruhen in Frieden,
aber seit Elul sind wieder 5-6 neue hinzugetreten und ist
begründete Hoffnung - so Gott will -, dass die Zahl sich bald
wieder steigern wird.
Das Wichtigste, das wir heute mitzuteilen haben, ist, dass, als man sich genötigt
sah, ein anderes Lokal zu mieten, die hochlöbliche Administration den
alten Vorschlag erneuerte, uns den Werktagsbetsaal zu überlassen, nur
sollte die Kleinigkeit eines Entgegenkommens (verkürzt und frei
übersetzt) gegeben werden, damit die Herren jenseits der Pegnitz - Minjan
bekommen, denn daran will's immer noch fehlen. Eine außerordentliche
Generalversammlung am 1. Tag der Selichot beschloss einstimmig,
nicht von dem üblichen Ritus abzuweichen und so wurden die Gebete,
Selichot und die Pijutim (Melodien) wie üblich verrichtet. Freilich
duftet's immer dabei ein wenig nach Neuerung, so zum Beispiel waren an Neujahr
nur die beiden Vorbeter mit dem sogenannten Sargenes (Kittel) versehen, da
man's nicht gewöhnt war, und vielleicht fürchtete gegen den hiesigen Minhag
(Brauch) zu handeln, als aber der Jom-Kippur-Tag kam, waren schon
einige mehr weißgekleidet und selbst der früher ad acta gelegte Kol
nidrei wurde wurde eingeführt. Am Sukkot (Laubhüttenfest)
gab's einige Aufsteher (?), deren Zweck allerdings ziemlich
materieller Natur ist, um etwas früher Frühstück einnehmen zu können,
aber es klingt doch wenigstens garnicht nürnbergerisch, in der Mehrheit die
Weisungen des Lulaw zu halten. Gebote ziehen (andere) Gebote nach,
es wurde auch an Sukkot und Schemini Aseret Alles nach altem Ritus
gehalten, an Hoschana Raba nachts gelernt, des Morgens Hoschana
abgeschlagen, kurz es war uns wohltuend, diese Gebräuche hier
wieder aufleben zu sehen.
Um nun aber auch auf den Hauptpunkt zu kommen, muss erwähnt werden, dass
es mit Mühe und Opfer gelungen ist, den Besitzer des Betsaals zu
bestimmten, denselben auf drei Jahre laut Vertrag dem Vereine weiter zu
überlassen, ein Umstand, der für die Existenz des Vereins von nicht zu
unterschätzender Wichtigkeit ist. Wir wollen die geschätzten Leser des
'Israelit' mit der Rechtfertigung dieser unserer Äußerung verschonen, da
nur der, der die lokalen Verhältnisse Nürnbergs kennt, die Richtigkeit
derselben zu begreifen vermag. Zunächst wünschen wir dem Vereine ein
rasches Gedeihen, damit das alte Nürnberg, dessen Brauchtum (Minhag)
vor Jahrhunderte Tausenden zur Richtschnur diente, allmählich wieder zur
Geltung gelange." |
Der Verein "Adaß Jisroel" ist behördlich anerkannt
(1876)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
21. Juni 1876: "Nürnberg. Nach glücklichem verlebtem
Schawuot-Feste dürfte es doch wieder einmal am Platze sein, ein
Lebenszeichen von dem seit dem 17. März 1876 nunmehr amtlich anerkennten
Verein dahier zu geben. das numerische Wachsen desselben lässt immer noch
auf sich warten, aber im religiösen Leben macht's nicht immer die Zahl
aus, sondern der innere Wert; darf man ja bekanntlich das jüdische Volk
selbst nicht einmal zählen. Nichts desto weniger kann man immer mehr die
Überzeugung gewinnen, dass es bei demselben nur der äußerlichen
Anregung bedarf, um manches zu vollbringen, was man sich vorher hätte nie
träumen lassen. So zum Beispiel gelang es im vorigen Jahre nicht einmal
an dem einzigen Halbfeiertag-Abend Minjan zum Omerzählen zu
bekommen, indes wir heuer so glücklich waren, während der ganzen Sefira
(Zählung) mit wenigen Ausnahmen jeden Abend diesen Zweck zu erreichen,
wobei dem Maariw stets ein Vortrag des Rabbinatskandidaten
Ansbacher vorausging. Derselbe wies in seinen ersten Betrachtungen auf die
Wichtigkeit der Torakenntnis im Allgemeinen hin, hob namentlich die Zeit
der Sefira (Zählung) als hiefür besonders geboten hervor, wodurch
sich allmählich immer mehr Interesse zeigte für Dinge, die man bisher
kaum dem Namen nach kannte. Jeden Donnerstag werden Teile aus der
bevorstehenden Sidre (Toraabschnitt), jeden Schabbat vor Mincha
Stellen aus dem jeweiligen Abschnitt der Pirkei Awot ('Sprüche der
Väter') betrachtet. Wollte der Himmel, es gelänge, wenn auch nur eine
kleine Zahl, doch diese derart zu fesseln, dass sie gerne ein Abendvergnügen
diesen Vorträgen opfern. Da die Einrichtung mit dem Omer begann,
tauchte bei manchem der Gedanke auf, dass mit diesem auch jene aufhöre,
allein man sieht womöglich dieselbe beizubehalten, selbst auf die Gefahr
hin, hier und da nur ein kleines Auditorium versammelt zu sehen.
Diese Neuigkeit wäre an sich sehr geringfügig, aber für eine Stadt wie
Nürnberg ist sie von nicht zu unterschätzendem Werte, da bis jetzt
unserm Vereine jede Anregung abging und dessen Wirken auf das Gebet
beschränkt war, was freilich Anfangs das Wichtigste schien, weil diese
die Veranlassung zu dessen Gründung gab.
Der seltene Erew Pessach (Vorabend vor Pessach, Sederabend) des
heurigen Jahres, rief auch hier eine seltene Erscheinung hervor, dass
nämlich am ersten und am achten Festtage alle Läden in Nürnberg
geschlossen waren. Es war bekanntlich
Sonntag!" |
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer und der Schule sowie der Kantoren der
Gemeinde
Klärung des Besuches des Religionsunterrichtes der
Israelitischen Religionsgesellschaft (1908)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 25. September 1908: "Nürnberg. Die Regierung hat
auf Antrag der hiesigen 'Israelitischen Religionsgesellschaft' jene
Schüler von dem Religionsunterricht der 'Israelitischen Gemeinde'
befreit, welche die Religionsschule der 'Israelitischen
Religionsgesellschaft' besuchen." |
Zum Tod des Rabbi (Lehrer und Rabbinatskandidat) Salomon Ansbacher
(1911)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
19. Oktober 1911: "Rabbi Salomon Ansbacher - das Andenken
an den Gerechten ist zum Segen. Nürnberg, 16. Oktober (1911).
Am Vorabend des Jom Kippur-Tages, während die Gemeinde Adaß
Jisroel zu Nürnberg in heißem Gebete im Gotteshause stand, jede Lippe in
aufrichtigem Flehen für die Genesung des erkrankten, geliebten und
kindlich verehrten Meisters sich regte, hob sich seine heiliglautere Seele
vom irdischen Hienieden zu himmlischen Sphären. In die weihevoll gehobene
Stimmung des heiligen Tages fiel die betrübende Kunde wie der Reif auf
ein Blütenbeet und nur der Gedanke, dass des Heimgegangenen Sehnsucht, an
diesem Tage dem höchsten Rufe folgen zu dürfen, Erfüllung gefunden,
konnte die Wehmut lindern. Es würde dem schlichten, allem Lobe abholden
Sinne des so schmerzlich Betrauerten - das Andenken an den Gerechten
ist zum Segen -, der sich sein Leben lang mit dem Titel eines
Rabbinatskandidaten genügen ließ, obwohl seine umfassende Gelehrsamkeit
auf talmudischem und profanem Gebiete ihresgleichen in unserer Generation
suchen konnte, schlecht entsprechen, wollte man seinen Tugenden das Lob
öffentlich zollen, das ihrem Träger gebührte. Nur in kurzen Umrissen
sei darum sein Lebensbild gezeichnet, seinen Freunden und Mitkämpfern zur
Genugtuung, den Jüngeren zur Aneiferung, seiner Familie zu treuem
Gedenken.
In Veitshöchheim bei Würzburg
im Jahre 1843 geboren, lag seine Jugenderziehung in den Händen seines als
Zaddik verehrten Vaters - das Andenken an den gerechten ist zum
Segen. Schon in früher Jugend besuchte er die Jeschiwot der Großen
seiner Heimat Rabbi Seligmann Bär Bamberger - das Andenken an den
Gerechten ist zum Segen, Würzburg,
und R. Jona Rosenbaum (in Zell) -
das Andenken an den Gerechten ist zum Segen. Sein eiserner Fleiß und
die ihm bis an sein Lebensende zur Zierde gereichende, niemals zu
erschütternde Beharrlichkeit in der Erfüllung aller Gebote und
auch der minutiösesten Gebräuche ließ ihn schon damals unter
seinen Genossen hervorragen. Ihre Krönung erfuhr seine Ausbildung jedoch
auf der Eisenstädter Jeschiwa von Raw Esriel Hildesheimer - das
Andenken an den Gerechten ist zum Segen. Hier fand er einen Lehrer und
Freund, der ihm als Vorbild und Leitstern durch sein ferneres Leben
voranleuchtete, und als er als 20-jähriger Jüngling Eisenstadt verließ,
um seinen Unterhalt durch eigene Kraft als Hauslehrer zu erwerben, besaß
er außer einem alle talmudischen Disziplinen beherrschenden Wissen eine
sein ganzes Wesen erfüllende Freudigkeit für den erhabenen Lehrberuf
eines Torameisters, dass alle Kreise, in die er eintrat, sich ihm willig
öffneten. Hier rühmte man an ihm besonders seinen schlagfertigen
treffsicheren Witz, der in späteren Jahren im ganzen Bayernland
sprichwörtlich werden sollte.
In München zog es den bildungsdurstigen Jüngling zur Universität, wo
ihn besonders das Studium der Altertumswissenschaften fesselte. Die
Einsticht jedoch, dass ihm bei diesem Wissenszweig eine sichere Zukunft
nicht winken könne, veranlasste ihn, sich als Religionslehrer und Kantor
zu betätigen. An mehreren Plätzen Bayerns und Württembergs wirkte er,
gründete in Leutershausen ein
eigenes Haus an der Seite seiner ihm überlebenden Gattin, um dann im
Jahre 1874 nach Nürnberg, das seine eigentliche Heimat und Wirkungsstätte
geworden ist, überzusiedeln. Die Jüdische Gemeinde in Nürnberg, die
erst seit kurzer Zeit wieder bestand, war damals schon zu den Mode
gewordenen Reformen übergegangen und nur wenige jüdische Familien
hielten treu zum Angestammten. R. Salomon Ansbacher - das Andenken an
den Gerechten ist zum Segen - erkannte, dass die aufblühende
Handelsstadt ein Zentrum für die bayerische Judenheit zu werden
versprach, er verließ eine gesicherte Stellung, um unter den
kärglichsten Lebensbedingungen die Begründung der Adaß Jisroel
anzubahnen. Über 30 Jahre hat er auf diesem Posten ausgeharrt: einem
knorrigen Eichbaum gleich, der nach des Psalmisten Bild seine Saugwurzeln
an den Wassern der Tora netzt, stand er seiner Gemeinde voran, ein fester
Stamm, den der Zeiten Stürme, wie scharf sie ihn und das kleine Häuflein
seiner Mitstreiter auch umbrausten, niemals auch |
beugen
konnten. Sein Gebetvortrag hielt seine Gemeinde ich echtem Gebet
vereint, sein lehrendes Wort wusste bis tief ins verstockteste Herz zu
bringen, aber vor allem das Vorbild seines gefestigten Charakters, sein in
alter selbstverständlicher jüdischer Gottestreue geführtes Haus schufen
Tora und Gottesdienst und Wohltätigkeit neuen Boden und
Auferstehung an einem Platze, an dem echtjüdisches Leben zu ersterben
schien. Da gab's keine Sorge des Einzelnen, kein ernstes Begegnis der
Vereinigung, für die sein treusorgender Sinn nicht den aus Tora-Erkenntnis
sich bietenden Ausweg gefunden hätte. Er hatte die Befriedigung, den
Kreis des Adaß Jisroel sich weiten, hatte das Glück, seine Kinder in
seinem Geiste heranwachsen zu sehen, und je mehr er dem Tage sich
näherte, der ihm als Lebensgrenze gesetzt sein sollte, desto mehr wuchs
in ihm das Gefühl der Gottesnähe, die er in jedem Zeitteilchen, das er
durchleben durfte, sichtbarlich sich gegenwärtig hielt; wie im
Gotteshause an seinem 30 Jahre mit heiligsten Stimmungen betretenen
Betpulte es ihm entgegenleuchtete, so zog ihm die Allgegenwart Gottes stets
auch im Leben voran, erleuchtete seinen Geist und leitete ihn zu allen Werken
der Pflichterfüllung!
Die Beisetzung fand in Georgensgmünd
am 4. Oktober statt. Trotzdem die Kunde vom Ableben des allverehrten - er
ruhe in Frieden - nur zu dem nächsten Kreis seiner Familie und Freunde
gedrungen war, war die Beteiligung eine außerordentlich starke. Schüler
hatten dem Lehrer in nächtlicher Fahrt das Ehrengeleite gegeben. An der
Bahre schilderte der Amtsnachfolger des Verewigten - das Gedenken an den
Gerechten ist zum Segen - Herr Rabbiner Dr. Klein, Nürnberg, namens der
Gemeinde die Charaktergröße und bescheidene Selbstlosigkeit des Rabbi - das
Andenken an den Gerechten ist zum Segen -, die noch übertroffen wurde
durch sein mustergültiges Pflichtbewusstsein. Eine Trauerrede in der
Gemeindesynagoge soll demnächst gehalten werden. Rabbiner Dr.
Ansbacher aus Heilbronn, als Sohn,
beklagte den Heimgang des edlen Vaters, der in seiner Bescheidenheit seine
Torakenntnisse niemals veröffentlicht, seine Werke stets
strengstens geheim gehalten habe. Die hinterlassenen Aufzeichnungen legte
er auf der Bahre nieder, damit sie den Sarg zum Grab
geleiteten. Rabbiner Dr. Kohn aus Ansbach
rief aus: 'Wisset, wir begraben hier nicht eine einzelne Person, wir tagen
ein ganzes Geschlecht mit diesem Großen zu Grabe, ein Geschlechter echter
Frommer, wie sie unsere Zeit in unserem Land nicht mehr kennt!'
Rabbiner Mannes erinnerte an die unerschrockene Art, mit der Rabbi Salomon
Ansbacher - das Andenken an den Gerechten ist zum Segen - zu allen
Zeiten gegen Neuerungen und Abänderungen gekämpft und nur den Maßstab
der Tora für alle Verhältnisse als Wahrheit anerkannt habe. Nach
den ehrenden Reden bettete man die sterblichen Reste des Zadik - das
Andenken an den Gerechten ist zum Segen - an die Seite seines
Jugendfreundes und Studiengenossen R. Löb Wißmann - das Andenken an
den Gerechten ist zum Segen -. Eine nicht mehr brauchbare Torarolle
wurde ihm ins Grab mitgegeben. Seine Seele sei eingebunden im Bund des
Lebens."
|
Ausschreibung der Stelle eines Volksschullehrers
(1919)
Anmerkung: die Religionsschule der Adas Israel wurde 1920 in eine Israelitische
Volksschule umgewandelt. Im Blick darauf erfolgte die Ausschreibung der Stelle,
auf die sich Dr. Isaak Bamberger erfolgreich bewarb.
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
18. Dezember 1919:
"Adas-Jisroel, Israelitische Religionsgesellschaft
Nürnberg.
An unserer Religionsschule, deren Umwandlung in eine Volksschule
angestrebt wird, ist eine neue Lehrerstelle zu besetzen. Gesucht wird ein Lehrer
streng gesetzestreuer Gesinnung, der die Prüfung für Volksschullehrer
bestanden hat und sich über tüchtige Lehrfähigkeit ausweisen kann.
Bewerber, die auch Mischna und Dinim zu unterrichten
vermögen, werden bevorzugt. Dem Angestellten wird das
Gemeindesekretariat, das besonders bezahlt wird, übertragen. Gehalt nach
Übereinkunft. Bewerbungsgesuche an Herrn Rabbiner Dr. Klein,
Bauerngasse 36, erbeten.
Die Vorstandschaft der Adas Jisroel, Nürnberg." |
|
Über den Leiter
der Jüdischen Volksschule Dr. Isaak Bamberger (1874-1950) |
Dr. Isaak Bamberger ist am 1874 als Sohn von
Rabbiner Salomon Bamberger und der Lea geb. Adler in Lengnau
geboren. Sein Vater war Rabbiner in Lengnau und Endingen, nach 1880 in
Niederhagenthal (Hagenthal-le-Bas) und nach 1886 in Sennheim
(Cernay) im Elsass. Damit war Dr. Isaak Bamberger ein Enkel des
"Würzburger Raw" Seligmann Bär Bamberger. Isaak Bamberger war
seit 1898 verheiratet mit Sara geb. Tachauer (geb. 1874 in Würzburg als
Tochter des Lehrers an der Israelitischen
Lehrerbildungsanstalt Dr. Gustav Tachauer und Jettchen geb.
Goldschmidt; Schwester von Prof. Dr. Josef Tachauer in Nürnberg -
verschiedentlich auf dieser Seite genannt; gest. 1943 in Jerusalem).
Dr. Isaak Bamberger war zunächst Lehrer u.a. in Burgkunstadt.
1920 übernahm er die Leitung der Israelitischen Volksschule in Nürnberg.
Er war aktiver Zionist und stellvertretender Vorsitzender des jüdischen
Gemeindeverbands Bayern.
Quelle u.a.: The Bamberger Family. The Descendants of Rabbi Seligmann Bär
Bamberger - The "Würzburger Rav" (1807-1878). Published by the
Bamberger Family Jerusalem 1979. passim.
Strätz: Biographisches Handbuch Würzburger Juden 1900-1945 Bd. 2
S. 631 zu Familie Tachauer. |
Zum Tod des Kantors Adolf Neufeld
(1923)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
15. November 1923: "Nürnberg, 7. November (1923). Am 22. Elul
(= 3. September 1923) hat die Gemeinde Adaß Jisroel ihren langjährigen
allseits hier beliebten Chason, Adolf Neufeld, zu Grabe getragen. Er war
vor 21 Jahren aus Nikolsburg nach Nürnberg gekommen, als die Adaß ihre
neue Synagoge Essenweinstraße einweihte und sein Name ist daher mit der
Gestaltung des Gottesdienstes in dieser Gemeinde enge verknüpft. Sein
großes Torawissen, das er sich bei rabbinischen Größen in Eisenstadt,
Pressburg und Bonyhad in langjährigem, fleißigem Lernen angeeignet
hatte, befähigte ihn, der über glänzende Stimmmittel verfügte, die
ganze Erhabenheit der in den Tefillos (Gebeten) enthaltenen Gedanken mit
tiefem Empfinden und frommer Andacht so zum Vortrag zu bringen, wie es nur
ein Jere Schomaim (Gottesfürchtiger) kann. Er konnte, was nur
wenige vermögen: Meaurer sein. Die wunderbaren Melodien in seinem Gebet
an den Jomim Noroim (ehrfurchtgebietende Tage zu den Hohen
Feiertagen im Herbst), allen Gemeindemitgliedern wohlvertraut, bilden
einen Grundstock, an dem man nicht gerne rütteln lässt. Sein Andenken lebt
in seinen Nigunim (Melodien) fort.
Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."
|
"Schlussverhör" in der Nürnberger Jeschiwa
(Talmudschule, 1924)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
15. Mai 1924: "Nürnberg, 7. April (1924). Als Abschluss
des Wintersemesters in der Nürnberger Jeschiwoh hat gestern, den 2.
Nissan (= 6. April 1934), in Anwesenheit des Kuratoriums und zahlreicher
Gäste das große Schlussverhör, diesmal als öffentliches,
stattgefunden. Herr Rabbiner Bergmann prüfte im 1. Abschnitt von Bewo
Mizi'a mit Raschi und Tosefot, Herr Rabbiner Dr. Klein
in Sudiaus aus Pessachim mit Rischonim und Acharonim.
Das wirklich erstaunliche Können der Bachurim, teils der schulentlassenen
Jugend angehörend, teil Angestellte und Kaufleute - ein erst vor kurzem
vom Lande zugezogener junger Mann hat sogar seine Stellung aufgegeben, um
ganz dem Lernen in der Jeschiwoh sich widmen zu können -, war der beste
Beweis, dass auch im vergangenen Halbjahr ganze, oder wie Herr Prof. Dr.
Tachauer, der namens der Vorstandschaft der 'Adas Jisroel' den Lehrern
Dank sagte, es ausdrückt 'Qualitätsarbeit' geleistet wurde. Das
Schlussverhör hat gezeigt, dass die hiesige Jeschiwoh, den ihr trotz der
noch nicht allzu langen Zeit ihres Bestehens vorgehenden guten Ruf vollauf
verdient, und dass sie sich, dank der hervorragenden an ihr wirkenden
Kräfte und ihrer glänzenden Leitung immer mehr zum Mittelpunkt
jüdischen Geisteslebens entwickelt, in dem bis jetzt schon zahlreiche
junge Leute, Studenten, Lehrer, Abiturienten und Laufleute Einführung in
die Tora und Weiterbildung erhalten haben. Auch für das kommende Semester
liegen schon zahlreiche Anmeldungen vor, und es ist nur zu hoffen, dass
vor allem durch Zuführung neuer, auch auswärtiger Bachurim, für deren
Unterhalt auch Sorge getragen werden kann - wegen der bekannten
Schwierigkeiten können nur deutsche Bachurim oder in Deutschland Geborene
Aufnahme finden - oder dann auch durch materielle Unterstützung die Erhaltung
der Nürnberger Jeschiwah, der einzigen Tora-Lehranstalt in Bayern,
ermöglicht und ihr Ausbau gefördert wird." |
Ausschreibung der Stelle des Religionslehrer der Adaß Israel
(1924)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29.
Mai 1924: "Wir suchen für unsere Gemeinde einen
Religionslehrer, der auch als zweiter Kantor und Baal Kore
(Toraleser) funktionieren müsste. Tüchtige, mit guten Stimmmitteln
begabte Bewerber werden bevorzugt. Bezahlung nach staatlichen Sätzen mit
Zulagen und Pensionsberechtigung. Frühere Dienstjahre werden eventuell
angerechnet.
Adas Israel, Nürnberg, Essenweinstraße 8." |
Zum Tod von Oberkantor Jakob Steinfeld
(1931)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 2. Juli 1931: "Nürnberg, 25. Juni (1931). Die Gemeinde
Adas Jisroel Nürnberg, hat durch das Ableben ihres Oberkantors Jakob
Steinfeld, einen schweren Verlust erlitten. Der Verblichene wirkte
seit dem Jahre 1919 als Schaliach Zibbur (Vorbeter) in unserer
Gemeinde. Ein Mann von seltener Gottesfurcht, von tiefster Verinnerlichung
ist mit ihm dahingegangen. Im Chassidus erzogen, waren seine
Lebensführung und seine Betätigung als Schaliach Zibbur von einer
glutvollen Jüdischkeit durchdrungen, die dem wahren Chossid eigen ist.
Ein hervorstechender Zug seines Wesens war die Freude. Selbst in
seiner Krankheit, die 3 Jahre währte, blieb er der stets freudig gehobene
Mensch. War er schon früher als Gottesfürchtiger hochgeschätzt,
so steigerte sich die Achtung in Verehrung angesichts der
bewunderungswürdigen Art, wie er sich im Leiden verhielt. Seine Besuche
gingen gehoben und aufgerichtet von dem Schwerkranken fort. Die treue
Liebe seiner Familie und die herzliche Anteilnahme seiner Gemeinde
milderten die Leiden seiner Prüfungszeit.
An der Bahre gab in tief bewegten Worten Herr Rabbiner Dr. Klein
dem großen Verlust Ausdruck, den die schwergeprüfte Familie und die Adas
Israel zu beklagen hat. Herr Oberstudienrat Dr. Tachauer sprach im Namen
der Vorstandschaft der Adas Israel Worte des herzlichen Dankes und der
tiefen Trauer für den Verblichenen. Seine Seele sei eingebunden in den
Bund des Lebens." |
Zum Tod von Oberlehrer Emanuel Heß (1933; seit 1921
Oberlehrer an der Adas Israel-Volksschule)
Anmerkung: Nach dem Bericht war Emanuel Heß seit 1921 Schulleiter
(Oberlehrer und Obmann) der Adas-Israel-Schule. Er war verheiratet mit Lina geb.
Eschwege. Ein Sohn der beiden der zwischen 1919 und 1925 in Würzburg genannte Medizinstudent
Leo Hess (geb. 1898 in Burghaslach, gest. 1982 in New York; Quelle: R. Strätz,
Biographisches Handbuch der Würzburger Juden Bd. 1 S. 260 und Social
Security Death Index (USA)).
Artikel in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom
15. Januar 1934: "Nürnberg. In der Nacht auf den 20. Dezember 1933,
zum Ausgang des Chanukkafestes verstarb plötzlich Oberlehrer Heß an den
Folgen einer Embolie. Mit ihm ist ein selten gütiger Mensch
dahingegangen. Diese Herzensgüte hat der Heimgegangene in allen Orten
seiner Wirksamkeit und in allen Lagen des Lebens bewiesen. In einer
Tätigkeit von über 40 Jahren hat er sich nur Freunde erworben. In einer
kleinen Gemeinde in Unterfranken hat er seine Tätigkeit begonnen und war
dann viele Jahrzehnte in Burghaslach als Lehrer, Kantor und Schochet im
Amte. Als im Jahre 1921 die Volksschule der Adas Israel gegründet wurde,
ernannte ihn die Regierung zum Schulleiter dieser Schule, sodass er an
ihrem Aufbau noch regen Anteil nehmen konnte. Lange hat er an der
Adas-Synagoge in uneigennütziger Weise als Bal Kore fungiert. - Heß hat
ganze Generationen von Schülern und Schülerinnen erzogen, sie alle
trauern ihm nach und bewahren ihm ein treues Andenken. Unser jüdischer
Lehrerverein betrachtet es als seine besondere Ehrenpflicht, der Gattin
und den Kindern mit Rat und tat zur Seite zu stehen, um Liebe mit Liebe
und Treue mit Treue zu belohnen. Es soll unvergessen bleiben, mit welch
inniger Treue Heß gerade in diesem Kreise wirkte und mit welchem Eifer er
sich an den Fortbildungskonferenzen beteiligte. Er war der erste und
letzte bei den Schiurim, die er bis zum letzten Male vor den Ferien
besuchte, sowie er bis zum letzten Tage vor seinem Tode noch seinen
Unterricht erteilte. Er ist in den Sielen gestorben. Setzen seinem
Andenken. Is.B." |
|
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Januar 1934:
"Für die herzliche Teilnahme, welche uns anlässlich des Ablebens
unseres unvergesslichen Gatten und Vaters, des
Herrn Oberlehrer
Emanuel Hess
erwiesen wurde, sprechen wir nur auf diesem Wege unseren innigsten Dank
aus.
Nürnberg, Martin-Richterstr. 7 den 31. Dezember 1933 - 13. Tewet 5694. Im
Namen der tieftrauernden Hinterbliebenen Lena Hess." |
Aus
der Geschichte des Rabbinates des Vereins "Adas Israel"
Antrittspredigt von Rabbiner Dr. Arnold Klein
(1909)
Vorbemerkung
zur Person: Rabbiner Arnold Abraham Klein ist am 17. September 1875 in
Dunaföldvár/Ungarn als Sohn des Kaufmanns Samuel Klein und der Ernestine
geb. König geboren. Er war bis 1905 als Lehrer in Kempen (Provinz Posen),
danach von 1905 bis 1909 als rabbinischer Seminarlehrer an der Israelitischen
Lehrerbildungsanstalt in Würzburg tätig. Im Januar 1909 wurde er zum
Rabbiner der Gemeinde Adas Israel nach Nürnberg berufen. Dieses Amt
begleitete er bis zu seiner erzwungenen Emigration 1939. Über seine vielfältigen Aktivitäten in
Nürnberg und in der jüdischen Weltorganisation Agudas Jisroel vgl. unten den
Bericht über die Würdigungen zum 25-jährigen Amtsjubiläum 1933. Dr.
Arnold Klein starb 1961 in Jerusalem.
(Foto von Rabbiner Arnold Abraham Klein siehe http://www.jewishgen.org/yizkor/nuremberg2/nur019.html,
dort angegebene Quelle: Stadtarchiv Nürnberg E 39 no. 1720/15;
vgl. Strätz, Biographisches Handbuch Würzburger Juden Bd. I S.
309. |
|
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
14. Januar 1909: "Nürnberg, 8. Januar (1909). Vergangenen
Schabbat Wajigasch (Schabbat mit der Toralesung Wajigasch = 1. Mose 44,18
- 47,27), das war 2. Januar 1909) hielt der von der Adaß Israel gewählte
Rabbiner Dr. Klein seine Antrittspredigt. Die Synagoge war Freitagabend
festlich beleuchtet und überall herrschte Feststimmung. Die
Kultusgemeinde sandte eine Vertretung und auch Herr Rabbiner Dr.
Freudental war anwesend. In tief durchdachter Rede schilderte Herr Dr.
Klein den Werdegang der Adas und dankte sichtlich ergriffen Gott,
dass er berufen sei, an dieser Stelle zu wirken, wozu er sich Gottes Hilfe
erbat. Sein Programm gipfelte daran, dass der Jude erst dann Anspruch auf
religiösen Lebenswandel machen könne, wenn er jedes Gebot ohne
Unterschied anerkenne und pünktlich ausführen sich bestrebe, denn alle
Gebote sind von Gott befohlen und gleichwertig. Das Publikum war voll befriedigt
und ist mit dem Amtsantritt unseres Herrn Rabbiners unser Verein und seine
Synagoge in ein neues Stadium getreten, hoffentlich zum Guten der
Gesamtheit, wofür alle Voraussetzungen vorhanden sind. Schabbat
Nachmittag hielt Rabbiner Dr. Klein einen Lehrvortrag von 50 Minuten... (abgekürzt
zitiert) und es war alles hingerissen von seinen klaren, wunderbaren
Ausführungen. Hoffen wir, dass Herr Dr. Klein seine Liebe zur Tora
auf die Allgemeinheit überträgt und das Lernen wieder in den Vordergrund
gestellt wird." |
25-jähriges Amtsjubiläum von Rabbiner Dr. Arnold Klein (1933)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
29. Dezember 1933: "Das Amtsjubiläum des Herrn Rabbiner Dr. Klein
in Nürnberg. Nürnberg, 26. Dezember (1933).
Der 'Festtag der toratreuen Judenheit', der Tag, an welchem 25 Jahre
gesegneten Wirkens sich vollendeten, wurden der Nürnberger Adaß Jisoriel
und ihrem Raw - sein Licht leuchte - zu unvergesslichem Erlebnis,
zu einem besonderen Fest gegenseitigen Gebens und Nehmens.
Am Donnerstag, den 3. Tewes (21. Dezember 1933) versammelten sich im
Haus des Raw - sein Licht leuchte - Verwaltung und Finanzkommission
der Adaß Jisoriel mit den Vorständen der in der Gemeinde wirkenden
Verbände und Organisationen. Nach einem Vortrag des 'Zadik kaTamar'
(Der Gerechte ist wie eine Palme...', Psalm 92,13) durch Herrn Kantor Katz
ergriff der erste Vorsitzende der Gemeinde, Herr Nathan Goldberger, das
Wort. Er führte aus, dass der Raw sich zwar Ehrungen verbeten habe, dass
die Gemeinde aber nicht darauf verzichten könne, ihrem Führer einen
schwachen Ausdruck der Verehrung und Liebe zu bekunden. In Worten voller
Liebe schilderte er die Tätigkeit des Raws in einem |
Vierteljahrhundert, da er das Werk von Rabbi Schlomo Ansbacher - das
Andenken an den Gerechten ist zum Segen -, fortführte und ausbaute,
eine Gemeinde schuf, in der man Tora lernt, Gottesdienst
übt und Wohltätigkeit verwirklicht.
Als Leiter der Jüdischen Volksschule unterstrich Herr Dr. J. Bamberger
die Fürsorge des Raw für diese wichtigste Institution, die er vor 15
Jahren selber ins Leben gerufen hatte. Tiefergriffen dankte der Raw den
beiden Rednern, wies alles ihm gespendete Lob weit von sich und betonte,
dass das, was er wirken konnte, ihm nur möglich war, weil Vorstand und
Mitglieder seiner Gemeinde ihm allezeit, und auch unter schwersten Opfern,
Treue bewiesen und bewahrt haben. Im Namen des Gemilus-Chesed-Vereins
brachte Herr Ludwig Schwarz dem mustergütigen Vorbild echter
Liebesleistung die Glückwünsche dar, während Herr Dr. Gustav Münz für
die Ortsgruppe der Agudas Jisroel, Herr Felix Gelernter für die
Jugendgruppe, Herr Markus Lange für den Esra dankten und
huldigten. Für den Geschäftsausschuss der Agudas
Jisroel-Weltorganisation und die Landesorganisation der Agudas Jisroel
übermittelte Herr Wolf S. Jacobson, Berlin, Dank und Wünsche. - Auch
diesen Rednern gegenüber bezeichnete der Raw seine Leistung als gering
und das Geringe als heilige, froh geübte Pflicht. Der Schabbat-Vormittag
in festlich geschmückter, überfüllter Schul wurde uns durch die
Ansprache des Raw - jede feierliche Gestaltung des Gottesdienstes hatte er
strengstens verboten - zu einem Gottesdienst von erschütternder Wirkung.
- Zur Stunde der Nacht gehörte der Raw der Jugend, die sich die Gunst
erbeten hatte, ihren über alles geliebten Führer zu einer Seuda
schlischit ('dritte Mahlzeit', am Schabbat-Ausgang) bei sich zu
sehen. Es war eine Stunde der innigsten Verbundenheit zwischen dem Raw und
der Agudo- und Esrajugend. Adolf Kohn und Felix Gelernter sprachen
es aus, dass der Nürnberger Raw der Nürnberger Jugend nicht nur der
Führer und Lehrer ist, er ist vielmehr der Vater jedes Einzelnen,
der in wahrhaft väterlicher Fürsorge und mit verstehendem Herzen die
Nöte der Jugendlichen zu empfinden versteht und ihnen immer liebend zur
Seite steht. So unlösbar, wie die Bande zwischen Vater und Kindern, so
unlösbar ist die Verknüpfung zwischen dem Raw und seiner Jugend.
Wunderbare Tora-Worte, die der Raw an uns richtete, gaben diesem
Festessabbat den herrlichen Ausklang.
Am Schabbatausgang fand auf Einladung des Gemeindevorstandes eine
Zusammenkunft statt, an der die Vorstände der verschiedenen Vereine, die
Beamten und Lehrer und die Rabbiner der Nachbargemeinden teilnahmen. Es
ist unmöglich, auch nur andeutungsweise wiederzugeben, was an diesem
Abend an herrlichen Toraworten gesprochen wurde. Die Herren Rabbiner
Dr. Kohn, Ansbach, Dr. Mannes,
Schwabach, Dr. Breslauer, Fürth,
Dr. Munk, Ansbach, die Herren Bernhard
Münz, Dr. Bamberger, Sichel, Klugmann, Jacobson und Schwarz
sprachen Worte der Treue und der Freundschaft, Synagogenchor, Herr
Kantor Katz und Herr Dr. Wolfberg erfreuten durch Gesänge,
alle wetteiferten in dem Bestreben, den Mann zu ehren, der vor der Ehrung
flieht! Zwei Reden seien besonders erwähnt: die unseres Herr Frankfurt,
welcher es als das Glück seines Lebens bezeichnete, nun schon 25 Jahren
einem Raw Diener sein zu dürfen, der wie Dr. Klein nie an sich und
stets nur an andere denkt, und die Schlussrede unseres Parnes, Herrn
Goldberg, die die vielen Versuche der Vorredner, für die Feier des
25-jährigen Jubiläums einen Hinweis in der Tora zu finden, als nutzlos
ablehnte, weil eine Gemeinde, die das Verdienst hat, Dr. Klein als Raw zu
besitzen, eigentlich die Pflicht hätte, ihren Raw jedes Jahr zu feiern,
sodass der Festabend nur etwa längst und oft Versäumtes nachholen
wollte. Diesem vielstimmigen Chor der Liebe und Treue dankte der Jubilar
in einer groß angelegten Schlussrede, indem er in Anlehnung an das Wort 'lasset
uns jubeln und uns freuen in ihm, nicht am Tag, sondern in Gott' (nach
Psalm 118,24) den Sinn der Feier und des Feierns darin suchte und fand,
dass das große Erlebnis der festlichen Tage in den Dienst von Gott
gestellt werden soll. Die Tage des Feierns sollen eine neue Periode der
Arbeit für Tora und Gottesfurcht, die Arbeit für die Gesamtheit
und den Einzelnen einleiten." |
Zum Tod der Frau von Rabbiner Dr. Klein
(1935)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 31. Oktober
1935: "Nürnberg, 28. Oktober (1935). Die Festtage waren kaum
verklungen, als die Alle tief ergreifende Nachricht unsere Kehillo
durcheilte, dass Frau Rabbiner Dr. Klein, nach kurzer Krankheit, schnell
mund unerwartet von ihrem irdischen Dasein abberufen wurde. Die
Verblichene war die Tochter des bekannten Kempener Raw L. Münz* - das
Andenken an den Gerechten ist zum Segen, eines Enkels von Schemen
Rokeach, und war schon von Hause aus in Gottesfurcht und Gottvertrauen
herangewachsen, Eigenschaften, die sie dann an der Seite unseres verehrten
Raw - sein Licht leuchte - mit der tiefen Frömmigkeit ihres
Herzens pflegte und mit denen sie sich in den Prüfungen des Lebens stets
bewährte. Sie war eine ganz herrliche Königstochter (nach Psalm
45,14) im wahrsten Sinne des Wortes. Ihr Stolz und ihr Streben war das
Sorgen für Gatten und Kinder. Gott stehe unserem schwergeprüften
Raw und den tieftrauernden Kindern bei. Ihre Seele sei eingebunden in
den Bund des Lebens." |
*gemeint: Lazar Münz (1837 - 1921 in
Ansbach, Texte
auf der Seite zu Ansbach), ehemaliger Rabbiner in Kempen
(Posen). |
Aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben
Rabbinatskandidat Salomon Ansbacher hält eine Trauerrede
für Rabbiner Hirsch (1889)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 11. Februar 1889: "Nürnberg. Sonntag, den 20. Januar
(1889) zwischen Mincha und Maariw hielt Herr
Rabbinatskandidat S. Ansbacher in der Synagoge der orthodoxen Gemeinde
dahier einen Hesped (Trauerrede) für Herr Rabbiner Hirsch - das
Andenken an den Gerechten ist zum Segen - in Frankfurt am Main, wozu
sich nicht nur allein viele Zuhörer von Nürnberg, sondern auch von
Fürth und Schwabach eingefunden hatten. Unter Zugrundelegung von Jesaja
6,12 'Der Ewige entfernte einen Mann und groß war die
Verlassenheit im Lande' schilderte der gelehrte Redner in 3/4-stündiger
Rede in ergreifenden und zu Herz dringenden Worten das Leben und Wirken
des großen Mannes und schloss mit der Mahnung, die Jugend heranzubilden
zu Tora und zum Gottesdienst. Allgemeiner Beifall lohnte den gewandten
Redner." |
Anmerkung: Die Trauerrede wurde gehalten
für Samson Raphael Hirsch (1808-1888), Rabbiner in Frankfurt, der
führende Vertreter des orthodoxen Judentums im Deutschland des 19.
Jahrhundert, vgl. Wikipedia-Artikel. |
Einweihung einer neuen Torarolle
(1904)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
1. August 1904: "Nürnberg. Am Sabbat Nachmu (das
war 23. Juli 1904) wurde hier im Bachurim- (Jünglings-)Verein eine neue
Sefer Thora eingeweiht. Nach dem Gottesdienst wurde bei Herrn Konditor
Hellmann eine kleine Mahlzeit abgehalten, während welcher Herr Wolf sowie
Herr Anspacher schöne Worte der Tora sprachen. Wir wünschen dem
Verein weiteres Gedeihen. W.D." |
Jüdischer Frauenverein innerhalb der "Adaß
Jisroel" (1915)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 8. Juli 1915: "Nürnberg, 25. Juni (1915). Vor
mehreren Wochen wurde hier aus den Kreisen der 'Adaß Jisroel' eine
jüdische Frauenvereinigung 'Esras Noschim' gegründet. Neben dem
allgemeinen Zweck der Förderung des gesetzestreuen Judentums in Lehre und
Leben, hat sich die Vereinigung eine Reihe besonderer Ziele gesetzt und
sucht diese durch die eifrige Mitarbeit eigens hierfür aufgestellte
Kommissionen zu erreichen. Es sind dies u.a. Ausübung von Gemillus
Chessed (Wohltätigkeit) Pflege geistiger Interessen, sowie soziale
Hilfsarbeit. Insbesondere bemüht sich die Vereinigung um Stellen und Arbeitsvermittlung
für Frauen und Mädchen. Anmeldungen von Stellensuchenden, sowie
Mitteilung offener Stellen werden an die Adresse von Frau Albert Ellern,
Solgerstraße 8, erbeten." |
Vortrag von Rabbiner Dr. Klein über "Jüdische
Gesamtheitsarbeit in Palästina" (1922)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
16. März 1922: "Nürnberg, 4. März (1922). Im großen Saale
des Hotels 'Deutscher Hof' sprach am Donnerstag, den 23. Februar vor
zahlreichen Zuhörern Herr Rabbiner Dr. Klein über 'Jüdische
Gesamtheitsarbeit in Palästina'. Der Redner wies in überzeugenden Worten
nach, wie gerade das gesetzestreue Judentum es war, welches den Gedanken
der Pflicht und der Liebe zur Besiedlung des heiligen Landes durch Wort
und Tat stets bewahrt und fortgepflanzt hat. Er veranschaulichte in
begeisternden, zu Herzen gehenden Worten, wie auf jüdischem Land, im
jüdischen Milieu die Möglichkeit einer wahren jüdischen Kultur auf dem
Boden der Tora wurzelnd jetzt entstehen könnte, wenn das Judentum der
Wichtigkeit der Stunde sich bewusst ist und den Aufbau Palästinas mit
allen zur Verfügung stehenden Mitteln fördert. Herr Rabbiner Dr.
Klein belegte, wie das Prestige der gesamten Judenheit es erfordert,
dass jetzt im heiligen Lande wirklich ernste Aufbauarbeit geleistet wird
und wie die ganze, auch nichtjüdische Welt daran interessiert ist, dass
ein blühendes jüdisches Leben im traditionellen Sinn sich in Palästina
entwickelt.
Der Vortrag hinterließ einen tiefen Eindruck auf die Zuhörer und wirkte
sich bereits durch namhafte Zeichnungen von allen Kreisen des hiesigen
jüdischen Publikums für Keren Hajischuw aus, besonders, da die Herren
des Sammelkomitees eine rege Tätigkeit
entfalten." |
Bericht über eine Erez-Israel-Reise durch Rabbiner
Dr. Klein (1936)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 4. Juni 1936: "Nürnberg, 18. Mai (1936). Am Lag Beomer (=
10. Mai 1936) fand der in allen Kreisen mit großer Spannung erwartete
Vortrag des Herrn Rabbiner Dr. Klein, Nürnberg über dessen Erez
Jisroel-Reise statt. Vor überfülltem Saale eröffnete der Vorsitzende
der Agudas Jisroel-Ortsgruppe Nürnberg, Herr Moritz Klugmann, mit
einer kurzen Begrüßungsansprache die Veranstaltung, die als große
Werbekundgebung für den Keren Hajischuw durchgeführt wurde. Herr
Rabbiner Dr. Klein begann mit der Feststellung, dass gerade die letzten
schmerzlichen Ereignisse in Palästina die Schwere und den Ernst des Erez
Jisroels-Problems aufzeigen. Erez Jisroel-Berichte begegnen heutzutage in
allen Teilen aus den verschiedensten Gründen einem erhöhten Interesse,
nicht zuletzt bei denen, die aus der Sehnsucht des jüdischen Herzens in
Erez Josroel das Land erblicken, in welchem der Jude als Jude leben kann.
In seinem großangelegten Bericht entwarf der Redner alsdann ein
eindrucksvolles Bild über die wirtschaftlichen, kulturellen und
religiösen Verhältnisse im Lande. Der unbeugsame Aufbauwille der
jüdischen Volkes hat hier Erstaunliches geschaffen, wenn auch nicht
verkannt werden darf, dass Erez Jisroel heute in seiner Entwicklung zu
einem Staatswesen noch fast am Anfang steht. Der innere Drang und das
Streben nach nationaler Einheit ist vielleicht das hervorstechendste
Merkmal, von dem das öffentliche Leben heberrscht wird. Das Bewusststein
der ZUgehörigkeit zum jüdischen Volke ist stark ausgeprägt und lässt
bei allen Juden trotz der häufig entgegengesetzten Anschauungen und der
verschiedenen Herkunft ein vertrautes, fast brüderliches Verhältnis
aufkommen. Dennoch kann man leider nicht behaupten, dass das heutige
Palästina zum jüdischen Selbst zurückgefunden hätte. Man vermisst
gerade in der architektonischen Gestaltung des Tel Awiwer Städtebildes
z.B. eine besondere jüdische Note. Auch auf dem Gebiete der
Sprachschöpfung des Iwrith ist die Anlehnung an westeuropäische
Vorbilder deutlich erkennbar. Im wirtschaftlichen Leben offenbart sich die
soziale Spannung zwischen Unternehmer und Arbeiter. Die restlose
Durchsetzung der Awodah Iwrith wird mit allen Mitteln von den Arbeitern
betrieben. Das Schulwesen wird leider zum größten Teil von den Schulen
des Histadruth beherrscht, in denen den Kindern keine religiöse Erziehung
geboten wird. Die von orthodoxer Seite gegründeten Schulen erfreuen sich
starken Zuspruchs. Am Schlusse des Vortrages beschäftigte sich Herr
Rabbiner Dr. Klein mit der Stellung und mit der Aufgabe der Orthodoxie
in Erez Jisroel. Die opferwillige Bereitschaft der agudistischen Poalim,
auch die Lösung der wirtschaftlichen Fragen dem Gesetz der Tora und der
Entscheidung der religiösen Führer zu unterstellen, um die
bedingungslose Anerkennung der Souveränität der Tora wieder
geschichtliche Wirklichkeit werden zu lassen, verdienen Bewunderung.
Gerade bei der Gestaltung des wirtschaftlichen und nationalen Aufbaus
unseres Landes muss der Agudas Jisroel von der jüdischen Öffentlichkeit
durch entsprechende materielle Förderung des Keren Hajischuw die
Möglichkeit gegeben werden, ihr Programm zu verwirklichen. Wenn die
Gestaltung des jüdischen Geschicks in Erez Jisroel Tatsache werden soll,
dann kann diese Aufgabe nur in Anlehnung und Fortsetzung der jüdischen Geschichte
gelingen, in der die religiösen Kräfte den unversiegbaren Quell unseres
Volkstums bilden. Die Ausführungen hinterließen bei allen Anwesenden,
auch bei dem nichtreligiösen Teil der Zuhörer, nachhaltigen
Eindruck." |
Berichte zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde "Adas
Israel"
Zum Tod von M. Weinschenk (1876)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 6. Dezember 1876: "Nürnberg. Ein überaus schmerzliches
Ereignis, das auch weitere Kreise interessieren dürfte, veranlasst mich,
Ihnen zu schreiben. Herr M. Weinschenk, eines der geachtetsten Mitglieder
unserer Gemeinde, ist auf eine sehr erschütternde Weise ums Leben
gekommen. Er reiste nämlich geschäftehalber nach Russland, wo er unweit
Kowno gelegenes Städtchen, Nieschawa, aufsuchte, um sich daselbst einige
Zeit aufzuhalten. Da kam vor einigen Tagen an seine hiesigen Verwandten
von dem Rabbiner jener Gemeinde die telegraphische Meldung, Herr W. sei
den Erstickungstod durch Kohlendunst gestorben. Er hatte sich bei einem
Wirte einlogiert, der die Ofenklappe, welche seine Gäste, W. und sein
Zimmergenossen, von Ihnen offen gelassen, um einiges Brennmaterial zu
ersparen, von Außen vorzeitig verschloss, wodurch der tödliche Dunst
ausströmte. Der Mitbewohner wurde noch mit knapper Mühe gerettet,
während W. dem schmählichen Geize und Leichtsinn des Wirtes zum Opfer
fiel. Auf die Schreckensnachricht reisten sein Sohn, Schwager und Commis
dorthin, um die Leiche nach der Heimat zurückzubringen. Der Rabbiner von
Nieschawa hielt vor der Abfahrt eine tief ergreifende Leichenrede, und ein
ansehnlicher Leichenzug setzte sich in Bewegung, um den hochgeschätzten
Gast, der in kräftiger Lebensfülle in ihre Stadt eingezogen, um so bald
dem jammervollen Geschicke zu erliegen, die letzte Ehre zu erweisen. Bei
der Durchfahrt durch Berlin war Herr Dr. Hildesheimer nebst einigen
Freunden des Verblichenen an der Bahn, um auch ihrerseits dem Verewigten
den letzten Tribut ihrer Verehrung zu zollen.
Der Heimgegangene war eine Zierde unserer Gemeinde. Eifrigste Bemühung um
Förderung der Tora und ihrer Institutionen, Opferfreudigkeit in allen
Zweigen edelster Humanität bildeten die Charakterzüge des Mannes. Als
die hiesige Synagoge durch Neuerungen, insbesondere durch Einführung der
Orgel aufgehört hatte, ein wahrhaft jüdisches Gotteshaus zu sein, war er
der energische und unverdrossene Vorkämpfer für die Reinheit des
Gottesdienstes, dem ganz besonders durch sein rühriges Wirken in unserer
Gemeinde wiederum eine Stätte gegründet wurde. Ungeachtet seines
rückhaltlosen Auftretens als Gegner der Reform genoss er dennoch in
allen kreisen der aufrichtigsten Hochachten. Was seine Tätigkeit für Talmud
Tora betrifft, so war er mit aller Kraft bestrebt, das Institut zu Schwabach,
sowie das Rabbinerseminar zu Berlin durch eigene Mittel, sowie durch
Propaganda bei Freunden und Bekannten zu heben und zu fördern. Seine
Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens. (J.Pr.)."
|
Zum Tod von Hanna Goldberg geb. Rosenbaum, Inhaberin
eines Bankgeschäftes (1879)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 10. September 1879: "Nachruf!
Nürnberg. Nur noch einige Wochen und auch dieses Jahr ist in das
Meer der Vergangenheit geschwunden. In diesen ernsten Stunden wirft jeder
Denkende einen Blick in sich, in seinen eigenen Familienkreis und seine
nächste Umgebung. Bei dieser Schau kann an Einsender dieser Zeilen das
Hinscheiden einer der edelsten und frömmsten der Frauen unserer Gemeinde
nicht vorüberziehen, ohne von tiefster Wehmut ergriffen zu werden und
sieht derselbe sich gedrungen, dieser schmerzvollen Teilnahme dadurch
Ausdruck zu verleihen, indem er den Hintritt dieser Edlen in Israel zur
allgemeinen Kenntnis zu registrieren Veranlassung nimmt. Es soll dadurch
konstatiert werden, dass der Geist unserer frommen Stammmütter nie
erlischt und dass die Träger der himmlischen Wahrheit ein alles
Vergängliche überdauerndes Denkmal in den Herzen der Mit- und Nachwelt
sich errichte. Die leider ! allzu früh Verblichene, Frau Hanna
Goldberg dahier, geb. Rosenbaum aus Schwabach,
von ihren sehr verehrungswerten Eltern, Herrn M.B. Rosenbaum und Gattin,
zur Gottesfurcht und pünktlichster Ausübung aller göttlichen Gebote
durch Wort und lebendiges Beispiel erzogen, empfing auch gleichzeitig
durch entsprechenden Unterricht in verschiedenen Lehrgegenständen einen
gediegenen Graf von Bildung. So wie das Herz empfänglich war für Tugend
und Frömmigkeit, so war der rege Geist geeignet, den Unterricht in
anderen Disziplinen mit bestem Erfolge aufzunehmen. Die gestreute Saat
entwickelte sich allseitig zur herrlichen Frucht. Mit männlichem Mute und
mit klarer Einsicht errichtete sie auf hiesigem Platze ein Bankgeschäft.
In sturmbewegten Zeiten, die oft Männerherzen erzittern machten, blieb
sie unerschütterlich in ihrem felsenfesten Gottvertrauen. Sie war von der
Überzeugung beseelt, dass bei aller Tätigkeit des Menschen deren
segenreiches Gelingen nur von der leitenden Hand der Vorsehung bestimmt
werde. Bei ihrer rastlosen Tätigkeit blieb sie unwandelbar fest in ihrem
Prinzip. Zeitliche Güter sind nur die Mittel zu himmlischen Zwecken.
Daher die äußerst strenge Gewissenhaftigkeit in der Führung des
Geschäftes, daher die seltene Wahrhaftigkeit und dadurch das große
Vertrauen, das der selig Entschlafenen von Allen zuteil geworden und sie
zu der angesehenen Stellung emporbrachte, die sie in der Geschäftswelt
einnahm. Auf sie sind in der Tat die Worte des Weisen anzuwenden, die
derselbe an seinen Sohn richtete (hebräisch und deutsch): 'Deine Taten
befreunden Dich (der Menschheit), Deine Taten entfremden Dich
(derselben).' So lieferte die selig Entschlafene den Beweis, wie Treue und
Redlichkeit es sind, aus welcher Achtung und Liebe entsprießen. Nicht
minder wie gegen die Nebenmenschen war die Verblichene auch treu gegen
Gott und seine heilige Lehre. Mit einer Munifizenz, die nur großen Seelen
eigen ist, unterstützte sie die Torabeflissenen, spendete fleißig jenen
Instituten, worin Tora gelehrt wird, gedachte mit offener Hand der Armen
des heiligen Landes, wie überhaupt ihre Wohltätigkeit keine Grenzen
kannte, und fand jeder Bedürftige, soweit sie es irgend nur vermochte,
durch sie Trost und Hilfe. Es waren das ihre süßesten Freuden, so im
Geiste der heiligen Tora wirken zu können. Ihr für echte Frömmigkeit
flammendes Herz suchte sie durch die rechte Erziehung in ihren Kindern
sich zu verewigen. Sie begriff das Wort des weisen Königs (hebräische
und deutsch): 'Der weise Sinn der Frau erbaut ihr das Haus.' In diesem
schmucken Kleide der reinsten Nächstenliebe und der innigsten Hingabe in
den Willen Gottes wandelte sie, eine treue Dienerin der Gotteslehre, bis
das unerbittliche Geschick in ihrem Geburtsorte Schwabach,
wohin sie zum kurzen Aufenthalt gereist, am 9. Juli, den Tag nach dem
traurigen 17. Tammus (sc. Fasttag, Gedenken an den Beginn der
Zerstörung des Tempels in Jerusalem), ihrem teuren Leben in kaum
vollendetem 57. Lebensjahre, zum namenlosen Schmerze der Ihrigen, ein Ziel
setzte. Ihre Lebenszeit überdauert aber die besondere Verehrung ihrer
würdigen, frommen Eltern, da dieselbe einen besonderen Wert darauf legte,
in der Nähe der Ruhestätte ihrer seligen Eltern bestattet zu werden. Das
Leichenbegängnis zu Fürth war ein feierliches. Außer vielen Bekannten
und Freunden hiesiger Stadt eilten viele Bewohner Fürths auf den dortigen
Friedhof, um dem Biederweihe die letzte Ehre zu erweisen, der jeder der
Begleitenden in das Grab nachrufen konnte (hebräisch und deutsch): 'Mit Glaubensstärke,
mit dem Schmucke edler Taten ist sie umhüllt, sie mag sich freuen des
letzten Tages.' Am Grabe sprach Herr Rabbiner Wißmann aus Schwabach,
der langjährige Freund der Verewigten. Er entrollte in beredten Worten
das tatenreiche, nur von Gottesfurcht geleitete Leben der Verblichenen,
das er zum mustergültigen Beispiele in erster Linie den trauernden
Hinterbliebenen und allen teilnahmsvollen Umstehenden rührend und
gerührt empfahl. Sie die mit vollem Rechte eine Perle des Jeschurun
genannt werden durfte, deren Seele wird gewiss in den Räumen der Frommen
ihre Ruhestätte finden. Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des
Lebens." |
Zum Tod von Josef Schwarz (1895)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 4. März 1895: "Nürnberg, 19. Februar (1895). Die hiesige
Vereinigung der orthodoxen Israeliten, sowie die Gesamtgemeinde
überhaupt, hat einen herben Verlust erlitten. Am 10. Februar starb nach
langem, schweren Leiden Herr Josef Schwarz, eines der verdientesten
Mitglieder der hiesigen Gemeinde. Überall, wo wahre Menschenliebe eine
Betätigung suchte, war Josef Schwarz in vorderster Reihe zu sehen. Er war
Mitglied der orthodoxen Vereinigung hier und einer ihrer Hauptstützen,
wie ihn jedes fromme Werk, jede Bildungsanstalt zu ihren Förderern
zählen konnte. Die Nachricht über den Hintritt dieses Mannes hat darum
überall gerechte Trauer hervorgerufen. In den ergreifenden Reden, welche
angesichts einer imposanten Trauerversammlung am Grabe desselben die
Herren Rabbiner Dr. Ziemlich und der Direktor der israelitischen
Waisenanstalt in Fürth, Herr Dr. Deutsch, hielten, fand diese
Trauer einen würdigen Ausdruck. Möge das Andenken des teuren Toten
in Segen bleiben. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des
Lebens." |
Zum Tod von Amalie Goldberger (1903)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
2. April 1903: "Nürnberg, 1. April (1903). 'Ihr
Gewand ist Macht und Pracht, und des letzten Tages sie lacht'
(Sprüche 31,25 hebräisch und deutsch). Welcher Pinsel vermag das Bild
einer wackeren Frau vom Anfang bis zum Schlusse ihrer
Schaffenskraft in satterem Kolorit zu malen, als dieser eine Salomonische
Satz in seinem knappen Wortmaße? Dafür ist derselbe aber auch berufen,
seine Farben dem höchsten Ideal jüdischer Weiblichkeit zu leihen, - und
zu den wenigen erlesenen Frauen, welche den Ruhm dieses Satzes für sich
in vollsten Anspruch zu nehmen, verdient haben, gehört sicher die, deren
Eintritt in den jüngsten Tagen den ausgedehnten Kreis ihrer Freunde und
Verehrter aufs Tiefste erschüttert hat, Frau Amalie Goldberger in
Nürnberg.
Entstammend einem in allen Tugenden des Judentums ausgezeichneten Hause,
blühend an der Seite eines für die Heiligtümer unseres Glaubens mit
beispielgebender Entschiedenheit und Opferkraft eintreten Gatten - ist
doch Herr Jakob Goldberger ein mit dem ganzen Rüstzeuge des Kämpfers
für die Tora bewährter Führer der Gesetzestreuen dort - hat sie in
buchstäblichem Sinne das Wort unserer Weisen bewahrheitet... Ihre
fürsorgende Tätigkeit im Hause und nicht minder in den ausgedehnten
Räumen des Geschäftes verstattete dem Gatten und den Söhnen Zeit und
Möglichkeit, sich täglich dem Studium der Tora hinzugeben und für die
Interessen unseres Glaubens inmitten Gleichgesinnter vorbildlich zu
wirken.
Und doch, wie wusste sie ihre ausgebreitete Tätigkeit in dem nicht zum
wenigsten durch ihre Mitarbeit eine reiche Pflanz- und Pflegestätte
jüdischen Heiligtums bildenden Hause so mit Anmut und .artsinn zu paaren,
dass die Traulichkeit und Behaglichkeit in demselben jedermann mit Macht
in ihren wohltuenden Bannkreis zogen! So war sie die Säule und Seele
ihres Hauses, eine echte Hilfe ihrem Gatten in idealer und praktischer,
in religiös erhabener und weltlicher Beziehung, und dabei - und diese
Tugend war das prangendste Juwel in der Ruhmeskrone ihres Hauptes - bewegte
sich all ihr Schaffen in den Bahnen so keuscher Bescheidenheit, so
anspruchsloser Stille, so bewunderungswürdiger Selbstverleugnung, dass
das demütig wandeln (Micha 6,8) in ihr seine ausgeprägteste
Verkörperung fand. Diese Tugend räumte ihr auch in den denkbar weitesten
Kreisen Andersgläubiger einen Ehrenplatz ein, sodass die Zahl ihrer
Freunde, die es sich nicht versagten, ihr das letzte Trauergeleit zu geben
oder in anderer Form ihrem Schmerze Ausdruck zu verleihen, eine Legion
bildete.
Möge Gott die Hinterbliebenen mit der Fülle seiner Tröstungen
segnen. Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."
|
Zum Tod von Berthold Horwitz, Begründer und langjähriger
Leiter des Vereins Adas Jisroel (1919)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 17. Januar 1919: "Nürnberg, 13. Januar (1919). Nicht viel
länger als ein Jahr nach dem Hinscheiden des 1. Vorsitzenden des
Zentralvereins in Berlin, Dr. Maximilian Horwitz, ist sein älterer Bruder
in Nürnberg, Herr Berthold Horwitz, im 75. Lebensjahr
dahingeschieden. Er hat sich um das gesetzestreue Judentum in Nürnberg
große Verdienste erworben; denn er war es, der 1874 unter großen
Schwierigkeiten den Verein Adas Jisroel begründete und ihn fast 25 Jahre
hindurch mit großer Umsicht leitete. Horwitz hat die großen
Schwierigkeiten, die der Zulassung eines Privatgottesdienstes in Bayern
entgegenstanden, mit Geschick und Energie überwunden und beim Ministerium
in München sowie bei den Nürnberger Stadtbehörden die nötige Erlaubnis
erwirkt. In seinem Wirken an der Spitze der 'Adas' hat er sich durch seine
echte Frömmigkeit und Überzeugungstreue, verbunden mit Friedensliebe und
Duldsamkeit, in weitesten Kreisen Achtung erworben und den anfangs kleinen
Verein sehr emporgebracht. Horwitz hat einen Teil seiner Jugendjahre im
Hause seines Oheims, des gelehrten damaligen Düsseldorfer, späteren
Posener Rabbiners Dr. Wolf Feilchenfeld, seligen Andenkens,
verbracht, dessen Grundsätze und Lehren sich ihm tief eingeprägt haben.
Am Grabe rühmte Rabbiner Dr. Freudenthal die hohen Tugenden des
Verblichenen, der allen Gemeindemitgliedern ohne Unterschied der
religiösen Richtung als Vorbild dienen könne, und hob besonders die
großen Verdienste hervor, die er sich durch die Gründung und
langjährige Leitung der orthodoxen Gemeinde in Nürnberg erworben
habe." |
Zum Tod von Sally Cohn (1920)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
25. März 1920: "Nürnberg, 15. März (1920). Einen fühlbaren Verlust hat unsere Religionsgesellschaft Adaß Jisroel zu
verzeichnen. Sally Cohn ist der Grippe zum Opfer gefallen und es
drängt uns, seinem von reinster Gottesfurcht erfüllten, von allgemeiner
Achtung getragenem Leben in diesen Blättern ein Ehrendenkmal zu setzen.
einem edlen Thorner Hauses (sc. Thorn an der Weichsel, heute die
polnische Stadt Torún) in der entstammend, kam er jung an Jahren in unsere
Stadt und gründete hier ein Geschäft, dessen Reellität vorbildlich,
dessen Gewissenhaftigkeit in Wahrung der Schabbat- und Feiertags-Heiligkeit
beispielgebend ist. Dem uneingeschränkten Vertrauen, welches ihm von
allen Seiten entgegengebracht wurde, dankte er seine Berufung in die
Verwaltung der Adaß. Er heiratete die Tochter einer angesehenen
Frankfurter Familie, die jüngste Tochter des Moses Salomon Schwab - seligen
Andenkens. In inniger Harmonie mit ihr erzog er seine Kinder im
Schoße strenger Gottesfurcht, ihre Fortbildung im Thauro-(Tora-)lernen
lag ihm besonders am Herzen. Er versäumte keine Gelegenheit, Talmide
Chachamim (Talmudgelehrte) zu stützen und in sein Haus aufzunehmen. Sein
Leichenbegängnis sowie die Fülle der in dem Trauerhause vorsprechenden
Besucher und einlaufenden Beileidsbezeugung waren das beredteste Zeugnis
seiner Geltung. Rabbiner Dr. Klein, Nürnberg und Rabbiner Dr. Mannes, Schwabach,
zeichneten in packenden Worten sein Lebensbild; die Adaß hielt nach der
Schiwo eine öffentliche Trauerfeier in der Synagoge. Sein Andenken lebt
in unserer Mitte ehrenvoll fort. Gott tröste seine Hinterbliebenen. Seine
Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
Zum Tod von Julius Klugmann (1921)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 3. März 1921: "Nürnberg, 27. Februar (1921). Einen
schweren Verlust hat die Adaß Jisroel in Nürnberg erlitten. Vor einigen
Wochen schied Herr Julius Klugmann nach kurzem Krankenlager aus dem
Leben. Mit ihm verlor die gesetzestreue Judenheit Bayerns eine
Persönlichkeit, die sie in ihren besten Traditionen verkörperte. Lange
Jahre Vorstandsmitglied der Adaß Jisroel, strebte er in Ehrlichkeit und
Treue, in nimmermüdem Eifer mit Gleichgesinnten, die Adaß Jisroel zum
Mittelpunkt echtjüdischen Lebens in Nürnberg zu machen. Er selbst
verstand es in wundervoller Weise, unterstützt von einer gleichgesinnten
Gattin, in die Tat umzusetzen. Den Armen ist ein Wohltäter genommen
worden, der in Wahrheit Jahrzehnte ohne Aufsehen und ohne viel darüber zu
sprechen, viele Tränen getrocknet, und manches Leid gelindert hat. Auf
seinen ausdrücklichen Wunsch wurde er, der in Wiesenbronn
geboren war, bei seinen Ahnen auf dem alten ehrwürdigen Friedhof
zu Rödelsee zur letzten Ruhe gebettet; Rabbiner Dr. Wohlgemuth, Kitzingen
und Rabbiner Dr. Klein, Nürnberg, beklagten in tief empfundenen Worten
den Heimgang des echten Jehudi und wahren Menschenfreundes. Während der
Schiwa sprach im Trauerhause Rabbiner Dr. Brader, Ansbach,
als langjähriger Freund des Hauses, Worte herzlichen Gedenkens. Seine
Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
Zum Tod des aus Wiesenfeld stammenden und vor allem in
Nürnberg wirkenden Abraham Grünbaum (geb. 1863 in Wiesenfeld, gest. 1921 in Jerusalem)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 25. März 1921: "A. Grünbaum seligen Andenkens, Nürnberg.
Die bayrische Judenheit, insbesondere die Orthodoxie, hat einen ihrer
bedeutendsten Männer verloren. Man ist fast versucht zu sagen, dass sie
verwaist und führerlos dasteht durch den Tod des Herrn Abraham Grünbaum,
Nürnberg. Tragik und wunderbarer Abschluss seines reichen Lebens bildet
sein Tod in Jerusalem, wo er mit seiner Gattin auf einer Studienreise
durch Erez Israel weilte.
Gerade seine Liebe und Arbeit für Erez Israel bildet die Quintessenz
seines großen Schaffens und Wirkens, sie war der Zentralpunkt seines
großen Schaffens und Wirkens, sie war der Zentralpunkt seines jüdischen
Denkens und Empfindens, mit Erez Israel war er zeitlebens innerlich
verbunden durch seelische Bande und in einer Hingebung von ganz
ungewöhnlicher Kraft und Tiefe. Außerordentlich und ungewöhnlich war
überhaupt die ganze Persönlichkeit, vielseitig, originell,
schöpferisch, wie es nur wenigen Menschen beschieden ist. Sein ganzer
Werdegang führte ihn zu jener tiefen Jüdischkeit, die wir zeitlebens an
ihm bewundern konnten.
In Wiesenfeld in Unterfranken vor 68 Jahren (am 27. Sch'wat)
geboren, genoss er schon in frühester |
Jugend
durch seinen unvergesslichen Lehrer Rosenbaum seligen Andenkens,
dem er ein treues Andenken bewahrte, eine ausgezeichnete jüdische
Erziehung und Einführung in Tanach und Talmud. Und wenn der Würzburger
Raw, R. Seligmann Bär Bamberger seligen Andenkens zur Schulprüfung nach Wiesenfeld
kam, so nahm er sich den jungen Abraham Grünbaum besonders vor mit einem
Blatt Gemoro, und wie glücklich und begeistert erzählt uns Abraham
Grünbaum davon, wie ihn der Raw in seiner berühmten liebenswürdigen und
herzlichen Art ermunterte und aneiferte, wie tief er auf ihn gewirkt und
ihn zeitlebens in seinem ganzen jüdischen Denken und Handeln beeinflusst
hat. Und das wurde noch verstärkt, als Abraham Grünbaum die Realschule
in Würzburg besuchte und im Hause von R. Jizchok Schlenker seligen
Andenkens erzogen wurde.
Seine kaufmännische Lebensbahn führte ihn dann nach Schwabach,
wo er trotz seiner beruflichen Pflichten noch ein fleißiger Schüler von R.
Löb Wißmann seligen Andenkens und vor allem von R. Hile Wechsler seligen
Andenkens war. In diesen Jünglings- und Mannesjahren hat er sich, dank
seiner ganz ausgezeichneten Geistesgaben, jene tiefgründige talmudische
Bildung verschafft, die ihm Leitstern seines Lebens war.
Hier hat er im Alter von 21 Jahren im Verein mit seiner ebenbürtigen
Gattin, Frau Leah geb. Goldschmidt aus Zell
bei Würzburg ein jüdisches Haus gegründet, das in seiner Innigkeit
und Hilfsbereitschaft, seinem lebensfrohen und gesunden Optimismus, seiner
grenzenlosen Hingebung für alles Jüdische und Menschliche nicht leicht
zu überbieten sein dürfte. Und bald war Grünbaum in Schwabach
der Mittelpunkt des jüdischen und allgemeinen politischen Lebens. Er war
ebenso berufen, Kultusvorstand zu sein, wie es kein politisches und
kommunales Amt gab, das man ihm nicht anvertrauen konnte. Überall war er
Meister und souveräner Herr der Situation, schlagfertig und weitblickend
wie ein Weltmann. Und der ist er auch bald geworden. Rasch wuchs er hinaus
über Schwabachs Grenzen in allen
Dingen, jüdischen wie allgemein menschlichen.
Schon mit 26 Jahren unternahm er für die Amsterdamer Palästinaverwaltung
(im Verein mit dem seligen R. Benjamin Roos, später in Werneck
in Unterfranken) eine Studienreise nach Erez Israel, und eine seiner
mächtigsten Wirkungen dort galt der Ereneuerung des Schaare
Zedek-Spitals, und eine wunderbare Fügung des Himmels hat ihm die Gnade
gewährt, hier in diesem Hause einzugehen auf heiliger Erde zur ewigen
Ruhe, die er sich bin an sein Ende nicht gegönnt hat.
Als er vor etwa 30 Jahren nach Nürnberg übersiedelte, fand er hier einen
Wirkungskreis für seinen Schaffensdrang und seine unerschütterliche,
ewig jugendliche Arbeitskraft vor, den er bearbeitete und ausdehnte, wie
es nur solch außerordentlichen Menschen möglich ist. Ganz von selbst
fiel ihm die Führung der Adas Israel zu, die damals noch ganz in ihren
Anfängen steckte. Was Grünbaum da leistete, das allein könnte ein
Menschenleben ausfüllen. Nacheinander schuf er im Verein mit treu
ergebenen Weggenossen eine Religionsschule, eine Synagoge mit allen
mustergültigen Einrichtungen und das Rabbinat! Was das für die
bayerischen Verhältnisse überhaupt und insbesondere in Nürnberg
bedeutet, kann nicht überschätzt werden. Seinem unerschöpflichen und
sicheren Optimismus, gegründet auf seltene Erfassung der Lebensverhältnisse
und der Beherrschung der Menschen, ist es gelungen, die Adas Israel
zu
einer kraftvollen Gemeinde zu gestalten.
Grünbaum wuchs ebenso selbstverständlich in alle Aufgaben der
Gesamtgemeinde hinein; es gibt keine Institution, in der er nicht
schaffend und führend mitwirkte. |
So
war er seinerzeit ein Gründungsmitglied er Maimonides-Loge, und er hat
von Anfang an deren Unterstützungstätigkeit geleitet. Ferner gehörte er
sämtlichen gemeindlichen Wohltätigkeitsvereinen an, in denen er
gleichfalls führend und schaffend tätig war. Dabei hatte der ungemein
vielseitige Mann noch Zeit, als Vorsitzender des Ku- |
ratoriums
der Talmud-Thora in Schwabach, als
Mitglied der Kuratoriums der israelitischen
Lehrerbildungsanstalt in Würzburg mit aller Energie und Kraft tätig
zu sein. Der Freien Vereinigung für die Interessen des orthodoxen
Judentums, der Agudas Jsrael, dem Kurhospiz in Bad
Kissingen, der neuen Jeschibah in Nürnberg ebenso warm zu
dienen.
Und damit erschöpfte sich seine Lebensarbeit immer noch nicht. Was
Grünbaum an persönlicher Liebestätigkeit, Gemilus Chased, Zedokoh
(Wohltätigkeit) getan hat, ist gar nicht zu schildern. Er hat aus eigener
Kraft eine Darlehenskasse für die Ostjuden geschaffen und diesen zu jeder
Stunde in Rat und Tat, als wäre es seine persönliche Angelegenheit, zur
Seite gestanden. Dabei war Grünbaum ein vielbegehrter Mohel
(Beschneider), die beschwerlichsten Reisen bei Sturm und Wetter spielten
in seinen Jahren keine Rolle, alles, alles hat er unternommen und spielend
bewältigt. Schwierigkeiten hat er nicht gescheit, kein Opfer für Tora
und Aboda (Gottesdienst) war ihm zu schwer. Wie hat er Talmide Chachamim
(Toragelehrte) behandelt und gewürdigt, wie hat er seinen Lehrern und
ihren Hinterbliebenen die Treue gehalten!
Dieser logisch scharfe Mann, so streng und energisch in der Verfolgung
seiner Ziele, konnte weich und zart sein mit Armen und Gedrückten, mit
Sorgen Beladenen und Bekümmerten. Sein Haus stand ihnen allen offen,
buchstäblich Tag und Nacht.
Uns eine Zartsinnigkeit in seiner Familie! Schon wie und woher er sich die
Gattin holte! Zell bei Würzburg,
- das entsprach seinem Programm und Lebensstil. Diese Ehe und dieses
Familienleben! Sie sind wirklich einzigartig und übten auf jeden
Beschauer einen tiefen Eindruck aus. Seine Gastfreundschaft sucht
ihresgleichen und die Art, wie man die Mizwath hachnosoth Orchim
(Gastfreundschaft) übte, erst recht. Das war lebendiges Judentum wie
Grünbaums ganzes Leben ein jüdisches Tatenleben aus einem Guss
darstellte.
Was die Persönlichkeit des Heimgegangenen bedeutete, kam in der letzten
Ehrung zum Ausdruck. Nach dem Hesped (Trauerrede) des Rabbiners Dr.
Klein in der Synagoge fand eine Trauerfeier im großen Saale des
Kulturvereins statt. 1.600 Menschen hatten sich eingefunden, und jeder
einzelne Redner rühmte, dass gerade seiner Organisation Grünbaums Kraft
geweiht war. Da wurde man sich so recht der ungeheuren Arbeitskraft,
Vielseitigkeit und geistigen Energie bewusst, die diesem einzigen Manne
innewohnte. Er trug eine Last, die über Menschenkraft weit hinausragte.
In diesen Gedanken mündeten alle Kundgebungen ein.
Don Sichel, 1. Vorstand des Vereins Ada Israel, würdigte
Grünbaum als Vorstandsmitglied. Rabbiner Horovicz - Jerusalem
sprach für die deutsch-holländische Palästinaverwaltung, Jacob
Rosenheim - Frankfurt für die Agudas Jsrael, Rabbiner Dr. Stein
- Schweinfurt für das Kurhospiz Kissingen und in besonders inniger
herzlicher Art für die israelitische Lehrerbildungsanstalt Würzburg,
Kommerzienrat Metzger für die Kultusverwaltung Nürnberg,
Rechtsanwalt Dr. Max Feuchtwanger für die Ohel Jakob-Gemeinde
München, Justizrat Dr. Erlanger für die Maimonides-Loge,
Hugo Bärmann für die gemeindlichen Vereine, H. Weißmann für
zwei Chewraus, Alfred Klugmann zeichnete Grünbaum als Lehrer der Chebrath
Bachurim und zum Schlusse würdigte Rabbiner Dr. Klein
Grünbaums Verdienste um die jüngste Gründung der Adas, die Jeschibah
und teilte mit, dass Freunde Grünbaums in seinem Geiste der Tat eine Abraham
Grünbaum-Stiftung begründeten.
Wie diese Kundgebung sich tief in die Herzen aller senkte, so wird das
Lebensbild Grünbaums im Gedächtnis der ganzen Gemeinde fortleben und
fortwirken, so wie er im Leben auf alle wirkte und ihn so all seine
großen Erfolge auf diesem Wege erreichen ließ für alles Jüdische und
alle jüdisch erziehlich beeinflusste und das auch weiterhin zu
ermöglichen suchte in seiner letzten Programmrede, die er kürzlich
anlässlich einer Mitgliederversammlung der Adas Jsrael entwickelte. Die
große Gesamtgemeinde war sein Resonanzboden und sollte er auch fernerhin
bleiben, getragen von seiner heiligen Lebensaufgabe, m'sakka horabbim zu
sein." |
Zum Tod das langjährigen Gemeindevorstehers Don
Sichel (1922)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
16, März 1922: "Nürnberg, 28. Februar (1922). Am Schabbat
Paraschat Terumah endeten die Schloschim (30 Trauertage) um Don
Sichel - das Andenken an den Gerechten ist zum Segen - dem
langjährigen ersten Vorsitzenden der Adaß Jisroel. Nachdem in den
letzten Jahren verschiedene Führer dieser Gemeinde leider entrissen
wurden, müssen wir in tiefer Trauer auch das Hinscheiden eines Mannes
beklagen, dessen Leben und Streben ein Menschenalter dieser Kehilla
gewidmet war, dessen rastloses Wirken das Aufblühen der Adaß Jisroel
mitverursachte und dessen vornehmliches Wirken den gottesdienstlichen
Veranstaltungen unserer Gemeinde galt. Seine Sorge darum, seine Liebe
fürs Gotteshaus riefen Don Sichel - das Gedenken an den Gerechten ist zum
Segen - morgens stets als ersten ins Gotteshaus und wer Gelegenheit
hatte, sein Thillimsagen (sc. Psalmengebet) zu hören, wer die tiefe
Inbrunst, die aus seinen Gebeten sprach, vernommen hatte, der hatte eine
Ahnung von der tiefen Gottesfurcht, die Don Sichel - das Andenken an den
Gerechten ist zum Segen - erfüllte. Wer beobachtete, wie Don Sichel
selbst in späteren Jahren seine Kenntnisse in der göttlichen Lehre mit
stählerner Energie vervollständige, wie es ihm eine Freude war, Tora
mit vielen durch rege und pünktlichste Teilnahme an den Schiurum
(Lehrvorträge) zu fördern, wie er - der Vorsitzende der Adaß Jisroel -
seiner Kehilla dadurch auch ein Vorbild war, der wird begreifen,
wie schmerzlich es ist, dass ein Mann von solch einheitlichem jüdischen
Guss nicht mehr unter uns ist. Und wer wusste, mit welcher Hingebung der
Verblichene Wohltätigkeit übte, wie er es war, der gerade bei der
Erweisung der letzten Ehre an die Ärmsten seiner Glaubensbrüder stets
gerufen sein wollte, der wird verstehen, wie tief in unserer Gemeinde das
Hinscheiden dieses Mannes betrauert wurde. Don Sichel - das Andenken an
den Gerechten ist zum Segen - hatte das Verdienst, seine Kinder
zu guten Jehudim erziehen zu können und heranwachsen zu sehen, möge er
auch das Verdienst haben, dass seine guten Eigenschaften den
Mitgliedern der Adaß Jisroel als Vorbild voranleuchten. Der Verdienste
des Verblichenen gedachte in einer tief empfundenen Trauerrede Herr
Rabbiner Dr. Klein an der Wirkungsstätte von Don Sichel - das
Andenken an den Gerechten ist zum Segen - in der Synagoge der Adaß
Jisroel. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des
Lebens." |
Zum Tod von Kunigunde Salomon geb. Hiller (1924)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 10. Juli 1924: "Nürnberg, 1. Juli (1924). Am
Sonntag, 23. Juni dieses Jahres, starb dahier im 72. Lebensjahre Frau
Kunigunde Salomon, eine der leider immer seltener werdenden Gestalten
altjüdischer Frömmigkeit. Bei der am Montag stattgehabten Beerdigung
hob Herr Rabbiner Dr. Klein die Tugenden dieser wackeren Frau hervor,
die 36 Jahre den Witwenstand durchlebte, in ihrer Glaubenstreue aber
tapfer und siegreich blieb, sodass sie ihre Kinder zu echten Jehudim
heranreifen sah, ebenso die Enkel. Selbst in einer Gegend, wo wenig
Toratreue zu treffen gewesen, hielt sie die Ideale echter Jüdischkeit
aufrecht. Der Schwiegersohn, Lehrer Sonn - Würzburg,
beklagte den schweren Verlust der Familie und teilte so manches Intime aus
dem Leben der Verstorbenen mit, in dem sich ihre innige Frömmigkeit
wiederspiegelte, von der der Fernstehende kaum eine Ahnung gehabt. Hauptlehrer
Mannheimer - Dettelbach verglich
die Heimgegangene mit Noemi im Buche Rut, der am Lebensabend noch sonniges
Familienglück gelächelt. Er betrachtete sie als Kind ihrer
Heimatgemeinde Harburg in Schwaben, die
einst zu den schönsten gezählt und wo die Urahnen der Verstorbenen sich
schon durch besondere Gelehrsamkeit auszeichneten. Bestand doch in der Familie
eine dunkle Tradition von verwandtschaftlichen Beziehungen zum ... (unklar,
wer gemeint). Nun ist sie dahingegangen, nachdem sie die letzten
Monate bei ihrem Sohne, Herrn Moritz Salomon dahier, verbracht, und
aufopfernde, kindliche Liebe und Pflege fand bis zum letzten Atemzuge. Möge
der Verdienst dieser Edlen, Frommen den Familien und uns allen
beistehen. Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."
|
Anmerkung: Die aus Harburg stammende Kunigunde
Salomon geb. Hiller war mit dem Handelsmann Jakob Salomon in Mandel
bei Bad Kreuznach verheiratet (dieser ist 1888 in Mandel
gestorben). Eines der Kinder war Hedwig (Helene) geb. Salomon (geb. 2.
Oktober 1877 in Mandel), verheiratet
seit 1901 (Würzburg) mit dem Lehrer David Sonn (geb. 19. Mai 1871 in Mainstockheim,
gest. 12. Juli 1939 in Würzburg), gest. 6. oder 8. November 1932 in
Würzburg.
Quelle: Strätz Biographisches Handbuch Würzburg Juden Bd. II S. 568
(hier ist Hamburg in Harburg zu korrigieren) |
Zum Tod von Moritz Neuburger (1925)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14.
Mai 1925: "Nürnberg, 4. Mai (1925). In der ersten Nissanwoche
hatten wir das Hinscheiden des allverehrten Moritz Neuburger zu
beklagen. Mit ihm verlor die Adas Israel den letzten ihrer Mitbegründer,
jener frommen wahren und einfachen Männer, die kraft ihrer Liebe zur
überlieferten lehre sich dafür einsetzten, dass in Nürnberg sich eine
Gemeinschaft bildete zur Ausübung der Kehillo-Pflichten in
altüberlieferter Weise.
In dieser jungen Gemeinschaft, die sich 'Adas Israel' benannte, war Moritz
Neuburger - seligen Andenkens - viele Jahre hindurch
Vorstandsmitglied und erfüllte alle sich ihm bietenden Aufgaben mit einer
Liebe und einer Freude, mit einer Gewissenhaftigkeit und einem Interesse,
wie sie eben nur aus einer warmen Frömmigkeit fließen konnten. Auch
später, nachdem der Verblichene infolge seines Gesundheitszustandes sich
in der Vorstandschaft durch jüngere Kräfte ersetzen ließ, bewahrte er
der Adas Israel stets ein warmes Interesse.
Allseitig wurde der Verblichene wegen seines lauteren und geraden
Charakters in seinem geschäftlichen und privaten Wirkungskreis geschätzt
und auch die zahlreiche Trauerversammlung, die dem Verblichenen die letzte
Ehre erwies, zeigte, welch hoher Achtung, Ansehens und Beliebtheit sich
der Verblichene in weiten Kreisen der Nürnberger Judenheit
erfreute.
Da durch den Monat Nissan jegliches Hesped (Trauerrede) unmöglich
war, fand eine Trauersitzung der Verwaltung der Adas Israel im Beisein des
Herrn Rabbiner Dr. Klein statt, in welcher der Verstorbene dadurch
geehrt wurde, dass seine Verdienste um die Adas Israel und der Eindruck
seiner Persönlichkeit protokollarisch verewigte wurden. Das Protokoll
wurde sodann durch Vorstandmitglieder den Hinterbliebenen übereicht. Seine
Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
Zum Tod von Simon Kohn (1926)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 7. September 1926: "Nürnberg, 3. September (1926). Kurz
vor Ausgang des Schabbat Ki teze wurde unserer Gemeinde Adas Israel
leider einer unserer Besten entrissen, Simon Kohn - seligen Andenkens -
hauchte seine reine Seele aus.
Noch einige Tage vorher hatte der Verblichene das Glück, seine dritte
Tochter unter die Chuppa (= Baldachin bei der Trauung) zu führen
und trotz des durch einjährige Krankheit geschwächten Körpers nahm
Simon Kohn - das Andenken an den Gerechten ist zum Segen - noch
seine ganze Willenskraft zusammen, um dieses Fest mit einer Freude
über das Gebot (Gottes) zu begehen, wie sie nur einer tiefen
Gottesfurcht und wahren Frömmigkeit entspringen kann.
Was Simon Kohn - seligen Andenkens - für die Nürnberger Kehilloh
(Gemeinde) bedeutete, lässt sich nur schwer in wenigen Zeilen schildern,
er fehlt uns überall in seinem vielseitigen Wirken im Gemeindeleben, das
er auf mannigfachste Art mit aufbauen half, das er belebte und
befruchtete. Dem Mosaikbild unserer Gemeinde fehlt ein Edelstein und es
weist eine klaffende Lücke auf.
Vor etwa 40 Jahren kam Simon Kohn - seligen Andenkens - jung an
Jahren, doch erfüllt von tiefer Gottesfurcht und reich an
Torawillen, das er sich an den berühmten Toralehrstätten Ungarns und im
väterlichen Hause erworben hatte, nach Nürnberg und setzte sich mit
seinem ihm eigenen Eifer, verbunden mit persönlicher Liebenswürdigkeit
für Berbreitung des Toralernens in Nürnberg ein. Buchstäbllich aus den
Häusern holte der Verblichene jüdische Männer herbei zum Toralernen und
seine höchste Freud eund sein größter Stolz war, Tora zu verbreiten in
Lehre und in Tat. Und in gleicher Weise pflegte er auch das Toralernen mit
vielen für die Jugend in einer fast 25-jährigen gesegneten
Lehrtätigkeit im Verein Chewras Bachurim. Sein Chumisch-
(Pentateuch-) und Raschi-Schiur (-Lernvortrag) war der Anziehungspunkt
einer zahlreichen Zuhörerschar, die gerne seine mit großer Wärme und
Begeisterung vorgetragenen Lehren und seinen väterlichen Ermahnungen
lauscht, um so mehr, als Simon Kohn - seligen Andenkens - auch
keine Gelegenheit versäumt - ob bei einem Sium oder am Simchas
Tora - sich mit der Jugend zu freuen und sie zu erfreuen.
Unvergesslich wird auch jedem die Erinnerung an Simon Kohn - seligen
Andenkens - bleiben, wem es vergönnt war, denselben an den ehrfurchtgebietenden
Tagen als Vorbeter zu hören. Wenn Simon Kohn - seligen
Andenkens - mit seiner weichen, zu Herzen dringenden Stimme das Kaddisch
zu Mincha am Jom Kippur begann, da schlugen alle Herzen stärker
zur heißen Andacht und wenn er dann unter Weinen und Schluchzen die reine
Selicha des Rabbi Jischmael als Gebet empor sandte und für das Wohl
seines Zibbur (Gemeinde) und ganz Israels flehte, war alles tief
ergriffen von der Wärme und Inbrunst seines Gebetes.
Tief betrauern wir den Heimgang dieses wahrhaft frommen Jehudi, dessen
ganzes Streben war, die heiligen Toragesetze in Wort und Tat zu
verwirklichen und dem es vergönnt war, mit Hilfe seiner braven und gottesfürchtigen
Gattin seine Kinder zu guten Jehudim, die in seinen Wegen wandeln, zu
erziehen.
Die Bestattung Simon Kohn - seligen Andenkens - fand in Höchberg
statt, wo die Herren Rabbiner Dr. Klein - Nürnberg und Rabbiner Dr.
Hanover - Würzburg, die Söhne des Verblichenen, für die Verwandten sein
Schwiegersohn, für die Adas Israel, Nürnberg, Herr Professor Dr.
Tachauer, und ferner ein Vetreter des Chewras Bachurim Nürnberg, den
schweren Verlust beklagten. |
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Rechts: Grabstein für Simon
Kohn auf dem jüdischen Friedhof in Höchberg
(Foto: Hahn), daneben die
Dokumentation und Übersetzung der Grabsteininschrift (Quelle: Bamberger,
Der jüdische Friedhof in Höchberg. Memor-Buch 1991. S.
352-353) |
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Zum Tod von Jette Fleischmann geb. Wechsler (1928)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
22. November 1928: "Nürnberg, 14. November (1928). Am
Dienstag, 30. Oktober wurde hier eine Frau zu Grabe getragen, deren guter
Name noch lange nach ihrem Weggange ihr nachleuchten wird. Frau Jette
Fleischmann hat das Zeitliche gesegnet, und eine reiche Schar ihrer
Verwandten, ihrer guten Freunde und ihrer Anhänger gaben ihr das letzte
Geleite. Es waren sehr viele, die herbeigeeilt waren, um dieser wirklich
frommen Frau, dieser wackeren Frau den letzten Liebesdienst zu erweisen,
den sie auch tausendfach verdient hatte. Als Tochter des schon vor vielen
Jahren verstorbenen Lehrers Samuel Wechsel - das Andenken an den
Gerechten ist zum Segen -, eine Enkelin des bekannten Rabbiners
Abraham Wechsler - das Andenken an den Gerechten ist zum Segen -
in Schwabach, hat sie sich in ihrem
Leben ihrer Abstammung und Herkunft vollkommen würdig gezeigt. Am Grabe
schilderte Herr Rabbiner Dr. Breslauer aus Fürth, in Vertretung des
verhinderten Nürnberger Rabbiners Herrn Dr. Klein, die Vorzüge und die
guten Werke der teuren Entschlafenen, deren irdisches Wirken ein
fortgesetztes heiliges Tun bildete. Dann sprach ergriffen der eigene
Bruder, Herr Oberlehrer Wechsler in Aschbach,
seiner heimgegangenen Schwester tiefgefühlte Worte des Dankes und
Gedenkens nach. Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."
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Zum Tod von
Albert Ellern (1930)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 13. Juni 1930: "Nürnberg, 8. JUni (1930). Die
Gemeinde Adaß Israel in Nürnberg hat durch den nach mehrmonatlicher
Krankheit erfolgten Heimgang ihres allverehrten langjährigen treuen
Mitglieds Albert Ellern einen schweren Verlust erlitten, und
zahlreich waren die Freunde, die, obwohl die Möglichkeit der Publikation
durch Pfingsten sehr erschwert war, herbeigeeilt waren, um der Bahre des
Verblichenen zu folgen und ihm die letzte Ehre zu erweisen.
Als Freunde mussten alle, mit mit Albert Ellern, seligen Andenkens -
bekannt waren, ihn schätzen, denn sein vornehmes und liebenswürdiges
Wesen, seine feine Klugheit sicherten ihm bei Alt und Jung Freundschaft
und Ansehen und seine tiefe Frömmigkeit, die sich bei seiner
langjährigen ausgedehnten Reisetätigkeit bewährte, verschafften ihm die
Hochachtung aller, die ihn kannten. Albert Elllern - das Andenken an
den Gerechten ist zum Segen - war ein Auhev Hatorah (= einer
der die Tora liebt), der so gerne den Toravorträgen lauschte, die
Toraanstalten förderte und stützte, und seine Liebe zur Tora drückte
sich noch in den Worten aus, die der Verblichene seinen Lieben
hinterließ. Die Innigkeit seines Gebets, sein Üben von Gemilus
Chasodim (Wohtätigkeit), worin der Verblichene eine so tatkräftige
Unterstützung durch seine Gattin (aus der bekannten Breslauer Familie
Falk) fand, werden ihm ein stetes warmes Gedenken sichern. Bei der
Bestattung brachte Herr Rabbiner Dr. Klein in ergreifenden Worten
den Schmerz über den schweren Verlust zum Ausdruck und schilderte die
Vorzüge des Verblichenen; ferner sprachen Worte des Dankes im Namen der
Verwandten Herr Oberndörfer, Fürth, als Freunde Herr Prof. Dr.
Unna und Herr Rechtsanwalt Feilchenfeld. Seine Seele sei
eingebunden im Bund des Lebens." |
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Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 12. Juni 1930: "Heute verschied nach schwerer Krankheit in Badenweiler,
wo er Heilung suchte, unser lieber treubesorgter Hatte und Vater, unser
treuer Schwager und Onkel
Herr Albert Ellern
im 70. Lebensjahr. Nürnberg, den 7. Juni 1930.
Für die tieftrauernd Hinterbliebenen: Johanna Eltern geb.
Falk Recha Ellern Heinrich Ellern
Eugen Ellern.
Die Beerdigung hat Monat nachmittags 5 Uhr in Nürnberg
stattgefunden". |
Zum Tod von Josef Goldschmidt
(1931)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
24. Dezember 1931: "Nürnberg, 12. Dezember (1931). Am 2. Tewet,
dem letzten Tag von Chanukka (= 12. Dezember 1931), als die Lichtlein
unseres Chanukka-Festes für heuer zu Ende waren, ging auch das
Lebenslicht unseres allseits verehrten und hochgeschätzten Josef
Goldschmidt zu Ende, er schloss seine Augen im 77. Lebensjahre,
tiefbetrauert von seinen Kindern und tiefbeklagt von seinen vielen
Freunden, und seine Freunde waren alle, die diesen frommen, gütigen Mann
kannten. Seine Lebensführung war gekrönt von den jüdischen
Lebensaufgaben Wohltätigkeit und Tora und Gottesdienst
und der Verblichene hat diese Ziele in vorbildlicher Weise erreicht.
Josef Goldschmidt - seligen Andenkens - pflegte das Torastudium
sowohl für sich selbst, als auch mit vielen und bis in sein
höchstes Alter - solange es seine Körperkräfte ihm erlaubten -
versäumte er nicht, an Tora(studium) mit vielen nach dem
Morgengebet oder selbst in den späten Abendstunden sich zu beteiligen.
Aber nicht nur sein eigenes Torastudium lag dem Verblichenen am Herzen,
sondern er förderte auch das Toralernen, wo es ihm nur möglich war, sei
es durch Eintreten in materieller Hinsicht, sei es durch Förderung in
persönlicher, opfervoller Arbeit. In diesem Zusammenhang muss auch seines
verdienstvollen Wirkens für den Keren Hatorah gedacht werden.
Beherzigend schön war es auch, wenn man den Verblichenen beim Ausüben
des Gottesdienstes beobachten konnte, wie innig er sein Gebet
verrichtete, mit welcher Freude am Gebot das Gebot der
Beschneidung (?) ausübte, eine Verkörperung des Psalmenwortes 'froh
bin ich über deine Verheißung' (Psalm 119,162). Auch für Wohltätigkeit
wirkte der Verblichene mit der ganzen Freude seines Herzens, und eiferte,
auch andere aneifernd. Ebenso förderte er die religiösen und karitativen
Institutionen von Erez Jisrael mit der ihm eigenen Hingabe.
Zahlreich war die Trauerversammlung, die dem lieben Freunde die letzte
Ehre erweise. Herr Rabbiner Dr. Klein widmete dem Verblichenen, dem treuen
langjährigen Mitglied und eifrigen Förderer der Adas Israel Nürnberg
innige und herzliche Worte des Gedenkens und des Dankes für sein
segensreiches
Wirken." |
Zum Tod von Nathan Goldberger (1935)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17.
Januar 1935:
"Nathan Goldberger - das Andenken des Gerechten ist zum Segen.
Nürnberg, 13. Januar (1935).
Von tiefer Trauer erfüllt ist unsere Kehilloh Adas Isroel Nürnberg ob
des so unerwartet erfolgten Hinscheidens ihres ersten Vorsitzenden Nathan
Goldberger. Nathan Goldberger - das Andenken an den Gerechten ist zum
Segen - wird innig beweint von seiner Familie, deren Krone und Haupt
er war, ein fürsorglicher Gatte, ein liebender Vater und Großvater
seinen Kindern, Schwiegersöhnen und Enkelkindern; ein treuer Bruder und
Verwandter seinen Geschwistern und Anverwandten.
Nathan Goldberger - das Andenken an den Gerechten ist zum Segen -
wird tief betrauert von der ganzen Kehilloh Adas Israel, für die er
sorgte wie ein Vater. Seine Anwesenheit bei den Gottesdiensten und bei den
Veranstaltungen der Gemeinde erweckte ein Gefühl des Vertrauens und des
Geborgenseins. Die Freude am Gebot (Gottes), mit der er seine
Obliegenheiten als Parnes (Gemeindevorsteher) ausführte, erwärmte
und eiferte die an, die mit ihm in der Kehilloh vereint waren. Seine
unermüdliche Hingabe zur Förderung der Adas Isroel, seine
Opferfreudigkeit für das von ihm als Gutes Erkannte, war unbeschreiblich
und beispielgebend und übertrug sich auf die, welche er aufforderte, an
seinem Ziel mitzuarbeiten. Sein frohes und heiteres Wesen erfreute Groß
und Klein und gewann sie zur Mitarbeit mit Herz und Vermögen. Seine
Gastfreundschaft war sprichwörtlich. Groß war die Gefolgschaft derer,
die von nah und fern herbeigeeilt waren, um dem Verblichenen die letzte
Ehre zu erweisen. In tiefbewegten Worten schilderte Herr Rabbiner Dr.
Klein den schweren Verlust, den die Familie, die Kehilloh, er selbst
und die Judenheit durch das frühe Hinscheiden Nathan Goldbergers - das
Andenken an den Gerechten ist zum Segen - erlitt. Dann dankte unser
Raw für das viele Gute, das der Verblichene der Adas Isroel geleistet
hat, für die persönliche große Freundschaft, die hervorgerufen war
durch gemeinsames Wirken an einem großen Ziele. Er rpeis seine große
Liebe zur Tora, die sich an der ihm so glänzend gelungenen Erziehung
seiner Kinder und in der Auswahl seiner Schwiegersöhne auswirkte und
schilderte sein großes Bemühen zur Förderung von Tora und Mizwos, in
allem unterstützt von seiner edlen unermüdlichen Gattin. Für die
Vorstandschaft der Adas Israel sprach Herr Oberstudienrat Dr. Tachauer
herrliche Worte des Dankes und der tief empfundenen Trauer ob des so
unerwarteten schweren Verlustes. Im Namen der Familie gab der
Schwiegersohn des Verblichenen, Herr Rabbiner Dr. E. Munk, Ansbach,
in innigen ergreifenden Ausführungen der großen Trauer Ausdruck. Kein
Auge blieb tränenleer, als man die leibliche Hülle dieses geliebten
Mannes zur ewigen Ruhe bettete. Auch im Trauerhause haben täglich
während der Schiwoh die Vereine und Institutionen der Adas Isroel
Nürnberg durch ihre Vorstände, ferner Herr Munk, Ansbach und Herr
Rabbiner Dr. Breslauer, Fürth durch Hespedim (Trauerreden) das
Hinscheiden Nathan Goldbergers - das Andenken an den Gerechten ist zum
Segen - beklagt. Ein Mann ist von uns gegangen, der seine Lebenskraft
und Lebensfreude in den Dienst von Tauroh (Tora) und Mizwaus (Geboten)
stellte, und wie sein erstes Wirken der jüdischen Gesamtheit die
Mitbegründung des gesetzestreuen jüdischen Jugendvereins 'Chewra
Bachurim' in Nürnberg war, so ward ihm an seinem Lebensabend noch die Freude
gerade von den Jüngsten unseres Nachwuchses, dem Esra geehrt und erfreut
zu werden. Das was Nathan Goldberger - das Andenken an den Gerechten
ist zum Segen - war, wird uns stets in dankbarer Erinnerung bleiben.
Gott sende der schwergeprüften Familie Trost, uns allen aber Verständnis
und Kraft, Tauroh (Tora) und Mizwaus (Gebote) zur Verwirklichung zu
bringen, ein Streben, von dem der Verblichene mit seinem warmen, guten
Herzen erfüllt war. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des
Lebens." |
Hinweis
auf einen Zeitzeugenbericht aus Nürnberg in der NS-Zeit
Anmerkung: über die jahrelangen und sich seit November 1938 in brutalen
Gewalttätigkeiten äußernden Gräuel der Nationalsozialisten gerade in
Nürnberg können hier nur wenige Informationen gegeben werden. Vor allem sei
auf den Zeitzeugenbericht von Bernhard Kolb hingewiesen, aus dem
nachstehend zumindest einige Sätze zitiert werden sollen.
Über die
Ereignisse beim Novemberpogrom 1938
Aus dem Bericht von Bernhard Kolb: die Juden in Nürnberg 1839-1945,
bearbeitet von Gerhard Jochem (Quelle);
zitiert wird aus den Seiten 19-27, weiteres zu den Ereignissen ebd.
57-62) |
"In der Nacht vom 9./10. November fand
das bekannte Judenpogrom statt. Wiederum wurde es in Nürnberg mit
besonderer Rücksichtslosigkeit durchgeführt. Nach außen hin betätigte
sich dabei die uniformierte SA. Ich selbst wurde in der Nacht von
Gestapo-Beamten verhaftet und von SA-Männern, die schon vorher gewaltsam
in meine Wohnung eingedrungen waren, durch Schläge ins Gesicht und auf
den Kopf verletzt im im Kraftwagen in das Büro der Israelitischen
Kultusgemeinde gefahren. Auf der Rückfahrt sah ich, dass bei allen
jüdischen Geschäften die Schaufenster und Türen zertrümmert und die
Geschäfte geplündert waren. Ich wurde in das Polizeigefängnis gebracht,
wohin bereits eine große Anzahl von jüdischen Männern und Frauen
eingeliefert war. Ich kam dann mit den anderen männlichen Verhafteten ins
Zellengefängnis, wo nach und nach noch andere gefangene Juden eintrafen.
Viele trugen Spuren schwerster Misshandlungen. So sah ich einen Sigmund
Oppenheimer aus Nürnberg, einen Mann von über 80 Jahren, der vollkommen
mit Blut überströmt war; seine Kopfhaut war gespalten. Ein gewisser
Dingfelder, 77 Jahre, wurde auf die Straße ohne Schuhe geführt und
musste, nur mit einer Hose bekleidet, barfuss in der Kälte gehen. Ich sah
ferner einen gewissen Albert Heimann und Josef Saemann, welche beide
schwer misshandelt waren. Heimann hatte einen Bluterguss, der durch
Schläge auf die Schädeldecke entstanden war; sein Gesicht war schwarz
gefärbt. Ebenso hab ich schwer misshandelte Frauen gesehen. Ich erinnere
mich weiter eines Fritz Lorch, der am Tage vorher im jüdischen
Krankenhaus Fürth operiert worden war, in der Nacht aus dem Bett gezogen
und so schwer geschlagen wurde, dass er bald danach verstarb... Ein Paul
Lebrecht, wohnhaft in Nürnberg, Mittlere Pirkheimerstraße 20, wurde
erschlagen; man versuchte, ihn hierauf in den Hof zu werden, er blieb aber
mit seinen Kleidern an dem eisernen Gitter des Balkons hängen, wo er tot
aufgefunden wurde. Nathan Langstadt, in Nürnberg, Rankestraße 47
wohnhaft, wurde mit durchschnittener Kehle im Badezimmer seiner Wohnung
aufgefunden. Simon Löb, wohnhaft in Nürnberg, Mittlere Pirkheimerstraße
22, wurde ebenfalls in seiner Wohnung tot aufgefunden. Jakob Späth,
Nürnberg, Hochstraße 33 wohnhaft, wurde die Treppe hinunter geworfen,
sodass er unten tot liegen blieb.
So sind am 10. November 1938 eines gewaltsamen Todes gestorben außer den
bereits genannten Fritz Lorch, Paul Lebrecht, Simon Löb, Jakob Späth,
Nathan Langstadt [Freitod] noch Willy Behrens [Freitod], Friedrich Katz,
Emma Ullmann [Freitod] und Siegfried Selling [Freitod].
[Im Zusammenhang mit der "Reichskristallnacht] wurde vom
Leichenschauer der Selbstmord der folgenden Juden und Jüdinnen
beurkundet: Martin Herrmann, Zion Eichbaum, Mathilde Schülein, Berta
Schülein, Maria Schloß, Hedwig Süßheim, Louise Hartner, Isidor Sturm,
Geheimer Sanitätsrat Dr. [Alexander] Frankenburger, Geheimer Justizrat
[Leonhard] Frankenburger...
Alle diese Todesfälle müssen als Frucht der jahrelangen
systematischen Judenhetze Streichers angesehen werden. Er ist hiefür als
der geistige Urheber des Pogroms verantwortlich zu machen, da es ohne die
vorausgegangene durch ihn betriebene Verhetzung unmöglich in der
geschilderten Weise hätte durchgeführt werden können.
In der Nacht vom 9./10. November 1938 wurde auch die Synagoge in der
Essenweinstraße in Nürnberg durch den Leiter der Feuerwehr in Brand
gesetzt." |
Zur Geschichte der Synagoge
Mit Schreiben vom 29. Juli 1874 an die israelitische
Kultusgemeinde baten 32 Mitglieder der Gemeinde darum, im Betsaal des
Gemeindehauses eigene Gottesdienste nach traditionellem Ritus abzuhalten. Dies
wurde jedoch abgelehnt, da man die Auflösung der Einheit der Gemeinde
befürchtete. So wurden die ersten Gottesdienste (seit Neujahrsfest - Rosch
Haschana - 1874) in einem gemieteten Saal abgehalten. Zunächst kam kein
längerer Mietvertrag zustande: im Dezember 1874 wurde bereits der vierte
Betraum seit September dieses Jahres angemietet, doch konnte dieser vierte
Betraum immerhin für zunächst anderthalb Jahre gemietet werden. Dieser Betsaal
befand sich in der Straße "Am Gräslein". Die Mietvertrag konnte
mehrfach verlängert werden. Auch nachdem die israelitische Kultusgemeinde die
Möglichkeit einräumte, die Gottesdienste im Betsaal des Gemeindehauses
abzuhalten, wollte man von Seiten des Vereins die Gottesdienste nicht im
Gemeindehaus in Hörweite zur Orgel der Hauptsynagoge abhalten und blieb in dem
gemieteten Betsaal.
Auf Grund der immer
zahlreicher werdenden Gottesdienstbesuchern war der Betsaal des Vereins mit der Zeit zu klein, sodass
man sich ab 1899 um den Bau einer eigenen Synagoge bemühte.
Im Oktober des folgenden Jahres wurde in der Essenweinstraße ein Grundstück
für den Synagogenbau gekauft. Das Nürnberger Architekturbüro Ochsenmayer
& Wissmüller zeichnete die Baupläne für ein repräsentatives
Gemeindezentrum. Von der Architektur her wurden für den dreigeschossigen
Werksteinbau mit Mansarddach vor allem neuromanische, in den Maßwerkbrüstungen
auch neogotische Stilelemente verwendet. Über die Einweihung der Synagoge am 5.
September 1902 liegt folgender Bericht vor:
Einweihung der Synagoge des Vereins "Adaß
Jisroel" (1902)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 9. September 1902: "Nürnberg, 5. September (1902). Heute
Abend, um 5 1/2 Uhr, fand die feierliche Synagogen-Einweihung des Vereins
'Adaß Jißroel - Israelitische Religionsgesellschaft - (a.V.) hierselbst
statt. In der Vorhalle des prachtvollen Baues versammelten sich die
Mitglieder der Vorstandschaft und des Bau-Ausschusses, sowie die
Ehrengäste. Herr Architekt Ochsenmayer überreichte mit einer
Ansprache den Schlüssel dem ersten Vorsitzenden, Herrn Don Sichel,
welcher in wohlgeformter, sehr beifällig aufgenommener Rede erwiderte.
Hieran reihten sich die Reden der Herren Vorstandsmitglieder Grünbaum
und Meyer, die ebenfalls von Begeisterung getragen waren. In
tiefgefühlten Worten pries Herr Grünbaum des Allgütigen Fügung,
während Herr Meyer dem Bau-Ausschuss namens des Vereins dankte und
hervorhob, dass die 'Bauarbeit' mit dem heutigen Tage keine abgeschlossene
sein dürfe, sondern dass wir weiter sorgen müssen, den Glanz der
herrlichen Heimstätte, zur Ehre des Ewigen errichtet, durch die
Förderung der Tora zu erhalten. Nun begann der Festakt in der Synagoge,
dessen Programm wir hier folgen: 1. Ma Towu, 2. S'u Scheorim, beide
gesungen vom Kantor und Chor. 3. Einzug mit den Torarollen in die
Synagoge. 4. dreimaliger Umzug um den Almemor, wobei no haschem bis b'jom
korenu vom Kantor und Chor gesungen wurde, 6. Öffnen der heiligen Lade:
Wajehi binsoa, gesungen vom Kantor und Chor, 6. die Torarollen werden in
die heilige Lade verbracht, 7. der Kantor betritt mit der Torarolle den
Almemor, trägt das Königsgebet vor und verbringt dann die Torarolle
ebenfalls in die heilige Lade. 8. Uvenucho jomar, gesungen vom Kantor und
Chor, 9. Festrede (Herr Ansbacher), 11. Minchagebet, 12. Maariwgebet mit
teilweise Chorbegleitung. Um 8 Uhr Abends war die erhebende Feier beendet,
die für alle Beteiligten unvergesslich bleiben wird." |
Besondere Ereignisse in der Synagoge werden immer
wieder berichtet, so der Besuch Prinz Ludwigs in der Synagoge im Juni
1911:
Prinz Ludwig besucht die Synagoge des Vereins Adas
Jisroel (1911)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
15. Juni 1911: "Nürnberg, 13. Juni (1911). Heute abend 6
3/4 Uhr besichtige Seine Königliche Hoheit Prinz Ludwig mit seinem
Gefolge die Synagoge des Vereins Adas Jisroel. Am Portal empfingen den
hohen Herrn die Herren vom Vorstand und geleiteten ihn in das Gotteshaus,
wo er von Herrn Rabbiner Dr. A. Klein in einer sehr herzlichen,
dankerfüllten Rede empfangen wurde, die eine tiefen Eindruck machte. Der
Synagogenchor im Verein mit Herrn Kantor A. Neufeld stimmten Boruch
haboh an und dann besichtigte der Prinz unter Führung der Herren die
Synagoge und alle ihre Einrichtungen eingehend, unterhielt sich in
huldvollster Weise über die Lage des Vereins und der Juden im
allgemeinen. Wiederholt drückten ihm Rabbiner und Vorstände herzlichen
Dank aus für das huldvolle Entgegenkommen und Wohlwollen seitens des
Königlichen Hauses und der Königlichen Staatsregierung gegenüber dem
Verein, dessen Vorwärtsschreiten dadurch ganz wesentlich bedingt gewesen,
und im besonderen für den huldvollen Besuch während des kurzen
Aufenthaltes des Prinzen in Nürnberg.
Nach 1/2-stündigem Aufenthalte verließ der Prinz unter den Klängen des
Hallelujah, das besonders wirkungsvoll vorgetragen wurde, die Synagoge
unter dem Ausdruck hoher Befriedigung." |
In Nebengebäuden der Synagoge in der Essenweinstraße befanden
sich - vor allem auch nach der Erweiterung um einen dreigeschossigen Anbau im
Jahr 1916 - Versammlungsräume des Vereins, eine Bibliothek sowie die Jüdische
Volksschule und eine Talmudschule (vgl. Bericht oben über die Prüfungen in der
Nürnberger Jeschiwa 1924).
Nach der von den Nationalsozialisten erzwungenen Enteignung, Schließung und
anschließenden Abbruches der Hauptsynagoge seit Juli/August 1938 wurde die
Synagoge von "Adas Israel" für wenige Monate Zentrum des jüdischen
Gemeindelebens auch der bislang die Hauptsynagoge besuchenden jüdischen
Einwohner der Stadt.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge von "Adas Israel"
geschändet und zerstört. SA-Männer zerschlugen mit brutaler Gewalt die
Inneneinrichtung. Ein Teil der wertvoll erscheinenden rituellen Gegenstände
(Silbergeräte) wurde abtransportiert. Bewegliche Teile der Inneneinrichtung,
Bücher usw. wurden im Bereich der Bima in der Mitte der Synagoge auf einen
Haufen geworfen und schließlich angezündet. Die bereits am Ort befindlichen
Löschmannschaften der Feuerwehr, die auch aktiv an der Brandstiftung beteiligt
waren, schützten vor allem die angrenzenden
Wohnhäuser mit Wasserfontänen. Jüdische Personen, darunter auch Kinder,
wurden aus umliegenden Häusern unter Prügeln zur Synagoge getrieben, wo sie
den Anblick der brennenden Synagoge ertragen mussten.
Adresse/Standort der Synagoge: Essenweinstraße
7
Fotos
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Gerhard Jochem: Mitten in Nürnberg. Nürnberg
1998. |
| Arnd Müller: Geschichte der Juden in Nürnberg
1146-1945. Nürnberg 1968. |
| Meier Schwarz: Gedenkschrift der "Adas
Israel" Nürnberg anlässlich der Einweihung der Synagoge vor 100
Jahren und ihrer Zerstörung in der Pogromnacht vor 64 Jahren. Jerusalem
2002. |
| "Mehr
als Steine..." Synagogen-Gedenkbach Bayern Band II: Mittelfranken. Bearbeitet
von Barbara Eberhardt, Cornelia Berger-Dittscheid, Hans-Christopf Haas und
Angela Hager, unter Mitarbeit von Frank Purrmann und Axel Töllner mit einem
Beitrag von Katrin Keßler.
Herausgegeben von Wolfgang Kraus, Berndt Hamm und Meier Schwarz.
Reihe: Gedenkbuch der Synagogen in Deutschland. Begründet und hrsg. von
Meier Schwarz, Synagogue Memorial Jerusalem.
Verlag Josef Fink, Lindenberg im Allgäu. 2010.
Zu Nürnberg: S. 466-505 (mit zahlreichen Literaturangaben). |
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
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