Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Mannheim (Stadtkreis )
Texte/Berichte zur jüdischen Geschichte der Stadt 
   
Hier: Berichte zu den Rabbinern, Lehrern sowie weiteren Kultusbeamten des 19./20. Jahrhunderts (bis 1938)  

Die nachstehend wiedergegebenen Texte mit Beiträgen zur jüdischen Geschichte in Mannheim wurden in jüdischen Periodika gefunden. 
Bei Gelegenheit werden weitere Texte eingestellt  
Die Texte wurden dankenswerterweise von Frau Susanne Reber, Mannheim, abgeschrieben und mit ergänzenden Anmerkungen versehen.       
      
    
  
Übersicht:     

bulletAus der Geschichte der Rabbiner in Mannheim   
Über Rabbiner Naphtali Hirsch Katzenellenbogen (gest. 1800 als Rabbiner in Mannheim; Artikel von 1867) 
Ü
ber Moses Präger (geb. 1817 in Altdorf, gest. 1861 in Mannheim)   
-  Auf die Bestätigung der Wahl von Rabbiner Moses Präger durch den Oberrat wird noch gewartet (1854)   
-  Rabbiner Moses Präger veröffentlicht eine Predigt "der verlorne Sohn" (1857)  
-  Rabbiner Moses Präger hat eine Sammlung seiner Predigten herausgegeben (1859)  
Zum Tod von Stadtrabbiner Moses Präger (1861) 
-  Zur Wiederbesetzung des Rabbinates (1862)   
Rabbiner Dr. Markus Jastrow verlässt Mannheim (1862)  
Hinweise zu Rabbiner Isaac Blumenstein (1843 - 1903), 1870 als Rabbinatskandidat in Mannheim, seit 1871 Großrabbiner in Luxemburg 
-  Über den jüdischen Gottesdienst im Felde - Bericht von Feldrabbiner Dr. Isaac Blumenstein (1870)   
-  Stadtrabbiner Dr. Bernhard Friedmann tritt in den Ruhestand (1879)   
-  Ausschreibung der Stadt-Rabbiner-Stelle (1879)  
-  Zum Tod von Rabbiner Dr. Bernhard Friedmann (1886) 
Ausschreibung der Stelle des zweiten Rabbiners (1886) 
Rabbiner Dr. P. Cohn wird Distriktsrabbiner in Ansbach (1894)   
25-jähriges Amtsjubiläum von Rabbiner Dr. Moritz Steckelmacher (1905)  
Predigt von Rabbiner Dr. Moritz Steckelmacher zu Ehren des neuen oberrätlichen Gebetbuches (1907)   
-  Zum Tod von Stadtrabbiner Dr. Moritz Steckelmacher (1920)   
Rabbiner Dr. Max Grünewald wird als Gemeinderabbiner gewählt (1926)  
-  Antrittspredigt von Rabbiner Dr. Robert Raphael Geis (1934)  
-  Ausschreibung des Rabbinats in der Hauptsynagoge (1937)  
bulletZu den Rabbinern der "Klaus"  
Ausschreibung der Stelle des Klausrabbiners (1878) 
Zum Tod von Rabbiner Löb Ettlinger (1884)   
Eine neue Publikation von Rabbiner Dr. Julius Fürst ist im Entstehen (1885) 
Rabbiner Dr. Ludwig Rosenthal wird zum Klausrabbiner ernannt (1895) 
-  Rabbiner Dr. Ludwig Rosenthal wurde nach Köln berufen (1897)  
Rabbiner Dr. Isak Unna wurde als Klausrabbiner nach Mannheim berufen (1897)  
-  Rabbiner Dr. Julius Fürst erhält eine Auszeichnung (1898) 
Zum Tod von Rabbiner Dr. Julius Fürst (1899)  
Beitrag von Rabbiner Dr. Isaak Unna über den biblischen Josef (1901)  
-  25-jähriges Ortsjubiläum von Rabbiner Dr. Isak Unna (1922)  
Rabbiner Dr. Chaim Lauer aus Biel wird als Direktor der hebräischen Schule der Lemle Moses-Klaus-Stiftung berufen (1925)  
-  Zum Tod der Frau von Rabbiner Buttenwieser (1927)  
70. Geburtstag von Rabbiner Joseph Arie Buttenwieser (1927)  
Zum Tod von Rabbiner Josef Arie Buttenwieser (1927)  
-  60. Geburtstag von Rabbiner Dr. Isak Unna (1932)  
-  Beitrag von Rabbiner Dr. Isak Unna "Um die Zukunft des thoratreuen Judentums in Palästina" (1934)  
Abschied von Rabbiner Dr. Isaak Unna (1935)  
Zum Tod von Dr. Gedalia Unna, Sohn von Rabbiner Dr. Isaak Unna (1938)    
bulletBerichte zu den jüdischen Lehrern und weiteren Kultusbeamten sowie zum jüdischen Schulwesen 
-  Oberlehrer Dr. Wolff ist für den israelitischen Schullehrer-, Witwen- und Waisenfonds tätig (1841)  
-  Ausschreibung der Unterlehrerstelle an der israelitischen Volksschule und Besetzung mit Mayer Weil (1850 / 51) 
Oberlehrer Dr. Wolff feiert sein 40jähriges Dienstjubiläum (1857) 
-  Zum Tod von Hauptlehrer Mayer Weil (1873; Bericht von 1874)  
-  Ausschreibung der Stelle des ersten Kantors (1874) 
D
er jüdische Lehrer Kern wurde zum Mitglied des Ortsschulrates gewählt (1884)  
Statistik der Konfessionszugehörigkeit an den Mittelschulen (1888) 
-  Neue Publikation zur Schulgeschichte Mannheims mit Darstellung des jüdischen Schulwesens (1891) 
Der jüdische Hauptlehrer L. Kern war Vertreter des Rektors der Mannheimer Volksschule (1891)     
50-jähriges Berufsjubiläum von Hauptlehrer L. Kern (1892)  
Jahresberichte der Hebräischen Schule (Lemle Moses'sche Klausstiftung) (1891 / 1894)  
Statistik zum Anteil der jüdischen Schüler und Schülerinnen an den höheren Schulen (1903)  
40-jähriges Dienstjubiläum von Vorbeter W. Schuster (Klaussynagoge) (1909)   
Kantor Kurzweil tritt sein Amt an der Klaussynagoge an (1912)  
Ausschreibung der Stelle des Kantors (1920)   
Ausschreibung der Stelle des Ersten Kantors der Klaus-Synagoge (1920)  
25-jähriges Ortsjubiläum des Kultusbeamten Josef Traub (1924)    
Der Kultusbeamte Josef Traub tritt in den Ruhestand (1932) 
85. Geburtstag von Leopold Simon  -  Lehrer Kohn aus Schlüchtern und Lehrer Dr. Ucko nehmen ihre Tätigkeit auf (1929) 
Zum Abschied von Prof. Dr. Sal. Levi (1935)  
Abschied von Schochet und Kantor H. Epstein und Rabbiner Dr. Roth (1937)     

    
    
Aus der Geschichte der Rabbiner in Mannheim   
Über Rabbiner Naphtali Hirsch Katzenellenbogen (gest. 1800 als Rabbiner in Mannheim; Artikel von 1867)   
Anmerkung: Naftali Hirsch Moses Katzenellenbogen (geb. ca. 1715 Schwabach, gest. 1800 Mannheim; Sohn des Rabbiners Moses): studierte in Frankfurt, 1741-1763 Rabbiner für den Tauber-Neckar-Kreis des Deutschen Ordens mit Sitz in Mergentheim, 1763-1800 Landesrabbiner der Kurpfalz mit Sitz in Leimen/Heidelberg, zugleich 1763-68 Hausrabbiner bei Hoffaktor Aron Elias Seligmann in Leimen, 1768 verlegte er den Amtssitz als Landesrabbiners nach Mannheim, hier gleichzeitig Oberrabbiner an der Klaus, entfaltete eine reiche Lehr- und Forschungstätigkeit (insbesondere zum Talmud).  

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. Januar 1867: "Galerie der Rabbiner. Erste Centurie. (Fortsetzung) 11. (hebräisch und deutsch:) Rabbiner Naphtali Hirsch Katzenellenbogen hatte sich schon in der frühesten Jugend zum wahren Rabbiner gebildet, sich mit Freuden allen Aufopferungen unterworfen, welche dieser Stand mit sich führt und sich der frömmsten Lebensart beflissen. Kaum war er sechzehn Jahre alt, als er sich zu Frankfurt am Main durch eine rabbinische Dissertation (Chiluk) voll Scharfsinn und tiefer Gelehrsamkeit auszeichnete und die Bewunderung aller Kenner erregte. Der Oberrabbiner Jakob Cohen Poppers* zog ihn an seinen Tisch und beehrte ihn mit einem Rabbiner-Diplom. Diese Auszeichnung machte einen tiefen Eindruck auf das Herz der Tochter des Oberrabbiners von Frankfurt. Frommet, so hieß das junge Mädchen, hatte nun keinen anderen Wunsch mehr als diesem hochgeehrten Jüngling ihr Leben zu weihen. Ihre Eltern, die ihren Wunsch bald errieten, überredeten Naphtali Hirsch in Frankfurt zu bleiben und unter der Direktion Cohen Poppers* sein Studium zu vollenden. Der junge Katzenellenbogen, der nicht lange vorher seinen Vater und Lehrer, den Rabbiner
Mannheim Israelit 30011867a.jpg (155797 Byte)Moses Katzenellenbogen von Ansbach verloren hatte, nahm dieses Anerbieten mit Dank an und so wurde er Schüler und Schwiegersohn des hochgerühmten Maharich.
Im Jahre 1740 veröffentlichte er in Homburg vor der Höhe, bei Aaron Zebi Hirsch, die Chiruschei Ramban oder Discussive Expositionen, zum Talmudtraktat Jebamot von R. Moses ben Rachman, nach einer alten Handschrift und nannte seine Ausgabe: Toledot Adam. Bald darauf wurde er zum Rabbiner in Mergentheim und anderen Gemeinden an der Tauber und dem Neckar gewählt. Hier schrieb er 1747 eine rabbinische Approbation zum Zwi Kodesch, eine andere 1761 zum Reschit Chochma. Aus der Überschrift dieser letzten Approbation geht hervor, dass unser Rabbiner Katzenellenbogen zur Zeit der Herausgabe des Reschit Chochma, d.i. 1763 zum Rabbiner in Heidelberg und der Pfalz ernannt wurde, nachdem er dem Rabbinate von Mergentheim mehr als 22 Jahre vorgestanden.
In Heidelberg gab er 1767 eine Druckapprobation zu Maimonides (https://de.wikipedia.org/wiki/Maimonides) großem Werke: Mischne Tora. In demselben Jahre nahm er Anteil an dem Streit der Frankfurter Rabbiner gegen den Rabbiner von Krefeld. Er stand mit den meisten Rabbinern Deutschlands auf der Seite der Verfolgten (Vergl. Or Hajaschar, S.13 a und 13 b). Bei dieser Gelegenheit schrieb er zwei Rechtsgutachten, wovon eines an R. Teble Heß, Rabbiner in Mannheim, gerichtet war. Da R. Teble bald darauf starb, so erhielt er dessen Platz in Mannheim, nachdem er sechs Jahre hindurch in Heidelberg rühmlich gewirkt hatte. In Mannheim war es ihm vergönnt, noch 32 Jahre lang den Rabbinerstuhl zu zieren. Er starb im hohen Greisenalter, in der Nacht des 2. Tischri 561, d.i. den 21. September 1800, nachdem er 60 Jahre als öffentlicher Rabbiner segensreich gewirkt hatte. Während dieser langen Zeit seiner Amtstätigkeit gab er über viele in- und auswärtige kasuistische Fragen rabbinische Bescheide ab, die er gesammelt hinterließ. Die Collect. Michael Nr. 785 enthält einen Teil dieser Rechtsgutachten von seiner eigenen Hand geschrieben. Die Nr. 788-9 derselben Collection bewahrt eines auf.
*Anmerkung: Jacob Ben Benjamin Cohen Poppers: deutscher Rabbiner, geboren Mitte des 17. Jahrhunderts in Prag, starb 1740 in Frankfurt a. M. Sein Vater war ein sehr geachteter Talmudgelehrter. Rabbiner Jacob Cohen Poppers amtierte als Rabbiner in Koblenz, Trier und Halberstadt. 1718 wurde er nach Frankfurt a. M. berufen. Bedeutende Werke: 'Schab Ja'akob' (Frankfurt a. M., 1742) und 'Hidduschim' (Fürth, 1741) http://www.jewishencyclopedia.com/articles/12280-poppers-jacob-ben-benjamin-cohen.  

   
Über Rabbiner Moses Präger (geb. 1817 in Altdorf, gest. 1861 in Mannheim)  

Moses Elias Präger ist 1817 in Altdorf geboren als Sohn des Lehrers Elias Hirsch Präger und der Gittel geb. Löwenstein; er studierte in Karlsruhe, Mannheim, Heidelberg und war 1847-1854 Bezirksrabbiner in Bruchsal, 1854-1861 Stadt- und Bezirksrabbiner in Mannheim. 1855 gab er ein neues israelitisches Gebetbuch heraus, das heftigen Widerstand konservativer Kreise herausforderte. Die Gründung des Mannheimer Waisenvereins ist ein besonderes Verdienst von ihm. Er starb am 8. November 1861 in Mannheim.  
  
Rechts: Artikel von Rabbiner Benjamin Willstätter über "Moses Präger" in "Badische Biographien" Bd. II S. 144-145. Der Artikel wurde nicht ausgeschrieben - zum Lesen bitte Textabbildung anklicken. Praeger 010a.jpg (138797 Byte) Praeger 010b.jpg (156619 Byte)   Text online siehe: https://digital.blb-karlsruhe.de/blbihd/periodical/pageview/152141

 
Auf die Bestätigung der Wahl von Rabbiner Moses Präger durch den Oberrat wird noch gewartet (1854)         

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 30. Oktober 1854:  "Die Wahl des Herrn Präger zum Rabbiner in Mannheim harrt noch immer der Bestätigung von Seiten des Oberrats in Karlsruhe."    

 
Rabbiner Moses Präger veröffentlicht eine Predigt "der verlorne Sohn" (1857) 
Anmerkung: zu Rabbiner Präger vgl. den Wikipedia-Artikel "Moses Präger" ; Abbildung von Rabbiner Moses Präger: https://scope.mannheim.de/detail.aspx?ID=723706.     

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 21. Dezember 1857:  "Vom Rhein, im Dezember (Privatmitteilung). Herr Rabbiner Präger in Mannheim hat soeben eine sehr lesenswerte Predigt, 'der verlorene Sohn', veröffentlicht. Die geistigen und begeisternden Reden dieses würdigen Mannes haben auch auf den Gottesdienst der übrigen Landgemeinden Badens sehr segensreichsten Einfluss; hingegen lässt unser Schulwesen noch vieles zu wünschen übrig. Da trifft man noch alte und veraltete Schulschriften an (Rosenfelds Fibel) und es ist zu bewundern, dass die Lehrer Badens sich so wenig nach den neuen Erzeugnissen der Schulliteratur umsehen.
Wir möchten den Großherzoglichen Oberrat auf die trefflichen, in ganz Deutschland verbreiteten Schulschriften des Emanuel Hecht aufmerksam machen. Die Hecht'sche biblische Geschichte, 3. Auflage, die noch Geographie und Karte von Palästina enthält, verdient ihrer gemütlichen und kindlichen Darstellung wegen allgemeine Einführung. –
Nicht uninteressant wird den Lesern Ihrer geschätzten Zeitung die Mitteilung sein, dass ich schon bei einigen protestantischen Pfarrern Ihre Siloah und Ihr Predigtmagazin fand. Dass auch christliche Gelehrte sich die Werke jüdischer Autoren – wenn auch vielleicht incognito – anschaffen, hat immer einige Bedeutung. – Bei dem bekannten Unglücke (sc. Pulverturmexplosion in Mainz im Jahr 1857) in Mainz, haben die jüdischen Glaubensgenossen einen tagelangen Gottesdienst abgehalten, und hat sich für die Verunglückten ein Hilfskomitee aus allen Konfessionen gebildet, welche den Bürgermeister an der Spitze hat. Wie man hört, soll das Haus Rothschild eine bedeutende Unterstützungssumme zur Verfügung gestellt haben. I. - L …"
Anmerkung: Emanuel Hecht (1821-1862), deutscher Gelehrter und Autor zahlreicher Schriften zur jüdischen Religion. Siehe einige Texte auf einer Seite zu Hoppstädten. Wikipedia-Artikel (englisch): https://en.wikipedia.org/wiki/Emanuel_Hecht.   

   
Rabbiner Moses Präger hat eine Sammlung seiner Predigten herausgegeben (1859)       

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 1. August 1859:  "Wir schließen mit folgender Pièce. Der Stadtrabbiner M. Präger in Mannheim, ein Mann, der in seinem Amte aufs Segensreichste wirkt, ist von vielen Zuhörern aufgefordert worden, eine Sammlung seiner Predigten herauszugeben. Er will Diesem nun nachkommen, indem unter dem Titel 'Sabbathfeier' eine Reihe von Predigten in je 30, aber zwanglosen Lieferungen erscheinen soll, von denen jede Lieferung eine Predigt enthalte. Als Probe wird ausgegeben: 'Das Heiligtum der Religion, Text 2. Mose 25, 8, gehalten am S. Theruma 5615 (4. März 1854)', und war dies die Probepredigt des Verfassers zu seinem jetzigen Amte selbst. Mit Recht wählte daher der Verfasser diese zur Einleitung in seine Sammlung. Er wollte damit seine Ansichten darlegen, die sich als die der gemäßigten Reform bezeichnen, welche keinen Neubau, sondern einen Umbau aus dem geschichtlichen Judentum nach dem Geiste und Bedürfnisse der fortgeschrittenen Kultur und des frei gewordenen Israels beabsichtigt. Der Redner legt dies dar, indem er über 'die Aufgabe Israels' spricht, den 'Glauben in seiner Reinheit und das sittliche Leben in seiner Heiligkeit zu erhalten.' Der Verfasser gehört zu den Rednern, die in edler, ruhiger, bemessener Weise den Hörer sanft überreden, würdig überzeugen und liebevoll bestärken, ohne gewaltige Erregung, Schwung und Sturm, anzuwenden. Seine Weise ist gedankenvoll und angenehm in den Wendungen. Wir wünschen daher lebhaft, dass das Unternehmen einen glücklichen Fortgang habe."       

    
Zum Tod von Stadtrabbiner Moses Präger (1861)    
Anmerkung: zu Rabbiner Präger vgl. den Wikipedia-Artikel "Moses Präger" .   

Mannheim AZJ 01101862.jpg (268089 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 1. Oktober 1861:  "Mannheim, im Dezember (Privatmitteilung). Durch ein Versehen wurde Ihnen der folgende Nekrolog des seligen Stadtrabbiners Präger nicht rechtzeitig übersandt. Das Interesse an dem frühverklärten Manne ist aber zu groß, als dass diese Erinnerung an ihn nicht noch einen Raum in diesen Blättern finden sollte.
Nekrolog. Die erste Stunde der Ruhe und Fassung, die wir nach dem tief empfundenen schweren Verluste unseres innig geliebten und verehrten Freundes, des seligen Stadtrabbiners Präger wiedergewonnen, glauben wir dazu verwenden zu sollen, dass wir für die zahlreichen Freunde und Verehrer desselben seinen Lebens- und Bildungsgang in kurzen Umrissen entwerfen.
Moses Präger wurde am Neujahrstage 1817 zu Altdorf, Amtsbezirk Ettenheim, geboren. Sein Vater, ein Mann der alten Schule und Richtung, mit gründlichen rabbinischen Kenntnissen ausgerüstet, von milder und versöhnlicher Gemütsart, den profanen Wissenschaften zwar fremd, aber durchaus nicht feind, ward im Jahre 1822 als Bezirksrabbiner nach Bruchsal berufen. In der dortigen israelitischen Schule genoss der geistesrege Knabe den ersten Elementarunterricht, während er im zarten Alter schon vom Vater ins Hebräische eingeführt und zum Studium der Bibel in der Ursprache vorbereitet wurde. Zur Freude seiner Eltern wie seiner Lehrer wuchs der Knabe wie an Jahren, so an Kenntnissen und Lernbegierde, und wurde darum zur theologischen Laufbahn bestimmt.
Ein fleißiger und wissensdurstiger Schüler, ward er bald der Liebling seiner Lehrer; zu Hause lehrte ihn der Vater Bibel und Talmud kennen. Nach einigen Jahren des besten Fortgangs sollte der Jüngling auch mit der Lehrweise anderer namhafter Talmudlehrer sich bekannt machen und wurde zu diesem Behufe nach Karlsruhe und einige Zeit später hierher geschickt. Nachdem er so im rabbinischen Fachstudium gründlich Kenntnisse gesammelt, kehrte er im Herbste des Jahres 1834 ins Vaterhaus zurück, saß von neuem zu Füßen seines väterlichen Meisters, mit warmer Kindesliebe die Unterweisung des greisen Vaters in sich aufnehmend, trat überdies in die oberen Klassen des Gymnasiums ein, das er im Jahre 1837 absolvierte.
So vorbereitet, bezog er alsbald die Universität Heidelberg, wo er bis zum Jahre 1839 seine Studien mit Fleiß und Eifer oblag, sodass er noch in demselben Jahre die wissenschaftliche Prüfung mit Auszeichnung bestand und im nächsten Jahre nach gleichfalls glücklich bestandenem jüdisch theologischen Examen unter die Zahl der Rabbinatskandidaten aufgenommen wurde.
Seine erste Probepredigt, ausgezeichnet ebenso wohl durch Ideenreichtum und glänzende Diktion, als streng logische und leichtfassliche Anordnung, prognostizierte ihm, er werde mit der Zeit ein talentvoller, tüchtiger Kanzelredner werden, als welchen er sich später auch in vollem Maße bewährt hat.
Vom Jahre 1840 ab nahm ihn der Vater zum Vikar an seine Seite und es gestaltete sich zwischen beiden ein seltenes harmonisches Zusammenleben und Wirken; die alte und neue Zeit lernten sich miteinander vertragen und söhnten sich durch wechselseitig liebe- und nachsichtsvolles Entgegenkommen nach und nach aus. Der Spross der Neuzeit schmiegte sich an den alten Stamm fest und rankte langsam an ihm empor. Manche neue bessere Ordnung in Schule und Synagoge wusste der Sohn durch seine Befürwortung beim Vater ins Leben zu rufen und damit eine weitere
Mannheim AZJ 01101862a.jpg (296056 Byte)Reform anzubahnen; dagegen blieb er aus Pietät dem Vater den weitgreifenden Reformversammlungen fern, obwohl er grundsätzlich dieselben billigte und später sich offen dazu bekannte.
Im Jahre 1846 erhielt der Verewigte den Ruf als Landrabbiner in Meiningen, den er in Rücksicht des hohen Greisenalters seines Vaters ablehnte, zumal ihm der Großherzogliche Oberrat die Amtsnachfolge eben zugesichert hatte. Im folgenden Jahre 1847 ward der greise Bezirksrabbiner Präger (sc. Rabbiner Elias Präger) zu seinen Vätern versammelt, und unser Moses folgte ihm im Amte. Obwohl nunmehr eine freiere, weil selbständige Stellung behauptend und ungeachtet vielseitig dazu aufgefordert, vermied unser seliger Freund dennoch, die Bahn einer entschiedenen religiösen Reform zu betreten, sein milder, versöhnlicher, den Frieden über alles liebender Charakter hielt ihn davon ab.
Dem Kultus hingegen widmete er von nun an seine volle Aufmerksamkeit und Sorgfalt, er wollte ihn erhebender, erbaulicher und nutzbringender machen; er arbeitete um diese Zeit sein Erbauungsbuch aus, dass im Jahre 1851 zu Brilon erschien und im vergangenen Jahre verband er sich auch ehelich mit seiner nunmehr von Kummer beschwerten Lebensgefährtin.
Im Spätjahre 1854 wählte ihn die hiesige Gemeinde zu ihrem Rabbiner und eröffnete ihm die Bahn, auf der er unsterblichen Ruhm sich errungen. Wir wagen es nicht, sein Leben und Wirken von hier ab zu schildern; ist dies ja unser aller Herz und Gedächtnis mit unverlöschlichen Zügen geschrieben – und dem kommenden Geschlechte mag die vortreffliche Gedächtnisrede erzählen, die eben dem Drucke übergeben worden.
Was wir mit am 8. des Monats Heimgegangenen verloren, bekundete die aufrichtige Trauer, die bei der Todesnachricht auf aller Gesicht sich ausprägte und heute noch nicht verwischt ist, bezeugte ferner die allgemeine Teilnahme bei der Leichenbestattung und er darauffolgenden Seelenfeier. Zehn befreundete Amtsgenossen von Nah und Fern gingen trauernd hinter der Bahre her; alle Kaufläden der israelitischen Gemeinde waren geschlossen, aller Geschäftsverkehr ruhte zurzeit, da man dem verehrten Seelenhirten die letzte Ehre erweisen sollte. Die Grabrede hielt der stellvertretende Klausrabbiner Lindemann; nach ihm drückte der Vorsteher des Synagogenrats, Herr Dr. Ladenburg, die Gefühle der Gemeinde in kurzen, aber inhaltsschweren Worten aus. Es folgte nunmehr eine ebenso erschütternde, als erhebende Seelenfeier in der Synagoge, wobei Herr Rabbiner Dr. Stein aus Frankfurt die Gedächtnisrede hielt, die anknüpfend an die Einweihungspredigt des verewigten Lehrers in sinniger und würdigster Weise dessen Verdienste um die Gemeinde und ganz Israel hervorhob. Wenn der ausgezeichnete Kanzelredner am Schlusse seines Vortrages sagte: 'Nur ein solcher Mann konnte in solcher Gemeinde Solches leisten', so sagten wir: 'Nur ein solcher Redner mit dem liebeswarmen Herzen und der Feuerzunge konnte vor solcher Gemeinde eines solchen Toten würdige Feier bereiten.'
'Der Gerechte bleibt in ewigem Andenken'. Diesem Nekrologe lassen Sie mich hinzufügen, dass unsere Gemeinde die Verehrung gegen ihren verklärten Lehrer auch durch die Tat erwiesen hat. Die
Gemeinde hat der Witwe auch desselben eine lebenslängliche Pension von 500 Fl. zugesichert; ein Komitee brachte in wenigen Tagen 1.200 Fl. zur Errichtung eines würdigen Grabdenkmals zusammen und widmete der Witwe eine von sämtlichen Mitgliedern der Gemeinde unterschriebene Beileidsadresse und veranlasste die Herausgabe des Bildnisses der Verewigten zu Gunsten der von ihm gestifteten Waisenanstalt. W……r."  
 
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 26. November 1861: "Mannheim, 10.November. Soeben kommt uns die Trauerbotschaft zu, dass der Stadtrabbiner Präger seinem Brustleiden erlegen ist. Die 'Karlsruher Zeitung' berichtet über sein Leichenbegräbnis vom obigen Datum: Diesen Nachmittag wurde die Leiche des verstorbenen Rabbiner Präger zur Erde bestattet. Ein Leichenzug, wie er selten hier vorkommt, folgte dem Sarge. Der Kreisdirektor, großherzogliche Beamte, der Oberbürgermeister und Mitglieder des Gemeinderats, die Geistlichkeit und die Volksschullehrer der katholischen und evangelischen Konfession, die Professoren des Lyceums und der höhern Bürgerschule, Gesangsvereine, die am Grabe den letzten harmonischen Nachruf brachten, schlossen sich den israelitischen Rabbinern, der Schuljugend, vielen von auswärts gekommenen Freunden und Verehrern des Hingegangenen und der großen Schar der hiesigen Gemeinde an, um dem Verblichenen die letzte Ehre zu erweisen. Eine religiöse Feier in der herrlichen neuen Synagoge (sc. Hauptsynagoge in F2, 13) beschloss nach der Rückkehr vom Friedhof das Leichenbegräbnis, bei welchem durch fremdes Wort und eigenes Gefühl jedem klar wurde, welch' reichen Schatz redlichen Strebens und menschenfreundlichen Wirkens hier zu Grabe getragen worden sei.
Anmerkungen: zu Rabbiner Moses Präger vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Moses_Präger https://www.marchivum.de/de/juedischer-friedhof/a2-10-32a-praeger-moses-elias;  
https://www.geni.com/people/Moses-Präger/6000000027386026780; Abbildung von Rabbiner Moses Präger: https://scope.mannheim.de/detail.aspx?ID=723706:
Johanna Hachenburg geb. Präger war Moses Prägers Schwester und Mutter des späteren Juristen Dr. Max Hachenburg. https://de.wikipedia.org/wiki/Max_Hachenburg
Lyceum: https://www.mannheim.de/de/tourismus-entdecken/stadtgeschichte/stadtpunkte/buergertum-handel-industrie/lyceum 
Klausrabbiner Lindmann: Rabbiner Lippmann Lindmann, 1808 - 1877.  
 

  
Zur Wiederbesetzung des Rabbinates (1862)     

Mannheim AZJ 15041862.jpg (134192 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 15. April 1862: 
"Die Wiederbesetzung des Rabbinats in Mannheim betreffend
Zur Wiederbesetzung der durch den Tod des Rabbiners Präger erledigten Stelle in unserer Gemeinde hat der Synagogenrat geeignete Schritte getan, indem er durch die Gemeinde 12 Männer wählen ließ, welche ihm bei der Ernennung eines würdigen Nachfolgers ratend zur Seite stehen werden. 
In der am 23. März stattgehabten gemeinschaftlichen Sitzung wurde beschlossen, bis zum 1. Mai (auch spätestens 15. Mai) dieses Jahres Vorschläge entgegenzunehmen, welche die Berufung eines kompetenten Mannes bezwecken. - Eine richtige Wahl ist für unsere Gemeinde von hoher Bedeutung; es ist aber auch zu erwarten, dass die Bewerbung von Männern gewürdigt wird, welche bei entsprechenden Eigenschaften die seltene Gelegenheit finden, einer Gemeinde als Seelsorger vorzustehen, die dem Fortschritte huldigend, in allen ihren Gliedern vollkommen einig ist. Möge es den Bemühungen des Synagogenrates gelingen, den rechten Mann für die Gemeinde zu finden, und wir hoffen, es gibt die Veröffentlichung dieses seines Beschlusses Veranlassung, dass sich unser Wunsch bald verwirkliche.  
Anmeldungen sowohl als freundliche Hindeutungen auf Männer, welche einem Rufe folgen möchten, sind zu adressieren an 
den Großherzoglichen Synagogenrat in Mannheim. Mannheim, 4. April 1862."        

    
Rabbiner Dr. Markus Jastrow verlässt Mannheim (1862)    
Anmerkung: Rabbiner Dr. Markus Jastrow (geb. 1829 in Rogasen, Prov. Posen, gest. 1903 in Germantown, Penn.): studierte in Berlin und Halle; 1858 als Prediger in Warschau, 1862 ausgewiesen wegen Beteiligung an der Revolution 1861 und Aufenthalt in Breslau; Wahl zum Stadtrabbiner in Mannheim; im November 1862 vorübergehend nach Warschau zurückgekehrt, doch wieder ausgewiesen; 1864 Rabbiner in Worms; im Herbst 1866 nach Amerika ausgewandert, Rabbiner der Gemeinde "Rodeph Schalom" in Philadelphia, 1892 Ruhestand).   

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. November 1862: "Mannheim, 4. November (1862). Nachdem Rabbiner Jastrow, ungeachtet der gegenteiligen schiedsrichterlichen Entscheidung, auf seiner Entlassung besteht, wurde solche demselben heute vom Synagogenrat erteilt. Dr. Jastrow wird nun nächster Tage Mannheim verlassen und nach Warschau zurückkehren."      
 
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 18. November 1862: "Mannheim, im November (Privatmitteilung) Der vom hiesigen Synagogenrate zum Stadtrabbinen gewählte, früher in Warschau fungierende Prediger Dr. Jastrow hatte, nachdem ihm die Rückkehr nach Polen gestattet worden, dem Rufe dahin wieder folgen wollen. Auf seinen Wunsch wurde ein Schiedsgericht zusammengesetzt, um über das Verbleiben oder den Abgang des Herrn Dr. J. zu entscheiden. Das Schiedsgericht sprach sich für ein Verbleiben an hiesigem Orte aus. Dennoch fühlte sich Herr Dr. Jastrow gedrungen, Mannheim zu verlassen und nach Warschau zu gehen. Die Motive hierzu hat er in einem offenen Sendschreiben vom 2. November veröffentlicht und liegen sie besonders in der eigentümlichen und bedeutenderen Wirksamkeit, die er unter den jetzigen Verhältnissen in Warschau sich verspricht, da er mit der wissenschaftlichen Bildung auch die Fähigkeit, polnisch zu predigen, verbindet."     

 
Hinweise zu Rabbiner Isaac Blumenstein (1843 - 1903), 1870 als Rabbinatskandidat in Mannheim, seit 1871 Großrabbiner in Luxemburg     
(eingestellt auf Grund einer Mitteilung von Holger Hübner, Berlin)    

Rabbiner Dr. Isaac Blumenstein (geb. 26. September 1843 in Merchingen, gest. 3. August 1903 in Luxemburg): Studium in Breslau; 1870 als Rabbinatskandidat in Mannheim; seit 1871 Großrabbiner in Luxemburg.      
Blumenstein hielt den viel und teilweise falsch überlieferten Feldgottesdienst zu Jom Kippur vor Metz im Deutsch-Französischen Krieg; siehe dazu den Beitrag von Holger Hübner: Der Feldgottesdienst zu Jom Kippur vor Metz 1870; erschienen in: Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte Jg. 63 2011 (Heft 2, April 2011) S. 105-121. 
Hinweis: Zusammenfassung des Beitrages von Holger Hübner (eingestellt als pdf-Datei).  
Merchingen Kol Nidre HJunker 010.jpg (160248 Byte) Merchingen Blumenstein Lit 010.jpg (165666 Byte)
Darstellung des Jom-Kippur-Gottesdienstes vor Metz 1870 
mit Rabbiner Dr. Blumenstein, wie er nach der Darstellung
 von Hermann Junker stattgefunden hat.  
(Quelle des Fotos
Abbildung eines Erinnerungstuches an den legendenhaft
 ausgeschmückten Gottesdienst zu Jom Kippur vor Metz 1870 auf 
dem Buch von Nachum T. Gidal: Die Juden in Deutschland von
 der Römerzeit bis zur Weimarer Republik. Gütersloh 1988.
 
   
Merchingen ImDtReich 081903 S498.jpg (111524 Byte)Artikel zum Tod von Rabbiner Dr. Isaac Blumenstein in der Zeitschrift "Im deutschen Reich" vom August 1898 S. 298: "Luxemburg, 9. August (1898). Im eben vollendeten 60. Lebensjahr ist am 3. dieses Monats der Rabbiner Dr. I. Blumenstein plötzlich am Herzschlage verstorben. Als der einzige offizielle jüdische Feldprediger während des Krieges 1870/71, war er es, welcher jenen jüdischen Feldgottesdienst abhielt, welcher durch das Bild 'Jom Kippur im Felde' weithin bekannt worden ist. In Anbetracht seiner Dienste während jenes Feldzugs wurde ihm das Eiserne Kreuz am weißen Bande verliehen. In Luxemburg, wo er 32 Jahre segensreich gewirkt hat, erfreute er sich allgemeiner Verehrung. Der hiesige nationalliberale 'Volksbote' schreibt: 'Am Leichenzuge, der sich von der Synagoge aus bewegte, nahmen teil Vertreter der Regierung, des Staatsrates, der Deputiertenkammer, der Obergerichtshofes, des Bezirksgerichtes, der Staatsanwaltschaften, der Bureaus der Stadtrates, der Militärbehörden, der Presse usw. usw. Das Konsistorium war vollzählig erschienen; ebenso war die hiesige Loge, deren Mitglied er gewesen, sehr zahlreich vertreten. Eine vielhundertköpfige Menschenmenge aller Stände und aller Konfessionen angehörend, bildete den Schluss des Leichenzuges.' Der Bericht schließt mit den Worten: 'Sein Andenken wird nicht bloß bei seinen Religionsgenossen, sondern auch bei allen Andersgläubigen stets gesegnet bleiben!'" 
Vgl. Online-Informationen über die Großrabbiner von Luxemburg   

 
Über den jüdischen Gottesdienst im Felde bei Metz - Bericht von Feldrabbiner Dr. Isaac Blumenstein (1870, geschrieben in Mannheim)        

Mannheim AZJ 01111870.jpg (178917 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 1. November 1870: "Der jüdische Gottesdienst im Felde. 
Mannheim, 20. Oktober. Nachstehende Schriftstücke mögen in Ihrem geschätzten Blatte einen Platz haben. Dr. I. Blumenstein*
*Laut gefälliger Mitteilung begibt sich Herr Dr. Blumenstein in diesen Tagen wieder nach dem Kriegsschauplatze.
1. Mannheim, 19. Oktober 1870. Großherzogliches hochwürdiges Stadtrabbinat Mannheim.
Aus dem Lager vor Metz zurückgekehrt, beehre ich mich über den Erfolg des mir erteilten ehrenvollen Auftrags ergebenst Bericht zu erstatten: Durch die Legitimation, welche mir auf Hochdesselben Ansuchen von dem Bürgermeisteramte und Etappenkommando in Mannheim erteilt worden, erhielt ich als 'israelitischer Feldgeistlicher' freie Fahrt (II. Klasse) in das Hauptquartier des 1. Armeecorps, wohin ich mich gemäß der von Seiner Exzellenz, dem General von Manteuffel (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Edwin_von_Manteuffel) an Großherzogliches Stadtrabbinat ergangenen telegraphischen Mitteilung d. D. St. Barbe vom 25. des Monats zunächst zu begeben hatte. Wie Hochdemselben bekannt ist, reiste ich Donnerstag den 29. September von Mannheim ab, gelangte aber an diesem Tage nicht weiter als bis nach Saarbrücken; hier wurde mir vom Etappenkommando Quartier für die Nacht im Hause des Herrn Bankier Michel Simon angewiesen, woselbst ich freundliche Aufnahme fand. Herr Simon, der verdienstliche Gemeindevorsteher, und mehrere andere Gemeindemitglieder zeigten ein lebhaftes Interesse für meine Sendung. Ich kam am folgenden Tage gegen Mittag nach Courcelles, der letzten Eisenbahnstation vor Metz, und erreichte vermittelst eines von dem Johanniter Baron von Gramm aus Hannover´mir freundlichst zur Verfügung gestellten Wagens um 2 Uhr meinen Bestimmungsort. Ich begab mich sofort zu Seiner Exzellenz, dem Kommandierenden General Herrn von Manteuffel, der aber eben im Begriffe war, sich mit dem Generalstabe zu Tisch zu begeben. Exzellenz empfing mich sehr freundlich, lud mich zur Tafel ein und bemerkte, dass er geschäftlich mich erst gegen 3 Uhr zu sprechen wünsche. Dankend lehne ich die freundliche Einladung ab und fand mich zur bestimmten Stunde ein. Ich überreichte Seiner Exzellenz das verehrliche Schreiben vom 28. des Monats, in welchem Großherzogliches Stadtrabbinat mich   
Mannheim AZJ 01111870a.jpg (337566 Byte)zur Ausübung feldgeistlicher Funktionen für die Soldaten israelitischen Glaubens präsentierte. Der Herr General äußerte: Das Gesuch Großherzoglichen Stadtrabbinats vom 18. des Monats sei zu seinem Bedauern erst spät angekommen, weshalb die Berufung eines israelitischen Feldgeistlichen und die Abhaltung eines organisierten Feldgottesdienstes an den beiden Neujahrstagen nicht mehr zu ermöglichen gewesen, er habe indes die Berücksichtigung der Soldaten israelitischen Glaubens bei Heranziehung zum Dienste an diesen Festtagen, soweit nach den Verhältnissen tunlich, bei seinem Armeecorps und der seinen Befehlen untergebenen Division Kummer angeordnet. Den Gottesdienst am Versöhnungstage betreffend, bemerkte Seine Exzellenz, dass ich mich nach Olgy zum General von Kummer zu begeben habe, da in der Division Kummer eine beträchtliche Zahl Soldaten israelitischen Glaubens sich befinden, aus deren Mitte auch das Gesuch an Großherzogliches Stadtrabbinat um Verwendung behufs Erlaubnis zur Feier der hohen Festtage ergangen ist. Die Division Kummer besteht nämlich aus mehreren kombinierten Landwehrregimentern, die den Provinzen Posen, Ost- und Westpreußen angehören. Im Laufe der Unterredung, in welcher Herr von Manteuffel wiederholt seine Freude über meine Sendung ausdrückte und mir alle Vergünstigungen bereitwilligst zu gewähren versprach, bemerkte er jedoch, dass sein Corps fast täglich engagiert sei, er also eine bestimmte Zusage in Betreff der Teilnahme an dem Gottesdienste seitens der Israeliten dieses Corps vorerst nicht machen könne. Schließlich wies mich Seine Exzellenz an seinen Adjutanten Major von Frankenburg, und dieser gab mir ein Schreiben, mit welchem ich den Weg nach Olgy ungehindert passieren würde. Herr Oberst von der Gol(t)z, von welchem ich den Wagen erhielt, gab mir noch, da die Wege wegen der Francs-tireurs (Freischützen vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Franctireurs) unsicher sind, eine reitende Ordonnanz mit. In der Tat hatte der Weg nach Olgy ein recht kriegerisches Ausleben; beträchtliche Truppenmassen lagerten auf freiem Felde, ihr Mittagsbrot am Biwakfeuer abkochend. Ich wurde sehr oft von den wachhaltenden Soldaten nach meiner Legitimation gefragt, aber das Schreiben des Herrn von Frankenburg und meine Ordonnanz bahnten mir überall den Weg. – Gegen 4 Uhr in Olgy angekommen, hatte ich sofort eine Unterredung mit dem General von Kummer. Dieser sagte mir, dass laut Corpsbefehl die israelitischen Soldaten seiner Division am Abend des 4. und am 5. Oktober vom Dienste im Heere befreit seien. Er werde mir gern nach geschehener Ermittlung die Zahl der jüdischen Soldaten und den Ort für den abzuhaltenden Gottesdienst telegrafisch angeben. Mein Verlangen, den Gottesdienst in dem drei Stunden entfernten Dorfe Bonlais, woselbst seine Synagoge ist abzuhalten, erklärte der General für untunlich. Wir müssen, sprach er, immer darauf gefasst sein, innerhalb von 10 Minuten alarmiert zu werden und alsdann hat die gesamte Mannschaft gefechtsbereit auszurücken. Er versprach mir seine telegrafische Mitteilung für spätestens Sonntag den 2. Oktober vormittags, worauf ich ihm sofort antworten müsse, ob ich mich an dem von ihm bezeichneten Ort hinbegeben wolle. Um 5 Uhr war ich wieder in St. Barbe, woselbst mir eine Stube zur Wohnung angewiesen wurde, die mich innerhalb der Verhältnisse noch sehr befriedigte. Mit Spannung erwartete ich Sonntagvormittag das Telegramm des Herrn von Kummer, aber vergebens. Auf dem Büro des Feldtelegrafen erfuhr ich nachmittags 4 Uhr, dass inzwischen General von Kummer in der Nacht des 31. Septembers mit seiner ganzen Division von Olgy aufgebrochen und auf das linke Ufer der Mosel marschiert sei; es wurden überhaupt in den Tagen des 31. September und 1. Oktober größere Dislocationen im Lager vorgenommen. Sonntag, den 2. Oktober hörte man, dass die Division Kummer in einem starken Vorpostengefecht sich befinde; die Kunde erhielt durch den in St. Barbe vernommenen Kanonendonner volle Bestätigung. Ich unterließ dennoch nicht, telegrafisch bei Herrn General von Kummer anzufragen, wie ich es mit dem Feldgottesdienste zu halten habe und erhielt von einem Offizier seiner Division folgende telegrafische Antwort: 'Da das Corps in den nächsten Tagen voraussichtlich stark engagiert ist, so vermag Exzellenz keinen Tag zu bestimmen.' Einen Augenblick hatte es den Anschein als ob mein Vorhaben völlig misslungen sei, ich begab mich jedoch zum Adjutanten des Herrn von Manteuffel, Major von Frankenburg und bat ihn, da voraussichtlich ein Gottesdienst mit der Division Kummer nicht zustande käme, einen solchen mit den israelitischen Soldaten eines anderen Corps zu ermöglichen. Herr von Frankenburg unterbreitete mein Gesuch dem Herrn von Manteuffel, welcher hierauf die Abhaltung eines Gottesdienstes am Dienstagabend und Mittwoch in St. Barbe für das I. Armeecorps genehmigt und angeordnet hat. Montag, den 3. Oktober traf mich Herr von Manteuffel und machte mir von seiner Anordnung persönlich freundliche Mitteilung, mit dem Ausdrucke des Bedauerns, dass er   
Mannheim AZJ 01111870b.jpg (323948 Byte)für die Israeliten der Division Kummer nichts mehr anzuordnen habe, da letztere seinen Befehlen nicht mehr untergeben ist. Seine Exzellenz bemerkte, dass der Gottesdienst in St. Barbe dem Mittelpunkt der Standquartiere, stattzufinden habe, da auch die am Gottesdienst teilnehmenden Soldaten bei einer etwaigen Alarmierung in kürzester Zeit zu ihren Abteilungen zurückkehren müssten. 'Kommt Barzaine, so hört alles auf' (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/François-Achille_Bazaine). Die weiteren Anordnungen möge ich mit seinen Adjutanten vereinbaren. Nach einer Besprechung mit letzterem wurde zunächst die Zeit für den Gottesdienst dahin festgesetzt, dass derselbe Dienstagabend von 6 -7 1/2 Uhr, Mittwochmorgens von 8 bis gegen 11 Uhr und nachmittags von 3- 6 Uhr abgehalten werde, dass aber jedenfalls die Soldaten nach vollbrachter Andacht in ihre Quartiere sich zurückgegeben haben. Das Bedürfnis des Nachmittagsgottesdienstes, nachdem bereits einer am Vormittage stattgefunden, wollte dem Herrn Major nicht einleuchten, zumal unter den obwaltenden Verhältnissen. Er meinte auch, dass ihm dadurch neue Schwierigkeit wegen der nötig werdenden Verpflegung der Soldaten entstehen würde! Eine Besorgnis, deren Beseitigung ich für Jom-Kippur leicht übernehmen konnte. – Eine nicht unwesentliche Schwierigkeit bot noch die Wahl des Ortes. Von einem eigentlichen Feldgottesdienste musste für Dienstagabend wegen der Dunkelheit und auch für Mittwoch aus selbstverständlichen Gründen abgesehen werden. Es ist erwähnenswert, dass mir die Benutzung der katholischen Kirche angeboten wurde, obwohl dieselbe erst von einer großen Zahl Soldaten, ihren zeitigen Bewohnern, für diesen Zweck hätte geräumt werden müssen! –
Da jedoch ein Königsberger Arzt, mein unmittelbarer Nachbar, mir bereitwilligst sein dem meinigen angrenzenden Zimmer einräumte, so fand der Gottesdienst in diesen beiden Räumen statt.
Zum Gottesdienste erschienen nun Dienstag am Vorabend des Versöhnungstages fast sämtliche israelitische Soldaten aus den Regimentern 1, 5, 43 und 44; als ihre Heimat bezeichneten sie größtenteils: Thorn (Torun), Culm, Danzig und Tilsit, mehrere derselben sind zur Auszeichnung mit dem eisernen Kreuze vorgeschlagen; die meisten kamen aus den Dörfern Colombey, Ogy, Servigny, Retonfey, Flanville und Laquenexy. Wenige Minuten vor 6 Uhr ließ ich den Gottesdienst beginnen. Ein Unteroffizier trug die sämtlichen Gebete sehr angemessen vor. Vor dem Schlussgebet Olenu hielt ich die Predigt über den Text aus Jeremia, Kapitel 31, Vers 15 und 15: 'So spricht der Ewige, halte zurück deine Stimme vom Weinen und dein Auge von Tränen, denn ein Lohn ist für dein Tun, ist der Spruch des Ewigen, und sie werden zurückkehren aus dem Lande des Feindes. Und Hoffnung ist für die Zukunft, ist der Spruch des Ewigen, und es werden zurückkehren die Kinder in ihr Gebiet.'
Ich mahnte meine Krieger Mut zu fassen im Vertrauen und in der Hoffnung auf Gott. Jeder möge heute an diesem heiligen Tag mit dem Erzvater Jacob aus vollem Herzen geloben und beten: 'Wenn Gott mit mir sein wird und mich behüten auf diesem gefahrvollen Weg, den ich gehe, und ich nach errungenem glorreichen Frieden heimkehre in mein elterliches Haus, so soll der Ewige mir zum Gotte sein;' eine innere Stimme werde ihm alsdann den Spruch des Ewigen, des Erhörers aller aufrichtigen Gebete, verkünden: Nicht vergeblich ist deine opferwillige, todesmutige Hingebung, 'ein Lohn ist für dein Tun', du wirst ruhmgekrönt zurückkehren aus dem Lande des Feindes. Aus den mächtigen Ereignissen, welche die Söhne des Vaterlandes mit Gottesmut und Gotteskraft heldenmütig vollbringen, ertöne laut und vernehmlich die Gottesverheißung einer großen Zukunft für das Vaterland, da auch die beinahe seit zwei Jahrhunderten entfremdeten Kinder wieder zurückkehren werden in den Schoß ihrer Mutter.
Ich entwickelte dann anschließend die Bedeutung des Versöhnungstages in der obwaltenden Lage und schloss mit einem Gebete für den König, unsern Schirmherren, dessen Verbündete, für das deutsche Heer, die deutschen Stämme und für Israel. –
Eine wahrhaft erhebende Andacht herrschte während des ganzen Gottesdienstes; so innig und bewegt wurde wohl selten gebetet als an diesem Abende. Als ich von dem Gebete des Erzvaters (Jacob) über die 'Heimkehr zum eignen Herd in Frieden' sprach, musste ich, unterbrochen durch das Weinen und Schluchzen der Zuhörer, mehrere Minuten innehalten. Mit Ausnahme der wenigen Soldaten, welche den Lazarettdienst versehen und deshalb in St. Barbe blieben, begaben sich alle übrigen nach Beendigung des Gottesdienstes in ihre Quartiere zurück, manche mussten einen dreistündigen Weg zurücklegen. Am anderen Morgen waren sie alle zur festgesetzten Zeit erschienen. Der Vorbeter von gestern verrichtete das Schachris- (sc. Morgengebet) und Musaphgebet (https://de.wikipedia.org/wiki/Musaf) und in Ermangelung einer Thorarolle erklärte ich den Inhalt
Mannheim AZJ 01111870c.jpg (323886 Byte)des Tagesabschnitts und die Haftara (https://de.wikipedia.org/wiki/Haftara) aus Jesaias. Anknüpfend an den verlesenen Vers über den Tod der Söhne Arons beleuchtete ich das Wesen jener hohlen Begeisterung, welche zum Untergange führen müsse, weil sie ohne Sittlichkeit und Religion nur aus dem 'fremden Feuer', aus der Sucht nach eitler Größe und falscher Gloire entsteht, während
der echten, wahrhaften Begeisterung, die aus dem Streben nach Recht, Wahrheit und Liebe hervorquillt, der Sieg nie ausbleibt. Da unter den Anwesenden mehrere sich befinden, welche in den Schlachten gefallene Kameraden betrauerten, sprach ich noch über die tiefe mustergültige, aber stille, gottergebene Trauer Arons bei dem Tode seiner geliebten Söhne. Es fand übrigens wie üblich nach Schachris (sc. Morgengebet) eine Seelenfeier (Hastoras N'schema) statt, in welche ich noch ein besonderes Gebet für die gefallenen Krieger einschaltete. Nach dem Musaphgebete verblieb noch eine Anzahl zurück mit Gegenständen der Andacht sich beschäftigend. Um 3 Uhr fand sich die fromme Schar wieder ein, mit Ausnahme von wenigen, welche sich schon zum Vorpostendienste für den folgenden Tag bereithalten mussten. Wir beteten sämtliche Gebete, von Mincha (https://de.wikipedia.org/wiki/Mincha) und N'ilah (https://de.wikipedia.org/wiki/Neïlah); ein Unteroffizier war auf sein Verlangen Vorbeter für Minchah und ich für N'ilah.
Nachdem der Gottesdienst mit Sonnenuntergang beendigt war, richtete ich an die Anwesenden noch einige Worte der Anerkennung für die fromme, lebhafte Beteiligung am Gottesdienste, der mir selbst eine teure Erinnerung fürs ganze Leben sein werde. Hierauf ergriff Herr Hirschberg, Vizefeldwebel aus Culm, dem, wie ich hörte, die Ernennung zum Lieutenant bevorsteht, das Wort und drückte im Namen seiner Kameraden den herzlichsten Dank aller Anwesenden zu überbringen. Es sei ihnen schon längst ein Herzensbedürfnis gewesen, in einer Stunde gemeinsamer Andacht ihr bedrängtes Herz vor Gott auszuschütten; sie hätten jetzt dem Drange ihres Herzens genügt und würden in freudiger Stimmung und mit ruhigem Gewissen der Zukunft entgegengehen. Im Namen sämtlicher Kameraden wurde ich von Herrn Hirschberg ersucht, einen Gottesdienst für das I. Armeecorps bald wieder abzuhalten. In gehobener Stimmung trennte sich die andächtige Schar.
Am folgenden Tage, den 6. Oktober, machte ich Seiner Exzellenz dem Generale von Manteuffel Anzeige über den stattgefundenen Gottesdienst, und indem ich demselben seitens meiner und der israelitischen Soldaten ebenso innig wie ergebener Dank abstattete, trug ich ihm das Verlangen der letztern und baldige Wiederholung eines Gottesdienstes vor. Herr von Manteuffel nahm meine Mitteilung sehr freundlich entgegen und äußerte seine freudige Befriedigung. Er beauftragte mich, Großherzoglichem Stadtrabbinat seinen Dank für meine Sendung zu überbringen. Den fernen Gottesdienst betreffend, frug mich Herr von Manteuffel, wann ich denselben zu halten gedenke, er erachte jedoch in Anbetracht der Verhältnisse einen solchen erst nach Ablauf von drei Wochen für tunlich.
Auf Weisung des Herrn von Manteuffel wurde mir auch für die Rückreise freie Fahrt gewährt.
Großherzogliches Stadtrabbinat wolle gütigst die Ausführlichkeit meiner ergebenen Mitteilungen entschuldigen und mir noch einige Schlussbemerkungen gestatten: Niemand, der die Gemütsverfassung der israelitischen Soldaten aus eigener Erfahrung kennengelernt, wird die Dringlichkeit der Anstellung von jüdischen Feldgeistlichen bestreiten können. Es fehlt freilich nicht an solchen, deren religiöser Indifferentismus oder gar Scheu, sich als Jude öffentlich zu bekunden, selbst von dem Ernste des Krieges nicht überwunden ist, allein diese, bilden eine verschwindende Minorität; die große Mehrheit der israelitischen Soldaten ist voller Sehnsucht nach religiöser Einwirkung, sie besitzen Gebetbücher, Zizis (Zizit, vgl. https://de.wikipedia.org(wiki/Zizit) und Tephilin (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Tefillin), und diejenigen, welche solcher ermangeln, äußern ein brennendes Verlangen nach denselben. Der religiöse Sinn und das Bedürfnis nach einer richtigen Leitung ist unbedingt in großer Tiefe vorhanden. Die nicht zu leugnende Schwierigkeit, welche in dem Umstande liegt, dass die israelitischen Soldaten in den Regimentern zerstreut sind, spricht nicht für die Unmöglichkeit, vielmehr für die noch größere Notwendigkeit der fixen Anstellung von jüdischen Feldgeistlichen. Das Bedürfnis sowohl als auch die Möglichkeit einer geistlichen Tätigkeit für die Israeliten in der Armee beweist meine von Seiner Exzellenz dem General von Manteuffel angenommene Sendung und Ausführung derselben, wenn sie auch nur auf einen Teil der Soldaten sich erstrecken konnte. Dass es mir nicht gelungen ist, sämtliche in der Belagerungsarmee vor Metz zerstreuten Israeliten zu einem gemeinschaftlichen Gottesdienste zu vereinen, lag wesentlich nur in der Spannung des Augenblicks, wo fortwährend Gefechte bevorstanden, weshalb auch unvorhergesehene Dislocationen vorgenommen    
Mannheim AZJ 01111870d.jpg (149665 Byte)werden mussten, Umstände, die selbst auf dem Kriegsschauplatze nicht die Regel bilden. Über die Zerstreuung der israelitischen Soldaten in dem 12 Meilen umfassenden Lager war allerdings für mich ein mächtiges Hindernis, aber auch für mich, weil ich für unsere Zwecke völlig unvorbereitete Verhältnisse vorgefunden, da bei meiner Ankunft in St. Barbe und Olgy selbst die Zahl der vorhandenen Israeliten erst zu ermitteln gewesen. Ein im Lager fix angestellter Feldgeistlicher würde mit Leichtigkeit in der Lage sein, die Verhältnisse sich zeitig zurecht zu legen und in verschieden Zeiten mit verschiedenen Abteilungen an verschiedenen Orten gottesdienstliche Versammlungen abzuhalten. Im Übrigen besteht ja die Wirksamkeit des Feldgeistlichen nicht lediglich in der Abhaltung von gemeinschaftlichen Gottesdiensten, sondern vorzüglich auch in der Einwirkung auf den Einzelnen durch erspriesliche Zusprache, in den verschiedenen Lagen, welche die Verhältnisse herbeiführen, und durch hilfreichen Beistand in Wort und Tat. –
Die vollste Anerkennung und Dankbarkeit schulde ich seiner Exzellenz, dem Herrn von Manteuffel, der mit allem Nachdrucke mein Vorhaben förderte und mich auch persönlich mit großer Freundlichkeit behandelte, was zur Folge hatte, das sämtliche Herren Offiziere sehr zuvorkommend gegen mich waren. Ich bemerke noch, dass ein von Seiner Majestät dem König ergangener allgemeiner Armeebefehl behufs Befreiung der israelitischen Soldaten vom Kriegsdienste während der hohen Festtage im Lager vor Metz völlig unbekannt ist; die desfallsigen Anordnungen wurden namens es Kommandierenden Generals von Manteuffel als Corpsbefehl den Truppen verkündet. Ebenso konnte ich nicht erfahren, ob die Soldaten aus der Division Kummer, auf deren Verlangen meine Sendung entstanden, am Versöhnungstage einen Gottesdienst abhalten konnten, obwohl die Zeitungen, wie ich glaube ohne Grund, soviel davon berichteten.
Indem ich Hochdemselben wiederholten Dank für das in mich gesetzte Vertrauen ergebenst ausspreche, erkläre ich bereitwilligst, eine zweite Reise zu der von Seiner Exzellenz dem Generale von Manteuffel bewilligten Zeit nach St. Barbe zu unternehmen.
Großherzoglichem Stadtrabbinat ganz ergebenster Dr. I. Blumenstein."   

  
Stadtrabbiner Dr. Bernhard Friedmann tritt in den Ruhestand (1879)     

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 29. Juli 1879: "Frankfurt a. M., 16. Juli. (Privatmitteilung: Diese Mitteilung kommt uns aus zuverlässiger Quelle zu und tritt den mannigfachen Gerüchten entgegen, die über den Vorgang verbreitet werden. Redaktion.) Demnächst wird eines der bedeutendsten Rabbinate Deutschlands vakant. Der Stadtrabbiner Dr. Friedmann in Mannheim hat sich in Folge seines durch harte Schicksalsschläge erschütterten Gesundheitszustandes (es sind ihm in den letzten drei Jahren nacheinander drei Söhne in der Blüte der Jahre gestorben) veranlasst gesehen, seine Versetzung in den Ruhestand nachzusuchen. Das Gesuch ist unter Zusicherung einer angemessenen lebenslänglichen Pension von dem Synagogenrat genehmigt worden.
Herr Dr. Friedmann wird also demnächst in den Ruhestand treten und, wie wir hören, wird auch der erst seit kurzem als zweiter Stadtrabbiner fungierende Herr Dr. Porges seine Stelle aufgeben, die nur dadurch ihm wünschenswert war, dass sein Schwiegervater zu erster Stelle stand. – Es ist ein Vorzug der Mannheimer Gemeinde und seit den Tagen des seligen Rabbiners Dr. Präger das Verdienst ihrer Führer, dass, während in anderen großen Gemeinden durch die verschiedenen Parteirichtungen Spaltungen hervortraten, die sich als eine einheitliche große Gemeinde behauptet hat. Möge ihr dieser beneidenswerte Vorzug auch in der Zukunft erhalten bleiben!"    
Anmerkung: zu Rabbiner Dr. Bernhard Friedmann (1820-1886) siehe Grab https://www.marchivum.de/de/juedischer-friedhof/b1-b-05-15-friedmann-bernhardyechiel-dov-dr   

   
Ausschreibung der Stadt-Rabbiner-Stelle (1879)   

Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 29. Juli 1879: "Die Stadt-Rabbiner-Stelle dahier kommt, vom 1. September dieses Jahres ab –
wegen Pensionierung und Wegzug des seitherigen Inhabers in Erledigung, und wird baldige Wiederbesetzung beabsichtigt:
Es soll einstweilig – zunächst für die bevorstehenden hohen Feiertage – gegen angemessene Honorierung ein akademisch gebildeter tüchtiger Kanzelredner berufen werden, dem sich vielleicht Aussicht auf dauernde Anstellung hier eröffnen könnte.
Geeignete Bewerber (Rabbinatskandidaten) werden eingeladen, sich deshalb unter Vorlage ihrer Zeugnisse sofort bei uns zu melden.
Mannheim, im Juli 1879: Der Synagogenrat."       


Zum Tod von Rabbiner Dr. Bernhard Friedmann (1886)      

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 18. Mai 1886: "Am 23. April verstarb im Stephansfeld der Rabbiner Dr. B. Friedmann. Die 'Neue Badische Landeszeitung' vom 30. April bringt ein 'Eingesandt', das einen enthusiastischen Nekrolog enthält. Wir entnehmen demselben Folgendes: Geboren in Kempen (Großherzogtum Posen) wurde er frühzeitig von den talmudischen Kapazitäten seiner Vaterstadt in das Studium der jüdischen Theologie eingeführt. In Breslau, wohin seine Eltern verzogen waren, absolvierte er das Friedrichsgymnasium und die Universität, auf welcher er sich dem Studium der Philologie und Philosophie widmete und mit den bedeutendsten Männern dieser an geistiger Zierde so reichen Stadt wie Branitz, Elvenich (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Joseph_Elvenich), Roßbach (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/August_Rossbach), Westphal (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Rudolf_Westphal), Nissen, Geiger (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Abraham_Geiger), Grätz (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Graetz), Berthold Auerbach (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Berthold_Auerbach), Eduard Lasker (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Eduard_Lasker) und Ferdinand Lasalle (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Ferdinand_Lassalle), dessen Lehrer er gewesen, den lebhaftesten, geistigen Verkehr unterhielt. Er bekleidete das Rabbinat in Nakel (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Nak%C5%82o_nad_Noteci%C4%85) und wurde auf Empfehlung Berthold Auerbachs zur Übernahme des Mannheimer Stadtrabbinats berufen. Im Großherzogtum Posen vertrat er durch Wort und Schrift das Deutschtum gegenüber den nationalpolitischen Bestrebungen und während der Konfliktzeit, wurde ihm ein Mandat für das Abgeordnetenhaus angetragen. Zur Zeit der kirchlich-politischen Reaktion trat er am Ende der vierziger Jahre als Journalist in Breslau der Kreuzzeitungspartei entgegen und verfocht mit großem Geschicke und scharfer Feder die Forderungen des freisinnigen deutschen Bürgertums. In Gemeinschaft mit Grätz trat er den reaktionären Bestrebungen Stahls und Bauers auf wissenschaftlichem Gebiete entgegen und veröffentlichte mehrere gegen die Tübinger Jahrbücher gerichtete wissenschaftliche Arbeiten über 'die Fortdauer des Opferkultus nach der Zerstörung des zweiten Tempels'. Friedmann war ein bedeutender Talmudist und ein ausgezeichneter Kenner des gesamten rabbinischen Schrifttums. Politisch liberal und Feind aller reaktionären Bestrebungen, huldigte er innerhalb der jüdischen Theologie nur dem gemäßigten Fortschritte, der von der nivellierenden Reform wie von der stabilen Orthodoxie gleichweit entfernt war.' (Leider aber musste er in Folge eines moralischen Konflikts sein Amt niederlegen.) "    
Anmerkung: zu Rabbiner Dr. Bernhard Friedmann (1820-1886): Grab siehe https://www.marchivum.de/de/juedischer-friedhof/b1-b-05-15-friedmann-bernhardyechiel-dov-dr.

 
Ausschreibung der Stelle des zweiten Rabbiners (1886)   

Mannheim AZJ 15061886.jpg (55031 Byte)Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 15. Juni 1886:  "Vakanz.
Die Stelle eines zweiten Rabbiners in hiesiger Gemeinde, verbunden mit der eines Rabbiners an der Lemle-Moses'schen Clausstiftung und Direktors der künftigen Präparandenschule daselbst soll alsbald besetzt werden. Besonderer Wert wird gelegt auf die Befähigung zum Lehrfach.
Jährliches Einkommen circa 5.000 Mark nebst freier Dienstwohnung.
Meldungen sind unter Anschluss der Zeugnisse anher einzureichen.
Mannheim, den 6. Juli 1886. Der Synagogenrat."       
 
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 6. Juli 1886: 
Text wie oben. 

   
Rabbiner Dr. P. Cohn wird Distriktsrabbiner in Ansbach (1894)     

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 1. Juni 1894: "Zum Distriktsrabbiner in Ansbach ist Rabbiner Dr. P. Cohn in Mannheim gewählt worden".          

 
25-jähriges Amtsjubiläum von Rabbiner Dr. Moritz Steckelmacher (1905)  
Hinweis: zur Familie von Rabbiner Dr. Steckelmacher vgl. Seite zu seinem Sohn Rabbiner Dr. Ernst Steckelmacher: http://juden-in-frankenthal.de/rabbiner-und-kantoren/rabbiner-ernst-steckelmacher/ 

Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 19. Mai 1905: "Mannheim. Der Stadtrabbiner Dr. Steckelmacher feierte am 10. Mai sein 25jähriges Amtsjubiläum als Beamter der hiesigen jüdischen Gemeinde."    
 
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 26. Mai 1905: "Mannheim, 29. Mai. Eine Reihe von Festen finden jetzt unserer Gemeinde statt. Zunächst feierte unser allgemein verehrter Stadtrabbiner Dr. Steckelmacher sein fünfundzwanzigstes Amtsjubiläum. Im Mittelpunkte der erhebenden Feierstunde stand der Festgottesdienst, welcher vormittags in der Synagoge stattfand. Das Gotteshaus war bis auf den letzten Platz gefüllt. Außer dem vollzählig erschienenen Synagogenrat waren anwesend: Herr Geheimer Regierungsrat Oberrat Dr. Mayer aus Karlsruhe, die Herren Bürgermeister v. Hollander und die Stadträte Hirschhorn und Leonhard. In seiner Festansprache dankte der Jubilar der Gemeinde für die guten Wünsche, welche ihm dargebracht, mit dem feierlichen Versprechen, in den seitherigen Bahnen weiter wirken zu wollen zum Segen der ihm lieb gewordenen israelitischen Gemeinde Mannheims. Rabbiner Dr. Oppenheim hielt nach dieser tief ergreifenden Rede ein allgemein zu Herzen gehenden Segensspruch auf den Jubilar. Die Feier wurde verschönt durch die Gesangsvorträge des Kantors Nettler. Der Synagogenchor brauchte außerdem unter Leitung des Musikdirektors Hänlein einige Lieder zum Vortrage. Nach dem Gottesdienste versammelten sich die Ehrengäste auf Einladung des Vorsitzenden des Synagogenrats, Stadtrat Max Stockheim, in der Privatwohnung des Jubilars, wo der Synagogenrat und die Abordnungen der Wohltätigkeitsvereine Dr. Steckelmacher noch die besonderen Glückwünsche zu seinem Ehrentage darbrachten. Bei dieser Gelegenheit wurde dem Jubilar eine Reihe wertvoller Ehrengaben überreicht. Am 21. ds. findet das fünfzigjährige Jubiläum unserer Synagoge und des Synagogenchors statt. Darüber berichte ich Ihnen nächstens."      
Anmerkung zu einigen der genannten Personen: Bürgermeister Eduard von Hollander (1852-1935); Theodor Nettler (1851-1927), war zuletzt Oberkantor, zu seinem Grab siehe https://www.marchivum.de/de/juedischer-friedhof/f1-a-07-13-nettler-theodor; Rabbiner Dr. Gustav Oppenheim (1862 – 1940) war Stadtrabbiner in Mannheim 1900-1933, siehe https://www.akg-images.de/archive/-2UMDHUZ1XQ78.html; Max Stockheim (1835 – 1908) war Weinhändler und Oberrat, zum Grab siehe https://www.marchivum.de/de/juedischer-friedhof/d1-b-04-01-stockheim-max; Albrecht Hänlein (1846 - 1909), Klavierlehrer, Pianist, Organist und Dirigent in Mannheim (nichtjüdisch), übernahm 1880 den Orgeldienst und den Chor in der Synagoge in Mannheim, vgl. http://www.schwaebische-orgelromantik.de/personen/haenlein-albrecht/haenlein-albrecht.htm.  

  
Predigt von Rabbiner Dr. Moritz Steckelmacher zu Ehren des neuen oberrätlichen Gebetbuches (1907)         

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. Juni 1907: "Mannheim, 20. Juni. Am vergangenen Samstag hielt der Herr Stadt- und Konferenzrabbiner Dr. Steckelmacher, das hervorragendste theologische Mitglied des Großherzoglichen Oberrats der Israeliten Badens, in der hiesigen großen Synagoge eine flammende Predigt zu Ehren des neuen oberrätlichen Gebetbuchs, in der er die Gegner dieses radikalen Werks der Reform mit Korach und seiner Rotte in Parallele stellte. Die hiesigen Gemeindemitglieder sind über diese Unduldsamkeit und Gehässigkeit empört."       
Anmerkung: Rabbiner Dr. Moritz Steckelmacher, Stadtrabbiner (1851 in Boskowitz (Mähren) – 1920 in Bad Dürkheim).

  
Zum Tod von Stadtrabbiner Dr. Moritz Steckelmacher (1920)     

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. Juni 1920: "Mannheim, 25. Mai. Stadtrabbiner Dr. Steckelmacher ist am ersten Festtag nach langem schweren Leiden in Bad Dürkheim im 69. Lebensjahre gestorben. Er stammte aus Boskowitz in Mähren und besuchte in jungen Jahren die Jeschiwa in Preßburg (Bratislava). Seine theologischen Studien absolvierte er in Breslau und diente seitdem dem Reformjudentum. Im Jahre 1880 kam er als Stadtrabbiner nach Mannheim und war auch als Mitglied der Religionskonferenz des Badischen Oberrates der Israeliten tätig. Steckelmachers Wirken auf karitativem Gebiete war allgemein geschätzt. Schriftstellerisch ist er
hervorgetreten mit der Schrift: 'Die formale Logik Kants in ihrem Verhältnis zum Transzendentalen', 'Die Gottesidee der Offenbarung und des Heidentums' und verschiedene Predigtbänden."
Anmerkung: Rabbiner Dr. Moritz Steckelmacher, Stadtrabbiner (1851 in Boskowitz (Mähren) – 1920 in Bad Dürkheim). 

   
Rabbiner Dr. Max Grünewald wird als Gemeinderabbiner gewählt (1926)        

Artikel in der "Jüdisch-liberalen Zeitung" vom 5. Februar 1926: "Mannheim. (Wahl des Gemeinderabbiners). Zum Gemeinderabbiner wurde der seit April vorigen Jahres hier als Rabbinatsverweser tätige Herr Dr. Max Grünewald gewählt."     
Anmerkung: zu Rabbiner Dr. Max Grünewald vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Max_Grünewald. Rabbiner Grünewald (Hauptsynagoge) gründete 1925 die Jugendgemeinde und initiierte 1929 die Gründung des Mannheimer Lehrhauses. Ab 1933 setzte er sich für die Gründung jüdischer Schulklassen ein. An der Luisenschule, heute Max-Hachenburg-Schule, wurde eine jüdische Schulklasse eingerichtet. 1934 wurde er zum Gemeindevorsitzenden gewählt. Im April 1938 ging er mit seiner Familie nach Berlin, Im August 1938 emigrierte Familie Grünewald nach Palästina aus, ein Jahr später in die USA. 

    
Antrittspredigt von Rabbiner Dr. Geis (1934)       

Artikel in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15. Juli 1934: "Aus dem Reiche. Antrittspredigt von Rabbiner Dr. Geis in Mannheim
Der Jüdisch-liberalen Zeitung vom 6. Juli entnehmen wir, Rabbiner Dr. Geis, der vor kurzem als Nachfolger von Dr. Lemle hierher kam, hielt jüngst in der gut besuchten Hauptsynagoge seine Antrittspredigt. An den Wochenabschnitt anknüpfend stellte er dabei Aron und Moses, d.h. das gesicherte Schicksal der Priester und das ungewisse, unsichere der Propheten einander gegenüber, um dann zum ungewissen Schicksal der Juden in der Gegenwart überzugehen. Der heutigen Rückkehr so vieler zum Judentum steht Dr. Geis, wie er u.a. betonte, was die gleichzeitige tiefe innere Rückkehr anlangt, etwas skeptisch gegenüber. Es genüge heute nicht, zum Judentum Ja zu sagen und zum jüdischen Schicksal, sondern man müsse sich auch in vollem Umfange darüber klar sein, was es heute, nach dem Jahrhundert der Emanzipation heiße, den Weg zurück zu gehen. Dabei sei es auch nicht mit dem Hebräisch lernen und mit Geschichtskenntnissen allein getan, sondern es gelte, sich innerlich zu wandeln mit jener Kraft, die uns auch das Leid und Schicksal dieser Zeit aufrecht wird tragen helfen. Nach dieser Antrittspredigt des neuen liberalen Rabbiners, die sichtlich nachhaltigen Eindruck hinterließ, wird Dr. Geis mit den einzelnen Jugendverbänden Fühlung nehmen."    
Anmerkung: Rabbiner Dr. Robert Raphael Geis (1906 - 1972), war von 1934-37 Jugendrabbiner in Mannheim vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Raphael_Geis.
Rabbiner Dr. Heinrich Lemle (1909 -1978), war 1933 Rabbiner in Nordhausen,1934 Jugendrabbiner in Mannheim, danach in Frankfurt vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Henrique_Lemle und  http://www.judengasse.de/dhtml/P148.htm  . 

 
Ausschreibung des Rabbinats in der Hauptsynagoge (1937)    

Anzeige in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des Central-Vereins) vom 1. April 1937: "Das Rabbinat in der Hauptsynagoge Mannheim,
das bis jetzt von zwei Rabbinern verwaltet wurde, soll demnächst nur von einem Rabbiner versehen werden.
Diese Stelle ist neu zu besetzen!
Bewerbungen werden erbeten an den Synagogenrat
Mannheim, M 6, 12."   

 
 
 
Zu den Rabbinern der "Klaus"   
Ausschreibung der Stelle des Klausrabbiners (1878)
   

Mannheim AZJ 08011878.jpg (88938 Byte)Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 8. Januar 1878:  "In der Lemle Moses'schen Klausstiftung, dahier, ist, wie bereits veröffentlicht, die Stelle eines Klausrabbinen bald zu besetzen. Der Erwählte hat neben den in solchen frommen Stellungen üblichen Obliegenheiten hebräischen Unterricht in der Stiftungsanstalt zu erteilen und bezieht einen fixen Gehalt von jährlich 1.000 Mark beziehungsweise 1.100 Mark nebst freier Wohnung.
Es wird beabsichtigt, dem gewählten Klausrabbiner bei entsprechender Befähigung eine Stellvertretung des Stadtrabbiners, sowie eine Lehrtätigkeit bei verschiedenen Vereinen unter besonderer angemessener Honorierung seitens des Großherzoglichen Synagogenrats und der bezüglichen Vereine zu übertragen.
Bewerber, insbesondere jüngere Theologen (Rabbinatskandidaten) mögen sich unter Nachweis ihrer wissenschaftlichen und rabbinischen Befähigungen, sowie ihres religiösen und sittlichen Verhaltens spätestens bis 31. Januar 1878 bei uns melden.
Mannheim, 20. Oktober 1877. Die Lemle Moses'sche Klausstiftungs-Commission.
I.A. Dr. Friedmann, Stadt- und Konferenzrabbiner."   

       
Zum Tod von Rabbiner Löb Ettlinger (1884)      

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Januar 1884: "Mannheim. Wie bereits in diesen Blättern kurz berichtet, wurden wir am ersten Tage des Chanukka-Festes von einem schweren Verluste betroffen. Denn ein Fürst ist heute gefallen und ein großer Mann in Israel (2. Samuel 3,38). Der durch sein eminentes talmudisches Wissen, sein aufopfernde seltene Frömmigkeit, sowie durch seine edlen Herzens- und Charaktereigenschaften weit und breit gekannte Rabbi Löb Ettlinger sein Licht leuchte, Bruder des weltberühmten R. Jakob Ettlinger seligen Andenkens (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Jakob_Ettlinger), wurde an seinem Geburtstage und am Sterbetage seines großen Bruders in ein besseres Jenseits abberufen. Wohin diese Kunde gedrungen ist, hat sie Schmerz und Trauer hervorgerufen. Der Verblichene war ein Schüler des Rav Abraham Bing (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Abraham_Bing) in Würzburg die Erinnerung an den Gerechten sei zum Segen, aus dessen Schule so viele Heroen des Judentums hervorgegangen sind, und verbrachte sein ganzes Leben mit der Tora und den Mizwot (religiösen Bestimmungen). Ja, seine letzte Beschäftigung war noch das Entzünden des Chanukka-Lichtes. Wer es ermöglichen konnte, eilte hierher, um ihm die letzte Ehre zu erweisen. In unserer Stadt, wo er lange als Stiftsrabbiner weilte, stand er seiner vielen Vorzüge wegen in höchster Achtung. Die Beteiligung bei seinem Leichenbegängnisse war auch eine ganz enorme und Mannheim mag schon lange keinen so imposanten Leichenzug gesehen haben. Der Wille des Verstorbenen war, dass durchaus keine Trauerrede gehalten werde. Dieser Wille wurde auch soweit respektiert, dass keiner seiner vielen Verehrer und Schüler vor die Bahre hintrat, um seinen schmerzlichen Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Aber den Ausdruck der tiefen Trauer konnte man auf dem Gesichte eines jeden lesen; viele, viele Tränen sah man um den Verlust dieses Mannes fließen. Sein Andenken wird bei allen, die das Glück hatten, ihn näher zu kennen, stets fortleben und zum Segen gereichen. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."       
Anmerkung: Rabbiner Löb Ettlinger, Klausrabbiner (1803 - 1883), sein Grab siehe https://www.marchivum.de/de/juedischer-friedhof/b1-a-07-04-ettlinger-loeb-aron

 
Eine neue Publikation von Rabbiner Dr. Julius Fürst ist im Entstehen (1885)        

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 12. Mai 1885:  "Bonn, 1. Mai. Herr Rabbiner Dr. Julius Fürst in Mannheim hat die Absicht, eine 'Glossarium der in Midrasch Rabbah (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Midrasch), Pesikta (rabbinische Literatur) und Tanchuma vorkommenden, dem Lateinischen und Griechischen entnommenen Fremdwörter' herausgegeben und hat uns einige Proben zugesandt, welche neben bedeutender Sachkenntnis vielen Scharfsinn bezeugen und uns erwarten lassen, in diesem Werte eine sehr willkommene Bereicherung der betr. Lexikographie zu gewinnen. Fürst hat bereits in seinen Noten und Berichtigungen in der Bibliotheca rabbinica des Dr. Wünsche Verbesserungen korrumpierter Texte erwiesen. Möge es ihm daher bald gelingen, das geplante Werk der Öffentlichkeit zu übergeben."     
Anmerkung: Rabbiner Dr. Julius Fürst, Klausrabbiner (1826 - 1899), sein Grab siehe https://www.marchivum.de/de/juedischer-friedhof/c2-c-07-14-fuerst-julius-dr  

    
Rabbiner Dr. Ludwig Rosenthal wird zum Klausrabbiner ernannt (1895)     

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Januar 1895:  "Mannheim, 24. Dez. Die hiesige israelitische Gemeinde hat Herrn Dr. Ludwig Rosenthal, bisher Prediger in Spandau, zum Rabbiner an der Klaussynagoge ernannt. Herr Dr. R. ist Schüler des Berliner Rabbiner-Seminars."    
Anmerkung: Rabbiner Dr. Ludwig Rosenthal, Klausrabbiner (geb. 1870 in Wittelshofen, gest. 1938 in Köln). Er studierte am Berliner Rabbinerseminar für das orthodoxe Judentum und war zunächst Prediger in Spandau, seit 1895 Rabbiner in Mannheim, danach seit 1897 (konservativer) Rabbiner in Köln.  Vgl. https://provenienz.gbv.de/Ludwig_Rosenthal


Rabbiner Dr. Ludwig Rosenthal wurde nach Köln berufen (1897)     

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 17. September 1897: "Dr. Ludwig Rosenthal, seither Rabbiner der israelitischen Religionsgemeinschaft zu Mannheim, wurde zum zweiten Rabbiner in Köln gewählt."     
 
Mannheim AZJ 01101897.jpg (39904 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 1. Oktober 1897: "Eine Notiz in der vorletzten Nummer berichtigend, erwarten wir, dass der in Köln neugewählte Rabbiner Dr. Ludwig Rosenthal nicht Rabbiner der israelitischen Religionsgesellschaft, sondern der Klausstiftung in Mannheim war. Eine israelitische Religionsgesellschaft, d.h. eine Separatgemeinde wie in Karlsruhe, Mainz etc. gibt es in Mannheim nicht."  

     
Rabbiner Dr. Unna wurde als Klausrabbiner nach Mannheim berufen (1897)     
Anmerkung: Dr. Isak Unna (geb. 1872 Würzburg, gest. 1948 Jerusalem, mütterlicherseits ein Enkel des "Würzburger Raw" Seligmann Bär Bamberger): studierte in Würzburg und Berlin, zunächst Rabbinatsassistent in Frankfurt am Main, seit 1898 Klaus-Rabbiner in Mannheim, seit 1920 3. Stadtrabbiner in Mannheim (1924 Konferenzrabbiner des Oberrats, Exponent des gesetzestreuen Judentums, seit 1932 Vorsitzender der "Gesetzestreuen Rabbinervereinigung Deutschlands", schrieb ein Werk zur Geschichte der Klaus-Synagoge Mannheim), Sept. 1935 nach Erez Jisrael eingewandert, Autor einer posthum 1964 in Jerusalem herausgegebenen Sammlung rabbinischer Gutachten (Responsen). Siehe auch zu Rabbiner Dr. Isaak Unna den Wikipedia-Artikel  https://de.wikipedia.org/wiki/Isak_Unna.
  
Zu Rabbiner Dr. Isak Unna ein neuerer Presseartikel von pwr im "Mannheimer Morgen" vom 6. Februar 2020: "Mannheim. Marchivum Nachlass von Isak Unna erworben. Ein sehr prägender Rabbiner
Sie tauchten plötzlich in einem Luxemburger Antiquariat auf: Dokumente über den Mannheimer Rabbiner Isak Unna (1872-1948). Mit Hilfe des von Helen Heberer geleiteten Freundeskreis Marchivum hat das Marchivum nun 141 Dokumente im Umfang von 239 Blättern, vorwiegend Briefe, erwerben und in die stadtgeschichtliche Sammlung einordnen können. 'Es ist eine wertvolle Ergänzung zu den Büchern, Zeitungsartikeln und anderen Schriften, die wir von und über Unna bereits haben', so Markus Enzenauer vom Marchivum. Die Seiten seien von Unna teilweise selbst paginiert, wenn auch einzelne Seiten fehlen. Den Erhaltungszustand bezeichnete Enzenauer mit der Schulnote 'zwei bis drei', weil 'einige Papiere brüchig' seien. 'Doch das Material ermöglicht der Forschung einen neuen Zugriff auf Untersuchungen zu seiner Geisteshaltung, seiner Position im orthodoxen Judentum und seiner Mitwirkung in jüdischen Verbänden', erklärte der für stadtgeschichtliche Forschung zuständige Referent.
Sohn war Abgeordneter. Isak Unna, in Würzburg geboren, war von 1898 bis zur erzwungenen Emigration nach Palästina 1935 Rabbiner der Lemle-Moses-Klaus-Synagoge der orthodoxen Juden im Quadrat F 1, 11, die von den Nationalsozialisten zerstört wurde. 'In Mannheim haben in 230 Jahren mehr als 60 Rabbiner gelebt, aber er verdient besondere Aufmerksamkeit – nicht nur wegen der langen Amtsdauer', so Enzenauer. Isak Unna sei eine 'für die Gemeinde prägende Gestalt' gewesen, da er sich um deren Vereinsleben sehr verdient gemacht und den Ausbau der Religionsschule an der Synagoge vorangetrieben habe, 'aber er strahlte auch über Mannheim hinaus'. Dafür sprächen zahlreiche Beiträge von ihm sowie der Vorsitz in der Vereinigung der orthodoxen Rabbiner. 'Er war letztlich geistiger Führer der gesamten orthodoxen Juden in Deutschland', so Enzenauer. Dank der Unterlagen könne man sein Wirken nun noch näher erforschen. Einer seiner drei Söhne wurde in Israel Abgeordneter der Knesseth. pwr."   
Link zum Artikel 

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 3. Dezember 1897: "Dr. I. Unna von der orthodoxen Religionsschule in Frankfurt a. M. ist als Klausrabbiner nach Mannheim berufen worden."      

 
Rabbiner Dr. Julius Fürst erhält eine Auszeichnung (1898)       

Mannheim AZJ 04021898.jpg (31884 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 4. Februar 1898: "Rabbiner Dr. Julius Fürst in Mannheim wurde vom Großherzoglichen Oberrat der Israeliten in Würdigung seiner Verdienste um die jüdische Wissenschaft ein Fanny Weil'scher Preis im Betrage von 600 M. verliehen."      

 
Zum Tod von Rabbiner Dr. Julius Fürst (1899)      
Anmerkung: Dr. Julius Fürst (geb. 1826 in Heidelberg, gest. 1899 Mannheim; Sohn des Rabbiner Salomon Fürst): Rabbiner in Endingen/Schweiz 1854 bis 1858, danach in Merchingen, Bayreuth und Mainz, 1880-1899 Rabbiner an der Klaus in Mannheim (gab 1890 ein "Glossarium Graeco-Hebraeum" heraus, in dem er die im rabbinischen Schrifttum enthaltenen griechischen und lateinischen Worte verzeichnete und ihre Bedeutung in Midrasch und Talmud erforschte).   

Mannheim RabFuerst AZJ 29091899.jpg (264111 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 29. September 1899: "Mannheim, 22. September. Am 5. des Monats verstarb dahier im Alter von 73 Jahren der Rabbiner Dr. Julius Fürst, der über 19 Jahre als Klausrabbiner in hiesiger Stadt gewirkt hatte. Derselbe erfreute sich des Rufes eines hervorragenden Gelehrten auf dem Gebiete der orientalischen Sprachwissenschaften, denn er verfügte nicht nur über ein umfassendes jüdisch-theologisches Wissen, sondern auch über eine Kenntnis der klassischen und orientalischen Sprachen. Mit Vorliebe beschäftigte er sich mit der Erforschung der griechischen und lateinischen Fremdwörter, die sich in den Talmuden und Midraschim in sehr großer Zahl vorfinden. Zahlreiche Abhandlungen, die er in den angesehensten wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlicht hat, vor allem sein 'Glossarium graeco-hebraeum', das er in einer besonderen Audienz dem Großherzog überreichen durfte, zeugen sowohl von der Meisterschaft, womit er diese Materie beherrschte, als auch von seinem hervorragenden Wissen und seiner ausgedehnten Belesenheit. Mit namhaften zeitgenössischen Fachgelehrten fand er in regem Briefwechsel, und für die fernere Bearbeitung der talmudischen und midraschischen Lexikographie werden die Leistungen des Entschlafenen stets ein schätzenswerter Beitrag bilden. Indessen erstreckte sich auf sein Forscherfleiß auf zahlreiche allgemein literarische und historische Fragen, und es seien von seinen zahlreichen Abhandlungen aus den verschiedensten Gebieten nur die über 'Das peinliche Rechtsverfahren im jüdischen Altertum', über die Lessing'sche Ringparabel und endlich seinen letzten Aufsatz, der den rastlosen Gelehrten bis in seine letzten Lebenstage beschäftigte, über 'König Saul' erwähnt, in dem er seine Ehrenrettung dieser gewaltigen biblischen Gestalt unternahm. J. Fürst wurde im Jahr 1826 als Sohn des dortigen Rabbiners in Heidelberg geboren. 1854 wurde er selbst Rabbiner in Endingen, 1859 in Bayreuth, später in Mainz neben Aub. Die Beerdigung verlief am 7. des Monats unter zahlreicher Beteiligung der Gemeindemitglieder und des Vorstandes der Gemeinde in der dem edlen Entschlafenen gebührender Weise. Rabbiner Dr. Steckelmacher sprach am Grabe unter Zugrundelegung von Jeremiah 31, 12 und hob namentlich hervor den edlen Forscherdrang des Verewigten, die Idealität seiner Lebensbestrebungen und wie er in ihnen volles Genügen fand und volle Befriedigung. Er hatte mannigfache kleine Anfechtungen zu erfahren, aber 'seine Seele war wie ein getränkter Garten', eben infolge jener inneren Befriedigung wie auch infolge seines innigen Familienglücks und der warmen Anerkennung der auserlesenen Schar derer, die den inneren Wert und Gehalt eines Menschen zu würdigen verstehen. Er war auch während der beiden Tagungen der Synode durch das Vertrauen der Rabbiner des Landes zum geistigen Synodalmitglied gewählt worden und beide Male Alterspräsident. Er war ein edel anspruchsloser, bescheidener und immer heiterer, gemütvoller Mann. Immer und überall war ihm die Möglichkeit, sich mit der Wissenschaft zu beschäftigen, 'die heilige Zionshöhe, auf der seine Seele in erhabenen Wonnen schwelgte, in den Wonnen wahrhaft idealen und auch fruchtbaren Thorastudiums, auf der er die Segensfülle des Ewigen in vollen Strömen genoss, von der aus ihm auch mancherlei Kümmernisse wie in fernen, tiefen Niederungen sich verloren.' Möge dem Verstorbenen die Erde leicht sein! "    
 
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Oktober 1899: "Mannheim, 1. Okt. (Verspätet). Am ersten Tage (Hebräisch) verstarb dahier im Alter von 73 Jahren der Klausrabbiner Dr. Julius Fürst. Er wurde im Jahre 1826 als Sohn des Heidelberger Rabbiners geboren. 1854 wurde er Rabbiner in Endingen, 1859 in Bayreuth und später Mainz. 1880 wurde er als Rabbiner an der hiesigen Klaussynagoge angestellt. Mit ihm ist ein hervorragender Kenner der orientalischen Sprachen, der auf literarischem Gebiete eine fruchtbare Tätigkeit entfaltete, aus dem Leben geschieden. Außer zahlreichen Abhandlungen in jüdisch-wissenschaftlichen Zeitschriften, so besonders in der 'Revue des études juives', veröffentlichte er auch ein 'Glossarium graeco-hebraicum', das von seinem Wissen und seiner Belesenheit auf diesem Gebiete beredtes Zeugnis ablegt. – Fürst gehörte zwar in seinen Anschauungen der Reformrichtung an, war jedoch Andersdenkenden gegenüber von einer seltenen Toleranz, wie er überhaupt in hervorragender Weise durch menschlich-schöne Eigenschaften ausgezeichnet war. Seine heitere Gemütsart, die Bescheidenheit und Liebenswürdigkeit, mit der er jedem entgegenkam, gewannen ihm alle Herzen und so werden ihm alle, die ihn kannten, ein freundliches und liebevolles Andenken bewahren."   
Anmerkung:  Rabbiner Dr. Julius Fürst, Klausrabbiner (1826 - 1899), zu seinem Grab siehe https://www.marchivum.de/de/juedischer-friedhof/c2-c-07-14-fuerst-julius-dr

   
Beitrag von Rabbiner Dr. Isaak Unna über den biblischen Josef (1901)       

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. Dezember 1901: "Der erste jüdische Staatsmann. Eine Betrachtung zu Paraschath Wajigasch von Dr. Isaak Unna, Rabbiner in Mannheim. Nachdem die Thora uns von der Wiedervereinigung der Brüder und des Vaters mit Josef erzählt, nachdem sie uns die Wanderung Jakobs nach Ägypten, seine Begegnung mit Josef und sein Zusammentreffen mit dem Pharao geschildert, gibt sie uns eine Darstellung von den Wirkungen, welche die Hungersnot in Ägypten hatte, von der Tätigkeit Josefs und von seinen Maßregeln zum Wohle des Landes und seiner Bewohner. Es wird uns mitgeteilt, wie er zuerst den Einwohnern für ihr Geld Getreide lieferte, wie sie dann auch ihre Herden verkauften, und wie er endlich das ganze Land zum Eigentum des Königs machte, sodass die Bewohner nunmehr die Pächter ihres eigenen Bodens waren. Wir müssen uns aber fragen: Wozu wird uns alles dieses hier erzählt? Warum sind diese Dinge, die doch offenbar nur für die Geschichte Ägyptens Interesse haben, in die Thora aufgenommen? Die Thora hat, wie schon ihr Name sagt, den Zweck der religiös-sittlichen Belehrung, nicht nur in dem Teil, in welchem sie uns positive Vorschriften gibt, sondern auch da, wo sie geschichtliche Tatsachen berührt.
Schon bei der Schöpfungsgeschichte führt Raschi (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Raschi) die Frage des Rabbi Jizchak an, weshalb die Thora nicht mit dem ersten Gebot beginne, das Israel gegeben wurde. Und als Begründung dafür wird gesagt: Weil damit das absolute Recht Gottes, als des Herrn der Welt, zum Ausdruck kommen sollte. Die ganze Geschichte der Stammväter und später die Geschichte Israels geht darauf hinaus, dass sie das ihnen verheißene Land in Besitz nehmen und darin die Lehre ausüben sollten. Damit man nun nicht sagen könnte, auch die Kinder Israels hätten sich wie andere Völker durch die Gewalt der Waffen ein Land erobert, auf welches sie ein Recht hatten, darum wird vorher ausgesprochen, dass dieses Land von dem einzigen rechtmäßigen Herrn, von Gott, der die ganze Welt geschaffen, verliehen worden sei. Und so ist bei den Erzählungen der Thora überall die Tendenz vorhanden, um zu belehren, uns eine Anweisung zu geben fürs Leben.
Worin liegt nun die Bedeutung jener Schilderung der Tätigkeit Josephs?
Es ist aber jene Erzählung der Thora doch nicht so gleichgültig, wie es uns scheinen könnte, denn sie gibt uns wichtige Züge für die Beurteilung des Charakters von Josef. Josef ist der erste jüdische Staatsmann, dem wir in der Geschichte begegnen. Er ist nicht der einzige geblieben, noch oft treten uns in der späteren jüdischen Geschichte Männer entgegen, die wie er dazu berufen waren, die Geschicke eines großen Landes zu lenken. Die Thora zeigt uns aber an diesem ersten Beispiel Josefs, wie er sein Amt auffasste, welche Eigenschaften er da betätigte, und wie diese Eigenschaften ihn als das Muster eines Mannes erscheinen lassen, der in treuer Hingebung seine ganze Kraft dem Dienste seines Königs und seines Landes widmet. Schon früher teilt uns die Thora verschiedene Charakterzüge mit, die uns erkennen lassen wie ein Mann beschaffen sein muss, der zu solch hohem Amte berufen wird, damit er die Pflichten dieses Amtes auch vollkommen begreife. Wir begleiten Josef auf dem Wege nach Ägypten; wir sehen, wie er auch dort derselbe bleibt, wie er unter den Ägyptern den Gedanken an seinen Vater und die Lehren des Vaters nie vergisst. Und hier, bei der Schilderung des Verlaufs der Hungersnot, wird uns gezeigt, wie Josef seinen Herrscherberuf ausübte, wie er es verstand, bei der edelsten Gesinnung und der rechtschaffensten Handlungsweise doch das Interesse aller zu wahren. Er betrachtete sein Amt nicht als ein Mittel, um für sich selbst zu sorgen, seinen Reichtum und sein Ansehen zu wahren. 'Josef brachte das Geld in das Haus des Pharao.' Er behielt nichts davon für sich, es war das Wohl der Gesamtheit, das er zu fördern suchte. Seine Laufbahn beginnt mit dem Rat, den er dem Pharao zum Heile des Landes gibt; und seine Einsicht und seine Machte verwendet er dazu, um das Volk in den Jahren des Hungers zu erhalten. Er will aber auch dem König nützen; er versorgt das Volk mit Brot, aber dafür, sagt er dem Volke, dass der König euch erhält, soll auch das Land dem König gehören. Und dennoch versteht er es, diese Maßregel, die vielleicht bei einem minder einsichtsvollen Herrscher zu Aufständen geführt hätte, in eine Form zu kleiden, dass sie durchaus seinen drückenden Charakter hat. Nur den fünften Teil des Ertrages sollen sie dem König abliefern. Den Zehnten gaben sie wohl auch sonst als Tribut dem König, und wie es früher heißt, hatten sie in den Jahren des Überflusses auch schon ein Fünftel des Ertrages beigesteuert, um für die Jahre des Hungers Vorräte zu sammeln. 'Man erhebe ein Fünftel vom Lande Ägypten in den sieben Jahren des Überflusses.' So verstand es Josef, in der glücklichsten Weise das Wohl der Gesamtheit zu fördern und dabei das Interesse seines Königs zu wahren. Und wie dieses auch vom Volke anerkannt wurde, wie wenig sie Josef als einen Steuerminister oder, wie ein antisemitischer Schriftsteller der neueren Zeit ihn  
Mannheim Israelit 19121901a.jpg (288088 Byte)nannte, als Kornwucherer betrachteten, das geht aus den dankbaren Worten hervor, die sie an ihn richteten: 'Du hast uns am Leben erhalten.'
Mit jener Enteignung verband Josef noch eine Maßregel, die zum Wohle seiner Familie beitragen sollte. 'Und das Volk versetzte er in Städte, von einem Ende des Gebietes von Ägyptens bis zum andern.' Die meisten sagen, er hätte dies deshalb getan, damit nicht die Ägypter seine Brüder als Fremde, als Eindringlinge bezeichnen könnten. Die Ägypter waren jetzt nicht mehr die Herren ihres Landes, sie waren selbst aus anderen Gebieten eingewandert, sie konnten also die Brüder Josefs nicht durch solche Vorwürfe kränken. Denn die Sorge für das Wohl seiner Verwandten lag ihm nicht weniger am Herzen. 'Josef versorgte seinen Vater und seine Brüder und das ganze Haus seines Vaters mit Brot, nach Verhältnis der Kinder.' Er verpflegte ihn, er suchte seinem Vater und seinen Brüdern den Aufenthalt angenehm zu machen, sie sollten vergessen, dass sie ihre Heimat verlassen hatten. Freilich, bereichern sollten auch sie sich nicht; es heißt nur: 'Er verpflegte sie – nach Verhältnis der Kinder'. Nur so viel, als für ihre Familien nötig war, erhielten sie; er wollte ebenso wenig für sie, wie für sich einen unerlaubten Vorteil haben.
Der Dank, den Josef für sein selbstloses, uneigennütziges Wirken empfangen sollte, war allerdings gering. Denn, wenn er auch selbst es nicht mehr erlebte, dass die Ägypter Israel knechteten, schon kurz nach seinem Tode wollte man von den Wohltaten, die er dem Lande erwiesen, nichts mehr wissen. 'Es stand ein neuer König auf über Ägypten; der von Josef nichts wusste.' Dass die Erhaltung des Landes jenem Hebräer zu danken war, war bald vergessen, und den Entgelt empfingen seine Nachkommen dadurch, dass man sie unterdrückte und zu vernichten suchte.
Und wie Josef, so hat es auch in späterer Zeit viele jüdische Männer gegeben, die ihre Kräfte und Anlagen dem Vaterland weihten. Ein Beispiel bietet uns noch die spätere biblische Geschichte in Daniel. Auch von ihm heißt es, dass ihm niemand einen Vorwurf machen konnte: 'Sie konnten keine Sache oder Übeltat finden, weil er treu war.' (Dan. 6, 5) Und seine Feinde griffen zu dem Mittel, ihn durch seine Religion zu stürzen. Bei Daniel müssen wir auch besonders noch den Freimut bewundern, mit dem er dem Könige Belschazar entgegentritt und ihm den Frevel, den er durch die Benutzung der heiligen Tempelgeräte bei seinem Zechgelage begangen, vor Augen hält. Er fürchtet nicht den mächtigen König, er beugt nicht den Nacken vor dem Großen, sondern offen und frei spricht er aus, was seine Überzeugung ist.
Auch muss er aber erfahren, dass alle Verdienste um das Land von den Feinden keine Entschuldigung sind für das Verbrechen, dem Stamme Israels anzugehören.
Auch einem Staatsmann der späteren Zeit, dem großen Abarbanel (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Isaak_Abrabanel) sollte dieses Geschick nicht erspart bleiben. Auch er hatte seinem Lande in der aufopferndsten Weise gedient, der spanische König schätzte ihn hoch als einen treu ergebenen Diener. Aber als fanatische Priester die Vertreibung der Juden bei dem Könige durchzusetzen suchten, da konnte auch sein Einfluss nichts ausrichten, da gedachte man nicht mehr der Wohltaten, die man von dem Juden erfahren; er selbst musste zum Wanderstabe greifen und den ungastlichen Boden des Landes verlassen, das ihm so viel verdankte.
So leben wir überall, wie jüdischer Geist sich in segensvoller Weise betätigt, dass die Völker nicht, wie sie behaupten, von Israel benachteiligt werden, dass sie vielmehr von ihm die höchsten Wohltaten empfangen, die sie aber stets mit Undank lohnen.
Uns aber sollen dennoch immerdar die großen Vorbilder der Ahnen vorschweben. Die Gestalt Josefs soll uns stets mahnen, dass auch unsererseits unsere Pflicht in der vollkommenen Weise zu erfüllen, ob wir Anerkennung finden oder nicht. Und einmal wird ja auch die Zeit kommen, wo man einsieht, was Israel der Menschheit gewesen, wo Israel nicht mehr zu sagen braucht: 'Für meine Liebe hassen sie mich (Psalm 109,4), wo vielmehr die Verheißung sich erfüllen wird: 'Alle, die sie sehen, werden erkennen, dass sie ein Geschlecht sind, das Gott segnet' (Jesaja 61, 9) und das dazu berufen ist, Segen zu verbreiten."   

     
25-jähriges Ortsjubiläum von Rabbiner Dr. Isaak Unna (1922)      

Mannheim Israelit 28121922.jpg (252478 Byte) Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. Dezember 1922: "Amtsjubiläum des Herrn Rabbiner Dr. Isaak Unna
Mannheim,
17. Dez. Der gestrige (Hebräisch) erhielt seine besondere Weihe durch die Feier der 25. Wiederkehr des Dienstantritts des Herrn Rabbiner Dr. Unna an der Claus-Synagoge (Lemle Moses Claus-Stiftung).
Die jetzige angesehene Stellung der gesetzestreuen Minderheit innerhalb der Mannheimer Israelitischen Gemeinde ist der Erfolg der segensreichen Wirksamkeit von Herrn Rabbiner Dr. Unna. Es ist nur das Verdienst dieser Persönlichkeit, dass die Aufrechterhaltung – ja, man kann sagen, Erhaltung überhaupt – der rituellen Einrichtungen innerhalb Mannheims nach den strengsten Richtlinien der Thora gesichert ist. Am Freitagabend war die Synagoge auf den letzten Platz zum Festgottesdienste gefüllt. Nach dem üblichen Gottesdienste, der durch einen von dem Synagogenchor vorgetragenen neuen Lecha Dodi verschönert wurde, ergriff der erste Vorsitzende der Israelitischen Gemeinde, Herr Oberrat Max Goldschmidt, das Wort, um Herrn Dr. Unna Dank zu sagen, für sein selbstloses Wirken und seine wertvollen Dienste für das Wohl der Gemeinde. In sinnigen Worten der Tora richtete der Parnes (sc. Gemeindevorsteher), Herr Direktor Rosenbaum an den Jubilar herzliche Worte der Anerkennung für sein stetes Interesse und seine aufopfernde Tätigkeit als Führer der Gemeinde. Tief bewegt von dem Eindruck der Stunde begann der Jubilar mit dem Dank an G'tt und die anwesenden Vorstände der Gemeinde, deren Bemühungen es gelang, den Klausrabbiner die Stellung eines Gemeinderabbiners zu sichern. Mit dem Wunsche, dass G'tt ihm weiter Kraft und Stärke zur Erfüllung seines hohen Amtes verleihen möge, schloss der Jubilar mit einem lebhaften Appell an seine Gemeinde, ihn in der Ausführung seines verantwortungsvollen Dienstes zu unterstützen. Ein Schlussgesang des Synagogenchors beendigte die erhebende Feier. Zu einer begeisterten Kundgebung gestaltete sich die am Schabbat-Ausgang nach dem großen Saale der August-Lamey-Loge einberufene Festversammlung, deren überaus zahlreicher Besuch beredtes Zeugnis ablegte von der Beliebtheit des geistigen Oberhauptes der Gemeinde. Der vorzügliche geschulte Synagogenchor, unter der bewährten Leitung seines Dirigenten Herrn Theodor Bodenheim, eröffnete die Feier mit einem erhebenden Gesang. Diesem folgte ein von Herrn Oberstudiendirektor Heinemann, Ludwigshafen; verfasster und von dessen Tochter vorgetragener Prolog. Seine Festrede legte Herr Studienrat Dr. Levi, Mannheim-Ludwigshafen, den Gedanken zugrunde, dass Juden keinen Personenkult kennen, dass trotzdem unsere Talmudgelehrten neben der Achtung vor der Gesundheit (?) besonders die Achtung des Toragelehrten zur Pflicht gemacht haben, denn wir ehren in den Toragelehrten die Tora selbst, die er vertritt. So auch sei die heutige Feier gedacht, besonders dem Toragelehrten sei die Huldigung dargebracht. Der Redner flocht noch den Gedanken ein, dass heuer für den Jubilar ein besonderer Chanukka sei, 'Chanukka 25' ein Ruhepunkt nach 25 Jahre, dem Rückblick und Ausblick gewidmet. Wenn Raschbal (?) sagt, so schloss der Redner, so ist dieser Ausspruch in seiner ganzen Tragweite auf den Jubilar anzuwenden, auch er hat sich ja Omek batora balaila (einer der sich in [das Studium der] Tora in der Nacht versenkt) gewesen, in dunklen Zeiten sich in die Tora versenkt. Möge es dem Gefeierten des Tages vergönnt sein, auch ein Omak batora bajom (einer der sich in [das Studium der] Tora am Tage versenkt) zu sein, noch in vielen sonnigen Tagen und Jahren.
Im Auftrage des Synagogenrates überbrachte Herr Dr. Julius Moses die Glückwünsche der Gemeinde und begrüßte gleichzeitig den Jubilar namens des Badischen Oberrats der Israeliten als neues Mitglied der gesetzestreuen Landessynode. Herr Joseph Traub sprach namens der Gemeindebeamten und Herr Theodor Graber im Auftrage der Vereinigung der Ostjuden.
Den Dank für die Tätigkeit des Jubilars im 'Verein zur Wahrung der Interessen des gesetzestreuen Judentums in Baden', erstattete Herr Synagogenrat Eduard Bauer, während Herr Rechtsanwalt Dr. Staadecker die eifrige Mitarbeit an den Bestrebungen der B'nai-Brith-Loge hervorhebend erwähnte. Als Vertreter der 'Beerdigungsbruderschaft' rühmte    
Mannheim Israelit 28121922a.jpg (115018 Byte)Herr Studienrat Dr. Moses Buttenwieser den Jubilar als Vorbild steter Pflichttreue und Hilfsbereitschaft; worauf der aus Frankfurt herbeigeeilte Freund und Mitschüler des Jubilars, Herr Rabbiner Dr. Jakob Horowitz in herzlichen Worten der angenehmen langjährigen Beziehungen zu Herrn Dr. Unna gedachte und ihn als den Lieblingsschüler seines verstorbenen Vaters, Herrn Rabbiner Dr. M. Horowitz - das Gedenken an den Gerechten ist zum Segen - und als einen der strebsamsten Vorkämpfer jüdischen Geistes und jüdischer Wissenschaft schilderte.
Für die Schüler und den Bund Jüdischer Akademiker (V.J.A. Heidelberg) dankte ihm in zündenden Worten Herr cand. med. Michael Würzburger dem unermüdlich Rav und großen Pädagogen mit dem Gelöbnis der Treue zur Fahne der Tradition. Nun ergriff Herr Rabbiner Dr. Unna selbst das Wort, dankte allen Rednern für die vielen Beweise inniger Freundschaft und beteuerte, dass er nicht aus persönlichem Ehrgeiz seine Zustimmung zur der heutigen Feier gegeben habe; ihm sei es nur darum zu tun gewesen, eine Gelegenheit zu schaffen, den Sinn für Eintracht und Frieden innerhalb der Gemeinde zu haben. Um den gemütlichen Teil des Abends bemühten sich in erfolgreicher Weise Frl. Mathilde Lazarus und Herr Max Schuster (Solo), Frl. Gertrud Traub und Herr Siegfried Feith (Rezitation), Herr Oberkantor Eppstein (Jargonlieder) und Frau Oskar Retwitzer mit Frl. Liesel Bauer am Flügel. Oppenheim'sche 'Lebende Bilder' beschlossen den wohlgelungenen Abend."    
Anmerkungen: Die August-Lamey-Loge war in C 4, 12.  Zu August Lamey  https://de.wikipedia.org/wiki/August_Lamey
Eduard Bauer (1866 –1937), Fabrikant und Synagogenrat; zu seinem Grab siehe https://www.marchivum.de/de/juedischer-friedhof/g1-a-10-03-bauer-eduard 
Studienrat Dr. Levi siehe Dokument unten: zum Abschied von Prof. Dr. Sal. Levi (1935)   
Dr. Abraham Staadecker
(geb. 1846 in Merchingen, gest. 1910 in Mannheim), Rechtsanwalt und Synagogenrat, zeitweise Oberrat und Gemeindevorsteher, siehe https://www.marchivum.de/de/juedischer-friedhof/c2-mgr-22-staadecker-abraham-dr.
Dr. Julius Moses (1869 -1945), praktischer Arzt, der sich besonders um psychisch auffällige Kinder kümmerte. Er unterrichtete am Fröbelseminar und an der Handelshochschule in Mannheim. 1934 emigrierte er nach Palästina.
  
 
Mannheim Neue JuedPresse 12911923.jpg (598233 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. Januar 1923: "Jubiläum des Herrn Rabbiner Dr. Isaak Unna - sein Licht leuchte - in Mannheim.
Der Schabbat Chanukka erhielt seine besondere Weihe durch die Feier der 25. Wiederkehr des Dienstantritts Seiner Ehrwürden des Herrn Rabbiner Dr. Unna an der Claus-Synagoge (Lemle Moses Claus-Stiftung)....
Text ist identisch wie der obigen Text vom 28. Dezember 1922.     

   
Rabbiner Dr. Chaim Lauer aus Biel wird als Direktor der hebräischen Schule der Lemle Moses-Klaus-Stiftung berufen (1925)     

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. Februar 1925: "Biel, 9. Februar (1925). Der Synagogenrat in Mannheim hat Herrn Rabbiner Dr. Ch. Lauer in Biel als Direktor der hebräischen Schule der Lemle Moses-Klaus-Stiftung berufen. Herr Dr. Lauer hat den Ruf angenommen und gedenkt schon am 1. Mai sein neues Amt anzutreten. Herr Dr. Lauer lernte lange Jahre auf der Jeschiwa des weit über die Grenzen seines Landes berühmte Gaon R. Elieser Deutsch seligen Andenkens in Bonyhad (Ungarn), dessen Lieblingsschüler er stets war (siehe R.G.A. Peri-ha-Sode, Bd. 1-3). Später kam er mit reichen talmudischen Kenntnissen nach Deutschland und war mehrere Jahre Rabbinatsassistent bei Herrn Provinzialrabbiner Dr. M. Cahn seligen Andenkens in Fulda. In Basel war er anfangs einige Jahre lang Lehrer des 'Schomre-Thora'-Vereins, und dann mehrere Jahre geistiger Leiter der Gemeinde Liestal bei Basel. Nachdem er in Basel die Maturitätsprüfung bestanden hatte, studierte er an der dortigen Universität Orientalia, Philosophie und Naturwissenschaften. Nach seiner Promotion in Basel besuchte er das Rabbinerseminar in Berlin, das er mit großem Erfolg absolvierte. Im Sommer 1914 hat ihn der Verwaltung der 'Ica' zum Oberrabbiner ihrer Kolonien in Argentinien ernannt. Infolge des Weltkrieges konnte Herr Dr. Lauer sein Amt in Argentinien nicht antreten. Ungern sehen seine zahlreichen Freunde in der Schweiz, seine Schüler - and last not least - seine Gemeinde ihn in das Ausland scheiden; wir hätten ihn gerne zurückgehalten mit den Worten des R. Josua: so viele geistige Schätze besitzest du und du willst uns verlassen. Wir sind überzeugt, dass er durch sein charakterfestes und taktvolles Wesen, durch seine großen Kenntnisse auf religiösem und profanem Gebiete, durch seine aufrichtige, ungeheuchelte Religiosität sich auch in seinem neuen Amte bald die Sympathie und Wertschätzung aller erringen wird. Wir wünschen ihm, dass sein Streben, die ihm anvertraute Jugend zu edlen Menschen und aufrichtigen Juden zu erziehen, von reichem Erfolge gekrönt werde."       
   
Biel Rab Lauer 010.jpg (43163 Byte)Rabbiner Dr. Chaim Lauer (Quelle für das Foto: Volker Keller: Bilder vom jüdischen Leben in Mannheim 1988 Foto Nr. 137) - ergänzende Informationen zum obigen Artikel: Lauer ist als Sohn des Gerson Lauer und der Rahel geb. Seelengut am 25.8.1876 im galizischen Bobowa (heute polnisches Karpatenvorland, Kreis Gorlice) geboren. Über seine Ausbildung siehe oben. 
Rabbiner Chaim Lauer war von 1916 bis 1925 Rabbiner in Biel. Nach einer erfolgreichen Tätigkeit als Rabbiner in Mannheim war er zum Verlassen Deutschlands 1939 gezwungen. Er konnte nochmals bis zu seinem Tod am 11. August 1945 in Biel als Rabbiner tätig. sein. Er ist auf dem jüdischen Friedhof in Biel beigesetzt.   

 
Zum Tod der Frau von Rabbiner Buttenwieser (1927)  
Anmerkung: Rabbiner Dr. Josef Arie Buttenwieser (geb. 1857 in Reichenberg, gest. 1927 in Mannheim) studierte in Würzburg, Schwach und Preßburg; war bis 1888 Klausrabbiner in Mannheim und Lehrer an der Schule des Vereins zur Förderung des Religionsunterrichts; von 1888 bis 1921 Rabbiner an der damals neu gegründeten Separatgemeinde Ez Chajim in Straßburg; 1921 in den Ruhestand nach Mannheim zurückgekehrt, wo er am 23. September 1927 verstorben ist. Seine Tochter Charlotte (Sprinza) geb. Wäldler, eine Tochter von Salomon Lipmann Wäldler (Rabbiner in Schönlanke) verstarb bereits im Juni 1927 in Mannheim. Foto und genealogische Informationen über  https://www.geni.com/people/Charlotte-Buttenwieser/6000000015978463921)  
Zum Grab von Rabbiner Josef Buttenwieser  https://www.marchivum.de/de/juedischer-friedhof/f1-a-07-01-buttenwieser-josef  .    

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. Juni 1927: "Mannheim, 23. Mai (1927). Wieder haben sich zwei Augen für immer geschlossen, aus denen Sonnenlicht strahlte, so lange die göttliche Seele in ihnen wohnte. Frau Rabbiner Buttenwieser, die unermüdliche, darf nun die ewige Ruhe genießen. Möge das künftige Leben ihr den Lohn bringen, den sie sich hier verdient. Eine tiefe, spontan arbeitende Menschlichkeit durchflutete ihr ganzes Wesen. Diese betätigte sich unmittelbar an ihrer Umgebung und war eine Quelle von Trost und Beglückung. Ihr unaufhaltsamer Trieb, Gutes zu tun, ließ sie nicht warten, bis das Elend auf eigenen schwachen Füßen zu ihr wankte; vielmehr trieb es sie, das Leid zu suchen und es zu mildern, wo sie es auffinden konnte. Und dies alles so selbstverständlich, so zeitlos, über jeder anderen Art von Güte stehend in seiner Echtheit. Diese Mütterlichkeit und Fürsorge galt nicht nur den körperlich Schwachen; sie erstreckte sich mit einzigartiger Wärme auf alle jene jungen Menschen, die in der fremden Universitätsstadt das Rabbinerhaus aufsuchten, welches ihnen so zur zweiten Heimat wurde durch die wackere Frau, die es verwaltete. Und wenn ihr Herz so für die ihr Fremden schlug, so kann man sich denken, dass ihre Liebe für ihre eigene Familie ein verschwenderisch hohes Maß erreichte. Vor dieser Liebe stehen ehrfürchtig heute die ehrwürdige Gestalt des Gatten - er möge lange, gute Tage erleben. Amen - und ihre Kinder. Wie armselig dünkt sich der Mensch, wenn er vor solch einer Seele steht und ihre Einzelwirkungen auf die Welt betrachtet. Wie stark dagegen übermannt ihn das Gefühl, dass diese Seele ein Teil von Gott ist, so ganz und echt und ewig in ihren Werten, jetzt, da sie wieder zu ihrem göttlichen Urquell zurückgekehrt ist und ihr freundliches Lächeln wie ein traulicher Abschiedsgruß die Welt der Kleinheit noch einmal streift. Wir danken Gott, dass wir sie besessen. Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."        

   
70. Geburtstag von Rabbiner Joseph Arie Buttenwieser (1927)      

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. Juli 1927: "Mannheim, 12. Juli. Am 21. Tamus vollendete Herr Rabbiner Joseph A. Buttenwieser - sein Licht leuchte - sein 70. Lebensjahr. Wie unseren Lesern bekannt sein wird, lebt dieser Mann, der Jahrzehnte die Austrittsgemeinde in Straßburg im Elsass geleitet hat, seit einigen Jahren in Mannheim und erfreut sich dort des wohlverdienten Ruhestandes. Seine Lebensschicksale sind schnell aufgezählt. Geboren in Reichenberg bei Würzburg, begab er sich, naturgemäß angezogen durch die Persönlichkeit des Würzburger Raws (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Seligmann_Bär_Bamberger), als Jüngling zu diesem, um von ihm die erste Einführung in alle jüdischen Wissensgebiete zu erlangen. Nicht zufrieden hier all seinen Wissensdurst zu stillen, ging er noch nach Schwabach, um bei dem dort wirkenden Reb (Rabbiner) Hyle Wechsler und dann in Preßburg bei Reb Nathe Wolf (vgl. https://www.geni.com/people/Rabbi-Natan-Wolf-Benjamin-Lieber-ABD-Pressburg/6000000009634585480)  weiter und weiter zu lernen. Auf kurze Zeit ging er dann nach Mannheim als Rabbiner der Klaus, um im Jahre 1888 nach Straßburg an die damals gegründete Gemeinde Ez Chajim berufen zu werden. Aus den kleinen Anfängen, die er dort vorfand – beim Beginn seiner Tätigkeit waren es nur ein knappes Minjan (sc. 10 religionsmündige jüdische Männer) Menschen, die sich in dieser Gemeinde zusammengefunden hatten – machte er durch die Kraft seiner Persönlichkeit eine Gemeinde, die bald das Zentrum der ganzen elsässischen Orthodoxie wurde. In enger Fühlung mit Samson Raphael Hirsch (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Samson_Raphael_Hirsch)  und Dr. Lehmann - das Andenken an den Gerechten ist zum Segen - nahm er zu allen Problemen, die diese kämpferischen Zeiten mit sich brachten, gleich gesinnt mit diesem Fühlung, wenn er auch niemals die Verehrung für seinen ersten Lehrer, den Würzburger Raw sinken ließ. Sein Haus und seine Gemeinde wurden der Mittelpunkt der in Straßburg studierenden jüdischen Jugend; ihr und seiner Gemeinde war er ein stets anregender, geistiger Führer. Aber auch organisatorisch leistete er vieles und schuf aus seiner Gemeinde eine Muttergemeinde. Als ein auch für die heutigen Zeiten nachahmenswertes Beispiel sie auf die während der ganzen Zeit seiner Wirksamkeit unterhaltenen Kurse für die Lehrer des ganzen umliegenden Gebietes (insbesondere des Saargebietes) hingewiesen. Im Kampfe gegen die Schechitagegner (sc. Gegner des Schächtens) wusste er durch sein Ansehen bei den Behörden wirksame Waffen zu liefern. Nach dem Krieg (sc. 1. Weltkrieg) und der durch sein Ende bedingten politischen Umwälzung leitete er unermüdlich seine Gemeinde, bis er im Jahre 1921 aus Gesundheitsrücksichten sein Amt aufgab und nach Mannheim übersiedelte. Seine gleichgesinnte Gattin, die ihm während dieser ganzen Jahre treu zur Seite stand und durch ihre vielseitige Tätigkeit ins Haus und Gemeinde manches zu seinen Erfolgen beitrug, die Tochter des Rabbiners Salomon Waelder, Schönlanke (vgl. https://www.geni.com/people/Shlomo-Waeldler-ABD-Kikinda-Schönlanke/6000000012122085245: hier sind die am 15. April 1927 in Mannheim verstorbene Tochter Charlotte und weitere Nachkommen genannt), hat er in den Pessachtagen dieses Jahres verloren und wünscht deshalb keine Feier des Tages, an dem ihm sonst gewiss ein großer Kreis von Menschen seine Verehrung bezeugen würde. Wir aber können den Tag nicht vorübergehen lassen, ohne wenigstens von uns auszusprechen, das wir wissen, was die deutsche Orthodoxie an ihm besitzt. Wir wünschen ihm noch recht viele Jahre, um in Ruhe und Frieden der Tage seiner Arbeit zu gedenken. Alles Gute bis 120 Jahre."       

   
Zum Tod von Rabbiner Josef Arie Buttenwieser (1927)       

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Oktober 1927: "Personalien. Rabbiner Josef A. Buttenwieser - das Andenken an den Gerechten ist zum Segen
Ein Fürst im Geiste, ein Großer in Israel hat am 26. Elul seine gütigen, klugen Augen für immer geschlossen. Und wieder war es in der Stunde, in der wir uns rüsteten, den Schabbat zu empfangen, da folgte Rabbiner Josef A. Buttenwieser seiner vor wenigen Monaten auch in dieser Stunde in die Ewigkeit gegangenen gleichgesinnten und gleichstrebenden Gattin in die Welt des vollkommenen Schabbat. Mit der trauernden Familie trauert um den Verlust ihres Vaters und Führers die Gemeinde in Straßburg (Elsass), der große Kreis der Freunde und Schüler, das gesamte gesetzestreue Judentum. Ein Raw (Rabbiner) der alten Schule, ein Führer und Lehrer, eine in sich geschlossene Persönlichkeit, ein kluger und stets hilfsbereiter Mensch ist von uns gegangen. Die Tradition seines Elternhauses in dem Generationen hindurch Rabbiner und Lehrer Führer ihrer Gemeinden waren, hat der Verblichene erfolgreich fortgesetzt. Geboren in Reichenberg, hat er von seiner Kindheit aus den Quellen der Thora geschöpft, hat er seine Jugendjahre bei Rabe Hile Wechsler in Schwabach, bei Jona Rosenbaum in Zell und vor allem beim alten Würzburger Raw (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Seligmann_Bär_Bamberger) lernend verbracht. Rabbiner Buttenwieser gehörte zu der ersten Generation der deutschen Jünglinge, die es drängte nach den Stätten der Preßburger Jeschiwah (vgl. https://www.xn--jdische-gemeinden-22b.de/index.php/gemeinden/p-r/1596-pressburg-slowakei). Dort hatte er bei seinem Reb (Rabbiner) Bunem Sofer (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Avraham_Schmuel_Binjamin_Sofer und bei Reb. Nathan Wolf reiche talmudische Kenntnisse gesammelt. Ausgerüstet mit diesem tiefen jüdischen Wissen und mit einer deutschen hervorragenden profanen Ausbildung an den Universitäten wurde er durch die Großen seiner Zeit Samson Raphael Hirsch (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Samson_Raphael_Hirsch) und Dr. M. Lehmann (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Marcus_Lehmann und https://www.deutsche-biographie.de/sfz49846.html) in Mainz beeinflusst. In dem Geiste dieser Führer des gesetzestreuen Judentums zu wirken, sah er als seine hehre Aufgabe. In jungen Jahren wurde er nach Mannheim berufen, um dem thoratreuen Judentum, das dort vollkommen verwaist war, eine Pflanzstätte zu schaffen. Noch zahlreiche Schüler aus dieser Zeit denken heute mit besonderer Liebe ihres großen Lehrers, der sie erst einführte in den echt jüdischen Geist. Bald aber sollte der mit hohem Idealismus erfüllte Mann eine Lebensaufgabe finden, die er meisterhaft erfüllte. Im Elsass, das jahrhundertelang der Sitz der Cholim war, war leider Tora und Gottesfurcht geschwunden. Eine Schar wackerer Männer – ein knappes Minjan (sc. zehn religionsmündig jüdische Männer) berief Rabbiner Buttenwieser nach Straßburg, um gemeinsam mit ihm die eben gegründete Kehilloh (Gemeinde?) Ez Chajim auszubauen. Wer die Kämpfe in den 80er Jahren nicht mitgemacht hat, weiß nicht zu würdigen das große Werk, das dieser Führer geschaffen. Stein auf Stein musste gefügt werden, ehe das Haus gebaut war. Oft glaubten die Treuen, sie müssten verzagen, aber ihr Führer ließ nicht ab von dem einmal begonnenen Werk und trotz aller Schwierigkeiten wurde schrittweise das Terrain erobert. Es entstand in Straßburg eine Kehilloh, wie sie mustergültiger nicht gedacht werden konnte. Alle Institutionen, die eine Gemeinde braucht, wurden geschaffen. Da gab es keine Bedenken, das einmal gesteckte Ziel musste erreicht werden und wurde erreicht.
Der Heroismus und der Idealismus von Rabbiner Buttenwieser war beispiellos. Auf diesem vorgeschobenen Posten zeigte Rabbiner Buttenwieser der Welt die Kraft und die Stärke des gesetzestreuen Judentums. 'Auf dem Hauche (?) der Jugend beruht die Zukunft' – und so sah er in der von ihm geschaffenen Religionsschule die wichtigste Quelle für den Geist, zu dem er seine Gemeinde leiten und erziehen wollte. Die große Schar seiner Schüler ist der lebendige Geist, zu dem er seine Gemeinde leiten und erziehen wollte. Die große Schar seiner Schüler ist der lebende Beweis der großen pädagogischen Fähigkeiten ihres Lehrers. Aber nicht nur die Jugend zog er heran zu seinen Idealen, auch mit den Erwachsenen lernte er täglich und groß sind die Erfolge, die er zeitigen konnte. In einem wunderbaren Geiste wurde sein Haus geführt. Mit seiner würdigen Gattin, der Tochter der Schönlanker Raws (sc. Rabbiner Salomon Waelder) - das Gedenken an den Gerechten ist zum Segen - wurde das Straßburger Rabbinerhaus der Mittelpunkt nicht nur der Gemeinde, sondern der gesamten gesetzestreuen studierenden Jugend. Die zahlreichen Akademiker, die die Straßburger Universität besuchten, sie denken noch heute mit besonderer Liebe an die gastlichen Stätten dieses Hauses. Hier spürten sie alle die Ideale, die ihnen vom Straßburger Raw als Lebensziel hingestellt wurden. Die Anregungen, die sie hier empfingen, nahmen sie mit in ihr eigenes Leben. Für die Lehrer im Saargebiet und in Lothringen richtete Rabbiner Buttenwieser Kurse ein und konnte durch diese Kanäle auch diese Gebiete mit seinem Geiste befruchten. Groß war das Ansehen, das dieser seltene Mann bei den Behörden genoss und in dem Kampfe gegen die Schechita (sc. rituelles Schächten)-Gegner konnte er aufgrund seiner Beziehungen wichtige Waffen liefern. Aber neben all diesen großen Geistesgaben und Fähigkeiten war es das vorbildliche Menschentum des Verblichenen, das nur Güte ausstrahlte, das jeden, der mit ihm in Berührung kam, in seinen Bannkreis zog. An diesem Manne war kein Falsch! So war der Einfluss dieses Mannes bei allen ein gewaltiger und unauslöschlicher. Mitbestimmenden Einfluss übte er auf sämtliche Organisationen und Verbände des orthodoxen Judentums aus, besonders galt seine erfolgreiche Arbeit der 'Freien Vereinigung'. Er war nicht nur der Raw seiner Gemeinde, sondern er war das geistige Oberhaupt der zahlreichen ostjüdischen Kreise in Straßburg, für deren Sorgen und Nöte er stets vollstes Verständnis hatte. Wie zu einem Vater schauten sie zu ihm empor, der ihnen stets mit liebendem Herzen half und der mit vollstem Verständnis ihre Interessen zu seinen eigenen machte. Als der Verblichene aus Gesundheitsrücksichten vor ungefähr 6 Jahren schweren Herzens sein Amt niederlegen musste und nach Mannheim zu seinen Kindern zog, blieb er auch dort in Wahrheit der Vater und Führer seiner Gemeinde. Mit allen großen und kleinen Sorgen kamen sie auch dorthin zu ihm als ihrem Berater.
Die ganze Größe dieses Mannes zeigte sich im Ertragen seines schweren körperlichen Leidens. Kein Wort der Klage kam über seine Lippen, dankbar war er (gegenüber dem Heiligen - gepriesen sei er =) G"tt für alles, was er an Freude in seinem Familienkreise und in dem weiten Kreise seiner Freunde und Verehrer erleben durfte. Vom frühen Morgen bis zum späten Abend war das Leben der Erfüllung der Mitzwots (sc. Gebote) und dem Lernen geweiht. Mit der ihm eigenen, auch in seinem Alter von Leiden nicht gebeugten Willenskraft suchte er alle körperlichen Widerstände, die ihn an ihrer Ausübung hindern konnten, zu meistern. Das schwerste Leiden, das ihm die letzten Monate brauchte, war der plötzliche Verlust der Gefährtin des Lebens, die in jeder Hinsicht die harmonische Ergänzung seines Wesens bedeutete und die in den schwersten Jahren seines Leidens ihm die Last zu tragen half unter Hintanstellung ihrer eigenen Persönlichkeit. Aber auch in dieser schweren Zeit blieb er der Unerschütterliche, der das Schicksal als die Fügung Gottes auffasste. In dieser Phase seines Lebens bot er all denen, die seinen ungebrochenen Geist in einem hinfälligen Körper schauten, ein erschütterndes Beispiel seelischer Größe, wahrster und tiefster Gottesfurcht.
Das letzte Wort, das sich den Lippen des Sterbenden entrang, war: jaesch (?) haschanah. Mit dem Gedanken an den heiligen Tag, zog er in die Welt der Ewigkeit als ein Fürsprecher und Fürst für ganz Israel. Bei der Bestattung in Mannheim hielten die Herrn Rabbiner Dr. Unna, Rabbiner Dr. Brunschwig, Rabbiner Dr. Bondi aus Mainz (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Orthodoxe_Synagoge_Mainz) und Rabbiner Dr. Brom aus Luzern warm empfundene Trauerreden. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."     
Zum Grab von Rabbiner Dr. Buttenwieser: https://www.marchivum.de/de/juedischer-friedhof/f1-a-07-01-buttenwieser-josef   

      
60. Geburtstag von Rabbiner Dr. Isaak Unna (1932)   

Mannheim RUnna Israelit 25021932.jpg (257847 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. Februar 1932: "Rabbiner Dr. Isaak Unna 60 Jahre alt. Mannheim, 20. Februar (1932).
Herr Rabbiner Dr. Unna überschreitet in diesen Tagen die Schwelle seines sechsten Lebensjahrzehnts. Wir brauchen nur das Milieu zu schildern, dem er entstammt, um sein Wesen und Wirken zu verstehen. Hat ja auch schon altjüdische Weisheit erkannt, dass bei aller moralischen Freiheit des Individuums und der unendlichen Möglichkeiten seiner Entwicklung, es doch ein gewisses Etwas geben müsse, das Form und Phase der Entwicklung in diesem oder jenem Sinn beeinflusst. Das natürlichste Erbgut, das 'Jichus', die 'edle Abstammung' nennt es der Talmud.
Dieses Erbe ist Dr. Unna zugefallen. Er ist der Enkel des Rabbiners S. B. Bamberger, des 'Würzburger Raws' (vgl. https://wuerzburgwiki.de/wiki/Seligmann_Bär_Bamberger) - das Gedenken an den Gerechten ist zum Segen, eines Mannes von einer sprichwörtlich gewordenen menschlichen und bürgerlichen Rechtlichkeit und Redlichkeit, wie von überragender anerkannter Thoragelehrsamkeit. Auch die Eltern von Dr. Unna in Würzburg waren menschlich und jüdisch gesehen außergewöhnlichen Schlages. Sein Vater, Prediger und Religionslehrer, war ein Mann, in dem Wissen und Glauben, Thorakenntnis und profanes Wissen sich in harmonischer Einheit fanden, seine Mutter, jener Prototyp der gemütstiefen, jüdischen Frau, von der es heißt, dass sie in den Geist des Judentums eingedrungen sei wie kaum eine zweite, die nicht nur bewandert in den Prophetenbüchern, der auch Mischnah und Talmud nicht fremd geblieben waren.
Dies also die Atmosphäre, die die Jugend Dr. Unnas umgab. Nachdem er sich eine mehr als durchschnittliche wissenschaftliche Bildung angeeignet, und mit einer schon damals überragenden Masse talmudischen Wissens ausgerüstet hatte, nahm er einen Ruf an die Religionsschule in Frankfurt a. M. an, wo er auch unter Dr. Horowitz (vgl.  https://de.wikipedia.org/wiki/Markus_Horovitz) als Rabbinatsvertreter fungierte.
Im Jahre 1897 sehen wir ihn als Rabbiner der Claus in Mannheim (F 1,11). Nun beginnt der eigentliche Weg in die breitere jüdische Öffentlichkeit, auf dessen ersten Grenzstein das Hiob'sche Wort stand 'zum Mühsal ist der Mensch geboren', zu dem der Midrasch (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Midrasch) erklärend beifügt 'zur Mühsal im Dienste der Lehre', ein Weg des Mühsals und des – Erfolges.
Von seiner Gemeinde und der jüdischen Welt als großer Talmudgelehrter erkannt und anerkannt, will Dr. Unna kein Stubengelehrter sein. Sein Ziel ist zu lernen um zu lehren, Seelengut für das Judentum der Thora werben und erwerben. Schon gleich nach seinem Amtsantritt gründet er die 'Vortrags- und Diskussionsabende'. Um zu verstehen, dass dies wirklich eine Tat für das wissenschaftliche Leben Mannheims bedeutete, muss man wissen, dass die Vorträge der jüdischen Literaturvereine, wie sie damals in Deutschland Mode waren, auch in Mannheim so ziemlich die einzigen geistigen, jüdischen Äußerungen waren. Bei aller Anerkennung des Wertes dieser Veranstaltung, waren sie doch der Hauptsache nach mehr auf das passive Empfangen als das aktive Mitarbeiten eingestellt. Durch die von Dr. Unna geschaffenen Diskussionsabende erhielt die geistige Physiognomie Mannheims lebensvollere Züge. In freier Diskussion über alle jüdischen Fragen zu der sich Menschen verschiedenster Schichten und Färbungen zusammenfanden, wurde der unendlich große Komplex der Probleme durchgesprochen, die irgendwie mit Juden und Judentum zusammenhingen. So wurden die Abende für ihre Teilnehmer zum Erlebnis, das die Seelen auflockerte und von der Erkenntnis der Ideen zur Praxis ihrer Ausführung leitete. Die jüdische Frauenvereinigung und die Jüdische Kinderstube, der Nähzirkel und andere Organisationen sind aus diesem Kreise hervorgegangen. Dies schuf Dr. Unna ohne nennenswerte finanzielle oder ideelle Förderung.   
Mannheim RUnna Israelit 25021932a.jpg (258930 Byte)Aber auch Tatsachen, einer anderen Seite seiner Tätigkeit im Dienste der Allgemeinheit angehörend, seien hier der Vergessenheit entrissen. Da das Judentum sich nicht nur in religiöser, ethischer und sozialer Richtung erschöpft, sondern noch als zweite Komponente das praktische Leben umfasst, war es mit eine Lebensaufgabe von Dr. Unna die Neubelebung der rituellen Institutionen zu bewirken. Er organisierte u. a. auch die Möglichkeiten ritueller Fleischbeschaffung und setzt sich nicht zuletzt für eine gemeinderechtlich würdige, soziale Stellung der Ritualbeamten ein. Alles, ohne verwaltungsmäßige Unterstützung, (jeden Schritt vorwärts mühsam erkämpfend, er hatte ja seine Rabbinatsbefugnisse).
Erst 1920 war ihm durch seine Berufung zum Gemeinderabbiner ein größerer Kreis offiziellen Wirkens gegeben. In diese Zeit fällt auch der durch ihn veranlasste Ausbau der ihm unterstehenden Clausschule zur Religionsschule größeren Stils, und die Berufung von Rabb. Dr. Lauer (sc. Rabbiner Dr. Chaim Lauer aus Biel) als Schuldirektor.
Es ist begreiflich, dass die Tätigkeit eines Mannes wie Herrn Dr. Unna vor den Toren Mannheims nicht Halt macht. Als geistiges Mitglied der Synode (seit 1921) und Konferenzrabbiner (seit 1924) hat sein großes Thorawissen dem Badener Lande schon manchen Dienst erwiesen, und was die von ihm aufs Neue gegründeten und geleiteten Fortbildungskurse für jüdische Lehrer für den jüdisch-geistigen Aufbau über Baden hinaus bedeuten, wissen die Teilnehmer dieser Kurse selbst zu beurteilen.
Aber weiter greift die Wirksamkeit des Unermüdlichen. Die gesetzestreue Rabbinervereinigung Deutschlands wählte ihn zu ihrem Vorsitzenden. Seine Anerkennung in der jüdischen Welt überhaupt als Jude und Mensch, ist in mannigfacher ehrenvoller Berufung ausgesprochen. In der Agudas Jisroel ringt er ehrlich und energisch für seine Prinzipien, insbesondere für die Milderung der Wählbarkeit in die Agudosinstanzen bestimmenden Paragraphen, aber sein Kampf bleibt vornehm, sachlich und innerhalb der Organisation. Bei all dieser Tätigkeit im weitesten Rahmen, findet er aber immer noch Zeit, neben seiner ausgedehnten literarischen Tätigkeit, die eine eigene Würdigung verdienen würde, am religiös-geistigen Bau unserer Gemeinde weiter zu schaffen. Die verschiedenen, talmudischen Kurse, die er hier leitet, die 'Vortragsabende' der Claus, die auf einen größeren Kreis zugeschnitten sind, bilden mit einen Teil dieser Seite seiner öffentlichen Wirksamkeit.
Ich sage öffentliche Wirksamkeit. Was aber Herr Dr. Unna daheim in stiller Stube für das Judentum – das gesamte Judentum – leistet und geleistet, entzieht sich dem Blick derer, die nur ein Auge haben für Taten, die im grellen Licht der Öffentlichkeit geschehen. Wer etwas gehört hat von den Intrigen, mit denen Hass und Vorurteil das Judentum bedrohen – wir denken an die Schächtfrage – wer von den furchtbaren Gefahren nur etwas erahnt, die von scheinwissenschaftlich antisemitischer Seite nicht nur an den Talmud, sondern an das gesamte Judentum heranschleichen, ich denke an den Nürnberger Prozess und den Sachverständigen Bischoff, der möge wissen, dass nur das stetige, tiefe Eindringen in Talmud und Thora uns noch retten kann, eben diesen Talmud, den viele unserer Feinde besser kenne als manche von uns, die sich berufene Vertreter unserer Sache nennen.
Dieses Studium der Thora und des Talmud allein bedeutet schon das Lebenswerk eines Menschen, weil es die Lebensmöglichkeit unseres Volkes bedeutet.
Die gesamte gesetzestreue Judenheit hegt den heißen Wunsch, dass uns die Arbeitskraft dieses begnadeten Menschen noch Jahrzehnte ungeschmälert erhalten bleibt. Zu Ehren der Tora und zu Ehren des Ortes (= Mannheim): alles Gute (dem Jubilar) bis 120 Jahre!" 

    
Beitrag von Rabbiner Dr. Isaak Unna "Um die Zukunft des thoratreuen Judentums in Palästina" (1934)     

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. Februar 1934: "Um die Zukunft des thoratreuen Judentums in Palästina Von Rabbiner Dr. Unna in Mannheim
Im Februar 1919, kurz vor der Züricher Aguda-Konferenz, habe ich im 'Israelit' einen Artikel veröffentlicht: 'Ein Wort zu Verständigung'. Ich erwähnte darin die Tatsache, dass Aguda (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Agudath_Israel_Weltorganisation) und Misrachi (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Misrachi) sich gegenseitig mit einer Leidenschaft bekämpften, wie sie kaum gegenüber den Feinden des traditionellen Judentums zutage tritt, und knüpfte daran die Bemerkung: 'Diese gegenseitige Bekämpfung von Gruppen, denen beiden die Thora höchstes Heiligtum ist, ist eine der betrübendsten Erscheinungen jüdischen Lebens. Es werden durch sie wertvolle Kräfte im nutzlosen Wortkampf verbraucht und es wird eine Atmosphäre des Hasses geschaffen, die eine ernste Gefahr bedeutet, namentlich im Hinblick auf die praktische Arbeit in Palästina, wo das Zusammenwirken aller thoratreuen Juden eine Lebensfrage für das jüdische Volk und seine Zukunft sein wird.' Ich habe dann ausgeführt, dass über die Frage, was Judentum ist, doch kaum eine Meinungsverschiedenheit zwischen Aguda und Misrachi besteht, dass beide die Anerkennung des schriftlichen und mündlichen Gesetzes fordern, beide auch die Ansicht vertreten, dass im Judentum Religion und Nationalbegriff untrennbar verbunden sind. Nur halten die Wortführer der Aguda den Eintritt in die zionistische Organisation für eine Anerkennung des Prinzips des reinen Nationalismus und deshalb für eine Gefährdung der Reinheit der überlieferten Lehre, während der Misrachi glaubt, dass es taktisch richtiger sei, den Zionismus, der doch nun einmal ein Machtfaktor von höchster Bedeutung ist, von innen heraus in religiösem Sinn zu beeinflussen. Ich sagte dann zum Schluss:
'Ich meine auf der Grundlage der gegenseitigen Anerkennung der Überzeugung müsste sich ein stillschweigendes Abkommen erzielen lassen, dass die gegenseitigen Angriffe unterbleiben und dass jede Gruppe durch positive Arbeit die Richtigkeit ihres Prinzips erweist. Die Aguda soll ihre positiven Leistungen denen des Zionismus gegenüberstellen und dadurch ihre Werbekraft erhöhen, und der Misrachi soll zeigen, dass er wirklich imstande ist, bei der praktischen Gestaltung der zionistischen Ideen die Grundsätze der Thora zur Geltung zu bringen. Über die Berechtigung der beiden Methoden wird die Geschichte entscheiden. Für das Judentum aber wäre es der größte Segen, wenn der Bruderkampf eingestellt und die künftige Zusammenarbeit im heiligen Lande nicht von vornherein erschwert würde.'
Seitdem sind 15 Jahre verflossen. Jahre, die für Erez Jisrael (das Land Israel) eine Umwälzung bedeuteten. Aber keine der beiden gegnerischen Parteien hat ihr Ziel erreicht. Der Misrachi hat zwar an selbständigen Leistungen Wertvolles aufzuweisen: Er hat einige religiöse Siedlungen gegründet – vor allem den Kibbuz Rodges (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Gehringshof) – die in der Vereinigung von Thora und praktische Arbeit vorbildlich sind und auch die Anerkennung der Gegner erzwungen haben und auch sein Schulwerk ist, trotz aller Mängel, einer der wichtigsten Aktivposten des traditionellen Judentums. Seine Aufgabe, den Zionismus religiös zu beeinflussen, hat er aber nicht zu lösen vermocht, das haben die Verhandlungen des letzten Kongresses bewiesen, wo seine durchaus gemäßigten religiösen Forderungen abgelehnt wurden. Daran kann auch die erfreuliche Tatsache nichts ändern, dass die Verwaltung des Keren Kajemet ( vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Jüdischer_Nationalfonds) die Aufnahme der Sabbatklausel in ihre Verträge bewilligt hat. Auf der anderen Seite hat die Aguda zwar die Forderungen des traditionellen Judentums in Wort und Schrift unablässig betont, ihre praktischen Leistungen in Erez Jisrael (das Land Israel) sind aber bis jetzt minimal geblieben. Der Misrachi hat zweifellos infolge der Bindungen, die ihm seine Zugehörigkeit zur Organisation auferlegt, nicht mit der Energie auftreten können, die zur Durchsetzung seiner Forderungen notwendig gewesen wäre; zugleich aber war er behindert durch den Zwang, sich auch gegen die Gegner von rechts zu verteidigen. Die Aguda aber hat infolge der zahlreichen Aufgaben, die sie außerhalb von Erez Jisrael (vom Land Israel) zu erfüllen hat – denn sie kann sich nicht wie der Misrachi auf Erez Jisrael (Land Israel) beschränken – nicht die Kraft besessen, dort so zu wirken, wie sie es sicher gern getan hätte. Der leidenschaftliche Kampf aber ist geblieben; die Polemik hat, wie der Auseinandersetzungen der letzten Wochen beweisen, an Schärfe nicht das geringste verloren.
Sollte sich jetzt, angesichts der ungeheuren Gefahren, die unsere Ideale bedrohen, nicht die Erkenntnis durchsetzen, dass die Zukunft des thoratreuen Judentums in Erez Jisrael (Land Israel) von der Zusammenarbeit der Orthodoxen aller Schattierungen abhängt? Der Abfall in Erez Jisrael (Land Israel) nimmt immer schlimmere Formen an; es sind nicht nur die Arbeiter, die hier vorangehen, es ist auch ein großer Teil der Intelligenz in den Städten – und die deutsche Alijah (Auswanderung ins damalige Palästina) hat die Sache nicht verbessert – es sind vor allem die breiten Schichten der Jugend, deren Stellung zu den schwersten Besorgnissen Anlass gibt. Dabei sind die Gesetzestreuen zahlenmäßig auch heute noch eine Macht; aber ihre Kräfte können nicht zu politischer Wirkung kommen, weil sie getrennt sind, und weil sie ihre Angriffe gegeneinander und nicht gegen den gemeinsamen Gegner richten. Durch eine Verbindung mit den Kräften des alten Jischuw (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Jischuw) würde der Misrachi eine außerordentliche moralische Stärkung erfahren, und die Zusammenarbeit mit dem Misrachi würde der Aguda ganz andere Möglichkeiten in Erez Jisrael (Land Israel) eröffnen. So würde die Vereinigung beider Richtungen der Orthodoxie eine Stoßkraft verleihen, die das ganze Kräfteverhältnis im Lande wesentlich verändern würde. 
Wenn auch eine enge Zusammenarbeit nach den vorausgegangenen Auseinandersetzungen vorläufig nicht möglich sein wird, so sollte man sich zunächst auf einen Waffenstillstand einigen, sollte die gegenseitige Bekämpfung unterlassen. Man kann seine Ideale verfechten, ohne den Gegner gehässig anzugreifen und man kann sogar die Leistungen des Gegners anerkennen, wenn man auch sein Prinzip ablehnt. Damit allein wäre schon viel gewonnen. Wenn aber der gegenwärtige Zustand fortdauert, dann muss man für die Zukunft des Landes die schwersten Befürchtungen hegen. Durch grundlosen Hass ist nach den Worten unserer Weisen der zweite Tempel zerstört worden. Auch dort war es der Kampf der Parteien, die in sinnloser Selbstzerfleischung die ungeheure Gefahr nicht sahen, die alle von außen her bedrohte. Soll der ganze religiöse Aufbau überhaupt dadurch gefährdet werden, dass die Wortführer die Notwendigkeit der Verständigung nicht einsehen wollen?
Ich bin nur ein Einzelner, aber ich glaube, dass viele mit mir die gleiche Empfindung haben. Und vielleicht kann auch die Mahnung eines Einzelnen in der Stunde der Gefahr gehört werden. Wohl dem Geschlecht, in dem die Großen auf die Kleinen hören (?). Es geht heute um das Ganze. Dass der Aufbau nur gelingen kann, wenn die Forderungen der Thora berücksichtigt werden, ist unsere Überzeugung. Und dass für diesen Zweck alle Kräfte zusammengefasst werden müssen, ist eine so elementare Forderung der Vernunft, dass man glauben sollte, alle, denen die Zukunft des jüdischen Volkes am Herzen liegt, müssten sie verstehen. Vielleicht wäre es möglich, durch eine Besprechung zwischen einigen führenden Persönlichkeiten einmal einen Waffenstillstand der erwähnten Art herbeizuführen, der dann nach und nach zu einem besseren Verständnis und zur gemeinsamen Arbeit hinleiten könnte."       

   
Abschied von Rabbiner Dr. Isaak Unna (1935)     

Mannheim Israelit 18071935.jpg (502730 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. Juli 1935: "Rabbiner Dr. Unnas Abschied von Mannheim. Mannheim, 15. Juli (1935).
Der G’ttesdienst-Anzeiger des Mannheimer Israelitisches Gemeindeblattes vom 9. Juli enthielt einen knappen nüchternen Hinweis: Donnerstag, den 11. Juli, abends 6 Uhr: Abschiedsfeier für Herrn Stadt- und Konferenzrabbiner Dr. Unna.
Es ist ein historisches Datum, dieser 11. Juli. Seit dem Jahre 1898 amtierte Dr. Unna in der altehrwürdigen Claus-Synagoge in Mannheim, zuerst in begrenztem Wirkungsraum, weil jene Zeiten das gesetzestreue Judentum in Baden, und vor allem in Mannheim in einen Winkel des jüdischen Lebens abzudrängen versuchten. Dann aber wird sein Wirken neuen Bezirken erschlossen. 1920 Stadtrabbiner, seit 1924 Mitglied des Oberrats (Oberrat der Israeliten Badens) als Konferenzrabbiner. Und nun, gerade zu dem Zeitpunkt, wo die 19. Synode in Karlsruhe in dunklen Tagen des deutschen Judentums zu neuen Beschlussfassungen zusammentritt, wird Herr Dr. Unna an diesen Beratungen nicht mehr teilnehmen. Sein Ziel ist dort, wo er vor zwei Jahren in kurzem Aufenthalte bereits die Stätte kennengelernt hat, die ihm zum neuen Heim werden wird: In Erez Israel.
Die Clausgemeinde verliert ihren Führer, der klar und eindeutig in der einst neuen 'Richtlinien' und 'neuen Gebetbüchern' (sc. der liberalen jüdischen Gemeinde in der Hauptsynagoge F 2, 13) anhängenden Stadt die alte Thora, ihre ewigen Richtlinien, verkündete, der keinen Angriff scheute, keine ängstlichen Bedenken hatte, etwas im 'Verein zur Wahrung der Interessen des gesetzestreuen Judentums in Baden' zu kämpfen für die alte Emunoh. Aber keine Arbeit für Gemeinde und Gemeinschaft, für Körperschaften vielerlei Art, Verbände und Gremien hier und in der Ferne, konnten ihn davon abhalten, der Lehrer zu sein. Die Schiurim (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Schi'ur), die halachischen (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Halacha) Vorträge, die Arbeit für die Claus-Religionsschule und dazu die Sorge für Kaschruth (sc. jüdische Speisegesetze) und Schechita (sc. rituelles Schächten), die schriftstellerische Tätigkeit, die tätige Hilfe auf allen Gebieten des Gemilut Chesed (sc. Wohltätigkeit), man muss schon mit dem hiesigen Gemeindeblatt sprechen: 'Es ist nicht möglich, den ganzen Ertrag einer gesegneten, jüdischen Arbeit von solcher Dauer und Intensität auch nur annähernd darzustellen.'
Nun folgt Rabbiner Dr. Unna mit seiner Gattin (sc. Gertrud geb. Goitein, 1876–1954) den Kindern, die bereits im heiligen Lande Wohnsitz und aufbauendes Wirken als Lebensinhalt erkoren haben. Und so kam es zur Abschiedsstunde.
Im gefüllten, schönen Clausg’tteshaus sammelten sich die Gemeindemitglieder, die Alten, die Jungen, die Kinder, Freunde aus Nah und Fern, Rabbiner und Synagogenräte, die Vertreter des Oberrats (sc. der Israeliten Badens) und der Vereinigungen. Zum Abschied bestieg der Raw (sc. Rabbiner Dr. Unna) die Kanzel, um noch einmal zu seiner Gemeinde zu sprechen. Er sprach davon, wie er bei aller Friedensliebe und aller Bereitschaft zu gemeinsamen Tun nie abgewichen sei von dem Weg, den er als unerschütterlich ewigen Lebenspfad des Judentums betrachtet und begangen sehen wollte: Den Weg, der vom Sinai ausgeht und der auch die Irrenden, so Gott will, zur Thora zurückführt.
Den Dank der Gesamtgemeinde sprach in seiner eindringlichen Weise in gehaltvollen Worten der Vorsitzende des Synagogenrats Mannheim, Herr Rabbiner Dr. Grünewald. Die Stunde des Abschieds wurde aber gleichzeitig – so war es der Wunsch der Beteiligten - zur Stunde des Neuen, des Künftigen: Anstelle Rabb. Dr. Unnas wird nach Wahl und Entscheidung der zuständigen Instanzen und aufgrund eigener Bereitwilligkeit, Herr Rabb. Dr. Lauer (sc. Rabbiner Dr. Chaim Lauer aus Biel), der bisherige Direktor der Claus-Religionsschule (F 1,11) nunmehr – offiziell ab 1. September – Clausrabbiner, Stadtrabbiner von Mannheim, sein. Ihn führte Dr. Grünewald namens der Gemeinde ins Amt ein. Ihn nannte Rabb. Dr. Unna den würdigen Nachfolger und überantwortete so in letzter Amtshandlung die Clausgemeinde ihrem künftigen Führer, in dem sie, wie im bisherigen Raw, den starken und mutigen Wahrer und Hüter der Tradition, den friedlich und doch kraftvoll seinen gesetzestreuen Standpunkt vertretenden Fortsetzer alter und ruhmvoller Claustradition zu sehen hofft. – Indem Herr Rabbiner Dr. Lauer die Namen R.(abbiner) Jakob Ettlinger - das Andenken an den Gerechten ist zum Segen - (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Jakob_Ettlinger), den großen Clausrabbiner des 19. Jahrhunderts, und den Namen Esriel Hildesheimer - das Andenken an den Gerechten ist zum Segen - (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Esriel_Hildesheimer) in seinen ergreifenden und feierlichen Worten, mit denen er sein Amt übernahm, nannte, gab er sein Programm, Hüter alter Tradition zu sein. Des Claus-Chores mächtige Stimmen, die packenden Rhythmen des 19. Psalmes, ließen die Feierstunde ausklingen und ließen sie zur Erinnerung werden allen denen, die wehmütig gestimmte Zeugen eines Abschieds und eines Neubeginns innerhalb der Clausgemeinde Mannheim wurden.
Die Feierstunde des Nachmittags, an die sich Mincha- (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Mincha) und Maariwgebet (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Maariw_(Judentum))  anschlossen, folgte am Abend ein Beisammensein in den Räumen des Logenrestaurants (sc. der August-Lamey-Loge), wo bei einfachem Abendessen die Männer und Frauen der Clausgemeinde, die offiziellen Persönlichkeiten sich noch einmal versammelten, um gemeinsam mit ihrem Raw und seiner Familie einige Stunden zu verbringen. Vielerlei wurde zu Ehren des Scheidenden gesagt, Gaben der Erinnerung überbrachten die Vertreter von Gemeinde und Oberrat, Ehrungen wurden Herrn Rabb. Dr. Unna mannigfach zuteil. Vom traditionell-gesetzestreuen Rabbinerverband, von der Reichsvereinigung (sc. https://de.wikipedia.org/wiki/Reichsvertretung_der_Deutschen_Juden), vom Council der Jewish Agency (sc. https://de.wikipedia.org/wiki/Jewish_Agency_for_Israel) kam Rabb. Dr. Unnas Freund Rabb. Dr. Horowitz, Frankfurt a. M., um die Grüße der genannten Stellen zu überbringen. Den Oberrat der Israliten Badens vertrat dessen Mitglied, Rechtsanwalt Dr. (Moritz) Pfälzer. Im Namens des 'Vereins zur Wahrung' (sc. der Interessen des gesetzestreuen Judentums in Baden), im Namen der Freunde und Mitstreiter aus bewegter Zeit, entbot Prof. Darmstädter dem Ehrenmitglied des Vereins den Gruß und die Wünsche zum neuen Lebensweg. Die Clausgemeinde vertrat ihr Vorsteher, Herr Dir. Otto Simon, der Dank sagte für alles Wirken in vier Jahrzehnten und dem Raw herzlichste Wünsche für das Wohnen im Väterlande widmete. Die Loge (sc. August-Lamey-Loge) entsandte ihren Vorsitzenden Herrn Dr. Scheuer, als Sprecher und Überbringer ihrer Grüße an das Brudermitglied. Die Kantoren (Epstein, Kohn und Adler https://www.lexm.uni-hamburg.de/object/lexm_lexmperson_00000780) sangen zu Ehren des Rabbiners und Rabbiner Dr. (Robert Raphael) Geis sprach herzliche und bewegende Worte persönlichster Wertschätzung an den Kollegen, an den Lehrer. - Unvergessen bleibt dieser Tag, unvergessen in wie herzlicher, großartiger und gedankenvoller Art auch am Abend der Vorsitzende der Mannheimer Gemeinde, Herr Rabbiner Dr. Grünewald, dieser Feier, diesem Tag, dieser Abschiedsstunde mit sein Gepräge gab. Die Fülle der ehrenden Worte und Gaben ließen Herrn Rabbiner Dr. Unna jenes Wort des Weisen erwähnen, der tadelnd allzu große Ehrung in Gegenwart des Geehrten auf ihr Maß zurückzuführen sucht… Trotzdem: Wir glauben, an diesem Tag hat eine reife und warme Freude noch einmal unseres Raws Herz erfüllt. Die Freude, dass seine Gemeinde, seine engere Gemeinde und viele darüber hinaus, sich ihm so herzlich so über alle Trennung hinweg verbunden fühlten und ihm verbunden bleiben werden.
Nun wird er, nach Wochen verdienter Erholung in der Stille und Schönheit der Berge, rüsten zur Fahrt ins Heilige Land. Von hier nimmt er in dieser Woche Abschied. Auch wenn er vor Beginn der Meeresfahrt, der Sehnsuchtsfahrt, nicht mehr hierher zurückkehrt, geleiten ihn die Rufe und Stimmen der Freunde, die Blicke der zurückbleibenden Gemeinde, das Winken der Kinder unserer Claus in Gedanken zum Schiff, zum Boden Erez Jisraels, zu den alten und neuen Stätten unseres Volkes. Neue Dinge treten an ihn heran, den Noch-gar-nicht-müden. Das Wort tönt ihm entgegen, das einer der Sprecher des Abends einflocht in seine Rede: 'Über deine Mauern, Jerusalem, hab ich Wächter bestellt, den ganzen Tag und die ganze Nacht, nimmer schweigen sie; die ihr anrufet den Ewigen, - euch sei keine Ruhe' (Jesaja 62,6). Wir wissen, er antwortet: 'Um Zions willen schweig ich nicht' (Jesaja 62,1). Wir wünschen ihn, unseren scheidenden Raw, Herrn Rabbiner Dr. Isaak Unna, Gesundheit, Rüstigkeit, kraftvolles Wirken und Mahnen, wo es nottut, aufgeschlossene jüdische Brüder und Schwestern, die bereit sind, den Lehrer und Meister der Thora mit großer Freude willkommen zu heißen und ihn zu geleiten zu der Stätte des neuen Lebens auf heiligem Boden (vgl. 2. Mose 3,5)."         
Anmerkungen:  Verein zur Wahrung des gesetzestreuen Judentums hatte seinen Sitz in der Akademiestraße 3. 
Oberkantor Hugo Adler, Hauptsynagoge F 2,13 https://www.lexm.uni-hamburg.de/object/lexm_lexmperson_00000780 
Kantor Arthur Kohn (geb. 1908 in Würzburg, verheiratet mit Martha geb. Fiebermann, drei Kinder) war in den 1930er Jahren Lehrer und Kantor an der Klaussynagoge, nach dem Novemberpogrom 1938 nach Argentinien emigriert, in den 1950er-Jahren nach Israel https://www.yadvashem.org/gathering-fragments/stories/clouds-of-war/kohn.html; Interview mit Sohn Jossi (geb. 1935 in Mannheim):  https://www.youtube.com/watch?v=qcS_412IjJw  . 
Kantor Hermann Epstein, Kantor an der Klaussynagoge von 1920 -1937, dann in die USA emigriert, vgl. unten Abschied von Schochet und Kantor Hermann Epstein (1937) 
Rabbiner Dr. Robert Raphael Geis (1906- 1972) Jugendrabbiner, Landesrabbiner von Baden: https://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Raphael_Geis
Rabbiner Dr. Max Grünewald: https://de.wikipedia.org/wiki/Max_Grünewald.

   
Zum Tod von Dr. Gedalia Unna, Sohn von Rabbiner Dr. Isaak Unna (1938)       

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. August 1938: "Dr. Gedalia Unna. Das Andenken an den Gerechten ist zum Segen.
Jerusalem,
21. August In der misrachistischen (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Misrachi) Kolonie 'Tirath Zwi' erlag einem Herzinfarkt Dr. Gedalia Unna, der Sohn des in Deutschland bekannten und allgeachteten früheren Mannheimer Rabbiner Dr. Isaak Unna. Dr. Gedalia Unna wurde von Jugend auf für den rabbinischen Beruf vorbereitet und absolvierte seine Studien, nachdem er unter Leitung seines Vaters sich ein tüchtiges talmudisches Wissen errungen hatte, am Berliner Rabbiner-Seminar. Von der Liebe zu Erez Israel getrieben, ging er nach Palästina, wo er sich erst als Lehrer betätigte und dann die geistige Leitung der Misrachiniederlassung in Rodges übernahm. Von dort siedelte er mit den ersten Chaluzim (Pionieren), die diese neue gesetzestreue Kolonie schufen, nach 'Tirath Zwi' über. Ein Jugendführer par excellence, hatte Dr. Unna kein anderes Streben, als die jungen Menschen, die sich um ihn gruppierten, zur Liebe zur Tora und zu ...(?) Haarez heranzuziehen. Noch am Donnerstagabend leitete er eine Sitzung in der Kolonie und entwarf bedeutsame Pläne für die Sicherung des Nachwuchses in der Niederlassung. Mitten in der Verhandlung wurde er von einem Unwohlsein befallen, das seine sofortige Überführung nach dem Krankenhaus nach Afule (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Afula) bedingte. Dort hauchte er am Freitagvormittag seine reine Seele aus. Die Beisetzung fand am Sonntag in Jerusalem unter großer Beteiligung statt. Dr. Gedalia Unna erreichte ein Alter von 30 Jahren. Die Teilnahme mit der auch in Palästina so hoch verehrten und beliebten Familie Unna ist allgemein und außer sich in den Nachrufen und Kundgebungen in den hebräischen Zeitungen in ergreifender Weise. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."       

 
 
 
Berichte zu den jüdischen Lehrern und weiteren Kultusbeamten sowie zum jüdischen Schulwesen 
Oberlehrer Dr. Wolff ist für den israelitischen Schullehrer-, Witwen- und Waisenfonds tätig (1841)      
Anmerkung: bei Dr. Wolff handelt es sich um Dr. Simon Wolff (geb. 13. März 1789 in Hechingen, gest. 3. Dezember 1860 in Mannheim, https://www.marchivum.de/de/juedischer-friedhof/a2-02-09-wolff-simon-dr und https://www.marchivum.de/sites/default/files/grabdoku/A2-02-09.pdf). Simon Wolff besuchte in Hechingen die Talmudschule und war als Hauslehrer tätig. 1809 begann er in Heidelberg ein Medizinstudium, wechselte 1811 aber zur Mathematik. Seinen Lebensunterhalt verdiente er sich während des Studiums am Schwarzschen Knabeninstitut in Mannheim und durch hebräischen Privatunterricht. 1814 promovierte Simon Wolff in Heidelberg. 1816 eröffnete er mit dem Philologen E. Straßburger eine jüdische Lehranstalt in Mannheim. "Von 1819 bis 1824 wirkte Wolff in Karlsruhe als Lehrer und Prediger an dem neu gegründeten Tempelverein. Im Jahre 1824 kehrte er nach Mannheim zurück und übernahm die Leitung der von ihm gegründeten Schule, die inzwischen staatlich anerkannt war. Knaben wurden vom 6. bis 13., Mädchen erst ab dem 7. Lebensjahr unterrichtet. Die Schule mit vier Lehrern und etwa 100 Schülern war im Gebäude der Klaus-Stiftung (F 1, 11) untergebracht. Wolff war damit zum Schöpfer des jüdischen Schulwesens in Baden geworden, viele Lehrer verdanken ihm ihre Ausbildung." Dr. Wolff war zweimal verheiratet, 1. mit Minna geb. ?, 2. mit Babette geb. ?.
Quellen: Karl Otto Watzinger: Geschichte der Juden in Mannheim 1650-1945, Seite 145.
Volker Keller: Jüdisches Leben in Mannheim. S. 102.     

Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den See-Kreis" von 1841 S. 1114 (Quelle: Staatsarchiv Donaueschingen): "Karlsruhe [Bekanntmachung]. Durch diesseitigen Beschluss vom 14. Januar dieses Jahres, Nr. 32, wurden zur Erhebung der Aufnahmstaxen und Jahresbeiträge von den öffentlichen israelitischen Volksschullehrern zu dem, in Folge des § 81 des Volksschulgesetzes vom 28. August 1835, vermöge hoher Ministerialverordnung vom 29. November 1839, Regierungsblatt Nr. 33, errichteten allgemeinen israelitischen Schullehrer-, Witwen- und Waisenfonds, als Verrechner ernennt:  
I. Für den Seekreis, Lehrer Moos in Randegg.  
II. Für den Oberrheinkreis, Lehrer Flegenheimer in Müllheim.  
III. Für den Mittelrheinkreis, Lehrer Rosenfeld in Karlsruhe. Und 
IV. für den Unterrheinkreis, Oberlehrer Dr. Wolff in Mannheim
und die Verrechnung des allgemeinen israelitischen Schulfonds und Schullehrer-, Witwen- und Waisenfonds dem großherzoglichen Kammerrat Dollmätsch daher provisorisch übertragen; welches hierdurch zur allgemeinen Kenntnis gebracht wird. 
Großherzoglicher Oberrat der Israeliten".     

     
Ausschreibung der Unterlehrerstelle an der israelitischen Volksschule and Besetzung mit Mayer Weil (1850 / 1851)       

Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den See-Kreis" vom 2. Oktober 1850 (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen): "An der israelitischen Volksschule in Mannheim ist die neu errichtete, mit einem Gehalte von 300 fl. verbundene Unterlehrstelle zu besetzen.
Die berechtigten Bewerber um diese Stelle werden daher aufgefordert, ihre Gesuche binnen 4 Wochen durch die betreffende großherzogliche Bezirksschulvisitatur bei der großherzoglichen Visitatur der israelitischen Volksschule in Mannheim unter Anfügung ihrer Rezeptionsurkunden und der Zeugnisse über ihren sittlichen und religiösen Lebenswandel einzureichen. Bemerkt wird hierbei, dass zu den Lehrgegenständen, welche der Unterlehrer zu besorgen hat, insbesondere der Unterricht in Gesang und in Zeichnen gehört."     
 
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den See-Kreis" vom 5. März 1851 (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen): "Die neu errichtete Unterlehrerstelle an der israelitischen Volksschule in Mannheim wurde dem Schulkandidaten Mayer Weil von Schmieheim übertragen."
Anmerkung: siehe zu Hauptlehrer Mayer Weils Tod unten.    

    
Oberlehrer Dr. Wolff feiert sein 40jähriges Dienstjubiläum und tritt in den Ruhestand (1857)     
Anmerkung: bei Dr. Wolff handelt es sich um Dr. Simon Wolff (1798-1860), vgl. Text von 1841 siehe oben .     

Artikel in der "Karlsruher Zeitung" vom 3. Juni 1857: "Mannheim, 30. Mai (1857). Die gestrige Feier des 40-jährigen Dienstjubiläums des israelitischen Oberlehrers Herrn Dr. wolff im Aulasaale fand unter Anwesenheit der obersten Regierungs- und Stadtbehörden, Geistlicher und Lehrer, und eines zahlreichen Publikums statt. Der mit Beibehaltung seines vollen Gehaltes nun in den Ruhestand tretende Jubilar erhielt einen schön gearbeiteten Pokal und eine Dankadresse, wobei Vorträge des Synagogenchors eine Feier einleiteten und schlossen, welche durch die Reden des Herrn Stadtpfarrers und Schulvisitators Koch, des Herrn Dr. Wolff und Herrn Stadtrabbiner Präger ihren rhetorischen Schmuck und ihren bedeutsamen Kommentar erhielt."      

     
Zum Tod von Hauptlehrer Mayer Weil (1873; Bericht von 1874)        

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 26. Mai 1874: "Mannheim, im Mai (Privatmitteilung). Vor bereits einem Jahre hat es dem unerforschlichen Willen des Weltenlenkers gefallen, unseren allverehrten, hochverdienten, na der hiesigen Volksschule angestellten Kollegen, Herrn Hauptlehrer Mayer Weil, in seinem besten Mannesalter durch einen raschen Tod uns zu entreißen.
Eine allgemeine tiefe Trauer bekundete den schweren Verlust.
Da gab die israelitische Gemeinde alsbald den schönen Beweis echter Pietät sowohl, wie auch ihres hohen, altbewährten Sinnes für die Schule und ihre Lehrer dadurch, dass sie der Witwe, ohne gesetzlich dazu verpflichtet zu sein, einen Witwengehalt festsetzte, der sie vor jeder Not für alle Zukunft sicher stellen sollte.
Und am Jahrestage scharten sich die Schüler des Verblichenen zu einem Liebesbunde und bewiesen ihre kindliche Dankbarkeit durch Errichtung eines schönen Grabsteins mit dem Motto: (Hebräisch und deutsch aus Daniel 12,3): 'Die Weisen werden glänzen wie der Glanz des Himmels, und die, welche viele zur Gerechtigkeit geführt, wie die Sterne immer und ewig.'
Glücklich eine Gemeinde, der ein solcher Geist innewohnt. Möge sie mit ihren Institutionen ein Segen Gottes bleiben und als Mustergemeinde andere bezüglich ihres wohlgeordneten vorzüglich geleiteten Unterrichtswesens, sowie ihres einigen zeitgemäßen Kultus und der zahlreichen humanen Einrichtungen (vgl. gemeint sind hier die zahlreichen wohltätigen Stiftungen, die alle Konfessionen berücksichtigen und die Einrichtungen wie z.B. das israelitische Krankenhaus, Waisenhaus und die Beerdigungsbruderschaft) bei den Schwestergemeinden Deutschlands recht häufige Nachahmung finden. K."
Anmerkung: es handelt sich um Lehrer Mayer Weil (geb. 25.2.1823 in Schmieheim, gest. 20.5.1874 in Mannheim, vgl. https://www.marchivum.de/de/juedischer-friedhof/b2-a-05-01-weil-mayer


Ausschreibung der Stelle des ersten Kantors (1874)   

Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 16. Juni 1874: "Vacanz
In hiesiger Gemeinde ist die Stelle des ersten Cantors baldmöglichst zu besetzen. Tüchtig geschulte Vorbeter, von gediegener musikalischer und liturgischer Befähigung, welche auf diese Stelle reflektieren, mögen sich spätestens bis zum 15. Juli unter Einsendung ihrer Zeugnisse bei Großherzoglichem Synagogenrat dahier melden.
Mannheim, d.(en) 4. Juni 1874
Der Großherzogliche Synagogenrat  Dr. Ladenburg."       
Anmerkung:  Der Großherzogliche Synagogenrat Dr. Leopold Ladenburg (Hauptsynagoge F 2, 13) (1809 -1889) war ein Sohn von Wolf Hayum Ladenburg. Leopold Ladenburg verfasste wichtige Schriften, in denen er u.a. die Gleichberechtigung von Juden und Christen in Deutschland verlangte: 'Wir erkennen Deutschland als unser teueres Vaterland; die deutsche Sprache als unsere Muttersprache. Wir haben diesen unseren Sinn bewährt in der Völkerschlacht bei Leipzig und zehn anderen Schlachten.' (zitiert nach Karl Otto Watzinger: 'Geschichte der Juden in Mannheim 1650- 1945', Stuttgart, 1984 S. 112). Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Leopold_Ladenburg

  
Der jüdische Lehrer Kern wurde zum Mitglied des Ortsschulrates gewählt (1884)      

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 4. Februar 1884: "Mannheim, Januar (Privatmitteilung). Die Neuzeit erzeugte so vielerlei unliebsame soziale Erscheinungen, dass es sowohl geeignet erscheinen dürfte, von einer erfreulichen Tatsache zu berichten.
Nach dem Badischen Schulgesetz besteht in jeder Gemeinde ein Ortsschulrat, wozu in Städten die Lehrer ein Mitglied aus ihrer Mitte zu stellen haben.
Bei der jüngst vorgekommenen Wahl wurde Herr Hauptlehrer Kern (Israelit) von seinen Kollegen zum Mitglied des Ortsschulrats gewählt.
In der hiesigen Einwohnerschaft, welche als human und freisinnig bekannt ist, macht diese Kundgabe echter Toleranz von Seiten der Jugendbildner den freudigsten Eindruck.
Es sei noch bemerkt, dass die hiesige erweiterte Volksschule über 6.000 Schüler zählt mit ca. 85 Lehrern (darunter 3 Israeliten) zählt."    
Anmerkung: Lippmann Kern, Hauptlehrer und 2. Kantor an der Hauptsynagoge F 2, 13 (1823 – 1895), verheiratet, zwei Söhne: Friedrich und Berthold Kern (beide 1862); zu seinem Grab siehe https://www.marchivum.de/de/juedischer-friedhof/c2-b-02-14-kern-lippmann

   
Statistik der Konfessionszugehörigkeit an den Mittelschulen (1888)           

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 16. August 1888: "Mannheim, 8. Aug. (Privatmitteilung). Aus den am Schlusse des Schuljahres 1877/78 veröffentlichten Programmen der Mittelschulen entnehmen wir folgende Notizen: Das Gymnasium wurde von 327 evangelischen, 148 katholischen und 163 israelitischen Schülern, das Realgymnasium und die Realschule von 400 evangelischen, 202 katholischen und 131 israelitischen Schülern und die höhere Mädchenschule von 160 evangelischen, 58 katholischen und 269 israelitischen Schülerinnen besucht. Die für den israelitischen Religionsunterricht bestimmte Stundenzahl betrug am Gymnasium 10, am Realgymnasium 8 und an der höheren Mädchenschule 10 pro Woche. Der größere Teil dieser Stunde wurde von den beiden Stadtrabbinern Herrn Dr. Steckelmacher und Herrn Dr. Appel erteilt. A."
Anmerkung: beim Unterzeichnenden handelt es sich um den Stadtrabbiner Maier/Meier Appel. https://de.wikipedia.org/wiki/Meier_Appel 
     


Neue Publikation zur Schulgeschichte Mannheims mit Darstellung des jüdischen Schulwesens (1891)      

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Juni 1891: "Aus Baden. Gelegentlich der in Mannheim in der Pfingstwoche abgehaltenen '29. Allgemeinen Deutschen Lehrerversammlung' veröffentlicht Dr. Adolf Meuser, Hauptlehrer in Mannheim, eine Broschüre 'Aus der Schulgeschichte Mannheims', welcher sehr gründliches Quellenstudium zu Grunde liegt und für die Leser Ihrer geschätzten Zeitschrift insofern nicht ohne Interesse ist, da auch von der jüdischen Schule in Mannheim die Rede ist. Dr. M.(euser) schreibt: 'Auch die Israeliten Mannheims waren nicht untätig; Elias Hayum (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Elias_Hayum) stiftete 1765 eine Schule, die 'Claus-Schule', welche in demselben Jahre die kurfürstliche Bestätigung erhielt. Die 'Claus' verdankt ihre Entstehung und reiche Fundierung einem Lemle Moses, der sie zur 'Förderung der Gottesfürchtigkeit' ins Leben rief. Er ordnete Gebete an und stiftete ein Kapital von 100.00 fl. zum Studium der Thora. (Landesarchiv, Konvolut 116). Die 'Claus-Schule' huldigte vorzugsweise rituellen Tendenzen und wird heute noch im Sinne ihres Stifters fortgeführt. In der 'Clause' wurde 1824 noch eine israelitische) Gemeinde-Volksschule eingerichtet und ein Dr. Wolf, ein Mann von umfassender Bildung als Oberlehrer berufen, mit dem sich noch einige staatlich geprüft israelitische Lehrer in die Schularbeit teilten. Diese Schule bestand bis zur Auflösung der konfessionellen Schule in Mannheim (1870) und wurde, samt ihren Lehrern, der 'konfessionell-gemischten' städtischen Volksschule einverleibt.'"      

  
Der jüdische Hauptlehrer L. Kern war Vertreter des Rektors der Mannheimer Volksschule (1891)        

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. April 1891: "Mannheim. Seit einigen Wochen hat die hiesige aus 190 Schulklassen bestehende Volksschule wieder einen neuen Rektor erhalten. Die beiden vorausgegangenen Rektoren Prof. Heniggärtner und Prof. Durler (1850 -1890) waren sehr lange krank. Während der Krankheit der beiden Herren und während der lange dauernden Vakanzen bis zur Wiederbesetzung des Rektorats war vom Stadtrate mit Genehmigung des Kreisschulrates und Oberschulrates der israelitische Hauptlehrer L.(ippmann) Kern der Vertreter des Rektors. Es ist dies eine Kiddusch HaSchem (Heiligung des G'ttesnamens), wie er in ganz Deutschland noch nicht vorgekommen ist. An der Spitze eines konfessionell gemischten Lehrerkollegiums von 190 Lehrern bzw. Lehrerinnen, evangelische und katholische, einen jüdischen Rektoratsvertreter! Und wie einig, besonders in jetziger Zeit das Lehrerkollegium mit seinem Rektoratsvertreter gewesen, das verdient in den jüdischen Zeitungen registriert zu werden für alle Zeiten. In einer Sitzung des Schulausschusses hat denn auch unter allgemeiner Zustimmung aller anwesenden Mitglieder der Herr Kreisschulrat Sträbe in Heidelberg seiner großen Befriedigung Ausdruck gegeben, dass in der langen Zeit der Rektoratsvertretung auch nicht eine Unzufriedenheit zu seiner Kenntnis gekommen sei, was fast an das Unglaubliche grenze. Bei der Vorstellung des neuen Rektors auf dem Rathaussaale übermittelte auch Herr Oberbürgermeister Moll (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Eduard_Moll_(Politiker)),  sowie der neue Rektor dem bisherigen Vertreter, Herrn L.(ippmann) Kern den Dank in den herzlichsten Ausdrücken. Ein Gleiches tat noch ein Schreiben des Stadtrates an Herrn L. Kern. Die Liebe zu Herrn K.(ern), hervorgerufen durch strenge Gewissenhaftigkeit, ruhige Objektivität und leutseliges Benehmen gegen jedermann, legte, wie man allseitig vernahm, besonders den geistlichen Mitgliedern des Schulausschusses nahe, Herr Kern definitiv an die Spitze des Schulkollegiums zu sehen, welche große Ehre ersterer in Anbetracht seines vorgerückten Alters abzulehnen für notwendig fand. Möge es Herrn K.(ern) noch recht lange vergönnt sein, an der Seite des neuen Rektors zu wirken zur Freude und zur Ehre des Judentums!"  
Anmerkung: Lippmann Kern, Hauptlehrer und 2. Kantor an der Hauptsynagoge F 2, 13, 07.12.1823 – 19.12.1895, verheiratet mit Bonette geb. Haas, zwei Söhne: Friedrich und Berthold Kern (beide 1862)  https://www.marchivum.de/de/juedischer-friedhof/c2-b-02-14-kern-lippmann   
Die Mannheimer Volksschule befand sich in L 1, im ehemaligen Augustinerkloster in L 1  https://de.wikipedia.org/wiki/Augustiner-Chorfrauen-Stift_(Mannheim) . Das Gebäude besteht nicht mehr; das Grundstück wurde in den 1950er-Jahren neu überbaut.   

 
50-jähriges Berufsjubiläum von Hauptlehrer L. Kern (1892)       

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. Mai 1892: "Mannheim. Umgeben von allen Gliedern seiner Familie – selbst aus Amerika waren solche herbeigeeilt – beging am vergangenen Sonntag, Herr Hauptlehrer L.(ippmann) Kern sein 50jähriges Berufsjubiläum. Zahlreiche und wertvolle Geschenke und Blumenspenden trafen von früh morgens bis spät abends in der Kern’schen Wohnung ein. Eine Deputation der vereinigten Verwaltung der israelitischen Krankenunterstützungsvereine gratulierte und dankte dem Jubilar für die Mitwirkung und Unterstützung in ihren Bestrebungen. Ferner erschien eine Deputation des Stadtrates und der Schulkommission, an deren Spitze der Herr Oberbürgermeister Beck /vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Beck_(Politiker)), welcher die Glückwünsche dieser Kollegen überbrachte sowie ein Ehrengeschenk, bestehend in einer, mit einer Widmung versehenen prachtvollen Uhr mit Kette überreichte, und in beredten Worten die Verdienste des Jubilars um die Volksschule als Lehrer und als interimistischer Rektor hervorhob. Des Weiteren wurde durch den Herrn Oberbürgermeister eine Widmung nebst einem wertvollen Silberkasten als Geschenk von 29 in New York wohnenden früheren Schülern des Jubilars      
Mannheim Israelit 30051892a.jpg (146840 Byte)überreicht. Herr Rektor Schick schildert namens der Schulkommission, deren Mitglied Herr Kern seit einer langen Reihe von Jahren ist, die bedeutende Leistung, das friedfertige, leutselige Wesen und die pflichtgetreue, unermüdliche Hingabe im Berufe des Jubilars und wünscht ihm in herzlichster Weise einen wohlverdienten glücklichen Lebensabend. Eine Abordnung des Synagogenrats beglückwünscht durch sein Mitglied, Herrn Dr. Staadecker, in warmen Worten den Jubilar und dankt diesem für die großen Verdienste, deren er sich als Volks- und Religionslehrer, sowie durch Förderung aller Institutionen um die isr.(aelitische) Gemeinde verdient gemacht habe. Eine Abordnung der Lehrerschaft, an ihrer Spitze der Senior Herr Hauptlehrer Seelig bringt dem Jubilar den Dank und die Wünsche der Lehrerschaft. Die Geistlichkeit der verschiedenen Konfessionen gratuliert dem Jubilar und dankt ihm für sein humanes, friedfertiges Bestreben in und außer der Schule, insbesondere für den menschenfreundlichen Sinn bei Behandlung konfessioneller Fragen. Herr Altoberbürgermeister Moll (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Eduard_Moll_(Politiker)) überbrachte dem Jubilar ebenfalls seine Segenswünsche und hob die großen Verdienste hervor, die derselbe während seiner ganzen Lehrtätigkeit und während der Führung des Rektorats zum Wohle der Schule und der Stadt sich erworben hatte. Der Jubilar dankte auf die verschiedenen Ansprachen in herzlichen Worten. Schließlich wollen wir noch erwähnen, dass Herr Kern aus allen Kreisen der Einwohnerschaft beglückwünscht wurde und eine große Zahl Depeschen, sowie Zuschriften verschiedener Korporationen eintrafen. Möge dem braven, klugen Manne noch ein recht langes, glückliches Leben beschieden sein."
Anmerkung: Abraham Staadecker, Rechtsanwalt und Mitglied des Synagogenrats: https://www.marchivum.de/de/juedischer-friedhof/c2-mgr-22-staadecker-abraham-dr 
 

   
Jahresberichte der Hebräischen Schule (Lemle Moses'sche Klausstiftung) (1891 / 1894) 

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 3. April 1891: "Die Hebräische Schule in Mannheim (Lemle Moses’sche Klausstiftung) veröffentlichte ihren Jahresbericht über das Schuljahr 1890(91. Die Schülerzahl beläuft sich auf 304, nämlich 153 Knaben und 151 Mädchen. Direktor ist Rabbiner Dr. Appel, neben welchem fünf Herren als Lehrer fungieren."       
 
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 23. März 1894: "Mannheim, 18. März. Die hiesige Hebräische Schule (Lemle Moses’sche Klausstiftung) veröffentlicht ihren Jahresbericht für das Schuljahr 1893/94. Stadtrabbiner Dr. Appel, der bisherige Direktor scheidet am 31. März d.(es) J.(ahres) aus seinem hiesigen Amte, um einem Rufe als Rabbiner nach Karlsruhe zu folgen. Derselbe legt auch die Direktion der Anstalt, welche er seit dem 1. Dezember 1886 geführt, mit dem Ende des Schuljahres nieder. Außerdem unterrichten gegenwärtig an der Anstalt die Herren: Rabbiner Dr. Fürst, Hauptlehrer Schweizer, Kantor Nettler, Lehrer Billigheimer, Lehrer Bessels (vertretungsweise). Die Zahl der Mädchenklasse beträgt 6, die der Knabenklasse 7; die Selekta wurde auch in diesem Jahr beibehalten. Die Zahl der Schüler betrug bei Eröffnung des Schuljahres 253 (126 Knaben und 127 Mädchen, im Laufe des Schuljahres traten 9 Schüler (5 Knaben und 4 Mädchen) ein.
Anmerkung: Rabbiner Dr. Appel: Hier handelt es sich um den Stadtrabbiner Maier/Meier Appel (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Meier_Appel
Rabbiner Dr. Fürst: https://www.marchivum.de/de/juedischer-friedhof/c2-c-07-14-fuerst-julius-dr 
Lehrer Billigheimer: Karl Billigheimer (1864 – 1931) https://www.marchivum.de/de/juedischer-friedhof/f2-a-08-11-billigheimer-karl    
Zur Lemle Moses'schen Klausstiftung vgl. über den Stifter Lemle Moses:  https://de.wikipedia.org/wiki/Lemle_Moses_Reinganum  

 
Statistik zum Anteil der jüdischen Schüler und Schülerinnen an den höheren Schulen (1903)       

Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 14. August 1903:  "Mannheim. Eine Zusammenstellung der hiesigen jüdischen Schüler an den höheren Schulen gibt folgendes Bild:
Gymnasium 88 unter 537 Schülern
Realgymnasium 43 unter 654 Schülern
Oberrealschule 23 unter 670 Schülern
Reformschule 23 unter 285 Schülern
Mädchenschule 201 unter 611 Schülern."   

  
40-jähriges Dienstjubiläum von Vorbeter W. Schuster (Klaussynagoge) (1909)     

Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 10. Dezember 1909: "Mannheim. Herr W. Schuster, der allgemein geschätzte Vorbeter der Klaussynagoge, feierte dieser Tage den Tag, an dem er vor 40 Jahren in den Dienst der hiesigen jüdischen Gemeinde trat. Herr Schuster, der seine 75 Jahre mit bewundernswerter Frische trägt, ist seit 55 Jahren Kultusbeamter.
Hinweis: Es handelt sich um Kantor Wolf Schuster, gebürtig aus Wollenberg (Bad Rappenau) https://www.marchivum.de/de/juedischer-friedhof/c1-c-02-06-schuster-wolf"     

   
Kantor Kurzweil tritt seinen Amt an der Klaussynagoge an (1912)      

Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 16. August 1912: "Mannheim. Kantor Kurzweil, der Nachfolger des pensionierten Herrn Schuster
(sc. Kantor Wolf Schuster, 1834 – 1914), hat sein neues Amt an der Klaussynagoge angetreten."   

    
Ausschreibung der Stelle des Kantors (1920)    

Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. April 1920: 
"In der hiesigen Synagoge ist die Stelle eines Kantors
infolge Zurruhesetzung des seitherigen Stelleninhabers alsbald nur zu besetzen. Bewerber mit guten Stimmmitteln, welche die Lehrerprüfung bestanden haben, Schofar (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Schofar) blasen können und befähigt sind, mit Chor und Orgel vorzubeten, wollen sich unter Angabe der Gehaltsansprüche, ihres Lebenslaufs und Zeugnisabschriften melden.
Mannheim, den 14. April 1920
Der Synagogenrat    Max Goldschmidt     Schorsch.


Hinweis zu Max Goldschmidt, 24.01.1865 – 02.06.1926, Bankier, Ehrenvorsitzender der israelitischen Gemeinde, Mitglied des Oberrats der Israeliten Badens
https://www.marchivum.de/de/juedischer-friedhof/c1-a-07-01-goldschmidt-max"      

  
Ausschreibung der Stelle des Ersten Kantors der Klausstiftungssynagoge (1920)     

Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. Dezember 1920: "In unserer Gemeinde ist die Stelle des
Ersten Kantors der Clausstiftungssynagoge,
welchem auch die Stelle eines Schächters für die hiesige Gemeinde übertragen wird, bei hohem Gehalt, alsbald neu zu besetzen. Streng religiöse Bewerber mit guten Stimmmitteln, welche die Lehrerprüfung bestanden haben, wollen sich unter Angabe ihres Lebenslaufes mit Zeugnisabschriften alsbald melden.
Mannheim, den 19. November 1920    Der Synagogenrat."   

   
25-jähriges Ortsjubiläum des Kultusbeamten Josef Traub (1924)   

Vorbemerkung: seit 1899 war in Mannheim als Kultusbeamter, Lehrer und Schochet Josef Traub tätig. Er ist am 17. Dezember 1861 in Burgpreppach geboren. Er war verheiratet mit Betti (Betty) geb. Rothschild (geb. 16. Juni 1869 in Krautheim). Die beiden hatten mindestens drei Kinder (Flora geb./gest. 1892; Adolf geb. 12. Mai 1893 in Malsch siehe unten; Hedwig siehe unten). Josef Traub war vor seiner Zeit in Mannheim als Lehrer in Krautheim, Odenheim und um 1893/98 in Malsch tätig. 1940 wurde Josef Traub nach Gurs deportiert, wo er am 15. Dezember 1940 umgekommen ist. Seine Frau Betty (gleichfalls deportiert?) erlebte das Kriegsende und ist am 13. Juni 1946 auf der Ausreise in die USA in Macon, Frankreich gestorben (siehe Todesanzeige unten).  
Die Tochter Hedwig Traub ist am 3. Juni 1898 in Malsch geboren. Sie war später gleichfalls als Lehrerin tätig, zuletzt in den Sonderklassen für jüdische Kinder in der Luisenschule in Mannheim (1934 bis 1938) und in der dortigen Jüdischen Schule (K2,6, 1938 bis 1940) ebd.. 1940 wurde Hedwig Traub mit ihrem Lehrerkollegen Max Ludwig Marx nach Gurs deportiert und später in Auschwitz ermordet. 
Vgl. Presseartikel im "Mannheimer Morgen" / morgenweb.de vom 18.4.2012: "Neue Gedenktafel an altem Platz" (zur Erinnerungstafel an der Hachenburg-Schule, ehem. Luisenschule).       
Hinweis: vermutlich war die am 7. November 1900 in Mannheim geborene Gertrud Traub eine Tochter von Betty Traub. Sie wurde gleichfalls nach Gurs deportiert, im August 1942 nach Auschwitz, wo sie ermordet wurde. 
Der Sohn Adolf Traub wird genannt in einer Einzelfallakte des Landesamtes für Wiedergutmachung: GLA Karlsruhe 480 Nr.14982 http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=4-1823715 . Er konnte in die USA emigrieren (genannt in der nachstehenden Todesanzeige). Er starb im August 1964 in New York siehe http://www.mocavo.com/Adolf-Traub-1893-1964-Social-Security-Death-Index/04420158135011057167  
MA Aufbau 21061946.jpg (30625 Byte)Links: Todesanzeige in der Zeitschrift "Der Aufbau" vom 21. Juni 1946: 
"Tieferschüttert erhielten wir heute die traurige Nachricht, dass meine innigst geliebte und herzensgute Mutter, Schwiegermutter, Großmutter und Tante, 
Frau Betty Traub geb. Rothschild (fr. Mannheim) 
plötzlich in Macon, Frankreich kurz vor ihrer Ausreise nach hier verschieden ist. In tiefer Trauer: 
Adolf Traub    Hedwig Traub geb. Schwarzschild    Hannah Traub 435 Ft. Washington Ave., New York 33".   
   
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Juli 1924:  "Mannheim, 3. Juli (1924). An Rosch Choedesch Tammus (= 1. Tammus 5684 = 2. Juli 1924) waren es 25 Jahre, dass Herr Josef Traub als Kultusbeamter, als Schochet und Lehrer in der hiesigen Gemeinde fungiert. Die verschiedenen Organisationen und Kreise, in denen der Jubilar wirkte, hatten es sich nicht nehmen lassen, dem Manne, dessen Wesen und Walten den Stempel einer seltenen Bescheidenheit trägt, die entsprechende Ehrung zuteil werden zu lassen. Schon der Synagogenchor, dem Herr Traub seit seinem Hiersein angehörte, hatte seinem Repertoire seinem Mitglied zu Ehren eine festliche Note verliehen. Am Schabbat vormittag versammelten sich Vertreter der Kultusgemeinde, der Chewra Kadischah, der Klaussynagoge und des Synagogenchors in der Wohnung des Jubilars, um in intimer Form, wie es dem Wunsche des zu Feiernden entsprach, den Gefühlen des Dankes und der Freude Ausdruck zu verleihen. Die Redner, Herr Rabbiner Dr. Unna, Herr Direktor Rosenbaum und Herr Löffler trafen sich in dem Gedanken, dass es eine Persönlichkeit zu ehren gelten, die die höchste Ehre im Dienst an Gott erblickt, der der Beruf das Reich Gottes bedeutet, der mit Verzicht auf die soziale Wertung seinen Lohn in der Erfüllung des religiösen Gebotes selbst sucht. An ihm bewahrheitet sich das Wort unserer Weisen, dass die Ehre zu den Dingen gehört, die den erreichen, der ihnen entfließt. Möge es dem pflichteifrigen Jehudi, der schon 43 Jahre seines Dienstes in stiller Weise waltet, beschieden sein, mit Gottes Hilfe noch lange Jahre im Kreise seiner Lieben und seiner Gemeinde für die Gemeinschaft und die Öffentlichkeit zu schaffen".        

          
Der Kultusbeamte Josef Traub tritt in den Ruhestand (1932)        

Artikel in "Der Israelit" vom 30. Juni 1932: "Das Israelitische Gemeindeblatt vom 22. Juni enthält folgende Notiz: der Senior unserer (Mannheimer) Gemeindebeamten, Herr Josef Traub, tritt am 1. Juli in den Ruhestand, begleitet von der Verehrung und Dankbarkeit der Gemeinde und der Gemeindeverwaltung. Jahrzehntelang hat Herr Traub als Lehrer und Schächtbeamter gewirkt, mit unermüdlicher Arbeitsfreude und strengstem Pflichtgefühl seinem Dienste hingegeben. Schlicht und fromm in seiner Lebensführung, wahrte ihr allezeit die Würde seines religiösen Amtes. Möge ihm eine lange, ungetrübte Altersruhe beschieden sein. Die hohe Wertschätzung, die aus diesen Worten spricht, kam vor wenigen Monaten ganz besonders zum Ausdruck, als Herr Traub seinen 70. Geburtstag feiern durfte. Da würdigte der Vorsitzende des Synagogenrats, Herr Professor Dr. Moses, die Dienstleistungen des vorbildlichen Beamten, da sprach seiner Ehrwürden Herr Rabbiner Dr. Unna von dem heiligen Schochet-Beruf, dem Herr Traub mit ganzer Hingabe diente, da wies unser Raw aber auch im Namen der Chewrah Kadischah auf die bedeutungsvolle Tatsache hin, dass der 70-jährige seit 32 Jahren in ernsthafter Mizwa-Erfüllung der heiligen Bruderschaft angehört und zu keiner Stunde fehlt, wenn der Ruf zu letzten Liebesdiensten an ihn ergeht. Herr Traub, der in jungen Jahren als Lehrer in Krautheim, Odenheim und Malsch tätig war und hier lange Jahre dem Lehrkörper der Klaus-Religionsschule angehörte, nimmt die Verehrung und die guten Wünsche der Gemeinde, die ihn zu den Ihren zählt, mit in die Jahre des Ruhestand. Wer so in der Tora verwurzelt ist, dem darf man an der Schwelle des Greisenalters das Wort als Segenswunsch zurufen: 'Dauer der Tage ist in ihrer Rechten, in ihrer Linken Reichtum und Ehre (Sprüche 3,16)"      

 
85. Geburtstag von Leopold Simon - Lehrer Kohn aus Schlüchtern und Lehrer Dr. Ucko nehmen ihre Tätigkeit auf (1929)      

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. Dezember 1929: "Mannheim, 15. Dez. Zu Beginn des Chodesch (= Monats, gemeint wohl Beginn des jüdischen Monats Kislev; der 1. Kislev war am 3. Dezember 1929) konnte Herr Leopold Simon in voller Rüstigkeit seinen 85. Geburtstag feiern. Die Chewra Kadischa (Beerdigungsbruderschaft), die ihrem Ehrenvorsitzenden vor wenigen Jahren, aus Anlass seiner 50jährigen Mitgliedschaft verdiente Ehrungen erwies, ließ es sich nicht nehmen, vollzählig bei ihrem würdigen Ehrenvorsitzenden zu erscheinen und ihm die Glückwünsche der 'Kippe' (= Beerdigungsbruderschaft, Chewra Kadischa) zu überbringen. Auch der Oberrat der Israeliten sandte einen bedeutsamen Glückwunsch: Die von Benno Elkan (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Benno_Elkan, weitere Informationen auf der Seite zu Alsbach) geschaffene Bronzeplakette, die badischen Juden für verdienstvolles Wirken im Dienste der Gemeinschaft zuteil wird. Das Rabbinat, der 'Verein zur Wahrung' (= Verein zur Wahrung des gesetzestreuen Judentums), sie alle kamen, um den Greis und in der Gestalt des 85jährigen das ehrfurchtsgebietende Alter selbst zu ehren. Der Umbau der Klaus (Klaussynagoge) geht seinem Ende entgegen. Wie neu mutet das Bild vollständig veränderter Raumgestaltung an. Bald wird - so G'tt will -  mehr davon zu sagen sein. – Der Religionslehrer und 2. Chassan (= Kantor) der Klaus, Lehrer Kohn aus Schlüchtern, wird am 1. Januar sein neues Amt antreten, und gleichzeitig beginnt auch der neue akademische Religionslehrer der Gemeinde, Herr Dr. Ucko, seine Tätigkeit in Mannheim."  
Anmerkung: Leopold Simon (1859 – 1925), zu seinem Grab siehe https://www.marchivum.de/de/juedischer-friedhof/f1-a-03-07-simon-leopold 
Lehrer und Kantor Arthur Kohn,
(geb. 1908 in Würzburg, verheiratet mit Martha geb. Fiebermann, drei Kinder) war in den 1930er Jahren Lehrer und Kantor an der Klaussynagoge, nach dem Novemberpogrom 1938 nach Argentinien emigriert, in den 1950er-Jahren nach Israel https://www.yadvashem.org/gathering-fragments/stories/clouds-of-war/kohn.html; Interview mit Sohn Jossi (geb. 1935 in Mannheim):  https://www.youtube.com/watch?v=qcS_412IjJw.
Rabbiner Dr. Siegfried Ucko (1905 – 1976) war 1931 bis 1932 Jugendrabbiner in Mannheim, 1932 bis 1935 Rabbiner in Offenburg, danach nach Palästina emigriert, Leiter eines Kindergärtnerinnen- und Lehrerseminars in Tel Aviv, später Dozent und Prof. für Pädagogik in Jerusalem.  

     
Zum Abschied von Prof. Dr. Sal. Levi (1935)      

Mannheim Israelit 29051935.jpg (105017 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. Mai 1935: "Mannheim, 26. Mai. Eine ungewöhnliche, aber wohl verdiente Ehrung ward am gestrigen Schabbat Be-Chukotai (= Sabbat mit der Toralesung Be-Chukotai = 3. Mose 25,1-26,2; d.i. 26./27. April 1935) dem überraschend an die Israelitische Realschule Leipzig berufenen Professor Dr. Sal. Levi zuteil. Nach Schluss des Morgeng’ttesdienstes ergriff Herr Rabb. Dr. Unna (Rabbiner Dr. Isaak Unna von der Lemle-Moses-Klaussynagoge) das Wort, um dem scheidenden Vorstand der Claus-Synagoge warme Worte des Abschieds zu widmen. Wird doch das Scheiden des Herrn Dr. Levi aus Mannheim, wo er seit 20 Jahren gewirkt hat, eine empfindliche, unersetzliche Lücke hinterlassen. Herr Dr. Unna wies im Anschluss an die Worte der Haftorah (siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Haftara) 'Gesegnet ist der Mann, der sich auf den HERRN verlässt und dessen Zuversicht der HERR ist' (Jeremia 17,7) auf das vielseitige, verdienstvolle Wirken des von tiefer G’ttesfurcht erfüllten Mannes hin, der in uneigennütziger Weise sich um die Verbreitung von Tora verdient gemacht und besonders als Mitglied des Bet Din (Rabbinatsgericht) jederzeit gerne Zeit und Mühe geopfert hatte. Nach den tiefempfundenen Worten des Herrn Rabbiners stimmte der Clauschor den Psalm 128 an.
Mit schmerzlichem Bedauern sieht ein weiter Kreis von Freunden und Schülern, insbesondere auch die Chewra Kadischa (Beerdigungsbruderschaft), an deren Liebeswerken er sich jederzeit mit Eifer beteiligt hatte, den geistvollen und bescheidenen Mann, auf den das Wort Raschis (siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Raschi'Der Auszug des Gerechten von einem Ort macht großen Eindruck' (d.i. ein Kommentar Raschis zu 1. Mose 28,10) vorzüglich passt, aus ihrer Mitte scheiden und schließt sich dem von Herrn Dr. Unna zugerufenen Wunsche 'Geh in Frieden' (?) von Herzen an. "     

  
Abschied von Schochet und Kantor Hermann Epstein und Rabbiner Dr. Roth (1937)    

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. Dezember 1937: "In Mannheim rüstet sich die Clausgemeinde zum Abschied von ihrem früheren Schochet (Schächter) und Kantor H(ermann) Epstein. 17 Jahre amtierte Herr Epstein in treuer Pflichterfüllung in Mannheim. Am Schabbos Wajechi (Sabbat mit der Parascha = Toraabschnitt Wajechi das ist 1. Mose 47,28-50,26; gemeint ist Sabbat 17./18. Dezember 1937) wird er am letzten Mal in der ehrwürdigen Claussynagoge am Omed (= Lesepult für den Vorbeter) und auf dem Almenor (= Pult in der Synagoge, auf dem aus der Torah gelesen wird) stehen. Sein Weg führt ihn nach Amerika, wo einem Menschen im rüstigsten Alter, mit ausgezeichneten kantoralen Fähigkeiten, mit reichem jüdischen Wissen gewiss noch manche und gute Möglichkeiten neuen Schaffens gegeben sind. Die Mannheimer Clausgemeinde wird ihren ehemaligen Schochet, ihren Scheliach Zibbur (Vorbeter) und Ben Kodesch (Sohn des Heiligen) sehr vermissen. Und zu dieser Gemeinde gesellt sich eine unsichtbare Gemeinde vieler Menschen, die im Hause Hermann Epsteins Rat und Hilfe fanden. Alle rufen ihm das Chasak Chasak (sei stark, sei stark!) nach, mit dem er das 1. Mose-Buch (gemeint die Toralesung an diesem Sabbat mit den letzten Kapiteln aus 1. Buch Mose) und damit seine Tätigkeit in Mannheim beenden wird.
Die Jeschiwa (Talmudschule) in Mannheim muss leider einen ihrer beiden Lehrer und Dozenten, Herrn Rabbiner Dr. Roth, künftighin entbehren. Er verließ Mannheim, um in einem anderen und größeren Wirkungskreis tätig zu sein. Herr Rabb. Dr. Roth war nicht sehr lange in Mannheim. Aber es gibt Menschen, die in der kürzesten Zeitspanne den Weg zu den Jugendlichen finden, ihnen den Weg zu Thora und zum Lernen ebnen und schön gestalten. Das war Dr. Roth gelungen und dankbares Erinnern, auch außerhalb des Jeschiwakreises, wird so leicht nicht vergessen, wie Rabbiner Dr. Roth in stillem Wirken Lernbeflissene um sich scharte und bemüht war, dem Milieu der Claustradition in die die Jeschiwa als private Institution eingebaut ist, gerecht zu werden. Bachurim (Talmudstudenten) der Jeschiwa und alle Freunde in Mannheim wünschen Rabb. Dr. Roth, dass ihm im künftigen Bereich seiner Tätigkeit ebenso rasch und ebenso herzlich Schüler und Freunde erwachsen, wie es in Mannheim der Fall war. D_r."       
Anmerkung: Lippmann Kern, Hauptlehrer und 2. Kantor an der Hauptsynagoge F 2, 13, 07.12.1823 – 19.12.1895, verheiratet mit Bonette geb. Haas, zwei Söhne: Friedrich und Berthold Kern (beide 1862)  https://www.marchivum.de/de/juedischer-friedhof/c2-b-02-14-kern-lippmann

     

     

     

     

     

     

     

 

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Stand: 30. Juni 2020