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in Kassel
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Seiten mit Texten zur jüdischen Geschichte in Kassel:
- Berichte aus dem jüdischen Gemeinde- und
Vereinsleben im 19./20. Jahrhundert
- Berichte über die Rabbiner, die
jüdischen Lehrer und weitere Kultusbeamte sowie die jüdische Schule und
das Lehrerseminar (diese Seite)
- Berichte zur
Geschichte des Israelitischen Waisenhauses in Kassel
- Berichte zu einzelnen Personen aus der
jüdischen Gemeinde
- Zur Seite über den jüdischen Friedhof in
Kassel-Bettenhausen
Kassel (Hessen)
Texte/Berichte zur jüdischen Geschichte der Stadt
Hier: Texte zur Geschichte der Rabbiner,
Lehrer und Kultusbeamten
sowie zur jüdischen Schule und dem Israelitischen Lehrerseminar in Kassel
Die nachstehend wiedergegebenen Texte mit
Beiträgen zur jüdischen Geschichte in Kassel wurden in jüdischen Periodika
gefunden.
Bei Gelegenheit werden weitere Texte eingestellt.
Übersicht:
Übersicht
über die Rabbiner in Kassel von 1779 bis 1939
Vorbemerkung: von 1625 beziehungsweise nach dem Dreißigjährigen Krieg von 1656
bis 1772 war der Sitz des Landrabbinates für Kurhessen in Witzenhausen.
1772 wurde der Sitz des Landrabbinats nach Kassel verlegt. Zum ersten
Landrabbiner in Kassel wurde 1779 auf einem Landtag in Melsungen
Rabbiner Josef-Moses Hess bestimmt. Seitdem waren die folgenden Rabbiner in
Kassel tätig:
| 1779 bis 1793: Rabbiner Josef-Moses Hess (auch
Josef-Moses Kugelmann) (geb. in Meimbressen,
gest. 1793 in Kassel): war seit 1762 Dajan in Fürth, zuletzt Rabbinatspräses ebd.; seit 1779 Landrabbiner der Landgrafschaft
Hessen-Kassel mit Sitz in Kassel; leitete eine Jeschiwa. |
| 1795 bis 1814: Rabbiner Löb Berlin (geb. 1737 in
Fürth, gest. 1814 in Kassel): lernte in
Fürth und Halberstadt; seit 1782 als Dajan in Fürth und Rabbiner in Baiersdorf
tätig; 1789 fürststiftlicher Landrabbiner in Bamberg, seit 1795
kurfürstlich-Hessischer Landesrabbiner in Kassel; 1808 bis 1813 Ältester
der drei Oberrabbiner des Westfälischen Konsistoriums in Kassel mit dem
Titel eines "Consistorialrats". |
| 1814 bis 1829: Rabbiner Samuel Josaphat (geb. 1768
in Witzenhausen, gest. 1829 in
Kassel); lernte in Metz; war zunächst Ortsrabbiner in Witzenhausen; 1814
(nach Aufhebung des Konsistoriums) Dajan und "Provisorischer Stadt-Rabbiner" in
Kassel sowie Provinzial- und Landrabbiner; auf Grund
seiner Strenge hielten sich die Kasseler Gemeindeältesten an den Hanauer
Rabbiner M. T. Sontheim. |
| 1829 bis 1830 (als Rabbinatsverweser): Rabbiner Gerson
Josaphat (geb. 1808 in Kassel als Sohn von Rabbiner Samuel Josaphat,
gest. 1883 in Halberstadt): lernte in Mannheim; war 1829 Rabbinatsverweser
in Kassel; studierte 1831 in Bonn, später Marburg; 1836 Klausrabbiner und
Talmuddozent in Halberstadt.
Von 1842 bis 1852 kam es auf Grund von Richtungskämpfen zwischen liberalen
und traditionellen jüdischen Kreisen nicht zur Besetzung der
Rabbinatsstelle. |
| 1836 bis 1842: Rabbiner Dr. Philipp Romann (geb. 1810
in Heidingsfeld, gest. 1842 in
Kassel): lernte in Würzburg, studierte ebd.; seit 1836 Gemeinderabbiner in
Kassel, Provinzialrabbiner für NiederHessen und provisorischer Landrabbiner für
Kurhessen (1837 definitiv
Landesrabbiner). |
| 1852 bis 1884: Rabbiner Dr. Lazarus Levi Adler (geb.
1810 in Unsleben, gest. 1886 in
Wiesbaden): Sohn von Rabbiner (Dajan) Naphtali-Hirsch Adler: lernte in
Gelnhausen und Würzburg; studierte ab 1830 in Würzburg und München
(Promotion in Erlangen); zunächst in Unsleben Assistent seines Vaters; 1840
Distriktsrabbiner in Bad Kissingen; seit 1852 bis zu seiner Zurruhesetzung
1884 Landrabbiner in Kassel. |
| 1885 bis 1905: Rabbiner Dr. Isaak Prager (geb. 1847
oder 1849 in Lendzin, Oberschlesien, gest. 1905 in Kassel), studierte in
Breslau; seit 1877 Direktor der Religionsschule Hannover, 1880 Direktor der LBA in Hannover; von 1885 bis 1905 Landrabbiner in
Kassel. |
| 1906 bis 1918 Rabbiner Dr. Max Doctor (geb. 1870 in
Zülz [Biala], Oberschlesien, gest. 1918 in Kassel): studierte seit 1890 in
Breslau; 1894 Lehrer in Breslau, 1899 stellvertretender Rabbiner der
Storchsynagoge und Religionslehrer in Breslau; 1900 Bezirksrabbiner in Bruchsal; ab Mai 1906 Landrabbiner in
Kassel. |
| 1919 bis 1936 Rabbiner Dr. Gotthilf Walter (geb.
1867 in Lobsenz, Posten, gest. 1942 in Berlin): studierte in Breslau und
Berlin (Promotion in Leipzig, 1890/91 bis 1919 liberaler Rabbiner in
Bromberg, Posen; 1919 Landrabbiner in Kassel; 1936 Pensionierung und
Niederlassung in Berlin. |
| 1935 (Vertretung im Rabbinat): Rabbiner Dr. Salomon
Herbst (geb. 1912 in Krefeld): studierte seit 1936 in Breslau; 1935
Rabbiner in Kassel, 1936-1937 Rabbiner in Stolp, Pommern; 1938 in die USA
emigriert. |
| 1936 (Vertretung im Rabbinat): Rabbiner Dr. Heinrich
Levi Bassfreund (geb. 1886 in Tarnowitz [Tarnowskie Góry] als Sohn von Rabbiner Dr. Jakob
Bassfreund (seit 1891 Oberrabbiner in Trier, gest. in Petach Tikwa):
studierte 1904 bis 1911 in Berlin; seit 1911 Rabbiner in Pinne (Pniewy),
Posen, seit 1917 in Press (Pszczyna), Oberschlesien; 1918 Feldrabbiner;
1920 Promotion in Gießen; 1923 bis 1938 Kreisrabbiner in Eschwege, 1936
interimistisch Provinzrabbiner in Kassel (?); 1938 nach Palästina emigriert, wo er als Rabbiner der Gemeinde
'Meqor Hyaim' in Petach Tikwa
tätig war; er starb in Petach Tikwa. |
| 1936 bis 1939 Rabbiner Prof. Dr. Robert Raphael Geis
(geb. 1906 in Frankfurt, gest. 1972 in Baden-Baden): studierte in Berlin,
Breslau und Köln; 1932 bis 1934 zweiter Rabbiner (Jugendrabbiner) in
München; 1934 bis 1937 Stadtrabbiner in Mannheim; 1937 bis 1939 Land- und
Gemeinderabbiner in Kassel und Oberrabbiner von Hessen; nach dem
Novemberpogrom 1938 ins KZ Buchenwald verschleppt; 1939 nach Palästina
emigriert; 1939 bis 1946 u.a. Dozent an der Hebräischen Universität in
Jerusalem; 1949 bis 1952 Rabbiner der Emigrantengemeinde in Amsterdam; 1952 bis
1956 Landesrabbiner in Baden (Karlsruhe), Dozent an der Universität
Freiburg; lebte zuletzt in Baden-Baden. |
Aus der Geschichte
der Landrabbiner in Kassel
Zum Tod von Landrabbiner Dr. Philipp Romann
(1842)
Anmerkung: zu Dr. Philipp Romann vgl.
http://steinheim-institut.de:50580/cgi-bin/work3?id=1483
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 10. September
1842: "Kassel, 21. August (1842). Die hiesige israelitische
Gemeinde sowie alle Israeliten Kurhessens haben einen schmerzlichen
Verlust erlitten und die Menschheit ist um einen edlen Mann ärmer
geworden. Am 17. dieses Monats abends 6 1/2 Uhr verschied, sanft und
gottergeben, nach vierzehntägigem Krankenlager an den Folgen eines
nervös-gastrischen Fiebers, der kurhessische Landrabbine Dr. Philipp
Romann, im 32. Jahr seines Lebensalters. Geboren zu Heidingsfeld
bei Würzburg wurde derselbe, als Kandidat der mosaischen Theologie, im
Jahr 1836 zu dem Amte berufen, dem er bis an sein Ende vorstand. Wenn in
der Gegenwart die Stellung eines Rabbinen mit großen Schwierigkeiten verknüpft
ist; wenn die Aufgabe, das positive Judentum mit der Wissenschaft in
Übereinstimmung |
zu
bringen und den Anforderungen zu genügen, welche eine bewegte Zeit
stellt, eine für menschliche Kräfte kaum lösbare genannt werden darf;
so war solche für den Verstorbenen umso schwieriger, als derselbe in noch
jugendlichen Jahren seine Schultern dieser Last darzubieten hatte und
seine religiösen Ansichten mehr dem Gemüt und der frommen Anhänglichkeit
an den Überlieferungen der Väter, denn einer durch unbefangene
wissenschaftliche Forschung herangebildeten Überzeugung, zusagten. Dass
diese Richtung nicht bei allen Gemeindegliedern Beifall finden konnte und
deshalb auch manche tadelnde Stimme sich vernehmen ließ, ist leicht
erklärbar. Wenn aber ein von der Ausübung des gewählten geistlichen Berufs
ganz erfülltes, jedem andern Genuss entsagendes Leben; eine nie
ermüdende Tätigkeit überall, wo es galt Menschenwohl zu fördern,
verbunden mit einer liebenswürdigen Persönlichkeit auf Anerkennung
Anspruch zu machen haben; so war der Verstorbene hierzu in vollem Maße
berechtigt. Dass diese Anerkennung ihm auch zuteil wurde und zwar in einem
die Grenzen seines besondern Wirkungskreises weit überschreitenden
Umfange, davon gab die allgemeine Teilnahme Zeugnis, die sich während der
Krankheit und beim Tod des Verblichenen aussprach.
Freitag, am 19. dieses Monats nachmittags 3 Uhr fand das feierliche
Leichenbegängnis statt. Ein unübersehbarer Zug, an dessen Spitze sich
die Geistlichkeit der verschiedenen christlichen Konfessionen sowie
mehrere Regierungsbeamte befanden, und welchem sich eine große Anzahl
hiesiger Einwohner aus allen Ständen angeschlossen hatte, folgte in
stiller Trauer der irdischen Hülle. Auf dem Gottesacker wurde der Sarg
von einem durch die Zöglinge der hiesigen Schul- und
Schullehrer-Bildungs-Anstalt ausgeführten hebräischen Choralgesang
empfangen, und der Kreisrabbiner Wetzlar aus
Gudensberg, welcher zu diesem
Ende von dort hierher gekommen war, gedachte mit kurzen, aber ergreifenden
Worten der Verdienste des Verblichenen. Zögern und mit den wehmütigsten
Empfindungen wurde der Grabhügel verlassen, der die Gebeine des
trefflichen Mannes deckt!
Bei dem gestrigen sabbatlichen Frühgottesdienst waren im dichterfüllten
Gotteshause, die Blicke aller Anwesenden nach der leeren Stätte des
Heimgegangenen gerichtet. An den Stellen der Liturgie, welche |
der
Verblichene selbst mit seiner wohllautenden Stimme, in der sich der Ernst
wie die Milde der Religion spiegelten, vorzutragen pflegte, ward die
Rührung so allgemein, dass der öffentliche Vortrag auf einige
Augenblicke unterbrochen werden musste. Diese ergreifenden Momente
sprachen ebenso sehr für den Wert des Abgeschiedenen, als sie die
Gemeinde erhoben, von der sie ausgingen.
Romann hinterlässt eine Gattin in jugendlichem Jahren, welche seine treue
Pflegerin bis zum letzten Lebenshauch war und die in ihm ihr ganzes
Erdenglück fand.
Als eine Fügung des Zufalls ist es bemerkt worden, dass der Verstorbene
an demselben Tage (11. Elul) und in derselben Stunde aus dem Leben
schied, in welcher er vor sechs Jahren durch die hiesigen
Gemeindeältesten, bei seinen zur Übernahme seines Amtes hierher
unternommenen Reise, feierlich empfangen wurde. So ist ihm schon nach den
ersten sechs Jahren der Arbeit, das siebente zum Jahr der sabbatlichen
Ruhe geworden. Möge sie ihm in dem Maße zuteil werden, als sein kurzer,
aber frommer Lebenslauf sie verdient! -th-
Kassel, 24. August (1842) (Eingesandt). [Nachruf an Herrn Dr.
Philipp Romann, Landrabbiner der Israeliten in Kurhessen, gestorben am 17.
August.
Anmerkung: Nachstehende Worte drücken die Empfindungen eines dem
Verewigten in seinem Wirkungskreis in mehrfacher Beziehung nahe stehenden
Mannes an dessen Grabe aus; sie wurden aber, um in der Sabbatnähe die
Lage der Leidtragenden an der Gruft nicht zu verlängern, nicht
gesprochen, mögen aber hier umso mehr einen Platz finden, als sie bei
vielen Gleichgesinnten lebhaften Anklanges gewiss sind. Korresp.
Die Beziehungen, in denen ich mich zu dem Verewigten befand, setzen mich
in den Stand, den ganzen Umfang des Verlustes zu ermessen, den wir
erlitten haben; ich hatte die häufigste Veranlassung, den Bereich der
rastlosen Tätigkeit zu würdigen, worin sich bei ihm die äußerste
Sorgfalt in der Erfüllung aller religiösen Pflichten mit einem unablässigen
Fleiß in der Ausübung des Predigtamtes, in der gründlichen Erforschung
und Spende geistlicher Lehre, in der Beratung der Gewissen, in der
Beaufsichtigung und Leitung des Schulwesens vereinigte, wobei denn die
kräftige Herstellung und Handhabung des Ernstes und der Würde des
Gottesdienstes in der hiesigen Gemeinde, welchen er in jeder Weise und mit
so schönem Erfolg erhebend und fruchtbar zu machen suchte, ihm noch
besonders zum unvergänglichen Verdienste gereicht. Wer aber von uns allen
wüsste nicht, wie rastlos, wie treu und ernst er seinem Berufe oblag? -
wer von uns allen hätte nicht in bedeutungsvollen Augenblicken Rat und
Trost - in schwierigen Geschäften Hilfe - bei allen guten Werken
Förderung - bei gebeugtem Gemüte Aufrichtung und Erbauung bei ihm
gesucht und gefunden? Wer hätte nicht seine lebhafte Teilnahme und die
schnelle und scharfsinnige Auffassung erfahren, womit er jedes höhere
Interesse ergriff, mochte es das allgemeine Wohl, oder den innern Zustand
der Einzelnen angehen?
Was aber das würdige Leben, dessen allzu frühes Ziel wir beweinen, vor
allem bezeichnete, - das war dessen durchaus und wahrhaft priesterlicher
Richtung. Nicht bloß lehren wollte der Verewigte den Willen
und das Wort Gottes - er wollte in auch verrichten - er wollte es
auch erfüllen, in allen Stücken so weit er vermochte - an allen
Orten, soweit er reichte, ein Gottesdienst sollte sein ganzes Leben sein.
Wie dieses Streben in einer nie von ihm weichenden Freudigkeit ihn
durchdrang, - das zeigte sich auf das sprechendste durch seine ganze
Laufbahn von Jugend auf! - leuchten aber sahen wir vor allem dieses
Grundelement seines frommen Wandelns und seiner stets nach dem Heiligen
trachtenden Seele an jenem feierlichen Tage, wo er zuerst in das neue
Gotteshaus der hiesigen Gemeinde einzog, welches er in froher
Beseligung weihte zu seiner heiligen Bestimmung. Wie verklärte sich da
sein ganzes Wesen - wie ward es offenbar und sprach es sich selber aus auf
das schönste, und mit unvergesslichste, als er die Worte des 27. Psalms
anführte:
'Das Eine erbat ich mir vom Herrn und danach sehne ich mich: zu sitzen
im Hause des Herrn alle Tage meines Lebens, zu schauen die Lieblichkeit
Gottes und fleißig in seinem Heiligtume zu sein.' Und diese
gottesdienstliche Treue verbreitete sich auch über sein Leben. Fest und
unerschütterlich wie sein Glaube war er auch in allen
Beziehungen, |
in
Wohlwollen, in der Freundschaft, in den zartesten Verhältnissen des
Privat- wie in den würdigsten des öffentlichen Lebens. Schön war es
wahrzunehmen wie neben der gewissenhaftesten Erfüllung der
Berufspflichten und der getreuesten Verehrung seines Landesherrn, er,
obwohl eines anderen Landes Sohn, doch seinem neuen Vaterlande und dessen
Gesetzen mit aller Liebe und Treue eines angestammten Bürgers
anhing.
Das alles stand in der unmittelbarsten Verbindung mit seinem felsenhaften
Vertrauen auf Gott, der sein erster und sein letzter Gedanke
war.
So möge denn auch in dieser schmerzlichen Trauer, das von ihm
hinterbliebene Andenken uns nicht nur im Leiden, noch einen Trost, sondern
auch eine Stärkung des Gottvertrauens gewähren. Du aber Verklärter!
fahre wohl - fahre wohl, Du guter Wächter, der Du stets munter warst, den
Andrang den Unheiligen zu wehren - fahre wohl Du treuer Hirte, der Du so
trefflich Rechnung abzulegen weißt von dem Dir anvertrauten Gute - fahre
wohl, Du rechter Priester, der Du nur lebtest im Heiligtum und keine
andere Lust des Daseins kanntest, als zu dienen im Hause des Herrn -
gedenke nun wie Du in Liebe hienieden gewaltet, so auch dort im
himmlischen Vaterhause mit Liebe und Milde aller derer, die Dich liebten -
aller derer, die Dich beweinen, gedenke so unser allesamt.
So fahre wohl denn - fromme Seele, fahre wohl. Dr. Ps." |
Die Rabbinerstelle ist schwer zu besetzen
(1844)
Anmerkung zu den genannten Rabbinern: zu Rabbiner Dr. Joseph Aub (1804
bis 1880) siehe Wikipedia-Artikel
"Joseph Aub"; zu Rabbiner Dr. Leopold Stein (1810-1882)
siehe Wikipedia-Artikel
"Leopold Stein"; zu Rabbiner Samuel Holdheim (1806-1860)
siehe Wikipedia-Artikel
"Samuel Holdheim"; Rabbiner Dr. Löb (Levi) Bodenheimer
(1807-1868) war seit 1845 Konsistorial-Oberrabbiner in Krefeld.
Artikel in der Zeitschrift "Der Orient"
vom 3. September 1844: "Kassel, 24. August (1844). Mit
unserer Rabbinats-Angelegenheit will es immerfort noch zu keinem
erfreulichen Resultat kommen. Zwar hatten sich 2 Mitglieder des
Vorsteheramts zur Braunschweiger-Messe deshalb verfügt, um vielleicht
einen passenden Rabbiner zu erfragen, doch sind selbige, wie wir hören,
mit leerer Hand zurückgekehrt. Um indes den dringenden Anforderungen der
Regierung wie den Gemeinden zu genügen, soll Dr. Aub aus Bayreuth,
dieser aus dem Orient (sc. Zeitschrift "Der Orient")
schon bekannte tüchtige Mann, als Landrabbiner der Kurfürstlichen
Regierung vorgeschlagen sein. Dass dies indes nur pro forma gemeint sein
kann, weiß hier Jeder. Denn da die Kurfürstliche Regierung die von der
Majorität vorgeschlagenen Dr. Stein und Holdheim, weil sie
der Neologie zu sehr anhängen, nicht bestätigte, so wird dies bei Dr.
Aub, der in den Bayerischen Synodal-Versammlungen sich für den
Fortschritt ausgesprochen, gewiss nicht minder der Fall sein. Auch soll
die Minorität des Vorsteheramtes bereits ihren Protest gegen die Wahl
eingereicht, und Bodenheimer vorgeschlagen. Doch kann von diesem,
nachdem er das Krefelder Rabbinat angenommen, nicht mehr die Rede sein. Zu
wünschen wäre, dass diese traurige Lücke endlich ausgefüllt, und das
Vorsteheramt sich zu einer Wahl entschießen möchte, geeignet, den
Frieden der Gemeinde, die Zustimmung hoher Regierung, wie die Würde und
die Stellung der Juden im Kurstaate dauernd und fest zu
sehen." |
Zwei Rabbiner
halten eine Probepredigt (1846)
Anmerkung: Mit Rabbiner Fassel ist gemeint: Rabbiner Hirsch Bär
Fassel (geb. 1802 in Boskowitz, Mähren, gest. 1883 in Groß-Kanischa, Ungarn);
Rabbiner Fassel war zum Zeitpunkt seiner (nicht erfolgreichen) Bewerbung in
Kassel Rabbiner in Proßnitz (Prostejov), Mähren.
Artikel
in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter" vom 7. April 1846:
"Kassel, den 22. März (1846). Man ist hier allgemein der
Ansicht, dass die hiesige Rabbinerstelle nicht lange mehr unbesetzt
bleiben werde. Gestern hat Herr Dr. Wassermann, Rabbiner zu Mühringen
im Württembergischen hier eine Probepredigt gehalten, und Herr Rabbiner
Fassel soll zu gleichem Zwecke nach Pessach hier
eintreffen." |
Überwachung und Beaufsichtigung des Religionswesens durch das
Land-Rabbinat (1846)
Artikel in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter"
vom 12. Mai 1846: "Rundschreiben des kurhessischen Land-Rabbinats.
Beifolgendes Schreiben des kurhessischen Land-Rabbinats, welches in Betreff
der Überwachung und Beaufsichtigung des Religionswesens an alle
Kreis-Rabbinen der Provinz NiederHessen, sowie an alle Provinzial-Rabbinen
der übrigen Provinzen ergangen, erlauben wir uns als den Geist und die
Wirksamkeit der höchsten jüdischen Landesbehörde, des einzigen
deutschen Staates, in dem völlige Emanzipation herrscht, bezeichnend, der
Öffentlichkeit zu übergeben.
Zur Führung der nach 1. des § 36 der Verordnung vom 30. Dezember 1823
dem Land-Rabbinate obliegenden Oberaufsicht auf den gesamten Gottesdienst
und Religionsunterricht bedürfen wir einer möglichst treuen und
umfassenden Darstellung der Zustände sämtlicher Synagogen und
Religionsschulen des Landes und der auf diese direkt oder indirekt
einwirkenden Verhältnisse, um hiernach die weiter als zweckdienlich
erscheinenden Maßregeln bemessen zu können.
Indem wir nun in Ermangelung eines Provinzial-Rabbinen für die Provinz NiederHessen
Sie hiermit veranlassen, uns längstens bis zum 1. September laufenden
Jahres ausführliche Mitteilungen über den gegenwärtigen Stand des
öffentlichen Gottesdienstes, des Religionsunterrichtes und der übrigen
religiösen Verhältnisse unter den Israeliten Ihres Rabbinats-Sprengels
zu machen, und Ihrem Ermessen anheimgeben, welche besondere Umstände und
Tatsachen sie für geeignet finden werden, von uns in Betracht gezogen zu
werden, wünschen wir, dass Ihr Bericht vorerst über nachfolgende Punkte
sich ausdehne:
I Synagoge.
1) Namen sämtlicher Synagogengemeinden und der zu diesen gehörigen Orte,
unter Angabe der beiläufigen Anzahl der israelitischen Familien eines
jeden Ortes und der Entfernung der zum Synagogenverbandes gehörigen Orte
von demjenigen, in welchem die Synagoge sich befindet.
2) Synagogen-Gebäude. a) Räumlichkeit, bauliche und innere
Einrichtung.
3) Vorsänger. a) Namen, Alter, Qualifikation und Lebenswandel. |
b)
Angabe der Bestellung nach Behörde und Datum.
4) Stand des öffentlichen Gottesdienstes in der Synagoge.
a) Wird täglich oder nur an Sabbat-, Fest- und Fasttagen Gottesdienst
gehalten? und welche Ursachen sind hier bestimmend?
b) Ist die Teilnahme am öffentlichen Gottesdienste allgemein, und
insofern dies nicht der Fall, worin hat die geringere Teilnahme ihren
Grund?
c) Wird der Gottesdienst überhaupt noch in altherkömmlicher Weise
verrichtet, oder haben Veränderungen und welche
stattgefunden?
d) Ist der Chorgesang eingeführt, zeigt sich in der Gemeinde Teilnahme
für denselben, walten hindernde Umstände ob, und können sie beseitigt
werden?
e) Werden belehrende religiöse Vorträge gehalten, wie oft und von
wem?
f) Wo und wann finden außerhalb der ordentlichen Synagogen
gottesdienstliche Versammlungen statt und aus welchem Grunde?
5) Sonstige Bemerkungen und etwaige Anträge.
II. Religionsschule.
1) Wo bestehen bloße Religionsschulen, und wo ist der Unterricht in den
allgemeinen Lehrgegenständen damit verbunden?
2) Welche Gemeinden haben keine Religionsschulen, aus welchen Gründen
entbehren sie dieselben, und besuchen die schulpflichtigen Kinder eine
auswärtige Religionsschule?
3) Schulzimmer.
a) Räumlichkeit, bauliche Beschaffenheit, Mobilien und Lehrapparate.
b) Ob zugleich die Wohnstube des Lehrers?
4) Lehrer.
a) Vor- und Zuname, Geburtsort und Alter?
b) Wo und auf welche Weise er seine Bildung zum Lehrer empfangen und die
und die entsprechende Prüfung bestanden?
c) Qualifikation, Methode, Dienstbeflissenheit und Lebenswandel.
d) Ob er zugleich Vorsänger und Schächter sei?
5) Unterricht.
a) Welche Bücher werden beim Religions-Unterricht benutzt?
b) In wie viel Klassen oder Abteilungen ist die Schule
eingeteilt?
c) Welche Gegenstände umfasst der Unterricht in der
Religionslehre?
d) Zahl der Unterrichtsstunden nach Klasen, Abteilungen und
Gegenständen?
e) Werden die Schulkinder nur zu den ordentlichen Schulterminen
aufgenommen und entlassen, oder auch zwischen denselben?
f) Wie weit reichen in der Regel die Kenntnisse der Schüler in der
Religionslehre, biblischen Geschichte und im Übersetzen der hebräischen
Gebete und der Bibel bei ihrem Austritt aus der Schule?
6) Wie oft und von wem werden Visitationen vorgenommen?
7) Findet bei der Entlassung der Schüler aus der Schule eine besondere
Feierlichkeit (Konfirmation) statt? 8) Sonstige Bemerkungen und
etwaige Anträge.
III. Sonstige religiöse Verhältnisse
1) Wird die vom Landrabbinate publizierte Leichenordnung gehörig
gehandhabt, sind noch weitere Anordnungen in diesem Betreff wünschenswert
und welche?
2) Von wem (Rabbinen, Lehrer, Vorsänger) werden die Trauungsakte
vollzogen und auf welchem Grunde?
3) Welchen Personen ist die Belehrung über den Eid
anvertraut?
4) Rabbinats- und Lehramts-Kandidaten.
a) Anstalten, Studien und sonstige, die Heranbildung derselben bezweckende
Anstalten und Einrichtungen.
b) Beiläufige Anzahl, Bildungsstufe, Lebenswandel etc.
5) Bestehen Vereine von erwachsenen Privatpersonen (Chewroth) für
die Belehrung in Religionsschriften, welche Bücher werden da benutzt, von
wem werden die Vorträge gehalten, und welche Vorschläge wären in dieser
Beziehung zu machen?
Kassel, am 27. März 1846.
Das kurhessische Land-Rabbinat. Felsenstein. Rosenberg. Pinhas." |
Verschiedene Rabbinatskandidaten stellen
sich in der Gemeinde vor (1847)
Artikel in der Zeitschrift "Der Orient" vom 22.
Januar 1847: "Kassel, 12. Januar (1847). Unser Rabbinat
ist noch nicht besetzt und unsere Gemeinde liefert einen Beitrag, und zwar
einen sehr belehrenden und erbaulichen, zu den Folgen der langen
Zögerungen in der Wahl. Wir hatten Probeprediger und Probepredigten in
Menge; zuletzt hörten wir sogar eine bedeutende rabbinische
Persönlichkeit - und sind doch noch immer eine Witwengemeinde, weil wir
in der Wahl sehr zimperlich sind. Fassel, einer der bedeutendsten Rabbiner
unserer Zeit, hat unstreitig viele Sympathien für sich; seine Wirksamkeit
ist durch diese Blätter genugsam bekannt geworden; auch seine Predigten
haben bei uns großen Beifall gefunden. Wir lieben aber das System der
Zögerung und zögern so lange, bis wir gar nicht von der Stelle rücken.
Die Gemeinde um deren willen eigentlich der Rabbiner und die Vorsteher
fungieren, hat wohl ein recht, nach der Sachlage zu fragen und im Namen
Vieler wünschen wir, dass die Öffentlichkeit uns belehrten möchte über
das, was uns in dem Kreise der Gemeinde ein Geheimnis ist. Wie lange
wollen wir noch das Zögerungssystem durchführen?" |
Weitere Schwierigkeiten in der Besetzung der
Rabbinerstelle und andere Mitteilungen (1847)
Anmerkung: Mitgeteilt werden die Gründe, wieso Rabbiner Fassel nicht
wählbar ist. Berichtet wird auch über Dr. Wallach, der Leibarzt des
Kurfürsten wurde und über Dr. Benedikt Stilling, Herausgeber eines
medizinischen Werkes von Louis Philipp.
Zu Dr. Benedikt Stilling (geb. 1810 in Kirchhain,
gest. 1879 in Kassel, siehe Wikipedia-Artikel
"Benedikt Stilling" und weitere Texte
auf der Personen-Seite.
Zu Dr. Joseph Wallach (geb. 1813 in Kassel, gest. 1878 in Frankfurt),
siehe Artikel in der
Deutschen Biographie "Joseph Wallach".
Artikel in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter"
vom 26. Januar 1847: "Kurhessen.
Kassel. Unsere Rabbinatsangelegenheit hat abermals einen Aufschub
erlitten. Schon vor sechs Monaten berichtete ich, dass das größte
Hindernis für Fassel's Wahl, in seinem Mangel an gehörig
absolvierten, philosophischen und humanen Studien bestände, da dieser
Mangel das Erstehen der gesetzlich vorgeschriebenen Universitätsprüfung
ihm durchaus unmöglich mache. Und so ist es in der Tat gekommen. Vom
Vorsteheramte wurde nämlich der Antrag gestellt, dass jene gesetzmäßig
vorgeschriebene Prüfung dem Herrn Fassel erlassen werden möchte. Indes
ist dieser Tage von hohem Kurfürstlichen Ministerium der Antrag, Fassel
von jener Prüfung zu dispensieren, zurückgewiesen worden. Wozu sich das
Vorsteheramt jetzt entschließen wird, ob jenes Gesuch in modifizierter
Form von Neuem vorzubringen oder sich zu einem neuen Vorschlage zu
entschließen, ist noch ungewiss; jedenfalls ist die definitive Wahl
abermals hinausgeschoben und wir haben es schon oft erklärt, dass das
gerade es ist, worauf es hier eigentlich abgesehen scheint. - Herr Dr.
Wallach ist seit kurzer Zeit als Leibarzt Seiner Königlichen Hoheit
des Kurfürsten mit 800 Thaler jährlichem Gehalte lebenslänglich
angestellt worden; ein Beweis, dass wir hier auch in der Tat Emanzipation
besitzen. - Nicht minder hat Dr. Stilling von hier, der für ein
von ihm mit Abbildungen herausgegebenes medizinisches Werk von Louis
Philipp die große goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft,
begleitet von einem ehrenden Schreiben, erhalten, die Ehre gehabt, in
besonderer Audienz von dem Kurprinz-Mitregenten empfangen zu werden, der
geruhet, besagtes Werk aus den Händen des Verfassers huldreichst
entgegenzunehmen. - Der Antrag sämtlicher Gemeindeältesten des Kreises
Melsungen, den Gehalt ihres Kreisrabbinen, des würdigen und geachteten Rabbiner
Wetzlar zu Gudensberg, aus
freien Stücken zu erhöhen, diese Erhöhung jedoch nur als eine rein persönliche
für den gedachten Rabbinen, nicht aber für die Stelle überhaupt zu
betrachten, wurde durch Kurfürstlichen Regierungsbeschluss, in
Anerkennung der unermüdeten, besonderen Sorgfalt, mit der Herr
Kreisrabbiner Wetzlar sich seiner Amtspflichten unterzieht, seinem ganzen
Inhalte nach genehmigt." |
Die jüdische Gemeinde ist nun bereits fünf Jahre ohne
Rabbiner (1847)
Anmerkung: zu den genannten Rabbinern siehe Anmerkung unten zum Dokument vom
21. Dezember 1847.
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 25. Oktober 1847: "Kassel, 25. September (1847).
Das Frankfurter Journal enthält von hier aus folgenden Artikel: Mehrfach
ist in diesen Blättern von den Verhältnissen der hiesigen israelitischen
Gemeinde die Rede gewesen und namentlich, dass sie sich nunmehr bereits
fünf Jahre ohne Rabbiner befindet. Diese Angelegenheit hat nunmehr ein
neues Stadium erreicht. Nach langem Zögern hatte die Mehrheit der
Gemeinde im Juli vorigen Jahres endlich sich für einen Kandidaten, den Rabbiner
, entschieden und denselben zur Bestätigung in Vorschlag
gebracht. Gegen diesen Vorschlag waren nun freilich einige wenige
Personen, unter denen ein Vorstandsmitglied, aufgetreten, um diese Wahl zu
hintertreiben. Vorläufig scheinen sie einen Sieg davon getragen zu haben,
denn von Seiten kurfürstlicher Regierung, welcher das Bestätigungsrecht
zusteht, ist die Weisung an das israelitische Vorsteheramt ergangen, über
zwei andere Kandidaten, die Rabbinen Lippschütz und Feuchtwang,
welche ebenwohl früher sich um diese Stelle beworfen, ohne eine
Majorität zu erlangen, zu berichten. Hiergegen haben nun einige 80 der
kontribuabelsten Mitglieder der Gemeinde Verwahrung mit der ausdrücklichen
Bemerkung eingelegt, dass, wenn ihnen ein Geistlicher aufgenötigt werden
sollte, sie sich zu einer eigenen Gemeinde (Reformgemeinde) konstituieren
würden. Es gibt dies einen höchst interessanten Fall, der nötigerweise
seine Erledigung durch die Gerichte erhalten wird. Der beklagenswerte
Zustand wird aber hierdurch nicht abgekürzt, und dass er mit Recht so
genannt werden muss, beweist schon einzig und allein der Umstand, dass am
höchsten Festtag der Israeliten, am Versöhnungstage, auf eine solche
Weise Kanzelvorträge gehalten werden, wie das kürzlich der Fall war,
deren nähere Beleuchtung aber nicht vor dies Forum gehört. Dem Vernehmen
nach hat der geehrte Redner eine anderweitige Versorgung erhalten, welche
derselbe bald antreten wird, was für ihn und die hiesige Gemeinde das
Wünschenswerteste sein wird." |
Erste
Richtigstellung des obigen Artikels zu den Schwierigkeiten in der Besetzung der Rabbinerstelle
(1847)
Anmerkung: es handelt sich um eine Richtigstellung des obigen Artikels vom
25. Oktober 1847.
Artikel in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter"
vom 2. November 1847: "Kassel. Die zweite Beilage des
Frankfurter Journals No. 270 enthält folgendes Urteil aus Kassel:
'Kassel, 25. September (1847). Mehrfach ist in diesen Blättern von den
Verhältnissen der hiesigen israelitischen Gemeinde die Rede gewesen und
namentlich, dass sie sich nunmehr bereits 5 Jahre ohne Rabbiner befindet.
Diese Angelegenheit hat nunmehr ein neues Stadium erreicht. Nach langem
Zögern hatte die Mehrheit der Gemeinde im Juli vorigen Jahres endlich sich
für einen Kandidaten, dem Rabbiner Fassel, entschieden und denselben
zur Bestätigung ein Vorschlag gebracht. Gegen diesen Vorschlag waren nun
freilich einige wenige Personen, unter denen ein Vorstandsmitglied,
aufgetreten, um diese Wahl zu hintertreiben. Vorläufig schienen sie einen
Sieg davon getragen zu haben, denn von Seiten kurfürstlicher Regierung,
welcher das Bestätigungsrecht zusteht, ist die Weisung an das israelitische
Vorsteheramt ergangen, über zwei andere Kandidaten, die Rabbiner
Lippschütz und Feuchtwang, welche ebenwohl früher sich um diese
Stelle beworben, ohne eine Majorität zu erlangen zu berichten. Hiergegen
haben nun 80 der kontribuabelsten Mitglieder der Gemeinde Verwahrung mit der
ausdrücklichen Bemerkung eingelegt, dass, wenn ihnen ein Geistlicher
aufgenötigt werden sollte, sie sich zu einer eigenen Gemeinde
(Reformgemeinde) konstituieren würden. Es gibt dies einen höchst
interessanten Fall, der nötigerweise sein Erledigung durch die Gerichte
erhalten wird. Der beklagenswerte Zustand der Gemeinde wird aber hiedurch
nicht abgekürzt, und dass er mit Recht so |
genannt werden muss, beweist schon einzig und allein der Umstand, dass am
höchsten Festtag der Israeliten, am Versöhnungstage, auf eine solche
Weise Kanzelvorträge gehalten werden, wie das kürzlich der Fall war,
deren nähere Beleuchtung aber nicht vor dies Forum gehört. Dem Vernehmen
nach hat der geehrte Redner eine anderweitige Versorgung erhalten, welche
derselbe bald antreten wird, was für ihn und die hiesige Gemeinde das
Wünschenswerteste sein wird.'
Der Korrespondent scheint weder dem Gange der bisherigen Verhandlungen der
kurhessischen Ständeversammlung genau gefolgt, noch mit unseren
Landesgesetzen vertraut zu sein, sonst würde derselbe nicht angegeben
haben, dass 80 der kontribuabelsten Mitglieder der Gemeinde sich zu einer
Reformgemeinde konstituieren würden. Denn die langen Verhandlungen der
Ständeversammlungen im Jahre 1816 und das erfolgte Erkenntnis des
Oberappellationsgerichts in Sachen der Dissidenten, über die §§ 30,132 und
133 der Verfassungsurkunde, wonach Dissidenten keinen öffentlichen
Gottesdienst und keine religiöse Gemeinde bilden dürfen ohne Genehmigung der
hohen Regierung, würde jede Hoffnung, selbst wenn in Kassel 80
Gemeindemitglieder wirklich existieren sollten, die sich zur Reform neigten,
niederschlagen. Dieses ist aber, Gott sei Dank, der Fall nicht, wenn auch
manches Gemeindemitglied nicht dem orthodoxen Judentume angehört, so kann
dennoch behauptet werden, dass sich nicht 5 Mitglieder zur
Reformgenossenschaft hinneigen. Es kann aber von der Bildung einer
Reformgenossenschaft bei den Kasselanern umso weniger die Rede sein, da
besonders nach § 3 der Verordnung vom 30. Dezember 1823 Privatgottesdienst
den Israeliten untersagt ist. Endlich liegt es ganz im Sinne des § 29 der
Verfassungsurkunde, dass eine jüdische Reformgenossenschaft in Kurhessen auf staatsbürgerliche Rechte keinen
Anspruch zu machen haben wird. Die Kasseler Juden, welche den Nutzen ihrer
Emanzipation zu schützen wissen, sind keine Toren, um eines Rabbinen
willen ihre Gleichstellung im Staate zu verlieren, und somit fällt die
ganze Sache in ein großes Nichts zurück." |
Zweite
Richtigstellung des obigen Artikels (1847)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 22. November 1847: "Kassel, 1. November. Der in
dieses Blatt übergegangene Artikel aus dem Frankfurter Journal vom 25.
September erstattet über die hiesige Rabbinerwahlangelegenheit einen
Bericht und knüpft daran Bemerkungen über Kanzelvorträge, welche
hierselbst am letztverflossenen Versöhnungsfeste gehalten wurden. Der
Berichterstatter will aus der Beschaffenheit dieser Vorträge auf einen
beklagenswerten Zustand der hiesigen Gemeinde schließen. Wiewohl nun das
Unlogische eines solchen Schlusses von selbst einleuchtet und hiernach
allein schon jener Bericht, insoweit er den Zustand der hiesigen Gemeinde
und den am Versöhnungsfeste aufgetretenen Redner einer Beurteilung
unterwirft, seine beste Würdigung finden wird, so halten wir uns doch im
Interesse der Wahrheit zu der Erklärung verpflichtet, dass wir, gleich
vielen anderen hiesigen israelitischen Gemeindegenossen den eventuellen
Abhang jenes in dem erwähnten Berichte recht geflissentlich
herabgesetzten Redners umso mehr herzlich bedauern, als derselbe mehrfach
in hiesiger Gemeinde gehaltvolle Kanzelvorträge gehalten, sich um das
hiesige Schulwesen sehr verdient gemacht und sich überhaupt durch
Charakter und das musterhafteste, eines Religionslehrers würdige
Verhalten ausgezeichnet hat. (Folgen die Unterschriften von einem
Kreisvorsteher, drei Gemeindeältesten und elf Gemeindemitgliedern)." |
Drei
Rabbiner sind als Kandidaten um die Rabbinatsstelle in Kassel
im Gespräch (1847)
Anmerkungen zu den im Abschnitt genannten Rabbinern:
- zu Rabbiner Dr. Feuchtwang siehe bei Oettingen;
- zu Rabbiner Lipschütz: es handelte sich um Rabbiner Dr. Isidor (Baruch
Isaak) Lipschütz (geb. 1812 in Wronik, Provinz Posen, gest. 1877 in Berlin);
dieser war 1833 bis 1838 Rabbiner in Wronki, danach Studium in Berlin; 1843 bis
1846 Prediger in Posen; danach Rabbiner in Landsberg a. d. Warthe; 1847 bewirbt
er sich in Kassel, wurde 1848 von der kurhessischen Regierung zum Landesrabbiner
ernannt, konnte aber wegen der Revolutionswirren sein Amt nicht antreten;
anschließend war er als Privatlehrer in Amsterdam tätig; 1850 Rabbiner in
Frankfurt/Oder, 1853 in Schwerin; ab 1858 Privatgelehrter und Prediger in
Hamburg, ab 1870 in Berlin.
- zu Rabbiner Fassel siehe oben (Artikel von 1846).
Artikel
in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter" vom 21. Dezember
1847: "Kurfürstentum Hessen. Kassel. Dieser Tage hat Dr. Feuchtwang,
Rabbiner zu Oettingen, früher
Konkurrent um die hiesige Rabbinerstelle, und als solcher von der
Regierung gewünscht, dem V.A. die Mitteilung gemacht, wie er sich nicht
ferner als Bewerber um gedachte Stelle angesehen wissen möchte. Die Wahl
schwankt daher diesen Augenblick nur, falls nicht neue Kandidaten
hinzugezogen werden, zwischen Herrn Rabbiner Lipschütz, den die Regierung
vorzieht, und Herrn Fassel, der dem V.A. genehmer wäre."
|
Der
aus Wanfried stammende Rabbiner Dr. Abraham Stein ist Kandidat um die
Rabbinatsstelle (1850)
Anmerkung: Rabbiner Dr. Abraham Stein (geb. 1818 in Wanfried
als Sohn des Nathan Stein, gest. 1884 in Prag) lernte bei seinem Onkel in Eschwege
auf das Lehramt; 1831 war er Hauslehrer in Osterode und verband dies mit
Privatstudien; 1832/33 war er an der israelitischen Lehrerbildungsanstalt in
Kassel, 1833 kurze Zeit Lehrer in Felsberg,
danach Adjunkt von Rabbiner Wetzlar in Gudensberg;
1834 Lehrer in Rodenberg; 1835 in Hannover, wo er bei Landesrabbiner Nathan
Adler Talmudstudien betrieb; 1839 Hauslehrer in Fulda;
studierte 1842 bis 1844 in Bonn und Marburg; 1845 Oberlehrer am jüdischen
Lehrerseminar in Kassel; seit Anfang 1848 Rabbiner und Prediger in Filehne (Wieleń),
Posen; 1850 war er (siehe nachfolgender Artikel) offenbar kurze Zeit im
Gespräch als möglicher Landerabbiner in Kassel; doch wurde er 1850 Rabbiner in
Stare Szkoty (Altschottland; Vorstadtgemeinde von Danzig); 1864 Rabbiner an der
Meisel-Synagoge in
Prag.
Artikel
in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter" vom 1. Februar
1850: "Kurhessen. Der Abwechslung halber, haben wir denn
einmal wieder einen neuen Kandidaten für unsere leider immer noch verwaiste
Landrabbiner-Stelle, und zwar diesmal einen geborenen Kurhessen
selbst erstehen sehen. Stein, aus Wanfried
in Kurhessen, zur
Zeit Prediger in Filehne, heißt der Auserkorene, der am jüngste Schabbat
in Kassel als Debüt gepredigt hat. Die 'Hornisse', ein in Kassel
erscheinendes Demokratisches Blatt aus der 48er-Periode hat sich des
Kandidaten besonders angenommen, und Hessen derb dafür abgekanzelt, dass
es solches Lumen, und zwar aus dem eigenen Vaterlande bis jetzt ganz
unberücksichtigt gelassen haben. Man hat nun zwar, um solchen Vorwurf
nicht auf sich sitzen zu lassen, Stimmen zu sammeln begonnen, doch scheint
von einer wirklichen Anstellung noch wenig die Rede zu sein. - Die Lehrer
in den verschiedenen Provinzen haben bei den Ständen um Gleichstellung
petitioniert, man bezweifelt indessen sehr den Erfolg."
Der weitere Text bezieht sich nicht auf Kassel. |
Rabbiner Dr. Lazarus Adler wurde zum Landrabbiner in Kurhessen (Kassel) ernannt (1852)
Anmerkung: die nachfolgende Kritik an Rabbiner Dr. Adler wurde von
orthodox-konservativer Seite aus geäußert.
Artikel
in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter" vom 21. Mai
1852: "Kurfürstentum Hessen. Kassel. Dr. Adler, früher
Rabbiner zu Kissingen, später als Prediger nach Mainz erwählt, ist
endlich zum Landrabbiner vorgeschlagen und genehmigt worden. Derselbe
gehört der bekannten saft- und kraftlosen Mittelpartei an, wie denn auch
überhaupt der Charakter des Mittleren vorzüglich in ihm vertreten sich
darstellt. Unsern tüchtigen Provinzial- und Kreisrabbinern gegenüber,
möchte demselben kein sonderlich behaglicher Zustand zu prophezeien
sein." |
Über
Rabbiner Dr. Lazarus Adler nach seinem Dienstantritt in Kassel (1852)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 8. November 1852:
"Ich kam nach Kassel. Die wundervolle, im schönsten und
erhabensten Stile erbaute Synagoge wird allgemein zu den
Sehenswürdigkeiten der Hessichen Residenz gezählt und ergötzt sich
mein Auge aufs Neue jedes Mal daran, so oft ich sie sehe. Je imposanter
aber der Eindruck ist, den dieses Gotteshaus auf den Beschauer macht, umso
fühlbarer und den Effekt herabstimmend ist gerade die Schwäche des darin
tätigen Chors. Ich vermisste durchweg einen kräftigen Grundbass und
mitunter glaubte ich auch einmal keinen Sopran zu vernehmen. Am
Gelungensten schienen mir die Gesänge beim Ein- und Ausheben der Tora
gewesen zu sein. Zu gleich Zeit hatte ich Gelegenheit, eine treffliche
Predigt über Haftarat Chason, die, wie der Redner sehr richtig
bemerkte, selbst eine Predigt ist, von dem dortigen Landrabbinen Herrn Dr.
Adler zu hören Es wird Ihren Lesern bekannt sein, dass derselbe,
nachdem der Rabbinerstuhl viele Jahre verwaist stand und die Gemeinde
während dessen die verschiedensten Gastpredigten vernommen hat, im Laufe
dieses Sommers erst von Kissingen nach Kassel kam. Schon als
Rabbinatskandidat hat unser Landrabbiner eine jüdische Zeitschrift, 'die
Synagoge' redigiert, und als vor wenigen Jahren bei Gelegenheit der
Kammerverhandlungen in München, mittelalterliche Schmähungen und
Beschuldigungen auf Judentum und Talmud von einigen geistlichen
Ständemitgliedern gehäuft wurden und mehrere bayerische Rabbinen gegen
solche Anschuldigungen sich erhoben, da ergriff auch Herr Dr. Adler die
Feder und verteidigte seinen Glauben. Diese Broschüre ward damals als die
gelungenste und schlagendste allgemein anerkennt. Gegenwärtig
beschäftigt sich derselbe mit Herausgabe der Pirkei Awot (Sprüche der
Väter) mit einem sehr ausführlichen, deutschen
Kommentar." |
Anzeige für eine Predigt von Landrabbiner Dr. Lazarus Adler
(1876)
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 20. Juni
1876: "Religiös und Zeitgemäß.
Eine Predigt, gehalten von Herrn Landrabbiner Dr. L. Adler in
Kassel.
Auf besonderes Verlangen niedergeschrieben und herausgegeben.
Zu beziehen von der Buchdrückerei von Gebr. Gotthelft in Kassel. Preis 50
Pfennige." |
25-jähriges Amtsjubiläum von Landrabbiner Dr. Lazarus Adler (1877)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 5. Juni
1877: "Kassel, 20. Mai (1877). Heute feierte hierselbst Herr
Landrabbiner Dr. Adler das Fest seines fünfundzwanzigjährigen
Dienstjubiläums. Schon gegen 9 Uhr Morgens begaben sich die
Gemeindeältesten in die Wohnung des Jubilars und überreichten demselben
einen prachtvollen silbernen Pokal nebst einer künstlerisch ausgeführten
Adresse. Der Pokal, reich vergoldet, ist mit kunstvollen Arabesken, sowie
mit aus massivem Silber getriebenen Figuren aus der biblischen Geschichte
geschmückt und trägt an seinem oberen Rande die Widmung: 'Der
israelitische Gemeinde zu Kassel ihrem hochverehrten Landrabbinen Herrn
Dr. Lazarus Adler zu seinem fünfundzwanzigjährigen Jubiläum, den 20.
Mai 1877.' Die Adresse, in einer reich verzierten und vortrefflich
gearbeiteten Mappe, war auf das Würdigste abgefasst und die darin
angebrachten allegorischen Tableaux veranschaulichten die Tätigkeit des
Jubilars in seiner Eigenschaft als Prediger. Beide Geschenke wurden mit
einer passenden Ansprache dem Jubilar übergeben. Im Laufe des Vormittags
brachten die Vorstände des Vorsteheramtes, der israelitischen
Krankenpflegevereine, der Humanitätsgesellschaft, der Philipp
Feidel'schen Waisenhausstiftung, der Speiseanstalt etc. ihre
Glückwünsche dar und überreichten ebenfalls Adressen und verschiedene
Geschenke. Von den Lehrern der israelitischen Schulen aus der Provinz,
sowie der hier am Platze befindlichen Schule und Seminar wurde dem Jubilar
ein prachtvolles Album mit den Bildern der Geber verehrt; auch die
Kreisvorsteher überreichten im Namen ihrer Gemeinden demselben ein
silbernes Schreibzeug, und ein gleiches Geschenk erfolgte von den
Gemeinden in Gudensberg, Fritzlar,
Niedenstein, Jesberg,
Zimmersrode. Außerdem wurden dem
Jubilar noch von anderen Gemeinden aus der Provinz, sowie von Personen aus
hiesiger Stadt zahlreiche Beweise der Anerkennung zuteil. - Mittags um 12
Uhr fand in der mit Blumen und Girlanden geschmückten Synagoge ein
feierlicher Festgottesdienst statt, zu welchem Spitzen der Behörden und
die Vertreter der auswärtigen Gemeinden, an welche Einladungen ergangen
waren, sowie viele Freunde und Gönner des Jubilars sich eingefunden
hatten. Nachdem der Letztere von zwei Mitgliedern der Gemeinde, welchen
weißgekleidete Kinder vorausgingen, feierlichst eingeführt war, wurde
der Festgottesdienst mit einem Chorale und der Absingung eines Psalms
eingeleitet, worauf Herr Dr. Stein die Anrede hielt, in welcher er dem
Jubilar den Dank und Glückwunsch der Gemeinde aussprach und zugleich die
vielen Verdienste, welche sich derselbe während seiner hiesigen
Amtstätigkeit um die Gemeinde erworben, mit warmen Worten feierte.
Tiefbewegt dankte der Jubilar dem Redner und wandte sich hierauf an die
Versammlung, um in einer ergreifenden Rede einen Rückblick auf die
bisherige Zeit seiner Wirksamkeit zu werfen. Mit einem Gebete und der
Absingung eines Chorals fand sodann die erhebende Feier ihren Abschluss. -
Abends vereinigten sich die Mitglieder der hiesigen Gemeinde mit ihren
auswärtigen Gästen zu einem Festessen." |
|
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 19. Juni
1877: "Kassel, im Juni (Privatmitteilung). Vorgänge, welche in
gewöhnlicher Zeit nur ein örtliches und persönliches Interesse haben, können
durch besondere Zeitverhältnisse eine weitere, ja sogar allgemeine Bedeutung
erhalten. Aus diesem Gesichtspunkte gestatten Sie wohl, auf die Feier des
25-jährigen Amtsjubiläums unseres Landrabbiners, Herrn Dr. Lazarus Adler,
noch einmal zurückzukommen. Sie wissen, welche Intrigen in jüngster Zeit von
der neu-orthodoxen Seite sowohl in der hiesigen Gemeinde als in der Provinz
angesponnen wurden, um eine Spaltung hervorzurufen. Man wollte einen
besonderen Rabbiner einschmuggeln; um diesen sollte sich eine Gemeinde
scharen; man wollte Stadt und Land trennen und jeden Rest von Organisation
vernichten. Alle diese Versuche, welche das Judentum in seinem innersten
Heiligtum zu entweihen und zu schädigen angetan waren, misslangen und als
einen ostensibeln Beweis dieses Misslingens darf man mit Fug und Recht diese
einheitliche und warme Feier ansehen. An dem kostbaren und künstlerisch
schönen Geschenke, dass dem Jubilar überreicht wurde, beteiligten sich
sämtliche zehn Kreisvorstände des Sprengels; es richteten zehn Vereine und
Anstalten die anerkennendsten Glückwunschadressen an den Jubilar; auch von
den Kreisrabbinen selbst streng orthodoxer Richtung liefen die herzlichsten
Zuschriften ein. Vor allem aber ist die Adresse des hiesigen Vorstandes im
Namen der ganzen Gemeinde charakteristisch und darum von allgemeinem
Interesse, so dass sie hier wiedergegeben zu werden verdient. Sie ist
zugleich ein kalligrafisches Meisterstück, verfertigt von einem Mitgliede
der hiesigen Gemeinde, Herrn Adam Rosenzweig, und in möglichst
kostbarer Ausstattung. Sie lautet:
'Hochwertiger Herr Landrabbiner Dr. Lazarus Adler! Wenn wir Sie heute im
Namen der Gemeinde an ihrem Ehrentage begrüßen, so sind wir vollständig von
der Erkenntnis durchdrungen, dass ihre 25-jährige Tätigkeit in unserer Mitte
noch besonders durch die Zeit an Bedeutung gewinnt, in welche dieselbe
gefallen. Denn wenige Perioden in der Geschichte des jüdischen Volkes haben
der Wirksamkeit eines Rabbiner in eine so schwierige Aufgabe gestellt, wie
die Jahre seit dem Beginne der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts. Auch auf
dem religiösen Gebiete machten sich die großen Gegensätze merklich, welche
damals die Welt bewegten.
Es galt hier, mit verständigem Sinn die Vermittlung zu üben, die
widerstrebenden Meinungen auszugleichen, 'die Parteien miteinander zu
versöhnen'.
Hochehrwürdiger Herr Landrabbiner! Der Friede, welcher in unserer Gemeinde
herrscht, ist das deutlichste Zeichen, wie sehr sie ihren Beruf nach dieser
Seite hin erfüllt haben. Aber auch nicht minder haben Sie die anderen
Aufgaben erfasst und treulich gelöst. Wahrhaft Meister des Wortes haben sie
im Gotteshause, an der Wiege, am Traualtar und am Grabe die Herzen erhoben
und mit Regungen der Tugend erfüllt.
Indem wir uns beehren, Ihnen als Beweis dankbarer Anerkennung das
beifolgende Angedenken, gewidmet von hiesigen Gemeindemitgliedern, zu
überreichen, wünschen wir zugleich, dass der Allgütige noch viele Jahre lang
ihre Wirksamkeit uns erhalten und segnen möge.
Mit Hochachtung und Ergebenheit verharren wir
Die Ältesten der Synagogengemeinde: (gezeichnet) A. Gotthelft, V. Hahn. H.
Bubensohn.
Kassel, am 8. Siwan 5637.
Vielleicht gereicht es jüngeren Amtsgenossen des Jubilars zur Aufmunterung,
um vor der Zaghaftigkeit bewahrt zu bleiben, dass sie sich durch
Reformbestrebungen, seien diese auch noch so besonnen und im Geiste der
Gemeinde, unbeliebt machten, und zuletzt sich in das Lager der Heuchelei
hinüberziehen lassen, wenn wir hinzufügen, dass die Kreisvorsteher der
Provinz dem Jubilar ein außerordentlich prachtvolles Schreibzeug widmeten,
ein ebensolches die Gemeinde des Kreises Fritzlar, die sehr kleine Gemeinde
Grebenstein eine Marmorvase, ein
hiesiges Gemeindemitglied ein Exemplar der Philippson'schen Bibelübersetzung*
mit den Doré'schen Bildern in Prachtband und viele andere Geschenke von
Wert, deren Hauptbedeutung natürlich in der dadurch kund gegebenen Gesinnung
liegt. "
*Anmerkung: die "Israelitische Bibel" des Rabbiners und Philosophen
Ludwig Philippson (1811-1889) prägte das jüdische Leben des 19. und
beginnenden 20. Jahrhunderts. Vgl. zu Ludwig Philippson
https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Philippson; zu Doré siehe
https://de.wikipedia.org/wiki/Gustave_Doré. |
70. Geburtstag von Landrabbiner Dr. Lazarus Adler
(1880)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 23. November
1880: "Bonn, 14. November (Notizen). Am zehnten dieses Monats
beginnt der Landrabbiner Rabbiner Dr. Adler in Kassel seinen 70. Geburtstag.
Das 'Kasseler Tageblatt' schreibt darüber: Einfach und schlicht, wie das
ganze Leben des würdigen Mannes ist, sollte der Geburtstag wohl nur im
Kreise der Familie gefeiert werden; doch die zahlreichen Freunde und
Verehrer des Herrn Dr. Adler ließen es sich nicht nehmen, der Feier eine
weitere Grenze zu ziehen. So war es zunächst das Sängerchor des 'Kasseler
Beamtenvereins', welcher abends zuvor unter Leitung seines Dirigenten,
Herrn Gutkind, als Zeichen der Verehrung und Anerkennung dem Herrn Dr.
Adler ein Ständchen brachte, bei welcher Gelegenheit der Vorsitzende des
Vereins, Herr Sekretär Stock, in herzlichster Weise mit gefühlvollen
Worten den Wünschen der anwesenden Sänger nicht nur, sondern des ganzen
Vereins beredten Ausdruck gab. Tief gerührt sprach Herr Dr. Adler mit
innigen und wie bei solchem Rednertalente nicht anders zu erwarten, in
schwungvollen Worten seinen Dank aus, versichernd, dass er niemals aufhören
werde, dem Beamtenverein seine vollsten Sympathien entgegen zu bringen. Am
anderen Morgen liefen aus nah und fern, aus Deutschland, aus Wien, Pest und
vielen anderen ungarischen Städten Telegramme, Briefe und Adressen ein, von
welchen ganz besonders diejenigen des Ausschusses des deutschen
israelitischen Gemeindebundes zu Leipzig und des Rabbinerseminars zu Breslau
Erwähnung verdienen. Namens der israelitischen Lehrer Hessens, überreichte
der Ausschuss derselben eine Adresse, welche von dem Vorsitzenden, Herrn Dr.
Stein, verlesen wurde. Vorsteheramt und Gemeindevorstand zu Kassel
überbrachten ihre Glückwünsche persönlich und es war eine Freude, zu sehen,
wie der 70-jährige Herr, körperlich rüstig und in jugendlicher
Geistesfrische, jedem Gratulanten in treffenden Worten auf die dargebrachten
Glückwünsche erwiderte. Am Abend brachten sodann die Zöglinge des Seminars
und die des israelitischen Waisenhauses, ebensowohl unter Leitung des Herrn
Lehrer Gutkind, Herrn Dr. Adler ein Ständchen, bei welcher Gelegenheit der
Seminarlehrer Herr Dr. Stein den Wünschen der benannten Anstalt und deren
Lehrer in trefflich in Worten Ausdruck verliehen. Wir schließen unseren
Bericht mit dem Wunsche: 'Möge es Herrn Dr. Adler vergönnt sein, so wie er
stets getan, noch viele Jahre in Wort und Schrift zur 'Förderung der
Humanität' zu wirken und zu lehren." |
Danksagung von Landrabbiner Dr. Lazarus Adler für die
Glückwünsche zum 70. Geburtstag (1880)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 30. November
1880: "Vorläufige Danksagung.
Zur Feier meines Eintritts in das achte Jahrzehnt, Dank dem Allmächtigen!
sind wir von hier und von auswärts so viele Beweise der Teilnahme, der
Anerkennung und Liebe geworden, dass ich außer Stande bin, schon jetzt die
Adressen, Telegramm und Briefe einzeln zu beantworten. Wenn Gott mir ferner
Leben schenkt und mein Amt mir Zeit übrig lässt, so soll es aber gewiss
geschehen. In dessen kann ich es mir nicht versagen, einstweilen auf diesem
Wege für alle Glückwünsche meinen innigsten, tief gefühlten Dank
auszusprechen.
Kassel, am 12. November 1880. Dr. Adler, Land Rabbiner. " |
Ausschreibung
der Stelle des Land-, Provinzial- und Gemeinderabbiners (1884)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. März
1884: "Das durch die Pensionierung des Herrn Dr. Adler
erledigte Land-, Provinzial- und Gemeinderabbinat zu Kassel soll
anderweitig besetzt werden.
Bewerber um dasselbe wollen ihre Gesuche und
Zeugnisse über ihre akademische Ausbildung und über ihre bisherige amtliche
Tätigkeit baldigst bei unterzeichneter Stelle einreichen.
Das bisherige
ständige Einkommen beträgt 4.500 M. nebst einem ansehnlichen unständigen
und ständigen Diensteinkommen.
Die Bestellung ist eine definitive
mit Anspruch auf Ruhegehalt bei eintretender Dienstunfähigkeit.
Kassel, am 14.
Januar 1884. Vorsteheramt der Israeliten." |
|
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 4.
Februar 1884: dieselbe Anzeige wie oben in "Der Israelit";
interessanterweise wurde damit die Stelle sowohl in der
konservativ-orthodoxen Zeitschrift "Der Israelit" wie auch in der liberalen
"Allgemeinen Zeitung des Judentums" ausgeschrieben. |
Zum Tod von Landrabbiner Dr. Lazarus Adler und seine
Beisetzung in Wiesbaden (1886)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom
19. Januar 1886: "Wiesbaden, 5. Januar (1886). Abermals ist
einer der Veteranen der gemäßigten, auf dem historischen Boden
verharrenden Reform dahingeschieden. Heute verstarb Dr. Lazarus Adler,
früher Rabbiner in Unzenhausen (unklar: war Rabbiner Adler kurze Zeit
Rabbiner in Gunzenhausen?), dann Bezirksrabbiner in
Kissingen und
zuletzt Landesrabbiner in Kassel, welches Amt er vor wenigen Jahren wegen
Kränklichkeit und Altersschwäche niederlegte. Nachdem er die treue
Gefährtin seines Lebens verloren, ließ er sich in Wiesbaden bei einer
Verwandten nieder. Seine literarische Wirksamkeit begann er durch
Herausgabe einer Zeitschrift, die jährlich in 6 Heften erschien, zur
Belehrung und Erbauung (München, 1839-45). Später veröffentlichte er
Vorträge und Predigten, deren Hauptthema die Humanität war. Einen
tätigen Anteil nahm er an den beiden Rabbinerversammlungen zu Kassel und
Berlin und an den beiden Synoden. Er war ein milder, friedliebender
Charakter, der wahre Menschenfreundlichkeit betätigte und von
gründlicher rabbinischer Gelehrsamkeit. Wenn irgend Jemanden, so machte
ihn 'das Herz zum Redner', und, wenn Anfangs seine Rede langsam und breit
dahinfloss, so schwoll sie durch die Gefühlserregung, die sich seiner
bemächtigte, bald zu einem Strome an, der die Zuhörer mit fortriss.
Seine Ehe blieb kinderlos, und nun wird seine Leiche am 7. dieses Monats
auf dem hiesigen Friedhof beerdigt." |
|
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 26. Januar
1886: "Wiesbaden, 14. Januar (Privatmitteilung). Am Donnerstag den 7.
dieses Monats trugen wir hier einen Mann zu Grabe, der sich in der
jüdisch-theologischen Welt eines ausgezeichneten Rufs erfreute und an den
religiösen Bewegungen innerhalb des Judentums stets einen hervorragenden
Anteil genommen hat, den Landrabbiner Dr. Lazarus Adler aus Kassel,
der seit dem April vorigen Jahres hier sein Domizil genommen hatte. Die
Leichenfeier bekundete die hohe Achtung, die derselbe in nahen und fernen
Kreisen genoss. Der Vorstand der hiesigen israelitischen Kultusgemeinde
hatte im Hinblick auf die hohe Bedeutung des Verstorbenen die
Gemeindegenossen zur Beteiligung am Leichenbegängnisse durch die
Tagesblätter eingeladen; der Synagogen-Gesangverein erhöhte die Feier durch
trefflich exekutierte Trauergesänge. Die Rabbiner Dr. Dr. Brüll aus
Frankfurt am Main (vgl.
https://en.wikipedia.org/wiki/Nehemiah_Brüll), Steckelmacher aus
Mannheim, Goldschmidt aus
Weilburg, Enoch aus
Kreuznach erwiesen dem Verklärten
die letzte Ehre. Das Provinzialvorsteheramt in Kassel, sowie der
Gemeindevorstand hatten Deputierte gesandt, ersteres in der Person des
Landrabbiners Dr. Prager von dort. Bezirksrabbiner Dr. Silberstein feierte
in seiner Grabrede, anknüpfend an das unmittelbar nach der Mendelssohn-Feier
erfolgte Ableben Dr. Adlers denselben als einen echten und wahren Jünger
Moses Mendelssohns. Am Schlusse seiner tief ergreifenden Rede sprach er
Namens und im Auftrage der All. isr. univ. (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Alliance_Israélite_Universelle) und des deutsch-israelitischen
Gemeindebundes, welch letzterer einen Kranz niederlegen ließ, dem
Verblichenen Dank und Anerkennung für sein denselben gewidmetes
segensreiches Wirken aus. Dr. Prager widmete hiernach seinem Amtsvorgänger tiefempfundene Worte der Liebe und der dankbaren Anerkennung. - Adler
gehörte zu jenen Männern, die ein starkes Friedensbedürfnis in sich tragen
und stets versöhnend zu wirken bestrebt sind. - Hoffentlich findet sich
unter seinen zahlreichen Freunden eine berufenen Feder, die dem Verstorbenen
einen seiner würdigen Nekrolog schreiben wird. " |
Beisetzung des Landrabbiners Dr. Isaak Prager
(1905)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 20. Oktober
1905: "Kassel, 11. Oktober. Heute wurden die sterblichen
Überreste unseres allgemein beliebten Landrabbiners Dr. Prager,
nachdem sie von Berlin hierher überführt worden waren, auf dem
Friedhof in Bettenhausen zur ewigen Ruhe
bestattet, geleitet von einem nach Hunderten zählenden Gefolge. Die Leiche
war in der Synagoge aufgebahrt worden, woselbst auch vor der Überführung der
Leiche nach dem Friedhof Herr Rabbiner Dr. Eschelbacher - Berlin die
Trauerfeier abhielt. Sie gestaltete sich sehr ergreifend. Nachdem der
Vorsänger der israelitischen Gemeinde Herr Lehrer Horwitz unter Begleitung
des Chors den 91. Psalm gesungen, hielt Dr. Eschelbacher dem Verstorbenen
die Gedächtnisrede, nach deren Ende die gesamte, bei dieser Gelegenheit
circa 1000 Personen zählende Gemeinde einen Choral anstimmte. Ihr schloss
sich der Vorsänger an mit den schmerzbewegten Worten des Psalmisten: 'Herr,
was ist der Mensch, dass Du sein gedenkest.' Unter den Anwesenden bemerkten
wir die Herren Oberbürgermeister Müller und Stadtrat Bödeiker,
Provinzialschulrat Dr. Ott, Regierungsrat Goedecke. Unter den Klängen eines
Orgelpräludiums wurde dann der schlichte, mit einem schwarzen Tuch verhüllte
Sarg hinausgetragen auf den Leichenwagen. Dann setzte sich der imposante Zug
in Bewegung. Unmittelbar hinter dem Sarge schritten Rabbiner Dr.
Eschelbacher und fünf andere Rabbiner, denen sich das große übrige
Trauergefolge, vorwiegend aus Mitgliedern der hiesigen israelitischen
Gemeinde bestehend, anschloss. Auf dem Friedhof angekommen, widmeten noch
die Herren Provinzialrabbiner Dr. Munk - Marburg, Justizrat Dr. Rothfels -
Kassel und Oberrabbiner Dr. Bassfreund - Trier dem Dahingegangenen tiefempfundenen Nachruf. Bevor die Gruft geschlossen ward, sprachen noch die
Herren Seminardirigent Dr. Lazarus (für die hiesige israelitische
Lehrerbildungsanstalt), Senator Fischer und Landrabbiner Dr. Gronemann (für
die Gemeinde Hannover), Dr. Knoller, der Direktor des hannoverschen
Lehrerseminars, Dr. J. Horowitz aus Frankfurt am Main im Namen seines
Vaters. Alle Redner feierten den Charakter und die Geistesgaben des
Verstorbenen, dessen Andenken nicht verlöschen wird in unserer Gemeinde." |
Rabbiner
Dr. Doktor wurde zum Landrabbiner in Kassel ernannt (1906)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 13. April 1906:
"Kassel, 8. April (1906). Das verwaiste hiesige Rabbinat ist
nun besetzt. Bezirksrabbiner Dr. Doktor aus
Bruchsal ist
Allerhöchst zum Landrabbiner bestellt worden und wird am 1. Mai hierher kommen.
Möge er 'ein Mann über die Gemeinde' sein, denn leicht ist es nicht.
Schon regt sich die Orthodoxie gegen die Wahl, aber diese ist nicht mehr
rückgängig zu machen, da sie durch Kabinettsorder erfolgt ist. Eine
Petition von hier und einzelner Landgemeinden um Anstellung eines zweiten,
und zwar orthodoxen Rabbiners ist von der Regierung abgelehnt
worden." |
|
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 20. April
1906: Kassel. Herr Bezirksrabbiner Dr. Doktor -
Bruchsal ist
zum Nachfolger unserer verewigten Landrabbiner Dr. Prager gewählt
worden." |
Anzeige der Frau von Landrabbiner Dr.
Max Doctor
(1912)
Anmerkung: der Hinweis auf ein vorhandenes christliches Mädchen bedeutet,
dass vor allem für die notwendigen Arbeiten am Schabbat eine nichtjüdische Kraft
vorhanden war.
Anzeige im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 25. Oktober 1912: "Jüngeres, jüdisches
Mädchen
auf sofort gesucht. Christliches Mädchen vorhanden.
Frau Landrabbiner Dr. Doctor Kassel." |
Zum Tod von Landrabbiner Dr. Max Doctor
(1918)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 15. Februar 1918: "Kassel. Mit dem im 48. Lebens Jahre
verstorbenen Landes Rabbiner Doktor Max Doktor ist eine bemerkenswerte
Persönlichkeit hin gegangen. Warmes jüdisches Gefühl und das Bestreben, dem
traditionellen Judentum gerecht zu werden, gaben ihm sein jüdisches geprägt.
Er war ein guter Redner, ein hervorragender Schulmann und ein Regel tätiger
Schriftsteller. Wir nennen von seinen Arbeiten: die Religions Philosophie
des Josef eben Sadik, Beitrag zur Methodik des Unterrichts in der
hebräischen GrammatikUnd eine Jugend Erzählung Abram. Auch hat er das
Lehrbuch der jüdischen Geschichte und Literatur von Hecht und Kaiserling
neue herausgegeben. " |
Rabbiner Dr. Leo Bärwald wird als Nachfolger von Landrabbiner
Dr. Doctor berufen (1918)
Rabbiner Dr. Leo Bärwald (geb. 1883 in Saaz, Böhmen, gest. 1970 in New
York) war von 1911 bis 1918 zweiter Rabbiner in München; nach seiner Zeit als
Feldrabbiner wurde er 1918 erneut Rabbiner in München, einen Ruf als
Landrabbiner nach Kassel (siehe Artikel) lehnte er ab.
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 31. Mai
1918: " Rabbiner Doktor Bärwald in München ist zum Nachfolger des
verstorbenen Land Rabbiners Doktor Dr. in Kassel gewählt worden. " |
Ausschreibung der Stelle des Land-, Provinzial- und
Gemeinderabbiners (1936)
Artikel
in der "Jüdischen Rundschau" vom 26. Juni
1936: "Die Stelle des
Land-, Provinzial- und Gemeinderabbiners
in Kassel ist infolge Pensionierung des bisherigen Stellen Inhabers frei
geworden. Bewerber, die nach den gesetzlichen Bestimmungen die deutsche
Reichsangehörigkeit besitzen müssen, wollen ihre Gesuche mit Lebenslauf und
Zeugnisabschriften alsbald an das unterzeichnete Vorsteheramt einreichen.
Unter Umständen kommt zunächst ein Verweser der Stelle infrage.
Kassel, den 23. Juni 19:36 Uhr.
Vorsteheramt der Israeliten." |
Aus Geschichte der Lehrer und weiterer Kultusbeamten
in der jüdischen Gemeinde in Kassel sowie Berichte aus der jüdischen
Schule
Zur Geschichte der jüdischen Volksschule in Kurhessen beziehungsweise in Kassel
(1930)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 13. Mai 1930: "Vom Werdegang der jüdischen
Volksschule in Kurhessen beziehungsweise Kassel. Von L. Horwitz.
Unsere Provinz hatte noch am Ende des 18. und Beginn des 19. Jahrhunderts
eine sehr dichte jüdische Bevölkerung. Wie deren rechtliche Stellung
innerhalb der Starts Gemeinschaft war, ist an dieser Stelle oft geschildert
worden. Die napoleonische Zeit, welche den Juden im Königreich Westfalen die
volle bürgerliche Gleichberechtigung brachte, setzte eine jüdische
Volksschule von Staats wegen ein. Jene viel verkannte Behörde, das kann sich
Thorium der Israeliten zu Kassel, wie dessen Präsident Israel Jacobs Sohn,
erachten es als wichtigste Aufgabe, Schulen zu gründen und setzten fest:
1. in jeder Stadt wo eine bedeutende Anzahl Kinder israelitischer Lehrer
sich befindet, soll eine öffentliche Leeranstalt errichtet werden. Zweitens
in jedem kleineren Orte oder in solchen Städten, wo nur wenige Israeliten
wohnen und die Anzahl der Kinder klein ist, sollen die Kinder von
christlichen Lehrern des Ortes betreut werden, der Ihnen den deutschen
Unterricht erteilt. Für den Religionsunterricht wird ein Lehrer vom
Konsistorium angestellt.
3.Bis zur vollen Durchführung der Schulverbesserung ist jede Tätigkeit der
Privatlehrer verboten. Am 15. August 1810 wurde die erste öffentliche
jüdische Schule in Kassel mit 50 Knaben, meist nur aus der Stadt, feierlich
eröffnet. Die Schülerzahl stieg nach 1800 auf 76 und 1811 auf 100. Das
Schullokal befand sich 1812 am Zeughausplatz. Zu gleicher Zeit wurde hier
ein Lehrerseminar errichtet, das erste in Deutschland. Vom inneren Aufbau
der Schule und des Seminars wird in einem Sonderwerk berichtet werden. Man
hoffte, die Schule später in eine niedere und höhere ausbauen zu können. Die
Schule wurde aus der Konsistorialkasse erhalten, die Eltern zahlen Beiträge.
Eine vollkommene Freischule war die Anstalt nicht. Auch eine Schule für
israelitische Mädchen wurde vom Konsistorium ins Auge gefasst. (25. August
1810). " |
Der
Sturz Napoleons und die Wiederherstellung des Kurfürstentums bereiteten dem
jüdischen Volksschulwesen ein jähes Ende. Politische, rechtliche
Gleichstellung hörten auf. Schulen wurden geschlossen und Lehrer entlassen.
Dem Zeitfortschritt konnte sich die kurhessische Regierung nicht
verschließen, den Israeliten wurden teilweise Bürgerrechte durch die
Verordnung vom 14. Mai 1816 zugestanden und die jüdische Jugend wieder in
öffentliche Schulen eingeschult: 'Sämtliche jüdische Glaubensgenossen, ohne
Unterschied, sind verpflichtet, ihre Schüler in die öffentlichen Schulen der
Christen, mit Ausnahme der für den Religionsunterricht bestimmten Stunden,
zu schicken. Den Lehrern der Schulen wird es zur Pflicht gemacht, keine
Äußerung liebloser Gesinnung so wenig von der einen als der anderen Seite zu
dulden. (Wer denkt dabei nicht an die Vorkommnisse der Gegenwart?)
Somit war eine Gemeinschaftsschule vorhanden, welche bis Ende 1823 dauerte.
Den Bemühungen des unvergesslichen Dr. Jakob Pinhas gelang es, eine
Wendung herbeizuführen. Am 30. Dezember 1823 gestattete ein kurfürstlicher
Erlass den Juden, 'eigene, mit geprüften Lehrern gehörig zu besetzende
öffentliche Schulen zu errichten'. Die Aufsicht hatten das Vorsteheramt,
das Kreisamt und die Provinzialregierung. Die Staatskasse bezahlte für die
Schulen ebensowenig einen Heller, wie zur französischen Zeit. Im Laufe der
Jahrzehnte ändert sich auch dieses. Selbsthilfe und Staatshilfe erhielten
die jüdischen Schulen gemäß der gesetzlichen Bestimmungen. Durch
Ministerialbeschluss vom 14. Oktober 1824 wurde eine mit einem Lehrerseminar
verbundene Schulanstalt ins Leben gerufen, die den Namen 'Schul- und
Schullehrer-Bildungsanstalt' führte. Letztere wurde ein Opfer der
Inflation, aber die Schule blieb und zeugt von dem ernsten Willen unsere
Gemeinde, das Erbe der Väter zu erhalten.
Die Gemeinden in der Provinz werden bis auf wenige Ausnahmen stets kleiner.
Die Großstädte nehmen zu und damit auch die jüdischen Schulen, wenngleich
die Schülerzahl noch größer sein könnte. Geburtenrückgang und nichtige
Gründe entvölkern die Schulen. Gern sei an dieser Stelle der Verdienste der
einzelnen Vorsteherämter gedacht, die Schulen in der Provinz zu erhalten, wo
es nur irgend geht. Man muss nur Fühlung mit jenen lehrerlosen Gemeinden
haben, um zu sehen und zu hören, wie sehr darin das religiöse Leben
darniederliegt. Die sogenannten kulturellen Bestrebungen der letzten Jahre
können das Übel nicht verkleinern. Und wir stehen vor einem Rätsel, wie die
Rettung unserer heiligsten Güter, die einst hier groß waren, erfolgen soll." |
Ausschreibung der Stelle eines Kantors
(1852)
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 3. Mai
1852: "Die Stelle des Kantors an der hiesigen israelitischen Gemeinde
soll wieder definitiv besetzt werden. Bewerber um dieselbe, welche neben der
andern erforderlichen Befähigung auch musikalische Kenntnisse besitzen
müssen, wollen sich baldigst, spätestens bis Ende Mai dieses Jahres,
schriftlich an die Unterzeichneten wenden, und dabei ihre Qualifikations-
und Sittenzeugnisse anfügen.
Kassel, den 16. April 1852.
Die Ältesten der israelitischen Gemeinde dahier.
Goldschmidt. Honnet. Horschitz." |
Ausschreibung der Stelle des Vorsängers
(1874)
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 16. Juni 1874: "Für die Gemeinde Kassel, Provinz
Hessen-Nassau, wird pro 1. September dieses Jahres ein tüchtiger,
musikalisch gebildeter Vorsänger gesucht, der im Stande ist mit
Orgelbegleitung die Gebete vorzutragen.
Der Gehalt ist vorläufig auf 600 Thaler pro anno fixiert. Bewerbungen nebst
Zeugnissen sind baldigst franco an seine Ehrwürden Herrn Landrabbinen Dr.
Adler in Kassel einzusenden.
Kassel, den 31. Mai 1874.
Die Gemeindeältesten. " |
Ausschreibung der Stelle des Religions- und Elementarlehrers
(1876)
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 20. Juni
1876: "Lehrer-Vakanz.
18 Familien hiesiger Gemeinde suchen baldmöglichst einen unverheirateten
Religions- und Elementarlehrer, zunächst auf drei Jahre zu engagieren.
Der Anzustellende muss nebst den nötigen Kenntnissen im Hebräischen, eine
solche akademisch-wissenschaftliche Bildung besitzen, die ihn befähigt,
seine Schüler, welche sämtliche höhere Lehranstalten besuchen, in ihren
Schularbeiten unterstützen, respektive sie darin unterrichten zu können.
Gehalt 2000 Mark pro Jahr.
Nur solche Bewerber, die sich über einen religiösen, sittlichen
Lebenswandel genügend ausweisen können, denen vorzügliche Zeugnisse und
Empfehlungen zur Seite stehen, wollen ihre Anträge dem Unterzeichneten
baldigst einreichen.
Kassel, im Juni 1876. M. Schwarzschild. " |
Werbung für ein Pensionat für jüdische
Schüler in Kassel (1884)
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 1.
Januar 1884: "Knaben, welche Kasseler Schulen besuchen sollen,
finden zu Ostern oder auch früher in einer gebildeten israelitischen Familie
liebevolle Aufnahme.
Vorzügliche körperliche und geistige Pflege, strenge Beaufsichtigung der
Schularbeiten werden zugesichert und beste Referenzen gegeben.
Meldungen sub H. 100 befördert Rudolf Mosse, Kassel." |
Zwei Schächter werden gesucht
(1885)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. Oktober
1885: "Vakanz.
In hiesiger Gemeinde sollen zwei bewährte in religiöser und sittlicher
Führung unbescholtene Schächter
mit je einem Gehalt von 1600 - 1800 M. angestellt werden.
Bewerber (Inländer) wollen möglichst bald ihre Zeugnisse dem Unterzeichneten
einsenden.
Kassel, im Oktober 1885. Landrabbiner Dr. Prager. " |
Zum Tod von Hauptlehrer und Prediger Raphael Lazarus
(1906)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 30. März 1906: "Kassel. Hier verschied im 76. Lebensjahre der
ehemalige Hauptlehrer und Prediger Raphael Lazarus. " |
50-jähriges Amtsjubiläum von Lehrer E. Gutkind
(1906)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 8. Juni 1906: "Kassel. Jubiläum. Am 15. Mai war es
Herrn Lehrer E. Gutkind vergönnt, in Frische sein 50-jähriges
Amtsjubiläum zu feiern." |
Vortrag von Lehrer Horwitz im "Hessichen
Geschichtsverein" (1908)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. März
1908: "Kassel, 4. März. Im 'Hessichen Geschichtsverein' dahier
sprach letzten Montag vor einem sehr zahlreichen Publikum Herr Lehrer
Horwitz über 'Die Geschichte der Hofjuden in Hessen'. Von den Kämpfen der
Juden in Deutschland um ihre gesetzliche Gleichstellung ausgehend,
schilderte der Redner die eigentümliche Stellung der Hofjuden. Ihre den
Landesfürsten geleisteten Dienste galten nicht allein der Hofgesellschaft
zur Besorgung von Edelsteinen, kostbaren Seidenstoffen und so weiter,
sondern sie schafften auch die Kapitalien an, die zur Kriegführung nötig
waren, versorgten die Armeen mit Proviant und waren auch in diplomatischen
Diensten tätig. Der älteste, der Hoffaktor Benedikt Goldschmidt, der
aus Frankfurt stammte und 1642 starb, gehört noch in die Zeit des
Landgrafen Moritz. Ein weiterer Hoffaktor war Abraham David, der
1711 den Schutzbrief für Kassel erhielt; es folgen die Gebrüder Moses und
Sussmann Abraham, Baruch Holländer, David Feidel,
Sussmann Hertz, Josef Levy und Wolf Breidenbach. Der Vortrag war
reich an historischem Material, das der sympathische Redner sehr lebensvoll
und fesselnd darzubieten verstand und bildete den Glanzpunkt des an noch
anderen interessanten Darbietungen reichen Unterhaltungsabends." |
Ausschreibung der Stelle des Religionslehrers und zweiten
Vorsängers (1908)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. Oktober
1908: "In der Synagogengemeinde Kassel soll die Stelle eines
Religionslehrers und zweiten Vorsängers
besetzt werden. Anfangsgehalt 3000 Mark. Der Bewerber muss auch musikalisch
sowie gebildet sein, dass er erforderlichenfalls den Synagogenchor
dirigieren kann. Auch würde ihm bei genügender Befähigung die Erteilung des
Musikunterrichts am Lehrerseminar gegen eine Vergütung von 600 Mark vom
Vorsteheramt der Israeliten übertragen werden.
Reflektiert wird auf einen im Toralesen und in den traditionellen Gesängen
durchaus geübten Herrn, der auch die zweite Lehrerprüfung bestanden haben
muss.
Bewerbungsgesuche sind bis zum 1. November 1908 einzureichen.
Kassel, den 2. Oktober 1908.
Die Gemeinde-Ältesten." |
Klärung
des Beitrages der Stadt zur Finanzierung der israelitischen
Volksschule (1913)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 29. August
1913: "Kassel, 22. August. In der Stadtverordnetenversammlung
berichtete Stadtrat Dr. Bartels über eine Magistratsvorlage, die
14.000 Mark zwecks Nachzahlung der Beiträge an die israelitische Gemeinde
entsprechend dem Volksschulunterhaltungsgesetz verlangt. Die hiesige
israelitische Gemeinde unterhält eine eigene Schule und hat nach
gesetzlichen Bestimmungen das Recht, nach dem Volksschulunterhaltungsgesetz
einen Unterhaltungszuschuss zu fordern. Diesen Zuschuss hat die die jüdische
Gemeinde auf jährlich 5000 Mark berechnet. Nach Verhandlungen mit der Stadt
einigte man sich auf 3500 Mark jährlich; dieser Betrag war, da das
Volkschulunterhaltungsgesetz vom 1. April 1908 datiert, seit diesem
Zeitpunkt nachzuzahlen. Dazu wurden in der Magistratsvorlage die Mittel
gefordert und auch debattelos bewilligt. " |
In der jüdischen Elementarschule wird auf den Schabbat wenig
Rücksicht genommen (1922)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Mai
1922: "Kassel, 26. April. Ein Kuriosum aus Kassel. Unter
diesem Titel wird uns geschrieben: seit einiger Zeit besteht hier eine
jüdische Elementarschule, gewiss sehr schön; aber am Heiligen Schabbat
wird Unterricht erteilt und der Sonntag ist schulfrei. Die Kinder tragen
ihre Bücher zur Schule und aus der Schule; auch manche andere Entweihung
des Schabbat dürfte dabei unvermeidlich sein. Eine Familie, deren Kind
neulich schulpflichtig wurde, sah sich daher in der merkwürdigen Lage, ihren
Kleinen die christliche Schule, die Schabbat-Dispens erteilte,
besuchen zu lassen, da es ihr zu komisch erschienen, an einer jüdischen
Schule Befreiung vom Unterricht am Schabbat verlangen zu müssen." |
60. Geburtstag von Lehrer Ludwig Horwitz
(1922)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. Februar
1922: "Kassel, 12. Februar. Zum 60. Geburtstage des unseren
Lesern aus seinen interessanten kulturhistorische Beiträgen wohlbekannten
Herrn Ludwig Horwitz widmeten die Kasseler 'Neuesten Nachrichten'
diesem verdienten Jugenderzieher und Geschichtsforscher einen sehr ihren
vollen Feuilletonartikel. Horwitz wirkt seit 40 Jahren in Kassel als Lehrer
und Kantor und entfaltet nebenbei eine reiche, literarische Tätigkeit.
Alles Gute bis 120 Jahre." |
Ausschreibung der Stelle eines Religionslehrers und
Vorsängers (1924)
Anzeige in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des
"Central-Vereins") vom 7. Februar 1924: "In unserer
Gemeinde (Orgelsynagoge) ist die Stelle eines
Religionslehrers und Vorsängers
zu besetzen. Bewerber muss befähigt sein, in hergebrachter Weise aus der
Tora vorzulesen und Schofar zu blasen. Die pensionsberechtigte Stelle wird
nach Gruppe VI (?) R.B.O (Reichsbesoldungsordnung) besoldet. Frühere
Dienstjahre können angerechnet werden. Meldungen mit Zeugnissen und
Lebenslauf sind bis zum 20. Februar dieses Jahres an uns zu richten.
Kassel, 25. Januar 1924.
Die Ältesten der Synagogengemeinde. " |
30-jähriges Lehrerjubiläum von Lehrer Joseph Moses
(1929)
Anmerkung: Joseph Moses ist am 25. Juli 1879 in
Treysa geboren als Sohn von Salomon Moses und seiner Frau Karoline geb.
Flörsheim. Er war verheiratet mit Emma geb. Höxter aus Gemünden/Wohra (geb. 14.
Dezember 1882 als Tochter von Elias Höxter und der Betty geb. Strauß. Joseph
Moses war nach dem Besuch des Lehrerseminars in Hannover Lehrer am Lehrerseminar
Kassel, danach in der Israelitischen Volksschule in Kassel. Joseph und Emma
Moses hatten einen Sohn Karlheinz (geb. 16. Juni 1909 in Kassel). Beim
Novemberpogrom 1938 wurde Joseph Moses verhaftet und in das KZ Buchenwald
verschleppt, wo er mehrere Monate festgehalten wurde. Nach seiner Freilassung
emigrierte das Ehepaar Moses nach London (England), wo bereits seit 1933 der
Sohn Karlheinz war. Joseph Moses starb am 14. September 1944 in London und wurde
auf dem Marlowe Road cemetery ebd. beigesetzt. Seine Frau Emma starb am 22. März
1974 in London. Quelle: "Descendants
of Hirsch Moses from Gross-Ropperhausen and Frielendorf".
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. August
1929: "Kassel, 29. Juli. Am Heiligen Schabbat beging Herr
Lehrer Joseph Moses dahier sein 30-jähriges Lehrerjubiläum und
gleichzeitig seinen 50. Geburtstag. In Treysa
geboren, besuchte er das Lehrerseminar zu Hannover. Lange Jahre wirkte er am
hiesigen Lehrerseminar und nach Auflösung desselben trat er in die hiesige
israelitische Volksschule ein. " |
Danksagung
von Salomon und Erich Neumann (1930)
Anzeige
in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 25. April 1930: "Allen lieben Freunden und Bekannten
danken wir herzlichst für die uns überwiesenen Aufmerksamkeiten.
Kassel, den 24. April 1930. Schillerstraße 23
Salomon Neumann Erich Neumann. " |
25-jähriges Ortsjubiläum des Leiters der
Israelitischen Volksschule Joseph Moses (1931)
Anmerkung: wie oben zum 30-jährigen Lehrerjubiläum 1929.
Artikel in der "Jüdisch-liberalen Zeitung"
vom 7. Januar 1931: "Kassel. (Persönliches). Am 1. Januar 1931
beging der Leiter der hiesigen israelitischen Volksschule, Herr
Seminarlehrer Joseph Moses sein 25-jähriges Ortsjubiläum. Aus diesem Anlass
wurden dem Jubilar von den Behörden, ehemaligen Schülern und zahlreichen
Gemeinde Mitgliedern mancherlei Beweise der Wertschätzung seines
erzieherischen Wirkens zuteil." |
Zum 25-jährigen Ortsjubiläum des Lehrers Salomon Neumann
in Kassel (1931, geb. 1880)
Fotos, erhalten im August
2010
von Fredel Fruhman,
eine Enkelin von
Lehrer Salomon Neumann |
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Lehrer Salomon Neumann in
Kassel mit den zu seinem 25-
jährigen Ortsjubiläum 1931 in
Kassel
erhaltenen Geschenken;
im nachfolgenden Abschnitt wird
ein Teil davon
erwähnt. |
Lehrer Salomon
Neumann
(Foto von 1934) und seine
Frau Frieda geb. Dorfzaun, eine
Tochter
des Kantors Leopold Dorfzaun
(zuletzt in Fischach)
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Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. Oktober 1931:
"Kassel, 19. Oktober (1931). Am 16. Oktober waren 25 Jahre
verflossen, seitdem Herr Lehrer Salomon Neumann in den Dienst der Kasseler
Israelitischen Gemeinde trat. Der Jubilar ist in Burgpreppach als Lehrersohn
geboren und hat im Würzburger Seminar seine Ausbildung erhalten. Die
Tradition des Elternhauses war richtunggebend für seine religiöse Auffassung,
und der Pflege streng orthodoxer Anschauungen hat Lehrer Neumann seine
Arbeitskraft gewidmet. Nachdem er mehrere Jahre in Gochsheim, Rabbinat
Schweinfurt, als Lehrer, Chason und Schauchet tätig war, dann am
Schüler- und Lehrlingsheim in Marburg a.d. Lahn die Erziehertätigkeit
ausgeübt, übernahm er im Oktober 1906 die Schechitah in unserer
Gemeinde. Schon nach kurzem Wirken zog man Herrn Neumann auch als Lehrer
heran. Man übertrug ihm den hebräischen Unterricht an der dem Seminar
angegliederten Präparandenschule. Einige Jahre später unterrichtete
Neumann auch profane Fächer an der jüdischen Volksschule. Zur Zeit ist
Neumann als Religionslehrer und Bibliothekar der Israelitischen Gemeinde
tätig. Seine großen talmudischen Kenntnisse stellte er oft in den Dienst
der Jugenderziehung und des Vereinslebens. So sind mehrere Schiurim von
ihm abgehalten worden, und zur Zeit wird der von dem Chewras Emunim-Verein
eingerichtete Schiur von ihm geleitet. Dem Vorstand der 'Brüderschaft'
gehört er seit einigen Jahren an, ebenso auch anderen Vereinen, die auf
orthodoxer Grundlage errichtet wurden, wie dem Vorstand des 'Speisevereins'
und der 'Sterbekasse'. In der Absicht, auswärtige und in hiesigen
Krankenhäusern untergebrachte Patienten in religiöser Hinsicht betreuen
zu können, hat Lehrer Neumann den 'Bikkur chaulim-Verein' gegründet, der
sich wiederholt als segensreiche Einrichtung bewährt hat. Für die
praktische Ausbildung junger Fachgenossen stellte er sich gerne und oft
zur Verfügung.
Am Jubeltag fand in der Wohnung des Jubilars eine erhebende Feier statt.
Für Schächtkommission und Schule sprach Herr Landrabbiner Dr. Walter,
für die Gemeindeverwaltung Herr Rechtsanwalt Dalbert, für die
verschiedenen Vereine und die Fleischermeister Herr Gemeindeältester
Löb. An Ehrengaben wurden überreicht: ein prachtvoller, silberner
Brotkorb mit Gravierung, eine herrliche silberne Esrogbüchse, ein großer
silberner Pokal, ein in Silber gefasster Hawdolohteller, Weine, Liköre
und sonstige Geschenke. Das Festzimmer glich einem Blumenhain, alles ein
Beweis für die Liebe und Verehrung, die man in allen Kreisen Herrn
Neumann entgegenbringt. Am Schluss nahm Herrn Neumann das Wort, um allen
Organisationen aufs herzlichste zu danken und zu geloben, im bisherigen
Sinne seine Kräfte weiterhin zur Verfügung zu stellen. (Alles Gute)
bis 120." |
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Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel,
Kurhessen und
Waldeck"
vom 16. Oktober 1931:
Ähnlicher Bericht wie in der Zeitschrift "Der Israelit"
(siehe oben). |
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Anmerkung: nach Angaben einer Enkelin von
Lehrer Salomon Neumann (Fredel Fruhman) war Salomon Neumann auch
weiterhin in Kassel tätig. Beim Novemberpogrom 1938 wurde er verhaftet
und für einige Zeit in ein Konzentrationslager verschleppt. Erst im Mitte
September 1941 (!) verließ er Deutschland und emigrierte über Barcelona
nach Südamerika, wo er sich in Quito, Ekuador niederlassen konnte.
Seine Frau Frieda geb. Dorfzaun (geb. 1883 in Schwanfeld) wurde nach der
Deportation 1942 ermordet. Nach 1945 ließ sich Salomon Neumann in den USA
nieder, lebte zunächst in New York City, danach in Trenton, New Jersey.
Er starb 1971 in New York im Alter von 91
Jahren. |
75. Geburtstag von Lehrer und Kantor i.R. Ludwig
Horwitz (1937)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Februar
1937: "Kassel, 31. Januar. Ein Mann eigener Prägung und Wesensart,
der Lehrer und Kantor i.R. Ludwig Horwitz begeht am 28. Februar den
75. Geburtstag. In ganz Deutschland bekannt, beliebt im Kreise der Lehrer
und Kantoren, geschätzt in dem der Geschichts- und Ahnenforscher, dankbar
verehrt von einem großen Schüler- und Bekanntenkreis, beginnt für ihn bei
sonnigstem Humor, bei unermüdlichem geistigen Streben und Schaffen, der
Herbst des Lebens in einem Zeitpunkte, in dem sich wohl die meisten
Erdenbürger längst der verdienten Ruhe erfreuen. Seit dem April 1898 wirkte
der treue, unermüdliche Beamte als Lehrer und Kantor in Kassel. In aller
Erinnerung steht noch die besondere Note, die er 'seinem' Chasonus (Art
des Vorbetens als Kantor) zu geben wusste, die hervorragend gute,
korrekte Aussprache des hebräischen Wortes. Wer etwa glaubte, dass sich
Horwitz mit seiner Pensionierung im Jahre 1924 in den Ruhestand begeben
würde, der sollte sich gewaltig irren. Jetzt arbeitet er unermüdlich auf dem
Gebiet, dass ihm seit frühester Jugend besonders liegt - die Erforschung der
Geschichte der Juden. Tagtäglich wandelt er, ihn erschreckt weder Kälte,
noch Hitze, zur Landesbibliothek, wo er seit vielen, vielen Jahren gern
gesehener Stammgast ist. So entwickelt er sich zum Meister der Geschichte
der Juden in Hessen, so wird er ein lebendiges Lexikon in Familienforschung.
Manche seiner Arbeiten liegen gedruckt vor, und immer wieder verweisen die
Geschichtsforscher der jüngeren Zeit auf ihn. Auch an dem seitens der
Israelitischen Gemeinde zu Kassel herausgegebenen Geschichtswerk hat unser
Jubilar rege mitgearbeitet, wie er auch in dem in aller Kürze erscheinenden
zweiten Teil seine in langen Jahren gesammelten Geschichtsforschungen einem
großen, interessierten Publikum zugänglich machen wird. Seine liebenswerte
Art, das stets schlagfertige, aber nie verletzende Wort, das immer
hilfsbereite und zuvorkommende Wesen, seine große Friedensliebe, sind
wesentliche Charakterzüge 'unseres Horwitz'.
Möge ein gültiges Geschick ihm noch ungezählte Jahre geistiger und
körperlicher Gesundheit, bei allem erdenklichen Familienglück schenken. Möge
er mit seiner Gattin im israelitischen Altersheim zu Kassel all das
reichlich finden, was er für den Lebensabend ersehnt. Alles Gute bis 120
Jahren." |
Zum Tod von Studienrat Dr. Otto Heß (1938)
Artikel
im "Jüdischen Gemeindeblatt Kassel" vom 18. März
1938: "Otto Heß.
Am 27. August 1937 ist Studienrat Dr. Otto Heß, Vorsitzender des
Provinzialvorsteheramtes der Israeliten zu Kassel, von einer Bergtour, die
er von Meran aus unternommen hatte, nicht mehr zurückgekehrt. - Wochenlange
Nachforschungen nach seinem Verbleib, die mit Hilfe bekannter Bergführer und
in Anwesenheit eines seiner Brüder unternommen wurden, blieben ohne
Ergebnis. - Über dem letzten Schicksal von Otto Heß waltet das Geheimnis;
nach menschlichem Ermessen ist mit seiner Rückkehr nicht mehr zu rechnen.
Die Zurückgebliebenen müssen sich damit abfinden, dass die Trennung, die nur
ein Abschied für einen Erholungsurlaub schien, der letzte und endgültige
Abschied von ihm war.
Nach langem Zögern hat nunmehr auch das Provinzialvorsteheramt diese
schmerzliche Tatsache anerkannt und den Herrn Regierungspräsidentin zu
Kassel gebeten, einen Nachfolger für Otto Heß als Vorsitzenden des
Provinzialvorsteheramtes zu bestellen.
Das Provinzialvorsteheramt fühlt die Pflicht, in der Stunde, in der es
endgültig von seinem früheren Vorsitzenden Abschied nimmt, in Dankbarkeit
und Anerkennung seiner zu gedenken. Otto Heß hat dem Provinzialvorsteheramt
9 Jahre als Schriftführer und - nach dem Tode von Justizrat Dr. Rothfels - 1
Jahr lang als Vorsitzender angehört. Die segensreiche Tätigkeit von Otto Heß
ist nur voll zu ermessen, wenn man die gesamte Persönlichkeit dieses
ungewöhnlich klugen, bescheidenen und gütigen Menschen kennt.
Wie so manche wertvolle Juden seiner Zeitepoche war auch Otto Heß tief in
den jüdischen Dingen verwurzelt, während er gleichzeitig das ganze
europäische Wissen seiner Zeit in sich aufgenommen hatte. Dieses aus so
tiefem Urgrund erwachsene Wissen lässt Menschen entstehen, die das Beste
verkörpern, was die Judenheit zu geben hat: Menschen mit weisem Herzen. -
Diese ungewöhnliche Güte war es, die das Leben, den Schaffensbezirk, den
Freundeskreis von Otto Heß bestimmte.
Otto Heß, dem die glänzendste akademische Laufbahn offen stand, nachdem er
bei Abschluss seiner Studien das Examen in Mathematik, Physik und Chemie mit
Auszeichnung bestanden hatte, zog es vor, Oberlehrer zu werden, um
bescheiden - in Reih und Glied - aus dem Schatz seines reichen Wissens
seinen Schülern kostbare Gabe zu geben; junge Schüler sind scharfe Kritiker;
sie erkennen sehr schnell menschliche Schwächen eines Lehrers; aber sie
fühlen auch instinktiv den Wert und Charakter eines ungewöhnlichen Menschen.
So ging es bei Otto Heß. Seine Schüler liebten ihn; noch nach Jahren kamen
sie in ihren Nöten und Sorgen zu ihm, um ihn um seinen Rat zu bitten; sie
wussten, dass sie nicht vergeblich kamen.
Freundschaft aus den Schuljahren hatte Otto Heß bis zu seinem Lebensende
gehalten und diese Freundschaft wurde in gleicher Weise erwidert. Wie so
viele wertvolle, nachdenkliche Menschen liebte Otto Heß die Einsamkeit, weil
er Befriedigung fand am Reichtum seiner inneren Natur. Er war ein bekannter
Bergsteiger; ein 'Einzelgänger', wie der technische Ausdruck lautet; manche
schwierigen Bergbesteigungen sind durch ihn ausgeführt worden. Sehr
frühzeitig hat er auch auf dem Gebiet der Aviatik sich aktiv betätigt und
hat manchen Flug unternommen. Auch hatte er das Examen als Führer eines
Freiballons bestanden.
Der Segensquell, der uns dieser Persönlichkeit entsprang, wurde auch wirksam
im Bezirk der jüdischen Gemeinschaft. Es gab bei Otto Heß keine Niedrigkeit
der Gesinnung; eine Versammlung, die er leitete, eine Debatte, an der er
sich beteiligte, war sofort in die Sphäre dieser Reinheit gehoben. Es passte
alles zusammen: diese unantastbar reine Gesinnung war verwandt mit der
feierlichen Einsamkeit der Berge, die Otto Heß so sehr geliebt hat und in
die er am Ende seiner Tage zurückgekehrt ist. Es gab für Otto Heß bei der
Entscheidung persönlicher, disziplinarer, kultureller Fragen immer nur die
Entscheidung aus strengster Objektivität; die Schulung des glänzenden
Mathematikers zeigte sich in mustergültiger Unvoreingenommenheit.
Im Provinzialvorsteheramt galt seine Sorge allen Fragen der weit verzweigten
Verwaltungstätigkeit dieser Behörde: Etatsfragen, Sozialfragen, Schulfragen.
- Die Berufung des Herren Landesrabbiners Dr. Geis, die Errichtung einer
jüdischen Schule in Abterode und die
Vorarbeiten für die Begründung einer Bezirksschule in
Rotenburg Fulda gehen noch auf
Otto Heß zurück. Im Krankenhauskomitee war Otto Heß nach dem Ableben von Leo
Lazarus erster Vorsitzender; ein Notizheft, dass sich in seinem Nachlass
fand, beweist, wie sorgfältig und liebevoll er sich der Betreuung verarmter
jüdischer Kranker annahm. In der gemeinnützigen Gesellschaft der 'Humanität'
gehörte er dem Verwaltungsrat an; bei der Goldschmidt'schen
Stipendienstiftung hatte er den Vorsitz.
Über all dieser Tätigkeit waltete der Segen dieses reinen Menschen.
In tiefer Trauer und mit wehem Schmerz nehmen wir von ihm Abschied.
Er hatte das Herz eines Kindes, die Klugheit des Mannes, die Güte und
Weisheit des Alters. Das Provinzialvorsteheramt der Israeliten in Kassel." |
|
Artikel
im "Jüdischen Gemeindeblatt Kassel" vom 24. Juni 1938: "Dr.
Otto Heß gefunden!
Die Angehörigen des Studienrats Dr. Otto Heß, über dessen Vermisstsein wir
im vorigen Jahre in diesem Blatte berichteten, bekamen auf telegrafischen
Wege die Mitteilung aus Meran, dass der Leichnam desselben am Iffingerberg
bei Meran gefunden wurde.
Auf telefonischen Anruf des in Frankfurt wohnenden Bruders des Verunglückten
wurde demselben mitgeteilt, dass die sterblichen Überreste einwandfrei als
die des bis jetzt vermissten Dr. Otto Heß festgestellt wurden. Gewiss eine
traurige Botschaft für die Angehörigen, aber sie bringt die Gewissheit, dass
Dr. Heß durch Absturz ums Leben gekommen ist." |
Lehrerkonferenzen in Kassel
21. Jahresversammlung der israelitischen
Lehrerkonferenz Hessens in Kassel (1889)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 22.
August 1889: "Kassel, 8. August 1889.
Die 21. Jahresversammlung der israelitischen Lehrer Konferenz Hessens.
Eine stattliche Anzahl von Lehrern, stattlicher als je zuvor, hatte sich am
8. Juli dieses Jahres zur Jahresversammlung der israelitischen
Lehrerkonferenz Hessens in Kassel eingefunden.
Am 8. Juli begann zur festgesetzten Zeit die Hauptversammlung. Da glänzte
das Auge des Vorsitzenden in heller Freude, denn so groß war die
Versammlung, dass der zur Verfügung gestellte Saal des
Arbeiter-Fortbildungsvereins dicht besetzt war. Die Präsenzliste weist 89
Besucher auf, darunter 69 Mitglieder der Konferenz, die zum größten Teile
Schüler des Vorsitzenden waren. Nachdem die Versammlung den Choral 'Segne
treuer Gott und stärke' gesungen hatte, hielt der Vorsitzende, Herr Dr.
Stein - Kassel, die Eröffnungsrede. Die Konferenz der israelitischen
Lehrer Hessens tritt, so führte Redner aus, mit dieser Jahresversammlung in
ihr drittes Jahrzehnt, und wenn dies zu Ende geht, so scheidet auch unser
Jahrhundert, vor dem die kommenden Geschlechter ob des Umschwungs in allen
Lebensverhältnissen, der Höhe des Geisteslebens und der moralischen
Gesinnung, die es erzeugt hat, staunen werden. Alle Kräfte sind in Spannung
und Ringen nach Anerkennung. Auch auf pädagogischem Gebiete herrscht solch
rastlose Tätigkeit, die ja auch solche Anerkennung gefunden hat, dass unser
Jahrhundert wohl das pädagogische genannt werden kann. Die allgemeine
Volksschule, die sich erst nach Niederwerfung der Fremdherrschaft und
Aufhebung der Hörigkeitsverhältnisse und Standesunterschiede entwickeln
konnte, ist ein Kind unseres Jahrhunderts. Vollständig ein Kind dieses
Jahrhunderts ist die israelitische Volksschule, die ja erst nach
Emanzipation der Israeliten entstehen konnte, und da ist gerade unser
inneres Vaterland (Hessen) allen Ländern vorangeschritten. Hier aber hat
sich die israelitische Schule - trotz mancher Hindernisse so gut entwickelt,
dass sie mit der Christlichen gleichen Schritt halten kann und auch gleiche
Anerkennung gefunden hat. Haben beide doch auch das gleiche Ziel, neben der
Ertüchtigung fürs Leben und neben der Förderung wahrer Religiosität auch
wahre Vaterlandsliebe zu pflegen. Redner glaubt, dass wie die christliche so
auch die israelitische Schule noch eine Zukunft habe, und schließt mit dem
Wunsche, dass sich diese Hoffnung erfüllen möge, seine mit vielem Beifalle
aufgenommene Eröffnungsrede.
Nachdem die Unterzeichneten zu Schriftführern ernannt worden waren, begrüßt
Herr Dr. Stein die diesmal besonders zahlreich erschienenen Gäste. Außer
einer Anzahl Kollegen aus den angrenzenden Provinzen hatten Herr Adolf
Gotthelft, Delegierter des Deutschen Israelitischen Gemeindebundes,
sowie die Herren Rabbiner Dr. Prager - Kassel, Dr. Munk -
Marburg und Dr. Rosenberg -
Brandenburg, wie auch Herr Rechtsanwalt Dr. Rosenfels, ein warmer
Verehrer des Lehrerstandes, die Versammlung durch ihr Erscheinen geehrt.
Hierauf verlas der Vorsitzende den Jahresbericht. Dieser gedachte zuerst mit
Dank der erhabenen Fürsorge der königlichen Staatsregierung für das Gedeihen
der Volksschule. Das Schulentlastungsgesetz erleichtere zwar zunächst nur
die Lasten der Gemeinde, aber es sei doch auch eine Wohltat für die Schule
selber, besonders für die israelitische, denn der Weiterbestand mancher
israelitischen Schule sei durch den Wegzug der begütertsten Familien und die
dadurch verminderte Steuerkraft der Gemeinden ernstlich gefährdet gewesen
und erst durch das Schulentlastungsgesetz gesichert worden. - Der
Jahresbericht brachte dann zur Kenntnis, dass der Ausschuss der
Lehrerkonferenz bei den vier Vorsteherämtern vorstellig geworden sei,
dieselben möchten die ihnen unterstellten Gemeinden in geeigneter Weise
veranlassen, einen Teil der oben genannten Zuschüsse zur Ausbesserung des
Einkommens ihrer Lehrerstellen zu verwenden. - Weiter teilt er mit, dass der
Deutsch-Israelitische Gemeindebund auch in diesem Jahre wieder 150 Mark zu
den Kosten der Versammlung verwilligt habe, und spricht dem Ausschuss des
Deutsch-Israelitischen Gemeindebundes hierfür wärmsten Dank aus. Einen
warmen Nachruf widmet der Jahresbericht dem im Oktober vorigen Jahres
verstorbenen Senior der israelitischen Lehrer Hessens, dem überall beliebten
Gutkind - Zierenberg, der noch
vor zwei Jahren als Greis von 82 Jahren zur Jahresversammlung in Kassel
gekommen war. Die Versammlung ehrte sein Andenken durch Erheben von den
Sitzen.
Herr Gutkind - Kassel erstattete nun den Kassenbericht, der ein nicht
unerhebliches Defizit ergab, das selbst durch die fast vollständig erfolgte
Einziehung aller rückständigen Beiträge bei Weitem nicht gedeckt werden
kann.
Jetzt ergriff Herr Perlstein -
Zwesten das Wort zu dem Vortrage:
Die Pflege des religiösen Sinnes in unseren Schulen. Einleitend meinte der
Vortragende, das Thema sei ein zeitgemäßes, da es besonders in der
Jetztzeit, wo auf der einen |
Seite
Indifferentismus, auf der anderen Seite kaltes Formenwesen herrsche und
wahre Religiosität nicht zu gedeihlicher Entwicklung kommen lasse, heilige
Pflicht der Schule sei, diesen Übeln entgegentreten, das Judentum, wie es
von den Vätern uns überkommen ist, zu pflegen und heilige Begeisterung für
die väterliche Religion und ihre Satzungen in die Herzen der Kinder zu
verpflanzen. Um dies zu erreichen, stellt der Vortragende den Grundsatz auf,
den Religionsunterricht praktisch zu gestalten, fürs Leben, nicht nur für
die Schule zu unterrichten. Deshalb möchte er den systematischen
Religionsunterricht anders gestalten und in denselben nur das spezifisch
Jüdische und Zeremonielle verlegt wissen. 'Den ethischen Teil des
Religionsunterrichts, die Bürgerpflichten etc. verweist er in den
Bibelunterricht. Auch dem Gebetübersetzen misst der Vortragende einen großen
erziehlichen Wert bei, und verlangt er, dass alle Gebete des Schiur, selbst
einige Stücke des Machsor, müssten in der Schule durchgenommen werden. Zu
den nicht spezifisch religiösen Unterrichtsgegenständen, die der Pflege des
religiösen Sinnes dienen, übergehend, will der Vortragende besonders das
Lesebuch in den Dienst dieser Sache gestellt wissen und wünscht deshalb,
dass es Lesestücke enthalte, die - aus dem jüdischen Leben genommen -
geeignet sind, für die jüdische Sache zu erwärmen und zu begeistern. Auch
ein für israelitische Schulen geeignetes Choralbuch und eine Sammlung von
Schulgebeten hält der Vortragende für wünschenswert. Die Schwierigkeit der
Lösung dieser Aufgabe (Pflege des religiösen Sinnes) beleuchtend, fordert er
dann vom Lehrer, dass er sich, wenn ihm auch durch mannigfache missliche
Verhältnisse, besonders die pekuniären, manchmal aller Mut geraubt werde,
doch mit aller Kraft dieses Ziel erstreben, denn: 'Der Lohn der guten Tat
ist die gute Tat selbst'. Mit diesem Talmudworte schloss der mit vielem
Fleiße und echter Begeisterung ausgearbeitete Vortrag, für den der
Vorsitzende dem Vortragenden den Dank der Versammlung aussprach, worauf
Herr Katz - Nentershausen sein
Korreferat verlas.
In der Hauptsache decken sich die Ausführungen der beiden Herren; jedoch
trägt Korreferat manchen einseitigen Ansichten und zu weit gehenden
Forderungen des Referenten entgegen. Insbesondere will er weder den Vorwurf
des Indifferentismus noch des kalten Formenwesens in Bezug auf unsere
hessischen Gemeinden gelten lassen, und erblickt er den Grund zu dieser
erfreulichen Wahrnehmung in dem Umstände, dass wir israelitische
Elementarschulen haben und religiöse und weltliche Ausbildung dadurch
eine harmonische ist. Im Gegensatz zu neuerdings mehrfach hervorgetretenen
den Bestrebungen, die israelitischen Elementarschulen durch Religionsschulen
zu ersetzen, hält es Korreferent für eine religiöse und pädagogische
Pflicht, die allgemeine Einführung israelitischer Elementarschulen
anzustreben. Während Herr Perlstein mehr der dozierenden Lehrweise
das Wort redet, empfiehlt Herr Katz gerade für den
Religionsunterricht die katechetische Lehrform. Zu Schulgebeten schlägt er
geeignete Stücke aus dem Gebetbuche vor. Für die kurz gefassten, treffenden
und von der Versammlung mit großem Beifall aufgenommenen Ausführungen
stattet ihm der Vorsitzende verbindlichen Dank ab.
Die Debatte, die sich an die Vorträge schloss, wurde besonders durch das
Eingreifen des Herrn Dr. Munk, welches viele Konferenzbesucher zur
Beteiligung veranlasste, sehr lebhaft. Der Gegenstand kam auch zu seiner
Klärung, ohne dass gerade über Leitsätze abgestimmt wurde.
Nach einer längeren Pause wurden die gestellten Anträge besprochen und zwar
zuerst ein von dem Mitunterzeichneten Amram begründete
Zuschussantrag, nach welchem in Zukunft die Anträge zu den
Jahresversammlungen und die Leitsätze zu den Vorträgen durch Umlaufschreiben
zur Kenntnis der Mitglieder gebracht werden sollen, der fast einstimmig
angenommen wurde. - Es folgte dann der von Herrn Neumark -
Felsberg gestellte Antrag, den Ausschuss
der Lehrerkonferenz zu beauftragen, geeigneten Ortes vorstellig zu werden,
dass der Vorsängerdienst besonders honoriert werde. Der Antrag wird im
Einverständnis mit dem Antragsteller dahin abgeändert, dass in Rücksicht auf
ein die christlichen Lehrer als Kirchendiener betreffendes
Ministerial-Reskript um eine Berücksichtigung der durch den Vorsängerdienst
dem Lehrer entstehenden besonderen Arbeitslast bei Bemessung der
Lehregehälter zu petitionieren sei, mit welcher Abänderung der Antrag zur
Annahme gelangte.
Die Bestimmung des Ortes der nächsten Jahresversammlung bleibt dem Ausschuss
vorbehalten. Der Unterzeichnete Amram hat das Referat, Herr David
- Jesberg das Korreferat über 'Der
ethische Inhalt der Gebete des Siddur' übernommen. - Bei der Ausschusswahl
wurden die beiden unterzeichneten Ausschussmitglieder ausgelost und durch
Zettelwahl wiedergewählt. - Herr Dr. Stein schloss nun die Versammlung, für
deren umsichtige Leitung ihm auf Anregung des Herrn Cornelius -
Rotenburg ein Hoch ausgebracht
wurde. Die Schriftführer: Amram -
Borken, Oppenheimer - Treysa." |
22.
Jahresversammlung der Israelitischen Lehrerkonferenz Hessens in Kassel (1890)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 18.
Juli 1890: "Kassel, 7. Juli. Unter sehr großer Beteiligung
fand heute die 22. Jahresversammlung der israelitischen Lehrer Hessens
im großen Saale des Arbeiter-Fortbildungsvereins dahier statt. Es hatten
sich wohl 80 Teilnehmer aus dem Regierungsbezirk Kassel sowie aus den
Nachbarprovinzen eingefunden. Die Nachricht, dass der Vorsitzende des
Deutsch-Israelitischen Gemeindebundes, Herr Geheimer Sanitätsrat Dr.
Kristeller aus Berlin, der Konferenz beiwohnen würde, hatte nicht allein
das Interesse der Lehrer erregt, sondern auch viele Freunde des Schulwesens
herbeigeführt. Unter Letzteren bemerkten wir die Herren Rabbiner Dr.
Prager aus Kassel und Herr Dr. Munk aus
Marburg, Herren Realschuldirektor Dr.
Bärwald aus Frankfurt am Main, Herrn Dr. Rothfeld und Herrn
Rechtsanwalt Hirsch, sowie viele andere namhafte Männer aus Kassel.
Der Vorsitzende, Herr Seminardirektor Dr. Stein, begrüßte die
Versammlung und widmete in seiner Eröffnungsrede dem Begründer des
Deutschtums bei den Israeliten unseres Vaterlandes und somit auch dem
Begründer der neueren israelitischen Volksschule, dem Philosophen Moses
Mendelssohn, ein ehrendes Andenken. Insbesondere hob er hervor, wie
Mendelssohn auch in Kassel würdige Nachfolger gefunden habe, und wie
gerade von hier zuerst in Deutschland die gesetzlich geregelte israelitische
Schule ausgegangen sei. Nach Erstattung des Jahres- und des Kassenberichts
erhielt sodann Herr Amram - Borken
das Wort zur Verlesung seines Referats über das Thema: 'Der ethische Inhalt
der Gebete'. Derselbe hatte eine reichhaltige Arbeit geliefert, die nur in
wenigen Punkten von dem Herren Korreferenten ergänzt zu werden brauchte. Die
Versammlung beschloss die Drucklegung derselben, sowie Beschlussfassung
betreffs der aufgestellten Thesen in der nächstjährigen Konferenz. Nach
einer kurzen Pause fesselte Herr Geheimrat Dr. Kristeller alle
Anwesenden in einem fast zweistündigen Vortrag über: 'Die ethische Maxime
in Pirke-Aboth II,1'. Die Worte des Redners, untermischt mit mancher
humoristischen Bemerkung, wurden mit der größten Spannung angehört und die
Klarheit der philosophischen Deduktion allgemein bewundert. Man fand in den
Sprüchen der Väter einen ungeahnten Sinn, der gewiss manche Lehrer zum
weiteren Nachdenken veranlassen und zur unterrichtlichen Verwertung dieses
Weisheitsschatzes führen wird. Rauschender Beifall folgte dem Inhalt reichen
Vortrag. Es kam nur noch der Antrag des Herren Kornelius -
Rotenburg, die Einführung der vom
Gemeindebunde verbreiteten 15 ethischen Grundsätze in den
Religionsunterricht zur Besprechung. Nach einem lebhaften Gedankenaustausche
einigte man sich dahin, dass dieselben zur Zusammenfassung des Unterrichts
am Ende des Schuljahres, sowie zu einem Repetitorium für abgehende Schüler
geeignet seien. Nachdem das Thema für die nächstjährige Konferenz bestimmt
und Fulda zum Versammlungsort gewählt
worden war, schloss der Vorsitzende die Verhandlungen, welche mit geringer
Unterbrechung von 9 Uhr morgens bis Nachmittag 3 Uhr angedauert hatten. Herz
Buchdruckereibesitzer Gotthelft aus Kassel dankte dem
Vorsitzenden für die anstrengende Leitung derselben. Um 4 Uhr fand hierauf
ein gemeinschaftliches Mahl statt, an welchem auch Damen teilnahmen. Das
erste von dem Vorsitzenden ausgebrachte Hoch galt Seiner Majestät dem
Kaiser. Ernste und heitere Trinksprüche folgten sodann in bunter
Abwechslung, bis in später Abendstunde die Zeit zur Trennung herangekommen
war." |
|
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 15. August
1890: "Kassel, 10. August. Über die Jahresversammlung der
hessischen Lehrerkonferenz, welche am 7. Juli hier stattgefunden hat, ist in
Nr. 27 der 'Allgemeinen Zeitung des Judentums' schon berichtet worden. Es
sei heute gestattet, den damaligen Bericht durch Mitteilung noch einige
Einzelheiten zu ergänzen. Die Thesen, welche Herr Amrum -
Borken seinem Vortrage über den ethischen
Inhalt der jüdischen Gebete zu Grunde liegt, lauten folgendermaßen: 1. die
Gebete der Israeliten sind ihrem Inhalt nach ganz den ethischen Grundsätzen
der Heiligen Schrift und den Morallehren aller Kulturvölker entsprechend. 2.
die Gebete der Israeliten haben einen großen erzieherischen Wert für den
Betenden, indem sie zu innerer Heiligung führen. 3. Die Gebete der
Israeliten unterstützen und fördern den Religionsunterricht und die
religiöse Erziehung durch die Schule, deshalb muss die Schule deren
Verständnis ganz besonders pflegen. Die nächste Jahresversammlung soll in
Fulda stattfinden. Bei der Auswahl eines
Referates sprach Herr Geheimrat Dr. Kristeller den Wunsch aus, die
israelitischen Lehrerkonferenzen Deutschlands möchten sich wegen der
aufzustellenden Referate untereinander verständigen. Auf diese Weise lasse
sich ein wahres Bild von den Bestrebungen der Lehrerwelt erzielen. Herr
Plaut - Grebenstein übernahm das
Referat, Herr Levy - Hofgeismar
das Korreferat über: 'Die soziale Stellung der israelitischen Lehrer in
Hessen und die sozialen Aufgaben, die Ihnen obliegen'. Der Ausschuss bleibt
auf Antrag des Herrn Heiser -
Niedenstein in seiner jetzigen Zusammensetzung auch fürs nächste
Vereinsjahr. Das gemeinschaftliche Mahl, an dem sich auch eine größere
Anzahl von Damen beteiligte, wurde im Palais-Restaurant eingenommen. Die
gehobene Stimmung, welche während der ganzen Dauer der Versammlung
vorgeherrscht hatte, setzte sich auch hier fort. Trinksprüche brachten -
meist in längerer Rede - aus: Herr Dr. Stein auf Seine Majestät den
Kaiser, Herr Kornelius auf Herrn Dr. Stein, Herr Gutkind
auf Herrn Geheimrat Dr. Kristeller, dieser auf die Lehrer in ganz
Deutschland, Lehrer Oppenheim auf die Gäste, Herr Gotthelft
auf die Frauen und Herr Dr. Munk auf den Ausschuss der
Lehrerkonferenz. Nachdem Herr Dr. Prager das Tischgebet gesprochen,
trennte man sich mit dem Wunsch eines frohen Wiedersehen in
Fulda." |
35. Jahresversammlung der Israelitischen Lehrerkonferenz
Hessens in
Kassel (1903)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 5. Juni 1903: "Kassel, 27. Mai. Am Donnerstag den 21. dieses Monats
fand in Schaubs Garten dahier die 35. Jahresversammlung der israelitischen
Lehrerkonferenz Hessens statt. Es waren 55 Mitglieder und 7 Gäste anwesend,
unter Letzteren die Herren Landrabbiner Dr. Prager und Bankier
Blumenthal - Kassel und Provinzialrabbiner Dr. Munk -
Marburg, sowie als Vertreter des
Hauptausschusses des hessischen Volksschullehrervereins Herr Lehrer Brede
- Kassel. Der Vorsitzende, Herr Lehrer Amram -
Borken, begrüßt die Erschienenen und
ermahnt zu treuem Festhalten am Verein. In seine Ausführungen flocht der
Vorsitzende interessante Mitteilungen aus einer vor kurzem seitens des
Verbandes der jüdischen Lehrervereine in deutschen Reiche veranstalteten
Enquete über die Zahl der jüdischen Volks- und Religionsschulen, sowie über
die Zahl der dieselben besuchenden Schüler im Regierungsbezirke Kassel.
Der Jahresbericht gibt zunächst dem Gefühle der Erbitterung im hessischen
Lehrerstande über das bei der Besetzung der jüdischen Lehrerstellen
eingehaltene Verfahren Ausdruck. In den meisten Fällen werden ganz junge
Bewerber, die noch nicht im Volksschuldienste des Regierungsbezirks
gestanden haben, solchen vorgezogen, die schon Jahrzehnte auf gering
notierten Stellen an vom Verkehr abgelegenen Orten ausgehalten haben und
denen eine Beförderung notwendig wäre. Der Bericht teilt dann mit, dass der
Ausschuss in dieser Angelegenheit, ohne erst einen Konferenzbeschluss
herbeizuführen, eine Eingabe an die königliche Regierung gerichtet habe. -
Weiterhin enthält der Bericht Mitteilung darüber, was betreffs der
besonderen Besoldung des Vorsängerdienstes geschehen ist. Leider blieb
sowohl die Eingabe an den Herrn Minister der geistlichen, Unterrichts- und
Medizinal-Angelegenheiten, wie auch die Petition an den Landtag erfolglos.
In der Angelegenheit des einjährigen freiwilligen Dienstes, zu dem bisher
das Zeugnis der Privatseminare - also auch der jüdischen - nicht
berechtigte, ist ein besserer Erfolg erzielt worden. Die Petition, welche in
dieser Angelegenheit von 134 jüdischen Volksschullehrern Preußens (darunter
etwa 40 hessische) |
an
den Reichstag gerichtet wurde, ist von diesem dem Herrn Reichskanzler zur
Erwägung überwiesen worden. - Während der Bericht nun weiter mitteilt, dass
der Ausschuss an den emeritierten und bei dieser Angelegenheit mit dem Adler
des hohenzollerischen Hausordens dekorierten Kollegen Emmerich -
Rhina, sowie an den um die jüdische
Lehrerschaft Deutschlands hochverdienten Vorsitzenden der 'Achawa', Herren
Konsul Adolf Bär-Goldschmidt zu Frankfurt am Main, zu dessen 70.
Geburtstag eine Adresse überreicht habe, widmet er Worte ehrenden Gedenkens
den im Berichtsjahre verstorbenen Kollegen Katzenstein -
Langendiebach, Goldschmidt -
Frankenberg, Rothschild -
Kassel und Engelbert - Kassel, daran einen Nachruf für Seine
Exzellenz, den verstorbenen früheren Ministerialdirektor Dr. Kügler,
den hochverdienten Freund der Volksschule und des Volksschullehrerstandes,
den toleranten Beschützer der jüdischen Volksschule, anreihend. Mit der
Mahnung, die der Selbsthilfe dienenden Veranstaltungen des hessischen
Volksschullehrervereins und der Achawa zu fördern, sowie an die Erledigung
der reichhaltigen Tagesordnung im Geiste der Eintracht und der Brudertreue
heranzugehen, schließt der Jahresbericht.
Es folgte nun der Vortrag des Kollegen Oppenheim -
Treysa: 'Der Unterricht in der jüdischen
Geschichte in Verbindung mit demjenigen in Weltgeschichte und Geographie'.
Zunächst ausführend, wie notwendig und wichtig eine eingehende Pflege dieser
Unterrichtsdisziplin sei für die Erhaltung und Wiederbelebung des religiösen
Sinne, schlug der Vortragende vor, den Teil der jüdischen Geschichte, der
die Zeit bis zum Abschluss des Talmud behandelt, an den biblischen
Geschichtsunterricht anzuschließen, die Geschichte der Juden unter den
Völkern jedoch und damit insbesondere die Geschichte der deutschen Juden mit
dem Unterricht in der Weltgeschichte, und wo er sich hier nicht leicht
einrichten lasse, mit demjenigen in Geographie und verwandten Fächern zu
verbinden, schon weil sich dieser Teil der Geschichte der Juden unter den
Völkern nicht loslösen lasse von der Geschichte und dem Lande der
betreffenden Völker. Die Leitsätze hatten folgenden Wortlaut: '1. Die
jüdische Geschichte verdient in der israelitischen Volksschule eine
sorgfältige Pflege. 2. Mit Rücksicht auf die für den Religionsunterricht zur
Verfügung stehende geringe Stundenzahl empfiehlt es sich, von einer
systematischen Behandlung des Unterrichts in der jüdischen Geschichte
abzusehen und denselben an den Unterricht in Geschichte und Geographie
anzulehnen. 3. Die Stoffauswahl hat den Lehrzweck und das Lehrziel zu
berücksichtigen. 4. Die methodische Behandlung des jüdischen
Geschichtsunterrichts ist dieselbe wie diejenige des Unterrichts in der
vaterländische Geschichte. 5. Zur Erreichung bleibender
Unterrichtsergebnisse ist die Einführung eines geeigneten Leitfadens zu
empfehlen'.
Die Leitsätze fanden nach kurzer Debatte einstimmige Annahme.
Sodann wurde auf Antrag des Nestors der Versammlung, des Kollegen Brandes
- Oberaula, der trotz seiner 67
Jahre und trotz der 5 Stunden bis zur nächsten Bahnstation zu den treuesten
Besuchen und Mitarbeitern der Konferenz gehört, der Ausschuss beauftragt, an
zuständiger Stelle zu beantragen, dass jeder definitiv Angestellte erste
oder alleinige israelitische Lehrer zum Mitglied des Schulvorstandes für
seine Schule ernannt werde. - Von Bedeutung insbesondere für die nicht an
einer Volksschule wirkenden hessischen Lehrer war eine Mitteilung des
Kollegen Strauss - Gelnhausen.
Diese an einer Religionsschule angestellten Lehrer unterstehen weder dem
Besoldungs- noch dem Pensionsgesetze; sie sind auf das Wohlwollen ihrer
Gemeinden angewiesen, denen, soweit es sich um die Alters- und
Reliktenversorgung handelt, wenn nicht der gute Wille, so doch meist die
Mittel fehlen. Es wollte bisher nicht gelingen, den Kollegen aus dieser
Notlage zu helfen, bis sich jetzt die durch den hessischen Kommunalverband
neu zu schaffende Pensionskasse für Kommunal- und Gemeindebeamten usw.
bereit erklärt hat, auch sie auf desfallsigen Antrag aufzunehmen.
Auf Antrag der Kollegen Lotheim -
Falkenberg und Raab -
Merzhausen wurde der Ausschuss beauftragt, für den Wegfall der
Probegottesdienste zum Zwecke der Bewerbung um erledigte Stellen
einzutreten. Es möge, so führte der Antragsteller aus, in das Abgangszeugnis
auch eine Note über die Befähigung zum Vorsängerdienst aufgenommen werden,
die dann bei einer etwaigen Bewerbung genügen müsse; nur auf diesem Wege
können den Übelständen bei den Stellenbesetzungen abgeholfen werden. Gerade
dieser Teil der Tagesordnung fand eine lebhafte Besprechung, weil unter den
obwaltenden Übelständen zu weite Kreise der jüdischen Lehrerschaft Hessens
zu leiden haben. - Auf Antrag des Vorsitzenden wurde beschlossen, im
nächsten Winter eine neue Bittschrift in Sachen der besonderen Besoldung des
Vorsängerdienstes an den Landtag zu richten. - Endlich fand noch ein Antrag
Brandes - Oberaula Annahme, durch
den der Ausschuss beauftragt wird, Erhebungen über den Umfang der
Akzidentien zu veranstalten, um auf Grund derselben eine gesetzliche
Festsetzung der Gebühren für dieselben in die Wege zu leiten.
Herr Architekt Eppstein - Kassel teilte mit, dass er im
Auftrage der Gesellschaft zur Erforschung jüdischer Kunstdenkmäler in
Frankfurt am Main den Regierungsbezirk bereisen werde, um hervorragende
Synagogen, |
Grabdenkmäler
und dergleichen aufzunehmen, zu welchem Zwecke er die Unterstützung der
Lehrerschaft erbittet.
Die nächste Jahresversammlung wird in Hanau
stattfinden. Für dieselbe übernahmen die Kollegen Oppenheim -
Wehrda und Braunschweiger -
Erdmannrode das Referat, respektive
Korreferat über 'Die Verwendung der Pirke Aboth (Sprüche der Väter) beim
Religionsunterricht'. Nachdem noch durch Zuruf die Wiederwahl des bisherigen
Ausschusses (Amram - Borken,
Oppenheim - Treysa, Rosenstein
- Rotenburg, Schwarzschild -
Schlüchtern und Spiro -
Fulda) erfolgt war war die reichhaltige
Tagesordnung erledigt." |
|
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. August
1903: "Kassel, 24. August (Bericht über die 35.
Jahresversammlung der israelitischen Lehrerkonferenz Hessens). Am 21.
Mai dieses Jahres fand dahier die 35. Jahresversammlung der israelitischen
Lehrerkonferenz Hessen statt. Eine stattliche Anzahl von Vereinsmitgliedern,
wie wir sie seit einer Reihe von Jahren zu sehen nicht gewohnt waren, hat
sich zur diesjährigen Versammlung eingefunden, was zweifellos auf die
wichtige und reichhaltige Tagesordnung zurückzuführen ist. Auch die
Vorsteherämter zu Kassel und Marburg hatten Ihr Interesse an den
Bestrebungen der hessischen jüdischen Lehrerschaft dadurch zum Ausdruck
gebracht, dass sie, wie bisher, so auch diesmal, ihre Vertreter zu den
Verhandlungen entsandten. Als Vertreter des Vorsteheramtes zu Kassel waren
die Herren Landrabbiner Dr. Prager und Bankier Blumenthal, als Vertreter des
Vorsteheramtes zu Marburg Herr Provinzialrabbiner Dr. Munk erschienen.
Ferner waren als Gäste anwesend: Herr Gemeindeältester Karl Plaut -
Kassel
und Herr Lehrer Brede - Kassel als Vertreter des hessischen
Volksschullehrervereins. Um 10 Uhr morgens wurde die Versammlung durch einen
Eröffnungschoral eingeleitet, worauf der Vorsitzende, Herr Amram -
Borken,
die Erschienenen mit herzlichen Worten begrüßte. Er ermahnte zu treuem
Festhalten am Vereinswesen, da es gelte, mühsam Errungenenes zu erhalten,
sowie Notwendiges und Wünschenswertes auch weiterhin anzustreben. Hierauf
entboten die Herren Dr. Prager, Dr. Munk und Plaut - Kassel der Versammlung
ihre Grüße und wünschten gedeihlichen Erfolg der Verhandlungen. Bei der nun
folgenden Konstituierung des Büros wurden Oppenheim -
Treysa zum
stellvertretenden Vorsitzenden und die Unterzeichneten zu Schriftführer
ernannt. In dem zur Verlesung kommenden Jahresberichte gab der Vorsitzende
dem Gefühle der Erbitterung in der jüdischen Lehrerschaft Hessens über das bei
der Besetzung der Lehrerstellen geübte Verfahren Ausdruck. Es müsse im
höchsten Grade verstimmend wirken, wenn, wie das so oft geschieht, junge
Bewerber, die nicht einmal im diesseitigen Regierungsbezirke im Volksschuldienste gestanden, älteren, im Amte bewährten
Lehrern des Bezirks
vorgezogen werden. Der Ausschuss habe sich deshalb veranlasst gesehen, in
einer Eingabe an die königliche Regierung auf diese betrübende Tatsache
hinzuweisen. Die Bemühungen des Ausschusses um Herbeiführung einer Besoldung
des Vorbeterdienstes hatten leider nicht den gewünschten Erfolg, indem
sowohl der Herr Kultusminister, als auch der Landtag ablehnenden Bescheid
erteilten. Ein günstigerer Erfolg scheint in der Angelegenheit des
Einjährig-Freiwilligen Dienstes in Aussicht zu stehen, da die bezügliche
Petition vom Reichstage dem Reichskanzler zur Erwägung
überwiesen worden ist. Anlässlich des 70. Geburtstages des verdienten
Vorsitzenden der 'Achawah', Herrn Konsul Adolf Bär-Goldschmidt, Frankfurt am
Main, hatte der Ausschuss ein Glückwunschschreiben übersandt, dass der Herr
Jubilar mit einem warm empfundenen Dankschreiben erwiderte. Den aus dem Leben
geschiedenen Kollegen Katzenstein -
Langendiebach, Goldschmidt -
Frankenberg,
Rothschild - Ziegenhain und Engelbert
- Eschwege, wie auch dem unvergesslichen
Freunde der jüdischen Volksschule, Ministerialratdirektor Dr. Kügler,
widmete der Vorsitzende Worte ehrender Erinnerung. Die Versammlung gab ihre
Teilnahme durch Erheben von den Sitzen zu erkennen. Das Referat für die
Versammlung hatte in dankenswerter Weise Kollege Oppenheim -
Treysa
übernommen. Das Thema lautete: 'Der Unterricht der jüdischen Geschichte in
Verbindung mit demjenigen in Weltgeschichte und Geographie'. Die gediegene
Arbeit fand den ungeteilten Beifall der Versammlung und wurden sämtliche
Leitsätze auf Antrag des Seminarlehrers Katz - Kassel einstimmig angenommen.
Da die Arbeit demnächst zur Veröffentlichung gelangt, so erübrigt es sich,
in eine ausführliche Besprechung derselben einzugehen. Nach einer kleinen
Frühstückspause schritt die Versammlung zur Beratung der eingegangenen
Anträge. Herr Brandes - Oberaula beantragt: 1. Der Ausschuss wolle
Erhebungen über den Umfang der Akzidentien der vor Vorsänger
anstellen, um aufgrund derselben eine gesetzliche Festsetzung der Gebühren
für dieselben in die Wege zu leiten; 2. der Ausschuss wolle bei
Königlicher Regierung dahin vorstellig werden, dass jeder endgültig bestellte
jüdische Lehrer im Bezirk Kassel zum Mitgliede des Schulvorstandes für
seine Schule ernannt wird. Beide Anträge wurden angenommen, ebenso der von
Herrn Lotheim - Falkenberg und
Raab - Merzhausen gestellte Antrag auf Wegfall des
Probegottesdienstes, wie auch der des Ausschusses um Ermächtigung zur
Einleitung weiterer Schritte in der Besoldung des Vorsängerdienstes.
Damit
war die reichhaltige Tagesordnung erschöpft. Von besonderer Bedeutung war
auch eine Mitteilung des Kollegen Strauß -
Gelnhausen, nach welcher auch den
nicht staatlich angestellten Lehrern Aussicht auf ein Ruhegehalt und
Versorgung der Hinterbliebenen eröffnet wird durch die Begründung einer Pensionskasse für Kommunalbeamte im Regierungsbezirk Kassel. Die nächste
Jahresversammlung, für welche Kollege Oppenheim -
Wehrda das Referat: 'Die
Verwendung der Pirke Aboth (sc. Sprüche der Väter) beim Religionsunterricht', und Kollege
Braunschweiger - Erdmannrode das
Korreferat übernommen haben, soll in Hanau
stattfinden. Nachdem durch Zuruf der bisherige Ausschuss wiedergewählt
worden war, schloss der Vorsitzende mit einem begeistert aufgenommen Hoch
auf Seine Majestät den Kaiser die Sitzung, deren Teilnehmer sichtlich
befriedigt ob des schönen Verlaufs der Verhandlung auseinanderging. Herr Kollege
Plaut - Grebenstein hatte zuvor vorher dem
Vorsitzenden für seine erfolgreiche Leitung den Dank der Konferenz
ausgesprochen. Ein gemeinschaftliches Mahl vereinigte viele Lehrer und
Ehrengäste im Saale des Hotel Meier, woselbst man sich, dank der heiteren
Stimmung, der guten Speisen und Getränke, recht behaglich fühlte. Ernste und
heitere Toaste würzten das Mahl. Nur zu bald schlug die Scheidestunde,
der ein frohes Wiedersehen in Hanau folgen möge.
Spiro
- Fulda. Rosenstein -
Rotenburg." |
Verbandstag
des Verbandes der Israelitischen Lehrervereine im deutschen Reich in Kassel
(1905)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 6. Januar
1905: "Kassel, 2. Januar. Der dritte Verbandstag des Verbandes
der israelitischen Lehrervereine im deutschen Reiche fand am 28. und 29.
vorigen Monat hier statt. Die Verhandlungen, welche im Festsaal des
Zentral-Hotels abgehalten wurden und von 180-200 Personen aus ganz
Deutschland besucht waren, leitete der Verbandsvorsitzende Herr Dr.
Fiegel - Berlin und dessen Stellvertreter Herr Steinhardt -
Magdeburg. Aus der Berichterstattung des Verbandsvorstandes über die
Verwaltungsperiode der drei Jahre 1902, 1903 und 1904 ist hervorzuheben,
dass der Verband sich günstig weiterentwickelt hat und bis jetzt 20 Vereine
mit 1100 Mitgliedern umfasst. Einer der Hauptgegenstände der umfangreichen
Tagesordnung war der Vortrag, welchen der Ehrenvorsitzende des Verbandes,
Herr Realschuldirektor Dr. Adler Frankfurt am Main über das Thema
'Das preußische Schulunterhaltungsgesetz und die jüdische Volksschule'
hielt. Nach dem anderthalbstündigen Vortrage, in welchem der gewandte Redner
die Materie in lichtvollster Weise behandelte, wurde einstimmig die
Resolution angenommen, die wir in der 'Woche' mitgeteilt haben. Einen
weiteren interessanten Vortrag über die Errichtung von Fortbildungskursen
hielt Herr Realschullehrer Feiner - Hamburg. Auch dieser erschöpfende
Vortrag wurde mit lebhaftem Beifall aufgenommen. Die Versammlung nahm am
Schlusse eine Resolution an, worin sie sich für die Errichtung von
Fortbildungskursen ausspricht, da sie dieselben für unumgänglich notwendig
hält. In den Vorstand wurden gewählt die Herren: Realschuldirektor Dr.
Adler - Frankfurt am Main (Ehrenvorsitzender); Dr. Fiegel -
Berlin (1. Vorsitzender); Steinhardt - Magdeburg (2. Vorsitzender);
Realschullehrer Feiner - Hamburg (Schatzmeister); Amram -
Borken Hessen (1. Schriftführer);
Hauptlehrer Graf - Essen (2. Schriftführer); Professor Dr.
Blaschke - Berlin, Prof. Dr. Badt - Breslau, Direktor
Driesen - Karlsruhe in Baden (Beisitzer). Im Laufe der ersten
Nachmittagssitzung des Kongresses hielt dann noch Herr Lehrer Horwitz
aus Kassel (anstelle des am Erscheinen verhinderten Herrn Lehrers
Jacobsohn aus Leipzig) einen Vortrag über die Bildung einer
Kantoren-Sektion und wurden die Darlegungen ebenfalls sehr beifällig
aufgenommen. Das Schriftführeramt während des Kongresses versahen die Herren
Lehrer Amram - Borken in Hessen,
Lehrer Horovitz - Kassel und Lehrer Waldbott - Leipzig.
Nach Schluss der Beratungen trat auch der gemütliche, gesellige Teil in
seine Rechte. Zunächst vereinigte die große Zahl der hiesigen und
auswärtigen Teilnehmer des Kongresses ein Festmahl. Darauf folgte ein
Festkommers. Durch Trinksprüche ernsten und launigen Inhalts wurde die
festliche Stimmung wesentlich erhöht. Der erste Trinkspruch galt dem Kaiser,
ausgebracht in zündenden Worten von dem Seminardirigenten Herren Dr.
Lazarus - Kassel. Weitere Trinksprüche wurden in beredter Weise auf den
Verband, auf das Vorsteheramt und die Gemeinde Kassel ausgebracht, ebenso
auch ein Hoch auf die Verdienste des Lokalausschusses etc. Der Festkommers
schloss sich an das Mahl an. Zöglinge des hiesigen israelitischen Seminars
ließen es sich angelegen sein, durch musikalische und dramatische
Darbietungen das Fest zu verschönern. Ein von Herrn Lehrer Katz in
Gelsenkirchen gedichteter, formvollendeter Prolog von einem
Seminarabiturienten mit gutem Ausdruck vorgetragen, erregte, ebenso wie das
am Schlusse der Verse gestellte 'Lebende Bild', das den Treuschwur der
jungen Lehrer, in den Bahnen der alten zu wandeln, darstellte, lebhaften
Beifall. Das folgende, von großer dichterischer Begabung zeugende Stück,
Einakter, der Lehrerfreuden und Lehrerleiden sehr humorvoll schilderte,
hatte ebenfalls Herrn Katz zum Verfasser und erregte in der sorgsam
vorbereiteten Darstellung durch die Seminaristen stürmische Heiterkeit." |
55. Jahresversammlung der Israelitischen Lehrerkonferenz
Hessens in Kassel (1927)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. Juni
1927: |
Aus der Geschichte des
Israelitischen Lehrerseminars in
Kassel
Empfehlung des
talmudgelehrten Fuldaer Lehrers Philipp Stern als Nachfolger von Lehrer Lasson
am Lehrerseminar (1859)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 20. Juni 1859: "Unter den in Fulda in Garnison
befindlichen Soldaten befinden sich auch ungefähr 40 Israeliten, welche in
Fulda sämtlich von Privaten koscher verköstigt werden. Ein nicht
unbedeutendes Opfer, welches die Fuldaer Israeliten hierdurch bringen.
Überhaupt ist in dieser Gemeinde, die viele sehr ehrenwerte Mitglieder
zählt, noch viel religiöser Fond und ein sehr reger Wohltätigkeitssinn.
In Verbindung mit dem talmudgelehrten und auch sonst sehr gebildeten Herrn
Philipp Stern wirkt der Provinzialrabbiner Dr. Enoch auch
eifrig für die Vorbereitung talmudischer Studien und haben diese beiden
gelehrten Männer eine ganze Schar wissbegieriger Knaben und Jünglinge um
sich versammelt, welchen sie in hebräischen Fächern gründlichen
Unterricht erteilen. Herr Philipp Stern widmet mit bewundernswerter
Aufopferung täglich 6-8 Stunden dieser Wirksamkeit, was umso
anerkennenswerter ist, als dieser Unterricht von beiden Herren gratis
erteilt wird, obgleich Herr Stern selbst pekuniär nicht glänzend
gestellt ist Unwillkürlich drängte sich mir der Gedanke auf, welch ein
Gewinn es für unser Lehrerseminar in Kassel wäre, wenn für das
hebräische Fach für dasselbe ein Mann von dem Wissen und Lehreifer des
Herrn Stern an die Stelle des unlängst verstorbenen Lehrers Lasson
gewonnen werden könnte. Es würde sicher dazu beitragen, demselben einen
neuen Aufschwung zu geben und die Gemeinden würden eine solche Erwerbung
für das Seminar nur freudig begrüßen. B.H." |
25-jähriges
Amtsjubiläum des Seminarlehrers Dr. Salomon Leviseur (1864)
Anmerkung: Salomon Leviseur (geb. 13. Oktober 1809 in Kassel) besuchte die
Jacobsohn-Schule in Seesen/Harz und trat 1827 in das Kasseler Seminar ein. 1832
wurde er als provisorischer Lehrer eingestellt. 1837 legte er die Lehrerprüfung
am Seminar ab. 1841 wurde er von der philosophischen Fakultät in Marburg
promoviert auf Grund einer Arbeit zum Thema "Religionsbegriff bei
Kant und Schleiermacher". Vgl. Google-Books.
Am Seminar war er bis zu seiner Zurruhesetzung 1883 tätig. Danach ist er in die
USA ausgewandert, wo er 1899 im Alten von 90 Jahren in New York verstorben ist
(Quelle: New
York Times vom 14.2.1899).
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 25. Oktober 1864: "Kassel, 3. Oktober (1864). Am 1.
Oktober wurde hier das 25-jährige Amtsjubiläum des Lehrers am hiesigen
israelitischen Seminar, Herrn Dr. Salomon Leviseur gefeiert. Außer
vielen Beglückwünschungen von nah und fern empfing der Jubilar auch von
27 Schülern, jetzt sämtlich angestellte Lehrer in der Provinz NiederHessen,
einen prachtvollen silbernen Pokal mit der Inschrift: 'Zum 25-jährigen
Amtsjubiläum, aus Liebe und Dankbarkeit von seinen Schülern gewidmet, am
1. Oktober 1864!'. 'Herrn Dr. Sal. Leviseur', nebst einem ehrenvollen,
seine Verdienste und Wirksamkeit anerkennenden
Schreiben." |
Anzeige
von Lehrer Dr. Salomon Leviseur (1864)
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 22. November 1864: "Eine Dame, israelitischer Religion,
welche die Erziehung dreier erwachsener Kinder übernehmen und deren Schulausgaben
beaufsichtigen, auch auf Verlangen einem geordneten Haushalte vorstehen
kann, wird auf sogleich oder spätestens auf 1. Januar 1865 gesucht.
Dieselbe muss wissenschaftlich gebildet, der französischen und englischen
Sprache mächtig und in der Musik etwas bewandert sein, sowie einen guten
Charakter besitzen. Die Bedingungen sind angenehm.
Frankierte Anmeldungen, denen Referenzen und Zeugnisse beizufügen sind,
nimmt entgegen Dr. S. Leviseur in Kassel." |
25-jähriges
Jubiläum von Dr. Jacob Stein als Direktor des Jüdischen Lehrerseminars
(1891)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 3.
April 1891: |
Zum Tod von Seminardirigent a.D. Dr. Jacob Stein
(1898)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 18. Februar
1898: "Kassel, 10. Februar (1898). Am 6. dieses Monats
verschied hierselbst der Seminardirigent a. D. Dr. Jacob Stein. In
ihm verlieren wir einen in vielfacher Hinsicht ausgezeichneten Mann, der
sich in den weitesten Kreisen hohen Ansehens und großer Beliebtheit
erfreut hat. Geboren 1835 in dem Dorfe Holzhausen bei Marburg, zeigte er
früh lebhafte Neigung und natürliche Anlage zum Lehrerberuf, dem er denn
auch sein ganzes Leben treu geblieben ist. Nachdem er zuerst in Roppershausen
und Adelebsen gewirkt hatte, kam er 1862 nach Göttingen, wo er
sich neben seinem Lehramte mit eisernem Fleiße akademischen Studien
widmete, die er mit einer Arbeit über den Koran abschloss. Von Göttingen
wurde er als Lehrer an die Jacobsonschule nach Seesen
berufen, und von dort folgte er 1866 einem Rufe nach Kassel, um die
Leitung des israelitischen Seminars zu übernehmen. Dieses Amt hat
er bis 1897 verwaltet und demnach fast ein Menschenalter im Dienste der
Volksschule unserer Provinz gewirkt. Eine große Anzahl israelitischer
Lehrer Hessens und der Nachbarprovinzen sind seine Schüler gewesen, die
mit unbegrenzter Liebe und Verehrung an ihm hingen, da sie in ihm
jederzeit ihren besten Freund und weisesten Berater fanden. Bald nach
seinem Amtsantritt gab er die tatkräftige Anregung zur Gründung der
israelitischen Lehrerkonferenz für Hessen und ist bis zu seinem Tode
ununterbrochen ihr Vorsitzender gewesen. Überhaupt widmete er sich mit
dem größten Eifer allen Bestrebungen zur Förderung der Volksschule,
für die er eine Reihe Schulbücher verfasst hat, wie des Lehrerstandes,
dem er mit ganzem Herzen ergeben war. Als im Jahre 1891 das 25-jährige
Jubiläum seiner hiesigen Amtstätigkeit gefeiert wurde, zeigte sich in
zahlreichen Kundgebungen, wie viel Liebe er gesät hatte. Denn so sehr ihn
sein Amt in Anspruch nahm, so eifrig beteiligte er sich an zahlreichen
humanen und gemeinnützigen Bestrebungen, jedes Amt mit der gleichen Treue
und Gewissenhaftigkeit versehend. Eine lange Reihe von Jahren war er u.a.
erst Armenpfleger und dann Armenrat der Stadt, für diese Tätigkeit durch
seine Herzensgüte und Menschenfreundlichkeit, sein sanftes und
liebevolles Wesen besonders geeignet. Ein schweres Herzleiden zwang ihn,
Ostern 1897 seine Pensionierung nachzusuchen, und bei dieser Gelegenheit
wurde er durch Verleihung des Roten Adlerordens ausgezeichnet. Leider
sollte er sich des Ruhestandes nicht erfreuen. Seine Krankheit verschlimmerte
sich unaufhaltsam und führte schließlich zu qualvollem Leiden, die er
mit der großartigen Ergebung eines Dulders ohne Klagelaut ertrug. Er war
ein Mann nach dem Herzen Gottes, eine anima candida, wohin er kam, Liebe
säend und Segen stiftend, eine Zierde des Lehrerstandes, der Pestalozzi
der israelitischen Schule Hessens. Die große Beliebtheit, deren sich der
Verstorbene zu erfreuen hatte, gab sich bei der gestern Nachmittag
stattgefundenen Beerdigung kund, die unter überaus zahlreichem
Geleite erfolgte. Die Kinder des israelitischen Waisenhauses, denen sich
die Zöglinge des hiesigen Seminars anschlossen, welch Letztere den Sarg
zur Gruft trugen, eröffneten den langen Zug, in dem auch viele
israelitische Lehrer aus der ganzen Provinz, frühere Schüler des
Verblichenen, vertreten waren. In warmen Worten hoben bei der Feier auf
dem Friedhofe zuerst Herr Landrabbiner Dr. Prager und sodann Herr
Rabbiner Dr. (Benno) Jacob aus Göttingen, der Schwiegersohn
des Verstorbenen, seine hohen Tugenden hervor. Möge ihm die Erde leicht
sein; ein treues Andenken ist ihm in weiten Kreisen sicher." |
Erfolgreiche Prüfungen am Israelitischen Lehrerseminar in Kassel
(1902)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 10. November 1902: "Kassel, 2. November (1902). Am
Donnerstag voriger Woche war am hiesigen israelitischen Lehrerseminar die
zweite Prüfung beendet. Diese hatte in jeder Hinsicht ein gutes Ergebnis,
denn alle sieben Lehrer, die sich prüfen ließen, bestanden. Es waren die
Herren: Abt aus Gesecke in Westfalen, Crohn aus Mengeringhausen
in Waldeck, Heilbronn aus Hora in Westfalen, Levi aus
Salzkotten in Westfalen, Oppenheim aus Wehrda
in Hessen, Pineas aus Frankfurt am Main, Plaut, Lehrer in Rybnik
in Oberschlesien.
Das Königliche Provinzial-Schulkollegium in Kassel gestattet fast ohne
Ausnahme Lehrern anderer Bezirke, hier die Prüfung abzulegen. In der
schriftlichen Prüfung war den neueren Bestimmungen gemäß nur eine
Arbeit zu schreiben. 'Haus und Schule' lautete das Thema. Lehrproben
waren: 1) Belsazar; 2) Frau Hütt; 3) der Stechheber; 4) der Zahlenkreis
über 1000 hinaus; 5) die Schulstäbe; 6) Knabe und Vogel; 7) Gustav Adolf
- ein Lebensbild.
Da sämtliche Lehrproben zur Zufriedenheit ausfielen, erhielt kein
Kandidat eine zweite. Recht eingehend wurde mündlich geprüft, sowohl in Geschichte,
Pädagogik, Psychologie, Didaktik und Methodik der einzelnen Fächer. Zum
ersten Male hatten die jungen Lehrer nachzuweisen, in welchem
Lieblingsfache sie sich fortgebildet und welches wissenschaftliche Werk
sie beim Studium benutzt hatten. Zur Orientierung sei Folgendes erwähnt:
1) Geschichte des 19. Jahrhunderts, 2) Mathematische Geographie, 3) die
zweite Blüteperiode in der deutschen Literatur, 4) die Elektrizität und
so fort. Ein Gegenstand, der schon im Seminar eingehend behandelt wurde,
z.B. 'ein Drama Schillers', wird als wissenschaftliche Fortbildung für
nicht genügend angesehen. Auch diese Prüfung bewies, dass die Ausbildung
jüdischer Lehrer keineswegs eine minderwertige ist und die
Staatsbehörden werden sich wohl bald entschließen müssen, die
jüdischen Seminare den christlichen gleichzustellen, da gleiche
Pflichten, gleiche Rechte erfordern. Die Prüfungskommission bildeten
folgende Herren: Provinzial-Schulrat Otto, Geheimer Regierungs- und Schulrat
Sternkopf, Landrabbiner Dr. Prager, Seminardirektor Dr. Lazarus und
Seminarlehrer Katz." |
|
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 14. November 1902: "Kassel, 2. November (1902). Am
Donnerstag voriger Woche war am hiesigen israelitischen Lehrerseminar
die zweite Prüfung beendet..."
Derselbe Text wie in der Zeitschrift "Der Israelit" siehe
oben. |
Abschluss der zweiten Lehrerprüfung
(1903)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 13.
November 1903: |
Aufnahmeprüfung an der Lehrerbildungsanstalt
(1904)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 8.
April 1904: |
Lehrerprüfung am israelitischen Seminar
(1911)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 3. März 1911: |
Nachrichten aus dem israelitischen Seminar
(1911)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 3. Februar
1911: |
Entlassungsprüfung am israelitischen Seminar
(1913)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 4. April
1913: |
25-jähriges Jubiläum von Seminarlehrer Hermann Katz
(1913)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 7. November
1913: "Kassel, 31. Oktober (1913). Zur Feier des 25-jährigen
Jubiläums des Herrn Seminarlehrers Katz fand im Hotel Meier ein
von dem Kollegium des Seminars und ehemaligen Schülern veranstalteter
Kommers statt, an dem auch Vertreter des Vorsteheramts der Israeliten und
jüdischen Gemeinde teilnahmen. Im Namen der ehemaligen Schüler
begrüßte Herr Waisenhausinspektor Heilbrunn den Jubilar und brachte das
Kaiserhoch aus. Weitere Ansprachen, in denen die Verdienste des Jubilars
hervorgehoben wurden, hielten Herr Seminardirigent Dr. Lazarus
namens des Kollegiums des Seminars, Herr Bankier Blumenthal im
Namen des Vorsteheramts der Israeliten, Herr Rechtsanwalt Dr.
Katzenstein für den Vorstand der jüdischen Gemeinde, Herr Lehrer
a.D. Plaut (Grebenstein) als
Vorsitzender der Freien Vereinigung israelitischer Lehrer im
Regierungsbezirk Kassel. Lehrer Spier (Einbeck) weihte sein Glas
den Damen. Der Jubilar dankte mit herzlichen Worten und schloss mit einem
Hoch auf das Seminar." |
Der Leiter des israelitischen Lehrerseminars Dr. Felix
Lazarus erhält den Titel "Seminardirektor" (1914)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 6. März 1914: |
Zum Tod von Seminarlehrer Hermann Katz (1921, seit 1888 Seminarlehrer in Kassel)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 22. Juli
1921: "Kassel, im Juli (1921). 'Rasch tritt der Tod den
Menschen an, es ist ihm keine Frist gegeben; es stürzt ihn mitten in der
Bahn, es reißt ihn fort vom vollen Leben'. Schillers Mahnwort mussten wir
hier kürzlich in seiner ganzen Tragik durchleben. Im Begriff, den Weg zur
gewohnten Pflicht anzutreten, endete am 29. vorigen Monats ein
Gehirnschlag das Leben des Seminarlehrers Katz, eines Mannes, von
dem man sagen konnte, sein Erdenwallen war köstlich, denn es war Mühe
und Arbeit bis zum letzten Atemzuge, immer an andere denkend, nie an sich.
In tiefer Trauer steht eine deutsche Großgemeinde an seiner Bahre. Seine Schüler
blickten zu ihm voller Liebe und Verehrung auf. Mit seiner großen
Erfahrung, seinem reichen Wissen, seinem gütigen und versöhnlichen Wesen
war er ein Freund und Berater der Jungen und Alten seiner Gemeinde länger
als drei Jahrzehnte. Wer will die stille, hingebende Arbeit schildern, die
der Verstorbene als Lehrerbildner in dieser so langen Zeit leistete?
Mehrere hundert jüdischer Lehrer, die im In- und Auslande für und mit
Israels Zukunft arbeiten, sind seine Schüler gewesen, und alle gedenken
in aufrichtigster Dankbarkeit ihres Freundes und Helfers. Als Pädagoge
stand er nicht in erster Reihe; er gehörte nicht zu den Pfadfindern,
deren Ideen er Gestalt geben wollte. Seine Kraft legte er in der stillen, planmäßigen,
erprobten und bewährten Arbeit an. Sein Seminaristen wurden immer und
immer darauf hingewiesen, die Schule nicht als Tummelplatz der Meinungen,
die Schüler nicht als Versuchsobjekte von neuen Methoden und Wegen zu
benutzen. Die Stetigkeit war seine eigenste Art. Darum war auch sein Erfolg
der gleich gute. Mit belehrender Wärme nahm er sich der wenig Begabten
an, denn er wusste von diesen, dass sie im Leben bei gutem Willen und
treuer Pflichterfüllung ihren Manns stellen werden. Diese seine festeste
Überzeugung fand er fast immer bestätigt. Darum genoss er die
uneingeschränkte Verehrung aller, die er für den Lehrberuf vorbereitete,
und deren Dankbarkeit wird ihm über das Grab hinaus bleiben. Katzens
Lebensweg führte nicht über Felsen und Klippen. Aus einer
ostpreußischen Kantorenfamilie stammend, wirkten der talmudisch gebildete
fromme Vater und seine ideal veranlagte Mutter frühzeitig auf den empfänglichen
Knaben, der nach mehrjährigem Gymnasiumsbesuch auf der Präparandie und im
Seminar zu Hannover seine Ausbildung erhielt. Nach bestandener erster
Lehrerprüfung blieb er daselbst so lange als Lehrer und
Internatsaufseher, bis ihn Dr. Prager 1888 als Seminarlehrer nach Kassel
berief, welches Amt er bis zur Auflösung der Anstalt im Juli 1920
bekleidete. Die Gemeinde Kassel übertrug ihm die Leitung der
Religionsschule. Mit vollem Recht konnte das Lehrerkollegium der Religionsschule
und der israelitischen Volksschule ihm nachrufen; Hermann Katz war
der pflichttreueste Beamte, der warmherzigste Freund, der selbstloseste,
edelste Mensch, ein Meister der Lehrkunst, ein wahrer Vater seiner Schüler.
Als solcher wird er in den Herzen aller, die ihn kannten, fortleben, und
sein Andenken wird dauernder sein als ein Denkmal von Stein und Erz. 'Er
war ein Lehrer.' Möge ihm die Erde leicht sein!" |
Zum Tod von Dr.
Robert Pähler, Leiter des
Provinzialschulkollegiums
(1926)
Anmerkung: Es handelt sich um den (nichtjüdischen) Provinzialschulrat Dr.
Robert Pähler (1842-1925): 1865 Lehrer am Gymnasium in Bochum, 1868 Rektor
des Progymnasiums in Montabaur, 1874 Gymnasialdirektor in Wiesbaden, 1894
Provinzialschulrat in Kassel, 1904 Direktor des Provinzialschulkollegiums. .
Artikel in der "Jüdisch-liberalen Zeitung" vom
15. Januar 1926: "Kassel. (Der Leiter des
Provinzialschulkollegiums gestorben.) Der langjährige Vorsitzende des
hiesigen Provinzialschulkollegiums, Geh. Provinzialschulrat Dr. R. Pöhler,
ist im 83. Lebensjahre verstorben. Während seiner Amtstätigkeit hat er
sich als Förderer der ihm unterstellten jüdischen Lehranstalten, zu
denen u.a. auch das Philanthropin in Frankfurt am Main gehörte, den Dank
weiter Kreise jüdischen Bekenntnisses erworben." |
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