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im Elsass"
Sélestat / Schlettstadt (Dep. Bas-Rhin
/ Alsace / Unterelsass)
Jüdische Geschichte / Synagogue / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In Schlettstadt haben sich Juden spätestens zu
Anfang des
14. Jahrhunderts niedergelassen. Bei der Judenverfolgung während der Pestzeit
wurde die Gemeinde zerstört. Kaiser Karl IV. überließ der Stadt den Nachlass
der Juden. 1373 gestattete er ihr, wieder Juden aufzunehmen. 1396 werden fünf
jüdische Steuerzahler in der Stadt genannt, 1476 12 Steuerzahler in 6 Familien.
Die Juden lebten überwiegend vom Geldhandel. 1477 und wieder 1490 wurden die
Juden der Stadt vertrieben.
Danach lebten - abgesehen von kurzfristigen
Ansiedlungen im 16. Jahrhundert sowie im Dreißigjährigen Krieg und kurz danach, bis zur Zeit der
Französischen Revolution keine Juden mehr in Schlettstadt. 1652 bis 1672 waren
Matthias Dreyfus und die Familie des Hirz Rheinau (aus
Benfeld) die einzigen in
Schlettstadt lebenden Juden (siehe unten Beitrag von Günter Boll).
Seit etwa 1800 zogen
wieder jüdische Familien in Sélestat zu und gründeten eine neue Gemeinde.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie folgt: 1807 19 jüdische Einwohner, 1846 ca. 180, 1861 272, 1900 373, 1910
248.
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine jüdische Schule
(israelitische Elementarschule/jüdische Volksschule),
ein rituelles Bad und ein Friedhof. Zur
Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt.
Zudem war ein Kantor/Vorbeter in der Gemeinde, der
zugleich als Schochet tätig war. Von den Lehrern wird genannt: bis 1909 Lehrer
Bloch (dann Ruhestand), ab 1909 L. Bloch
(zuvor in Sarre-Union).
1862 wurde das
bis dahin in Muttersholtz bestehende Rabbinat nach Schlettstadt
verlegt. Rabbiner in Schlettstadt waren: Rabbiner Marcus Meier Ulmo
(von 1862 - nach der Verlegung des Rabbinates aus
Muttersholtz - bis 1885, s.u.), Rabbiner Benjamin Wahl
(von 1885 bis 1905 Rabbiner in Schlettstadt, zuletzt Großrabbiner; er weihte
1890 die Synagoge ein, s.u.). Rabbiner Dr. Lucian Uhry (von 1905 bis 1940).
1936 lebten 213 jüdische Personen in Schlettstadt. Vier Jahre später
wurden unter der deutschen Besatzung diejenigen, die bis dahin nicht die Stadt
verlassen hatten, nach Südfrankreich deportiert. Von ihnen sind zahlreiche
Personen umgekommen bzw. ermordet
worden.
Nach 1945 konnte eine neue Gemeinde gegründet werden. 1953 wurden 128
jüdische Personen in der Stadt gezählt. Selestat war wiederum Sitz eines
Rabbinates. Rabbiner waren von 1955 bis 1961 Claude Gensburger (1929-2009), von
1962 bis 1092 (Achel Hadas-Lebel).
Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte des Rabbinates
Zum Tod von Rabbiner Marcus Meier Ulmo (1895 in
Markolsheim, ab 1832 Rabbiner in Muttersholz, ab 1862 in Schlettstadt)
Anmerkung: Rabbiner Marcus Meier Ulmo (geb. 1803 in
Sierentz, gest. 1895 in
Markolsheim): studierte bei Rabbinern in Metz und
Karlsruhe, 1832 nach
Muttersholz
berufen; 1862 Verlegung des Rabbinates nach Sélestat
(Schlettstadt); legte 1885 nach 53-jähriger Tätigkeit als Rabbiner das Amt
nieder und zog zu seiner Tochter nach Hüningen, später nach
Markolsheim. Die
Beerdigung war am 13. Juni 1895 in Sélestat.
Mitteilung
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 28. Juni 1895:
"In Markolsheim (Elsass) ist der Nestor der elsässischen Rabbiner,
M. Ulmo, im 93. Lebensjahr segensreicher Wirksamkeit
gestorben." |
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Artikel
in "Der Israelit" vom 17. Juni 1895: "Markolsheim
(Elsass). Am 11. Juni ist der pensionierte Rabbiner Marcus Ulmo im
Alter von 93 Jahren gestorben. Seine Seele sei eingebunden in den Bund
des Lebens." . |
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Artikel
in "Der Israelit" vom 20. Juni 1895: "Straßburg im Elsass. Zu ihrer
kurzen Notiz über den Tod von Rabbi Meier Ulmo möchte ich mir
erlauben, noch einiges nachzutragen.
Rabbi Meier Ulmo war nicht nur der älteste, sondern wohl auch der
gelehrteste und jedenfalls einer der frömmsten Rabbiner des Elsass. Er hatte
noch das Glück, zu den Füßen der alten großen Gelehrten zu sitzen. Er lernte
in Metz bei dem Verfasser des Me'ore Ha-Esch und in Karlsruhe bei
Rabbi Oscher (= Oberrat und Oberlandrabbiner Ascher Löw, vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Ascher_Löw), dem Sohn des
weltberühmten Schaagat Arye (= Aryeh Loeb Ben Asher, vgl.http://www.jewishencyclopedia.com/articles/1848-aryeh-loeb-ben-asher),
welcher der erste war, der den Titel Oberrat führte. Zuerst war Rabbi
Meir s.A. Rabbiner in Muttersholtz, dann in
Schlettstadt, wo er 53 Jahre wirkte.
Noch jetzt erzählt man dort von seinen zu Herzen gehenden Predigten, die er
in deutscher so gut wie in französischer Sprache halten konnte. Er war
geliebt von Groß und Klein und hochgeachtet von Jedermann; er besaß eine
Feinheit in seinem Wesen, die ihm die Sympathien aller, die mit ihm in
Berührung kamen, im Fluge gewann. Mit 80 Jahren legte er zum Bedauern des
ganzen Bezirkes sein Amt nieder und siedelte zu seiner Tochter in
Hüningen bei Basel, später nach
Markolsheim über. Noch wenige
Monate vor seinem Tode hielt der schon 93-jährige alte Mann eine 3/4stündige
Predigt, die alle Anwesenden zu Tränen rührt. Bis kurz vor seinem Tod hörte
Rabbiner Meir s.A. nicht auf zu lernen und er zeichnete sich bis
zuletzt durch scharfen Verstand und zuverlässiges Gedächtnis aus. Am
Donnerstag den 13. Juni morgens 8 Uhr fand die Beerdigung statt, zu der
trotz der frühen Stunde die Vorsteher der umliegenden Gemeinden,
insbesondere der gesamte Vorstand von
Schlettstadt sich eingefunden hatten. In der Synagoge sprach zuerst der
jetzige Rabbiner in Schlettstadt,
Herr Wahl, einige Worte. Hierauf hielt Herr Rabbiner Dr. Cohn in
Basel einen Hesped (Trauerrede), in welchem
er die Gelehrsamkeit, die Überzeugungstreue und Charakterfestigkeit
hervorhob, mit der Rabbi Meir s.A. an dem überlieferten Judentum
festhielt. An der Leviah (Beisetzung) nahm nicht nur die ganze
jüdische Gemeinde, sondern auch der Bürgermeister und der Stadtrat und viele
Honoratioren teil. Von Rabbiner bemerkten wir die Herren Rabbi Bamberger
von Sennheim, Dr. Wolf -
Colmar, Weil -
Rappoldsweiler und Schüler -
Bollweiler, welcher auf den dem
Beth Hakewarot (Friedhof) in
Schlettstadt einen Hesped (Trauerrede) hielt. Das Andenken von
Rabbi Meir s.A. wird fortleben in den Herzen aller, die ihn kannten.
Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." .
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Zum Tod von Oberrabbiner Benjamin Wahl (1905)
Anmerkung: Rabbiner Benjamin Wahl (geb. 1842 in Reguisheim,
Oberelsass als Sohn des Kaufmanns Emanuel Wahl und seiner Frau Ester; gest. 16.
März 1905 in Sélestat (Schlettstadt): studierte 1861 bis 1867 an der Ècole
rabbinique in Paris; seit 1868 Rabbiner in Soultzmatt,
Oberelsass (ab 1873 zugleich Rabbiner in Hattstatt),
1885 als Nachfolger von Rabbiner Meier Ulmo nach Schlettstadt berufen;
1896 wurde er anlässlich seines 30-jährigen Amtsjubiläums zum Großrabbiner
ernannt.
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 21. April 1905: "In Schlettstadt starb am 16. vorigen
Monats der dortige Rabbiner, Oberrabbiner Wahl. 20 Jahre hat er
daselbst als Rabbiner gewirkt und sich in dieser Zeit durch seinen
geraden, versöhnlichen Charakter große Beliebtheit und die allgemeine
Wertschätzung nicht nur seiner Glaubensgenossen, sondern auch der ganzen
Bevölkerung erworben. Ehre seinem Andenken!" |
Amtseinsetzung von Rabbiner Dr.
Lucian Uhry in Schlettstadt nach seiner Zeit in
Fegersheim (1905)
Anmerkung: Rabbiner Dr. Lucian Uhry (geb. 1872 in
Ingwiller, gest. 1951 in Mulhouse) ließ
sich 1893 bis 1898 am Jüdisch-theologischen Seminar in Breslau ausbilden. 1899
wurde er Rabbiner in Fegersheim, 1905 in
Schlettstadt; 1940 Exil im Limogenes; nach Kriegsende Rückkehr ins Elsass, wo er
dann zum Rabbiner in Mulhouse ernannt wurde. Er war verheiratet mich Blanche
geb. Moch.
Artikel
in der "Israelitischen Wochenschrift" vom 15. September 1905: "Schlettstadt.
Der von Fegersheim hierher
versetzte Rabbiner Uhry wurde am letzten Samstag während des
Hauptgottesdienstes in der aus diesem Anlasse festlich geschmückten Synagoge
feierlich in sein Amt eingeführt. Die Einführung erfolgte im Auftrage des
israelitischen Konsistoriums des Unterelsass durch den Präsidenten der
hiesigen israelitischen Kultusgemeinde Kaufmann Albert Bloch mit einer
entsprechenden Ansprache. Der Rabbiner dankte und hielt darauf seine
Antrittspredigt über die Pflichten eines Rabbiners als Seelsorger. Die Feier
verlief in erhebender Weise. " |
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ein Zuschuss zur Einrichtung einer
jüdischen Schule in Schlettstadt wird noch abgelehnt (Artikel von 1842)
Artikel in "Der Orient" vom 25. Oktober 1842: "Die Christen im Elsass
scheinen sich oft durch ihren Hass allein leiten zu lassen, der dann das
Unglück nur vermehrt und die Möglichkeit der Abhilfe nur weiter hinausschiebt. Die Juden sind das Unglück der Christen, weil der alte Geist des
Unrechts noch in ihnen fortwirkt, diesen aber kann nur Aufklärung und
Erkenntnis besiegen. Nun stehen aber fast überall die Bauerngemeinden diesem
Ziele im Wege, indem sie überall Schwierigkeiten machen, so oft von noch so
geringen Beiträgen für Israelitenschulen die Rede ist. Das Arrondissement
von Schlettstadt sprach sich 1834 direkt gegen jeden Zuschuss zu einem
solchen Zwecke aus und stützte sich auf den Grund, dass die Juden
bereits anfingen, ihre Kinder in die christlichen Schulen zu schicken. Der
Generalrat des Departments erklärte dagegen, dass der Versuch, die Judenkinder in den Gemeinden, in denen nicht die Juden genug zu einer besonderen
Schule sind, in die christlichen Schulen zu schicken, fast überall an dem
Widerstreben der Väter israelitischer Familien und den Vorurteilen der
übrigen Bewohner gescheitert sei. Jüdische Schulen gab es nur in
Mutzig, Tegersheim (?),
Duttlenheim und
Marmoutier und seit
1836 auch eine in Westhofen. Deswegen setzte der Generalrat 1834 800
Fr.
aus, um den christlichen Lehrern es zu erleichtern, den Judenkindern
besondere Unterrichtsstunden zu gestatten. 1834 verstanden sich dazu 18
Gemeindelehrer, deren Zahl 1836, da die Summe auf 1500 Fr. erhoben wurde,
auf 22 stieg. Im Jahre 1839 wurde diese Summe wieder auf 1000 Fr.
herabgesetzt und weil ein paar Inspecteurs-Adoints des écoles du département
anzustellen waren. Ob dieser notwendiger
als der Unterricht der Juden, weiß ich nicht, durch begreife ich's sehr.
Jene
22 Gemeinden und jene fünf Judenschulen sind also die einzigen, in denen in
größerem Umfang für den ersten Unterricht der Juden gesorgt wird. In allen
anderen Gemeinden, deren Zahl sich auf 100 und mehr beläuft, ist derselbe
total vernachlässigt und diese Vernachlässigung selbst ist dann wieder
Ursache, dass der Jude des Elsass es wie der Bauer hinter seiner Zeit zurücksteht. Wie notwendig aber hier für
Beide Abhilfe, nach den obigen
Tatsachen noch näher darzustellen, hieße an dem gesunden Menschenverstand
derer, die da Augen zum Sehen und Ohren zum Hören haben, verzweifeln." |
Versetzung des Lehrers L. Bloch nach
Schlettstadt (Selestat) (1909)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. Mai 1909:
"Schlettstadt, 6. Mai (1909). An die israelitische Schule dahier ist
Herr Lehrer Bloch aus Saar-Union versetzt worden. Herr Bloch leitet seit
19 Jahren die dortige jüdische Elementarschule." |
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Artikel
in "Frankfurter Israelitisches Familienblatt" vom 14. Mai 1909: "Schlettstadt
im Elsass. Der seit langen Jahren hier amtierende Lehrer Bloch
tritt mit dem 15. Mai in den wohlverdienten Ruhestand. Zu seinem Nachfolger
wurde Herr L. Bloch in Saar-Union
ernannt. Die jüdische Schule unserer Stadt weist zwar eine geringe
Schülerzahl auf, was im allgemeinen in sämtlichen Orten unseres Landes von
den jüdischen Elementarschulen konstatiert werden kann; dennoch ist die
Stelle eine sehr gute, weil das städtische Gehalt der Lehrer eine nette
Skala aufweist. " |
Zur Diskussion um die Auflösung
jüdischer Volksschulen, u.a. in Schlettstadt (1909)
Artikel
in "Der Gemeindebote" vom 27. August 1909: "Straßburg,
18. August. In der letzten Zeit hat es den Anschein, als ob man es darauf
abgesehen hätte, die bestehenden jüdischen Elementarschulen des Landes nach
und nach verschwinden zu lassen. Die Gemeinderatsbeschlüsse betreffend der
Aufhebung der jüdischen Schulen mehren sich, ohne dass irgendwie Anstalten
getroffen werden, an anderen Orten lebensfähige Schulen als Ersatz
einzurichten. Bis jetzt ist es noch - allerdings mit großer Mühe - gelungen,
die gefährdeten Schulen in Schlettstadt,
Müttersholz und
Niederbronn zu erhalten.
Nebenbei möge hier bemerkt sein, dass die Erhaltung der jüdischen Schule in
Niederbronn hauptsächlich
dem energischen Auftreten des dortigen katholischen Pfarrers zu verdanken
sein soll. Über kurz oder lang wird jedoch in genannten Gemeinden die
Katastrophe eintreten, und andere, wo die Kinderzahl auf ein Minimum
herabgesunken ist, werden folgen. Unbegreiflich erscheint jedoch die
Tatsache, dass man es selbst in Gemeinden wie in
Winz(en)heim bei Colmar, wo die
Kinderzahl noch 30 beträgt und reichlicher Nachwuchs vorhanden ist, wagt, im
Gemeinderat die Auflösung der jüdischen Elementarschule zu beschließen. Wo
in Elsass-Lothringen ist es jemals vorgekommen, dass auch nur der Gedanke
aufkam, eine christliche Schule mit 30 Schülern eingehen zu lassen? Das
Zustandekommen dieses Beschlusses gewinnt erst dann an Interesse, wenn wir
verraten, dass von den drei Vertretern der jüdischen Angelegenheiten im
Gemeinderat zwei für Auflösung der jüdischen Schule stimmten, während der
dritte bei der Abstimmung durch Abwesenheit glänzte. Die Wiederherstellung
der früheren Zustände, d.h. Wiederanstellung eines jüdischen Klassenlehrers
an den christlichen Schulen, dem dann vielleicht außer Religion an die
jüdischen Kinder noch einige technische Fächer, wie Turnen, Zeichnen,
Schreiben usw. übertragen werden, ist keineswegs ein Ersatz für den Verlust,
den die jüdische Gemeinde durch Preisgabe ihrer Konfessionsschule erleidet,
da dadurch die hiesigen Schulen ihren christlichen Charakter absolut nicht
einbüßen und von Simultanschulen also auch dann nicht die Rede sein kann.
Bei der geringsten Abnahme der jüdischen Schüler könnte auch der jüdische
Lehrer ganz verschwinden. Es wird also Sache der Kultusverwaltung und des
Konsistoriums des Oberelsass sein, unverzüglich an maßgebender Stelle die
nötigen Schritte zu tun, um das selbst zu veranlassen, dass der in
Winz(en)heim gefasste
Gemeinderatsbeschluss betreffend Aufhebung der jüdischen Schule höheren
Ortes nicht genehmigt werde." |
Zur Geschichte der Synagoge
Die mittelalterliche, vermutlich am Ende des 14.
Jahrhunderts erbaute Synagoge ("Judenschule") lag im Bereich
der "Judenstraße". Nach der Vertreibung der Juden 1470 baute die
Stadt an ihrer Stelle damals das neue Kaufhaus.
Die nach 1800 zugezogenen Juden haben 1836 zunächst einen Betsaal
eingerichtet. 1890 wurde nach Plänen des städtischen Architekten
Alexander Stamm am Platz des Hauses mit dem bisherigen Betsaal eine Synagoge
erbaut.
Berichte zum Bau und zur Einweihung der Synagoge 1888-1890
Berechnung der Baukosten für die neue Synagoge (1888).
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 23. August 1888: "Schlettstadt (Unter-Elsaß),
im August (1888). Die Tatsachen erweisen, dass die deutsche Regierung in
dem Reichslande in konfessioneller Beziehung ganz nach der liberalen Weise
verfährt, wie es in den französischen Gesetzen vorgeschrieben war. Am
hiesigen Orte will die jüdische Gemeinde eine neue Synagoge auf dem Platz
erreichten, welchen die alte einnimmt. Die Kosten sind auf etwa 64.000
Mark veranschlagt. Die Regierung hat der Gemeinde zu diesem Baue 15.000
Mark und die Ortsgemeinde 16.000 Mark bewilligt, zusammen also beinahe die
Hälfte der Baukosten". |
Beschluss zum Neubau der
Synagoge - Unterstützung durch den Gemeinderat (1887)
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. August 1887: "Unter-Elsass, 24. Juli
(1887). Der Gemeinderat zu Schlettstadt beschloss in einer seiner
letzteren Sitzungen, für den Neubau der Synagoge eine Beisteuer von
16.000 Mark zu gewähren. Nach Fertigstellung und Abnahme des Baues soll
diese Summe in 10 Raten unverzinslich an die israelitische Gemeinde
ausbezahlt werden." |
Die Einweihung der Synagoge Anfang September 1890
Artikel in
der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 19. September 1890: "Schlettstadt im Elsass, 8. September (1890). Anlässlich der
Einweihung der Synagoge fand ein Bankett statt, bei welchem der Bezirkspräsident,
Herr von Freyberg folgende Ansprache hielt: ‚Während Geist und Gemüt
noch erfüllt sind von den Eindrücken der frommen Feier, der wir heute
beigewohnt haben, so erachten wir es doch nicht für ausgeschlossen, dass
wir nun auch froher Geselligkeit Raum geben. Der allgütige Schöpfer hat
uns ja diese sonnige Erde angewiesen, auf dass wir einträchtig darauf
wohnen und ihre Gaben im Frieden genießen. Freilich sind wir noch weit
entfernt von diesem idealen Zustand. Es sind im einzelnen Menschen, so
auch in den Massen, Strömungen und Triebe lebendig, die sich dem
entgegenstellen. Von jeher haben Hass und Eigennutz die Individuen unter
sich, die Völker gegeneinander in Zwiespalt versetzt. Allein das ist
gerade die sittliche Aufgabe, die dem Menschen gesetzt ist, dass er durch
die Kraft des Glaubens und Willens sich und der Mitwelt den Frieden erkämpfe.
Darin besteht eine Hauptaufgabe jeder Religionsform. Und wir Christen
geben unseren israelitischen Mitbürgern gerne das Zeugnis, dass sie in
Bezug auf Gottesfurcht, gesetzlichen Sinn und Barmherzigkeit keinem
anderen Bekenntnisse nachstehen. Aber der Einzelne, und sei er noch so mächtig
und einflussreich, ist für sich allein nicht imstande, der Gesellschaft
Duldung und Eintracht zu gebieten. Es muss der Zug der Zeit, es müssen
die öffentlichen Zustände diesem Streben entgegenkommen. Freuen wir uns
nun, dass wir einer Epoche und einem Staatswesen angehören, in denen sich
dem einträchtigen Zusammenleben der verschiedenen Bekenntnisse keine
starren Schranken mehr entgegensetzen. Jetzt umfasst uns Alle ein
gemeinsames großes Vaterland; eine starke Staatsgewalt, deren Wahlspruch
ist: ‚Liebet die Brüder’, schützt Freiheit und Recht. Ein junger,
gottesfürchtiger Fürst, den die Vorsehung mit den seltensten Gaben und
Herrschertugenden ausgestattet hat, verkörpert in sich und belebt alle
guten Kräfte der Nation. Freuen wir uns, sage ich, dass es uns vergönnt
sei, in dieser Zeit, in diesem Lande, unter diesem Kaiser zu leben und zu
wirken. Lassen Sie uns diesem frohen Bewusstsein Ausdruck geben, indem wir
unserem Allergnädigsten Herrn und Kaiser unsere laute Huldigung
darbringen: Kaiser Wilhelm II. lebe hoch!’. – Unter den Gästen befand
sich auch der protestantische Pfarrer Zwilling, welcher ein Hoch auf die
Duldsamkeit der einzelnen Religionsgemeinschaften ausbrachte." |
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Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. September 1890:
ähnlicher Bericht wie oben. |
Kritische Anmerkung zur ersten
"Orgelsynagoge" im Unter-Elsaß - aus orthodoxer Sicht
Artikel in
der orthodox-jüdischen Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. Oktober 1890: "Aus
dem Unter-Elsass. Während im Ober-Elsass noch keine einzige
Orgel-Synagoge existiert, ersteht im Unter-Elsass äußerst selten eine
neue Synagoge ohne Orgeleinrichtung, selbst in den Synagogen des
Unter-Elsass, in welchen diese Reformeinrichtung fehlt, fehlt sie großenteils
nicht aus religiösen Gründen, sondern nur der großen Ausgaben wegen,
die ein Orgelgottesdienst beansprucht. Würde der Staat diese Ausgaben
bestreiten, so gäbe es gewiss wenige Synagogen ohne Orgel. Und warum denn
nicht? Die Gebräuche der
Nichtjuden, die Entheiligung des Schabbat und des Jom Kippur…
Weglassung der meisten Piutim,
die man nicht versteht, sind so nach hiesigen Begriffen keine Sünden –
und so ist in Schlettstadt in aller Stille, ohne Zank und ohne Hader eine
neue Orgelsynagoge erstanden, die am 3. September durch den neu ernannten
Straßburger Oberrabbiner eingeweiht worden ist. Diese neue Synagoge
erhebt sich an der Stelle welche die alte Synagoge einnahm, an der
breitesten Straße der Stadt, dem Neuen Weg. Ausgeführt wurde der Bau
durch das Zusammenwirken dreier Faktoren – Staat, Stadt und
israelitische Gemeinde, innerhalb eines Jahres. Der Bau selbst zeigt die
Gestalt eines Kubus, dessen Dach durch eine Kuppel gekrönt wird. Die Türe
und Fenster sind prächtig geschmückt, und der innere Raum desselben ist
geschmackvoll ausgestattet." |
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Artikel in der
Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. Dezember 1890: "Diemeringen
(Elsass). Die in dieser geschätzten Zeitung kürzlich bei Gelegenheit des
Berichts über die Synagogen-Einweihung in Schlettstadt erwähnte
Tatsache, dass bereits an manchen Orten des Unter-Elsaß, im Gegensatz zu
den Synagogen im Ober-Elsass, der Gottesdienst durch die Einführung des
Orgelspiels seines jüdischen Charakters entkleidet worden ist, beruht
leider allzusehr auf voller Notorietät (sc. Informiertheit). Die
Torheit des reformistischen Gedankens, durch die Nachäffung eines anderen
Kultus eine Verbesserung des jüdischen Gottesdienstes herbeizuführen,
hat auch hier bei unwissenden und in Bezug auf das jüdische Pflichtleben
einflussreichen Personen Anklang gefunden. Gibt es etwas Widersinnigeres
als die Vorstellung, den Gottesdienst verbessern zu können durch eine von
dem Religionsgesetze verpönte Handlung! Als ob man sich des göttlichen
Wohlgefallens und Segens würdiger machen könnte, wenn man in demselben
Augenblicke, wo man sich im Gebet zu Gott wendet, sein heiliges Gesetz
missachtet! -
Aber auch ohnehin ist es eine durchaus irrige Annahme, dass durch
Orgelklang und Frauengesang die Andacht gehoben und der Synagoge eine
größere Anziehungskraft auf die Gemeindemitglieder für die Dauer
verliehen werden könnte. Die unheimliche Leere, welche an vielen Orten
aus den Reform-Synagogen dem Eintretenden entgegenstarrt, ist ein
unwiderlegbarer Beweis für diese Behauptung. Einen anderen Beleg für
dieselbe bietet auch unsere Gemeinde (sc. Diemeringen).
Hier war man im Jahre 1868 ebenfalls
so töricht, die Modenarrheit mitzumachen. Als damals, Dank der
Opferwilligkeit der Gemeinde, ein neues Gotteshaus hier errichtet worden
war, setzten die Neuerungssüchtigen trotz der Missbilligung unseres
derzeitigen Bezirksrabbiners in Saar-Union,
Herrn Joseph Levy - das Andenken an den Gerechten ist zum Segen -, ihren
Willen durch und bewirkten die Anschaffung eines Harmoniums und die
Errichtung eines Frauenchors.
Der Anregung unseres gegenwärtigen Herrn Bezirksrabbiners Gongenheimer (sc.
falsch für: Rabbiner Isaac Guggenheim, von 1879/80 bis 1918 Rabbiner in
Saar-Union) ist es aber gelungen, eine richtigere Schätzung des religiösen
Erfordernisses zu bewirken, während andererseits auch bereits jene
religionswidrige Neuerung den Reiz der Neuheit eingebüßt hatte und man
sich größtenteils von derselben - ennuyiert fand. So ist nunmehr Gottlob
die Orgel aus dem Gotteshause wieder entfernt worden, während der
Frauenchor sich aufgelöst hat. - Ich bin überzeugt, dass an vielen Orten
eine solche Reform der Reform sehr gern ebenfalls gesehen würde, wenn man
sich - nicht schämte, den begangenen Fehler einzugestehen und wieder gut
zu machen.
Uns ist nur geholfen durch bessere Erkenntnis unserer heiligen Religion,
nicht aber durch den albernen Firlefanz der Reform."
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Hoher Besuch in der Synagoge durch den Kaiserlichen
Statthalter Fürst Hohenlohe-Langenburg (1895)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Januar 1896:
"Schlettstadt im Elsass, 22. Dezember (1895). Der Kaiserliche
Statthalter, Fürst Hohenlohe-Langenburg, der gestern, am Heiligen
Schabbat Paraschat Wajidasch (Schabbat mit der Toralesung wajigasch
= 1. Mose 44,18 - 47,27, das was Schabbat, 21. Dezember 1895) mit dem Schnellzug
12 Uhr 16 Minuten hier in unserer hübschen unterelsässischen Kreisstadt
eintraf, dem von allen Seiten ein wahrhaft begeisterter Empfang zuteil
wurde, unterließ es auch hier nicht, trotz seines hier nur fünfstündigen
Aufenthaltes, unserer ihm zur Ehre von innen und außen mit Tannengrün,
Fahnen und Girlanden auf das Schönste dekorierten Synagoge einen zehn
Minuten langen Besuch in Begleitung des Herrn Bezirkspräsidenten von
Freyberg, Staatssekretär von Puttkammer, Unterstaatssekretär Zorn von
Bulach, Grafen von Zeppelin und Major von Grote, abzustatten. Am Eingang
der Synagoge, wo der Rabbiner, Herr Wahl (Rabbiner Benjamin Wahl, s.u.)
und die Synagogenverwaltung den
Fürsten empfingen, hielt zuerst der Rabbiner eine Begrüßungsansprache,
die mit den Worten: 'Gesegnet bist du bei deinem Eingang und gesegnet
bist du bei deinem Ausgang' begann, und in welcher er für den hohen
Besuch in seinem Namen, wie in dem aller zu seinem Rabbinate gehörenden
Gemeinden den tief untertänigsten Dank aussprach. Nachdem seine Durchlaucht
mit warmen Worten für die Begrüßung gedankt hatte, hieß ihn der
Synagogenvorsteher, Herr Schreiber im Namen der Synagogenverwaltung
willkommen und dankte ihm nachträglich für den Betrag, den die
elsässische Regierung und der Landesausschuss zum Neubau der Synagoge
bewilligt haben. Alsdann begaben sich der Fürst mit Begleitung unter
Vorantritt des Rabbiners und der Synagogenverwaltung vor den Toraschrein,
um einen vortrefflich gelungenen Vortrag eines Psalms und eines deutschen
Liedes im Chor unter Leitung des Kantors Strauß huldvoll entgegen
zu nehmen. Der Fürst sprach sich über die Zeremonie sehr lobend
aus." |
In der NS-Zeit wurde die Synagoge
geplündert und teilweise zerstört.
Nach 1945 wurde die Synagoge - ohne ihre ursprüngliche Kuppel -
renoviert.
Adresse der Synagoge: 4, rue Ste Barbe - entre la place Vanolles et la rue Ste
Barbe.
Französischer Hinweis des Verkehrsamtes
Selestat zur Synagoge und zum Besuch:
Construite à la fin du XIXe siècle par les architectes Jacques Alexandre Stamm et Antoine Ringeisen, la synagogue de Sélestat présente un style d'inspiration romano-byzantin. Edifice de plan centré, la synagogue possède des lignes simples et
harmonieuses. A l'extérieur, le grès et la brique se complètent subtilement tandis qu'à l'intérieur, tout n'est que calme et
recueillement.
Les visites sont suspendues pendant les offices religieux.
Visite sur demande au 03 88 58 87 20 ou Ecrire un mail. |
Fotos
Historische Fotos / Abbildungen
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1916 gelaufene
Ansichtskarte |
Ausschnittvergrößerung:
die
Synagoge |
Links auf der Karte: die
"Bank Simon Levy" |
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Nicht gelaufene Ansichtskarte
um 1900 |
Ausschnittvergrößerung:
die Synagoge |
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Panoramaansicht der Stadt,
links die Synagoge; Quelle |
Ähnlicher Ausschnitt
wie links |
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Weitere
Ansichtskarten mit der Synagoge |
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Fotos Mitte der 1980er-Jahre
(Fotos: Hahn, aufgenommen 1987) |
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Die nach 1945
wieder - ohne die ursprüngliche Kuppel - restaurierte Synagoge |
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Inschrift über dem Eingang:
"Die ist das Tor
zum Herrn, Gerechte ziehen durch es hinein"
(Psalm 188,20) |
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Fotos von 2007
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 3.6.2007) |
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Ansichten
ähnlich wie oben |
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Links und Literatur
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