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im Elsass"
Sierentz
(Sierenz, Dep. Haut-Rhin / Alsace / Oberelsass)
Jüdische Geschichte / Synagogue / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In Sierentz bestand eine jüdische Gemeinde bis 1940.
Ihre Entstehung geht in die Zeit des 17. Jahrhunderts zurück. 1689 wurden drei
jüdische Familien am Ort gezählt. Im 18. Jahrhundert nahm die Zahl zu von zehn
jüdischen Familien (1716( auf 41 Familien (1766) bzw. 43 Familien (1784) mit
zusammen 217 Personen
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1808 256 jüdische Einwohner, 1849 312, 1861 248, 1900 95.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge
(s.u.), eine jüdische Schule, zeitweise (noch in der ersten Hälfte des 19.
Jahrhunderts) eine bedeutende Jeschiwa und ein rituelles Bad. Die Toten der
Gemeinde wurden auf dem jüdischen Friedhof in
Hegenheim beigesetzt. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein
Lehrer angestellt, der auch als Vorbeter und Schochet tätig war. Die Gemeinde
hatte bis 1909 einen eigenen Rabbiner. Unter den Rabbinern des 19./20.
Jahrhunderts sind zu nennen: Rabbiner Marcel Meyer Nathan Hirsch (Rabbiner
von 1849 bis 1889), Rabbiner Henri Levy (Rabbiner von 1900 bis 1909). Die Toten der Gemeinde wurde auf dem jüdischen
Friedhof in Hegenheim beigesetzt.
Bereits seit der Mitte des 19. Jahrhunderts war die Zahl der jüdischen
Gemeindeglieder stark zurückgegangen. Dieser Prozess setzte sich in den ersten
Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts fort. 1936 wurden noch 33 jüdische
Einwohner gezählt.
Die letzten jüdischen Einwohner von Sierentz, die die Stadt bis 1940 nicht
verlassen konnten, wurden in diesem Jahr unter der deutschen Besatzung nach Südfrankreich
deportiert.
Von den in Sierentz geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem): Léon Ginsburger (1876), Benoit Goldschmidt (1868),
Berthe Grumbach (1878), Marcel (Marx) Levy (1872), Rosa Lion (1883), Heinrich Rein
(1908), Salomon Rein (1884), Berthe Ullmann (), Georgette Ulmann (1899).
Das Foto links zeigt das Denkmal im jüdischen
Friedhof in Hegenheim.
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte des Rabbinates
Zum Tod von Rabbiner Nathan Hirsch (1889)
Anmerkung: Rabbiner Marcel Meyer Nathan Hirsch (geb. 1797 in
Haguenau, gest. 1889 in Sierentz) studierte in Frankfurt am Main und wurde 1828
als Rabbiner nach Dieuze berufen; anschließend war er von 1849 bis 1889 40
Jahre lang als Rabbiner in Sierentz tätig. Er wurde im Friedhof in Hegenheim
beigesetzt.
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. November 1889: "Mühlhausen
(Ober-Elsass), 20. November (1889). Heute haben wir den ältesten Rabbiner
des Elsass zu Grabe getragen. Herr Rabbiner Nathan Hirsch in Sierenz ist
am Dienstag, den 19. November in dem hohen Alter von 92 Jahren aus diesem
Leben geschieden. Nachdem er früher in Frankreich amtiert hatte, kam er
vor nunmehr 50 Jahren (sc. 40) nach Sierenz, wo damals eine ansehnliche Gemeinde
bestand mit einer Jeschiwa, die
von weit und breit Schüler herbeizog. Zu jener Zeit war das Elsass ein
Land voller Frömmigkeit, wo das Torastudium in höchster Blüte stand.
Mit Schmerz musste er der Verstorbene, der stets als orthodoxer Rabbiner
gewirkt hat, erleben, wie allmählich das Judentum das Elsass in Verfall
geriet und unter anderem auch die Jeschiwa, die seiner Gemeinde zu höchster
Zierde gereicht hatte, aufhörte. So viel an ihm lag, tat er um dem
Verderben lindernd in den Weg zu treten. Bis zuletzt bewahrte er sich
Frische des Geistes, und ein gütiges Geschick erhielt ihm auch die Rüstigkeit
des Körpers. Noch wenige Tage vor seinem Tode vollzog er in einem
benachbarten Dorfe, welches zu seinem Sprengel gehörte, eine Trauung. Er
hatte letzthin verfügt, dass alle Rabbiner des Ober-Elsass zu seiner
Beerdigung eingeladen werden sollten. Neun von ihnen waren dem an sie
ergangenen Rufe gefolgt, der grand
rabbin von Colmar, Weil, die Herren Moock – Mühlhausen, Schüler
– Bollweiler, Wormser – Tann, Weil – Rappoltsweiler, Spiegel –
Blotzheim, Levy – Altkirch, Dr. Lerner – Winzenheim, Aschkenaze –
Niedersept. Außerdem hatte einer Einladung des Vorstandes Herr Dr. Cohn,
Rabbiner von Basel, Folge geleistet. Um 10 Uhr begann die Trauerfeier. Von
der allgemeinen Beliebtheit des Verstorbenen zeugte die außerordentlich
große Teilnahme bei der Beerdigung. Alle Einwohner des Dorfes, Juden wie
Christen, unter ihnen sogar die beiden christlichen Geistlichen folgten
der Bahre, welche in die dichtgefüllte Synagoge getragen wurde. Hier
sprachen die Rabbiner von Colmar, Mühlhausen und Tann Worte der Klage um
den Dahingegangenen und der Ermahnung an die Gemeinde. Inzwischen war die
Mittagsstunde herangerückt und nach nichtjüdischer Art war in dem jüdischen
Wirtshause des Dorfes eine große Mahlzeit für die Fremden hergerichtet,
die meisten hierdurch von der Begleitung des Leichenzuges sich abhalten
ließen; ohne an das alte Wort des Weisen zu denken: ‚Besser als zum
Gastmahl, ist es, zum Trauernden zu gehen’. Nur die Rabbiner von Bollweiler, Basel und Winzenheim begleiteten den Toten
bis zum Friedhof in Hegenheim und erwiesen so die letzte Ehre einem der ganz
Wenigen, die in unserem Lande die Krone der Tora getragen haben. Die drei
Rabbiner hielten auf dem Friedhofe ergreifende Ansprachen, die ihre
Wirkung auf die zahlreiche Zuhörerschaft nicht verfehlten." |
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Weiterer Bericht von der
Beerdigung für Rabbiner Hirsch (1889) |
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Dezember 1889: "Uffheim, 1.
Dezember (1889). Bezüglich des Artikels Mülhausen in Nr. 93 Ihres geschätzten
Blattes sei mir gestattet einiges beizufügen beziehungsweise zu
berichtigen. Da ich an der Trauerfeier
des hochseligen Rabbiners – er
ruhe in Frieden – von Anfang bis zu Ende teilgenommen und nebst
diesem mit ihm selbst während der Dauer seiner Amtsverwaltung in Sierenz
(zu dessen Sprengel auch die beiden Gemeinden Uffheim und Kembs gehörten),
sehr oft in freundschaftlichen Beziehungen gestanden, halte ich dieses für
eine Pflicht. Nicht nur die Gemeinde Sierentz, sondern auch die ganze
israelitische Gemeinde Uffheim, sowie der Vorstand von Kembs waren gegenwärtig.
Die Trauerreden der drei genannten Rabbinen währten bis Mittag, wo
alsdann die Trauerfeier bis zu
Ende des Ortes statthatte, worauf die Leiche nach dem 2 ½ Stunden
entfernten Friedhof der heiligen
Gemeinde Hegenheim geführt wurde. Fast sämtliche israelitischen
Sierenzer Gemeindemitglieder, sowie die Mitglieder des israelitischen
Vorstandes von Uffheim begleiteten den teuren Verblichenen nach seiner
letzten Ruhestätte. Von seinen beiden Söhnen war es nur dem
Erstgeborenen vergönnt, seinem geliebten Vater die letzte Ehre erweisen
zu können, da der jüngere zur Zeit in dem weit entfernten heiligen Lande
weilt. So wie Ihr Berichterstatter schreibt, hielten die drei Rabbiner von
Bollweiler, Basel und Winzenheim ergreifende Ansprachen, wobei jedoch
anzumerken, dass auch der Rabbiner Dr. Aschkenasi daselbst auf dem
Friedhof gesprochen. Besonders hervorgehoben zu werden verdienen die Worte
des Rabbiners Dr. Cohn, Basel, der die traurigen Zustände des religiösen
Verfalls im Allgemeinen berührte, besonders aber versuchte er den tief
ergreifenden Kontrast von früher und jetzt zu schildern, als in unserem
Elsass ehemals noch viele Jeschiwot
(Talmudhochschulen) und speziell in Sierenz eine bestanden, wo Tag und
Nacht gelernt und gelehrt worden, welches jetzt leider Alles aufgehört
hat. Schließlich rief der der Gemeinde Sierenz zu, ihr Mögliches
anzuwenden, dass der dortige Rabbinatssitz baldigst wieder würdig besetzt
werde, nicht aber den vielen Gemeinden nachzuahmen, die im Elsass einer
bedauernswürdigen Lässigkeit in dieser Hinsicht sich schuldig machen. Möchten
die Worte dieses würdigen Seelsorgers nicht in unfruchtbarem Boden gesät
worden sein. – Die Beerdigung war erst um 4 Uhr nachmittags beendigt.
Der verewigte Rabbiner Marcel Hirsch – das Andenken an den Gerechten ist
zum Segen – geboren im Januar 1797, machte sein talmudisches Studium in
Frankfurt am Main. Er wurde zuerst in Dieuze in Lothringen als Rabbiner
aufgenommen. Als 1849 der Rabbinatssitz in Sierenz mit den Gemeinden
Uffheim und Kembs vakant geworden, wurde er als Nachfolger des am
6. Nissan 5607 (= 23. März 1847) daselbst
verewigten Rabbiners Josua Sohn des Rabbiners Borech Wahl (Wohl
?) zum Lehrer erwählt.
Geboren war er zu Hagenau (Unter-Elsass), 40 Jahre also versah er das
Rabbineramt in Sierenz. Er war ein Tiefgelehrter Talmudist, der sich auch
profane Kenntnisse anzueignen gewusst; bei einer vom Gesetz gebotenen
Versammlung war er stets ein sehr angenehmer Gesellschafter, welches
Talent er sich bis zum spätesten Greisenalter bewahrte; sein Gang war
niemals der eines Hochbetagten, man glaubte immer einen jungen Mann vor
sich zu sehen. Er hinterließ zwei Söhne. Beide sind wissenschaftlich
gebildete Männer; Emil, der ältere hatte das Seminar
Israelite in Paris frequentiert, und der jüngere Samuel, verwaltet
das Amt des Direktors der israelitischen Ackerbauschule zu Jaffa (Palästina).
Auch hinterließ er vier verheiratete Töchter, von welchen zwei leider
sein einigen Jahren Witwen sind;
seine Frau ist ihm vor 18 Jahren schon ins Jenseits voraus gegangen. Möge
der Allgütige dieser trauernden Familie in ihrer tiefen Betrübnis seinen
heiligen Trost nicht versagen. Seine
Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
Zum Tod von Rabbiner Henry (Naphtali) Levy (1909)
Anmerkung: Rabbiner Henri Lévy (auch Naphtali Lévy) stammte ais Sierentz:
war um 1895 als Rabbiner in Blotzheim
tätig, 1900 bis 1909 als Rabbiner in Sierentz, von wo aus der auch das Rabbinat
von Blotzheim verwaltete. Er wurde nach seinem Tod am 13. Oktober 1909 im
Friedhof in Hegenheim beigesetzt.
Bericht in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. Oktober 1909: "Basel, 15.
Oktober (1909). Am 13. Oktober starb im hiesigen jüdischen Spital nach
langem und schwerem, mit unendlicher Geduld ertragenen leiden, Rabbiner H.
Levy von Sierenz. Wehmut ergreift den Schreiber dieser Zeilen bei der
Abfassung der Berichts, dass soviel geistige, moralische und sittliche Schönheit
so früh von der Welt genommen wurde, dass dieser mit seltenen Gaben des
Verstandes und Charakters ausgezeichnete Mann, nur 33 Jahre alt geworden
ist. Der Verstorbene, von seinem in Oberehnheim lebenden Vater frühzeitig
dem Lernen zugeführt, verband mit großer Begabung Fleiß und Regsamkeit,
sodass er unter seinen Mitschülern stets einer der ersten war. Er wäre
groß geworden in der Wissenschaft. Da überfiel ihn im Jünglingsalter
eine tückische Lungenkrankheit, die langsam das Mark seines Lebens
aufzehrte und den Flug seines Geistes lähmte. Seiner unermüdlichen Zähigkeit
ist es zuzuschreiben, dass er, das Liebling aller seiner Lehrer, seine
Studien vollenden und seine Examina absolvieren konnte. Vom Konsistorium
von Oberelsass wurde er auf den lange verwaisten Rabbinatssitz in Sierenz
berufen. Für den Rabbinatsberuf brachte er außer den Kenntnissen in der
heiligen Tora, seiner umfassenden allgemeinen wissenschaftlichen Bildung,
seiner feurigen Liebe und Begeisterung für die heilige Religion der Väter,
seiner aufrichtigen und wahren in Leiden erprobten Herzensfrömmigkeit,
eine Liebenswürdigkeit des Wesens mit, einen Chen,
der ihm die Herzen aller Menschen zuwandte, und alle, die ihn kannten,
zwang, ihn zu lieben. Obwohl durch seine Krankheit geschwächt, widmete er
alle seine Kräfte seinem Rabbinatsbezirk. Am Sabbatnachmittag hielt er
Vorträge für die reifere Jugend, für die Chasonim
(Vorbeter) und Schochtim (Schächter)
des Bezirkes hielt er Fortbildungskurse ab. Doch immer schwerer wurde sein
Leiden und immer näher senkten sich die Schatten des Todes auf ihn herab.
Die letzten sechs Monate seines Lebens verbrachte er im jüdischen Spital
in Basel, wo er sich aufmerksamster und liebevollster Pflege und Abwartung
erfreute. Er nannte diesen Aufenthalt selbst den letzten Sonnenblick in
seinem Dasein. Über seinen Zustand machte er sich keine Illusionen, und
mit einer Resignation, die dem Zuhörenden ins Herz schnitt, konnte er
selbst über sein nahes Ende scherzen. Nur eines bedauerte er, dass er
nicht mehr für das Judentum, für die Tora und die Gebote habe wirken können.
Dabei blieb er geistig rege bis in seine letzten Lebenstage hinein und
nahm an allen jüdisch-wissenschaftlichen Fragen lebhaften Anteil. Noch
den ersten Abend des Suckaus-Festes
(Laubhüttenfest) saß er in der Sucko
(Laubhütte) des israelitischen Waisenhauses. Am nächsten Tage warf ihn
die Krankheit auf das Lager, von dem er sich nicht mehr erheben sollte.
Seine Beerdigung am Freitag, gestaltete sich zu einem überwältigenden
Zeugnis der Liebe und Verehrung, welche der Verstorbene genossen. Das
Konsistorium des Oberelsass war durch die Herren Bloch und Armand Bernheim
vertreten, aus den Gemeinden Sierenz, Uffheim, Blotzheim und Kembs war
gekommen, was kommen konnte, und wenn es nicht Freitag gewesen wäre, hätten
von den Rabbinern des Elsass wohl nur wenige gefehlt. In der Halle des jüdischen
Friedhofs in Basel sprach zuerst Herr Rabbiner Dr. Cohn, selbst tief
ergriffen, Worte des Abschieds und stimmte die Klage an ‚um den
bescheidenen, den Frommen, der ein Schüler Abrahams gewesen.’ Dann
hielt Herr Rabbiner Dr. Staripolsky von Zabern, welcher der Lehrer des
Verstorbenen gewesen, seinem Schüler, den er wie ein Vater geliebt hatte,
einen erschütternden Nachruf. Zuletzt sprach Herr Rabbiner Dr. A Bloch
von Oberehnheim als Präsident des elsässischen Rabbinerverbandes Worte
der Trauer um den verstorbenen Freund. Dann setzte sich der Leichenzug
nach Hegenheim in Bewegung, wo der Verstorbene in der Reihe der Rabbiner
seine letzte Ruhestätte fand.
Hier hielt zunächst Herr Rabbiner Dr. S. Schüler von St. Ludwig, ein
Freund und Studiengenosse des Verstorbenen, einen tief empfundenen und
ergreifenden Nachruf. Dann sprach Herr Rabbiner Dr. Marx aus Westhofen als
Freund herzliche Worte des Abschieds. Am offenen Grab sprach noch Herr
Rabbiner Dr. Mayer von
Thann. Dem Leichenbegängnisse wohnten außerdem noch bei die Rabbiner Dr.
Dreyfuß – Dürmenach, Dr. Auscher – Altkirch, Dr. Guggenheim –
Quatzenheim, Dr. Bloch – Sulz u.W. und Dr. Ury – Schlettstadt.
Seine Seele sei eingebunden
in den Bund des Lebens." |
Aus dem jüdischen Gemeinde- und
Vereinsleben
Streit in der jüdischen Gemeinde (1876)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. Juli 1876: "Uffheim
(Elsass), 13. Juli (1876). In Ihrem geschätzten Blatte war schön öfters
die Rede von Trennungen, welche aus religiösen Gründen in einigen jüdischen Gemeinden Deutschlands stattgefunden. Uns elsässischen Juden
schien dieses etwas ganz Unbegreifliches. Doch jetzt ist zu unserem
allgemeinen Erstaunen dergleichen in unserer Nähe zustande gekommen. In
dem benachbarten Sierenz ist nämlich schon seit einigen Wochen in der Gemeinde
Zwietracht ausgebrochen; zwar nicht aus religiösen Gründen, denn keine
der beiden Parteien verlangt Reformen, als 3jährigen Zyklus bei Vorlesung
der Tora, deutsche Gebeteinführung oder dergleichen. Hier handelt es sich
um nichts anderes als um materielle persönliche Beweggründe, um eine
nicht zu entschuldigende Rechthaberei. Dieser Tage nun hat die eine Partei
die Synagoge verlassen und hat
sich ein besonderes Bethaus errichtet, während die andere fortfährt, in
der Synagoge ihre Andacht zu
verrichten. Bereits haben gegenseitige Denunziationen bei den juristischen
Behörden als auch bei dem Konsistorium ihre Wirkung getan, jedoch nur in
dem Sinne, dass es bei den ersteren Geld gekostet, welches zu etwas
Besserem hätte verwendet werden können und dass sie bei dem letzteren,
das es an Ermahnungen zur Eintracht nicht fehlen ließ, zu keinem Resultat
führten. Wohin also diese skandalöse Geschichte noch führen wird, ist
unmöglich jetzt vorauszusehen. Zu wünschen wäre, dass beide Parteien
jede ihr eigenes Unrecht, nicht das der Gegenpartei einsehen möchten. Mögen
sie bedenken, dass auf Grund des
sinnlosen Hasses der zweite Tempel zerstört wurde, wodurch leider
diese unabsehbar lange Diasporazeit
entstand. Möge jeder ernst stark werden, da würden sie beiderseits zur
Einsicht gelangen dass: Friede ernährt, Unfriede verzehrt." |
Vereinsgründung der Kantoren der Rabbinate Hegenheim und Sierenz 1902
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. Februar 1902: "Aus dem
Ober-Elsass. Gelegentlich der im letzten Sommer stattgefundenen
Synagogeneinweihung in Sierenz beschlossen, einer Anregung des Herrn
Rabbiner Dr. Schüler, Hegenheim, folgend, die dort versammelten Kantoren
der Rabbinate Hegenheim und Sierenz zu einem Vereine zusammenzutreten.
Zwei ebenfalls anwesende Kollegen aus dem Rabbinate Rixheim erklärten
sich mit unserem Vorhaben einverstanden und versprachen,
sofort nach Gründung desselben beizutreten. Der Verein trat im August des
letzten Jahres ins Leben. Alle 14 Tage, an den freien
Sonntag-Nachmittagen, fanden regelmäßige Zusammenkünfte statt. Auf
Vertiefung und Erweiterung der im Beruf erforderlichen Kenntnisse wird
darin das Hauptgewicht verlegt. Darum widmen wir der Wiederholung der Bestimmungen
zur Schechita und der Durchnahme des Schulchan
Aruch den größten Teil der uns zur Verfügung stehenden Zeit.
Daneben wird auch der gesanglichen Weiterbildung einige Aufmerksamkeit
geschenkt. Wenn dann noch weiterhin, was wir beabsichtigen, die
Ausarbeitung und Abhaltung von Lehrproben auf dem Gebiete des
Religionsunterrichts hinzutreten wird, so werden die segensreichen Erfolge
unseres Vereins nicht nur an seinen Mitgliedern sichtbar sein, die in den
Sitzungen ausgestreute Saat wird auch im Gemeindeleben Blüten und Früchte
tragen. Nicht versäumen wollen wir aber, den Herren Rabbinern Dr. Schüler,
Hegenheim und Levy, Sierenz, unter deren Leitung unsere Sitzungen
stattfanden, an dieser Stelle unseren wärmsten Dank auszusprechen. Leider
ist Herr Rabbiner Levy durch seinen Gesundheitszustand gezwungen, den
Winter im Süden zu verbringen. Möge er dort die ersehnte Heilung finden.
E.S." |
Der Krieg bedroht auch viele Orte mit jüdischen
Gemeinden im Oberelsass (1914)
Anmerkung: die Zahl der jüdischen Gemeindeglieder bezieht sich auf ca.1890.
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 18. September 1914: "Hagenau, 10. September (1914).
Die schweren Kämpfe im Oberelsaß, die in letzter Zeit zwischen den
Franzosen und Deutschen ausgefochten wurden, erinnern uns daran, dass die
dortige Gegend ziemlich stark von Juden bewohnt ist, die jetzt nicht nur
zum großen Teil gezwungen waren, Heim und Herd zu verlassen, sondern
neben der schweren seelischen Not auch viel durch die Zerstörung von Hab
und Gut zu dulden haben. Es wohnen in dem vielgenannten Altkirch
289 jüdische Seelen, Hirsingen 74, Dammerkirch (Dannemarie)
15, Hagenbach 26, Bergheim
110, Grussenheim 314, Neubreisach
102, Blotzheim 62, Bollweiler
120, Ensisheim 27, Regisheim
154, Dürmenach 205, Hegenheim
169, Hüningen 50, Kolmar
1105, Dornach 202, Mülhausen
2271, Niederhagental 145, Niedersept
124, Pfastatt 73, Markirch
147, Rappoltsweiler 134, Habsheim
73, Rixheim 69, Sennheim
151, Wattweiler (Wattwiller) 37, St.
Ludwig 60, Kembs 50, Sierenz
113, Uffheim 120, Gebweiler
305, Sulz 182, Thann
163, Winzenheim 421 Juden. Die
meisten Familien, besonders in der Mülhauser Gegend, haben sich flüchten
müssen, viele davon haben sich während dieser schweren Zeit in der
Schweiz niedergelassen.". |
Berichte zu
einzelnen Personen aus der Gemeinde
Antijüdischer Richter (1872)
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. Juli 1872: "Mühlhausen. Die
‚Frankfurter Zeitung’ bringt unter ‚Mitteilungen aus dem Publikum’
Folgendes: ‚Ich bitte Sie, von Nachstehendem Notiz zu nehmen: Am 18.
Juni dieses Jahres stand vor dem Landgerichte zu Mühlhausen (Elsass) ein Israelit, namens Ullmann aus
Sierenz. So oft er aufgerufen wurde, tat dies
der Vorsitzende, Herr Hoffinger, immer unter Beifügung des Prädikates:
‚Jude’, wie denn besagter Richter, wenn er Ruhe gebieten will, dies
gewöhnlich mit dem Zusatze zu tun pflegt: ‚Stille, wir sind in keiner
Judenschule!’ – In ganz Mühlhausen ist diese eigentümliche
Ausdrucksweise des Herrn Richters bekannt." |
Zum Tod des aus Sierenz stammenden
Benoit Lang (in Baden, Schweiz, 1921)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 18. März
1921: "Zürich. Mit Benoit Lang verschied in Baden
der letzte der drei Brüder, die unverfälschtes Judentum nach der Schweiz
verpflanzten. sie stammten aus Sierenz im Elsass. In der
Überzeugung, dass nur die Tora die Judenheit erhalten könne, errichteten
sie Lehrstätten der Tora und förderten überall ihre Erhaltung. Die
Liebe zur Gotteslehre war der Herzpunkt, wo die drei Brüder
zusammentrafen. Der eine steuerte feurig und kämpfend, der andere ruhiger
und gemessen, aber unentwegt auf dieses Ziel los. Wer Gelegenheit hatte,
den seligen Benoit Lang beten zu sehen, wer ihn Mizwas Lulow erfüllen
sah, der bewunderte die titanenhafte jüdische Seele in diesem schwachen
Körper. Der Begriff Leben umspannte aber auch bei ihm wie bei den andern
Brüdern die aufrichtigste Liebe zu den Mitmenschen. Jeder Bedürftige
fand klingende und tröstende freundlich-ermutigende Aufnahme. Drei
Brüder waren es, und drei Dinge, die Lebensadern des Judentums haben sie
gehütet: Tora, Awoda (Gottesdienst) und Gemilus Chasodum
(Wohltätigkeit). (Israelitisches Wochenblatt für die
Schweiz)." |
Zur Geschichte der Synagoge
Eine erste Synagoge wurde 1757 erbaut. Sie wurde 1870
restauriert.
30 Jahre später wurde eine neue Synagoge erstellt. Ihre Einweihung
war am 31. Juli 1901.
Einweihung der Synagoge in Sierentz
(1901)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. August 1901: "Hegenheim,
5. August (1901). In Sierenz (Ober-Elsass), fand Mittwoch, den 31.
Juli, die Einweihung der neu erbauten Synagoge statt. Zahlreiche
Israeliten aus der ganzen Umgegend waren aus diesem Anlass erschienen. Die
Feier begann nachmittags in der alten Synagoge, wo Herr Rabbiner Dr.
Schüler, Hegenheim, den
Gefühlen der sich von ihrem Gotteshause verabschiedenden Gemeinde in
beredten Worten Ausdruck verlieh. In langem Zuge bewegten sich hierauf die
Festgenossen dem neuen Gotteshause zu, wo Herr Oberrabbiner Weill -
Colmar und Herr Gemeinderabbiner Levy in ihren Festreden Wesen
und Bedeutung der Synagogen schilderten. Den gesanglichen Teil hatten die
Kantoren der benachbarten Orte übernommen. Auch der christliche
Ortsgesangverein ließ es sich nicht nehmen, durch Vortrag von Liedern das
Fest zu verschönern. Wohltuend wirkte ebenfalls die Rede eines
christlichen Gemeinderatsmitgliedes, der seiner Freude über das
friedliche Einvernehmen zwischen den beiden Konfessionen ausdrückte. Ein
Festbankett gab der Feier einen schönen
Abschluss." |
Die Synagoge blieb Mittelpunkt des jüdischen Gemeindelebens
bis zur Deportation der letzten jüdischen Einwohner im Jahr 1940.
Adresse/Standort der Synagoge: alte
Synagoge stand an der Ecke Bach Gass und Haasen Gass
Fotos
Die Synagoge in Sierentz
(Quelle: Rothé / Warschawsky S. 180) |
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Grabsteine im jüdischen
Friedhof
in Hegenheim |
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Grabstein für Teodor
Levy
von Sierenz (gest. 1907)
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Grabstein für die
Ehefrau
von Jacob Ullmann in Sierenz
(gest. 1900) |
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Gedenken an Opfer der Shoa |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
 | Michel Rothé / Max Warschawski:
Les synagogues d'Alsace et leur histoire. Jerusalem 1992. S.
180. |
n.e.

vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
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